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ENERGIE/690: Antriebstechniken der Zukunft (eu*research)


research*eu - Nr. 61, Juli 2009
Magazin des Europäischen Forschungsraums

Antriebstechniken der Zukunft

Von Elisabeth Jeffries


In dem gewaltigen Medienrummel um das Hybridauto Prius, das Toyota 2001 auf den Markt brachte, und um die Einführung des ersten elektrischen Sportwagens des kalifornischen Unternehmens Tesla ist ein kleines, aber wichtiges Detail völlig untergegangen: das Problem mit der Batterie. Bevor diese Batterien den hohen Anforderungen im Automobilbereich gewachsen sind, muss erst noch die Batterietechnologie erheblich verbessert werden.


Selbst bei den besten tragbaren Computern ist mit einem Lithium-Ionen-Akku heute gerade einmal eine Laufzeit von eineinhalb Stunden möglich. Danach müssen sie wieder für mindestens zwei Stunden zum Aufladen ans Netz. Ein tragbarer PC ist ein stationäres Gerät, ein Auto dagegen ist mobil! Die heute erhältlichen Batterien sind daher ungeeignet für den Einsatz im Automobilbereich.

Bis die Lithium-Ionen-Batterien für den Einsatz in Stadtautos taugen, und das auch noch zu einem vernünftigen Preis, sind also noch erhebliche Anstrengungen notwendig. Wie Matthias Brock, der Sprecher der Daimler AG, betont "ist die Kostenfrage ein wesentlicher Faktor, und die Batterie macht einen wichtigen Teil des Fahrzeugpreises aus. Um wettbewerbsfähig zu werden, müssen wir daher den Preis für die Batterien senken. Aber dazu werden wir noch einige Jahre brauchen."

Paul Nieuwenhuis zufolge, einem Automobil-Experten der Cardiff University Business School (UK), liegt der Preis für die Batterie eines Standardhybridfahrzeugs bei etwa 17.000 EUR - das ist genau so viel, wie die Produktion des restlichen Fahrzeugs kostet. "Man kann davon ausgehen, dass der Preis für eine Batterie durch die Serienproduktion bis 2020 um die Hälfte sinken wird. Diese Massenproduktion wird mit den Plug-in-Hybridfahrzeugen beginnen, die man an der Steckdose aufladen kann ("Steckdosen-Hybridfahrzeuge") - aber die 'reinen' Batteriefahrzeuge werden ebenfalls von dieser Entwicklung profitieren", schätzt er.


Wettlauf um eine höhere Leistungsfähigkeit

Doch vorher müssen Elektroautos schneller und leistungsfähiger werden und eine größere Reichweite erzielen. Im Augenblick gibt es nur wenige Fahrzeuge, die es auf eine Reichweite von mehr als 60 km bringen. Derzeit sind viele der Modelle noch mit einer Nickel-Metallhydrid-(NiMH)-Batterie ausgerüstet. "Das sind die herkömmlichen Batterien für Elektroautos, und sie funktionieren auch", betont Saiful Islam von der Universität Bath (UK), einem der Mitglieder des europäischen Exzellenz-Netzes Alistore. Dass sie funktioniert, zeigt auch die kleine Flotte von Hybrid- und Elektroautos, die derzeit in einigen Städten erprobt werden, wie der Smart Car von Mercedes-Benz oder der Prius von Toyota.

Noch sind NiMH-Batterien zuverlässiger und preiswerter als Lithium-Ionen-Batterien. Allerdings, so erklärt Saiful Islam, "haben Lithium-Ionen-Batterien eine Reihe anderer Vorteile, vor allem eine höhere Energiedichte." Diese Eigenschaft kann sich erheblich auf das Gewicht der Batterien sowie auf die Speicherkapazität der kleinen Zellen auswirken, aus denen sie besteht. Wie Peter Bruce, Experte für Energiespeicherung an der schottischen Universität St. Andrews (UK), erklärt, lassen sich mit einer Lithium-Ionen-Batterie pro Zelle drei bis vier Volt erzeugen, bei den anderen Batterien sind es dagegen nur etwas mehr als zwei Volt pro Zelle. Auf diese Weise lässt sich die Zahl der Zellen pro Batterie reduzieren und so die Energiedichte erhöhen. Wenn man dieses Potenzial jedoch an eine Massenanwendung anpassen will, muss man die Leistung mehrerer Komponenten der Batterien verbessern.

Die heute erhältlichen Lithium-Ionen-Batterien haben jedoch einen entscheidenden Nachteil: Sie sind nicht sicher. Es ist schon vorgekommen, dass Batterien in tragbaren PCs noch während der Produktion explodiert sind. So etwas darf natürlich auf keinen Fall in einem Fahrzeug vorkommen, das sich bewegt. "Der Schlüssel zu Fortschritten in diesem Bereich sind die neuen Materialien", erklärt Saiful Islam.


Sichere und leistungsfähige Materialien

Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, hat der deutsche Chemieproduzent Evonik Degussa GmbH das Projekt Li-Tec gestartet, das aus einer Partnerschaft mit der Daimler AG hervorgegangen ist. Evonik hat ein neues Material entwickelt mit dem Namen SEPARTON®, das in einem wesentlichen Bestandteil der Batterie zum Einsatz kommt: der Trennfolie, auch "Separator" genannt. Wie sein Name schon sagt, trennt der Separator die beiden Elektroden, die Anode (+) und die Kathode (-), zwischen denen die Lithium-Ionen hin- und herwandern, also der Strom fließt. Eine der Aufgaben des Separators ist es, Kurzschlüsse zu verhindern. Gleichzeitig muss er jedoch durchlässig und porös genug sein, um die Ionen passieren zu lassen.

Die Separatoren bestehen gewöhnlich aus halbdurchlässigen Polymer-Membranen auf der Grundlage von Polyethylen oder Polypropylen. Diese Materialen sind jedoch brennbar, und sie verlieren bei Temperaturen über 140°C ihre Stabilität. Werden Batterien überladen, kann sich der Separator überhitzen, schmelzen und einen Kurzschluss auslösen. Dies kann zu einer Explosion führen.

Die Innovation von Evonik besteht darin, einen Separator zu entwickeln, der teilweise aus Keramik besteht. Der keramische Separator ist härter, gleichzeitig jedoch elastisch genug für die Perforation kleiner Poren, durch die die Elektronen passieren können. Die Idee eines keramischen Separators ist nicht neu. Aber Evonik hat sie modifiziert. "Keramik allein ist zu weich, und es war daher schwierig, einen Separator ausschließlich aus diesem Material herzustellen", erklärt Volker Hennige, der Leiter des Projekts Li-Tec. Stattdessen hat Evonik einen Kompositwerkstoff entwickelt, bei dem ein Trägermaterial aus einem Polymervlies keramisch beschichtet wird. "In den kleinen Speicherzellen wie denen eines tragbaren PCs kann man Membranen aus 100 % Polymer einsetzen, denn hier gibt es keine größeren Sicherheitsprobleme. Die gibt es nur bei größeren Zellen, die man für den Bau rentabler Elektrofahrzeuge braucht", betont Volker Hennige.

Der neue elektrische Sportwagen des kalifornischen Unternehmens Tesla, der Roadster, enthält Tausende kleiner Zellen anstelle einer kleineren Zahl größerer Zellen, vor allem, um das Explosionsrisiko in den Zellen zu reduzieren. Eine Vorsichtsmaßnahme, die sich allerdings im Preis niederschlägt - das Auto kostet über 120.000 EUR!


Verbesserung der Elektroden

"Das Material, aus dem bisher die Kathoden hergestellt werden, ist ein Hindernis für die Serienproduktion von Batterien", betont Saiful Islam. Eines der Forschungsziele ist, Kathoden zu entwickeln, die in der Lage sind, mehr Energie zu speichern und gleichzeitig die eingelagerte Lithiummenge zu erhöhen.

Werden in einer Lithium-Ionen-Batterie beide Elektroden über einen Stromkreis verbunden, wird chemische Energie freigesetzt. Beim Laden der Batterie wandern die Lithium-Ionen von der Kathode zur Anode, beim Entladen von der Anode zur Kathode. Die Anode besteht aus Graphit, die Kathode dagegen größtenteils entweder aus einer Metalloxidschicht, zum Beispiel aus Lithium-Kobalt-Oxid, oder aus einem Material auf der Basis von Polyanionen wie Lithium-Eisenphosphat oder Manganoxid-Spinell und Lithium-Manganoxid. Am häufigsten wird Lithium-Kobalt-Oxid verwendet. Allerdings "ist Kobalt nicht unproblematisch, denn es ist teuer und giftig", erklärt Saiful Islam.

Um Kobalt-Oxid zu ersetzen und die Serienentwicklung von Autobatterien zu ermöglichen, arbeiten die Wissenschaftler an der Entwicklung von Kathoden aus Oxiden auf der Grundlage von Eisen, Nickel oder Mangan sowie aus Lithium-Eisenphosphat (LiFePO4). Letztere weisen eine weit höhere Wärmeresistenz und eine höhere Stromintensität auf.

Noch ambitionierter sind die Forschungsprojekte, die auf die vollständige Ersetzung der Kobaltkathode setzen. Die Alternative ist eine Lithium-Sauerstoff-Batterie, in der das Lithium in die Elektrode eintritt und mit Sauerstoff reagiert, um Lithiumoxid zu produzieren. Die Ergebnisse dieser Versuche rechtfertigen die Annahme, dass sich auf diese Weise mehr Energie speichern lässt als mit herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien. Peter Bruce zufolge ermöglicht dieses System die Speicherung der fünf- bis zehnfachen Energiemenge im Vergleich zu den Lithium-Ionen-Batterien.


Notwendige Investitionen

Die laufenden Forschungsarbeiten erscheinen vielversprechend, und selbst wenn es noch Jahrzehnte dauert, bis diese Technologie gegenüber modernen Verbrennungsmotoren wettbewerbsfähig ist, so spielen Elektrofahrzeuge doch eine wesentliche Rolle in der europäischen Agenda. Im März 2009 hat die Europäische Kommission eine Milliarde Euro für die Entwicklung von umweltfreundlichen Fahrzeugen im Rahmen der Green Car-Initiative zur Verfügung gestellt, die Teil ihres Plans für die Ankurbelung der Wirtschaft ist. Ein Teil dieser Mittel ist für die Forschung an Batterien mit hoher Energiedichte, für Elektromotoren, für intelligente Netze zur Stromverteilung und für Ladesysteme reserviert.

Einer Untersuchung der HSBC-Bank zufolge belaufen sich die Anreize der Regierungen für den Bau von Autos mit geringem Kohlendioxid-Ausstoß auf internationaler Ebene auf 12 Mrd. EUR. Der größte Teil dieses Betrags ist reserviert für die Erforschung und Entwicklung leichterer Batterien und von Plug-in-Fahrzeugen sowie für Kredite oder Steuererstattungen für Verbraucher, die sich ein neues Fahrzeug mit niedrigem CO²-Ausstoß kaufen. Aber es muss noch mehr getan werden. Lew Fulton, ein Experte der Internationalen Energieagentur, erklärt, dass ein an der Steckdose aufladbares Hybridauto mit einer Reichweite von 50 km etwa 3000 EU mehr kosten würde als ein herkömmliches nicht aufladbares Hybridauto (bei dem die Batterie vom Verbrennungsmotor und beim Bremsen aufgeladen wird), wenn es gelingt, die Kosten für die Batterien auf 380 EUR je Kilowattstunde zu senken. "Wenn man bis 2020 zwei Millionen Hybridfahrzeuge auf den Markt bringen könnte, würde dies etwa 8 Mrd. EUR pro Jahr mehr kosten. Die Forschung an den Batterien und den Elektrofahrzeugen käme auf mehrere Hundert Millionen Euro jähdich, wenn ein zusätzlicher Teil der Mittel ausschließlich für die reinen Elektrofahrzeuge reserviert würde", betont Lew Fulton.

Die Entwicklung von Stromübertragungs- und Stromverteilungsnetzen, die für das Zeitalter der Elektro- und Hybridfahrzeuge geeignet sind, stellt eine weitere Herausforderung dar. Brauchen wir neue Kapazitäten für die Energieproduktion? Könnte die Entwicklung eines intelligenten Verteilungsnetzes - das sich auf die Informationstechnologie stützt, um im Minutentakt über den Verbrauch zu informieren - den Weg für eine weite Verbreitung der Elektrofahrzeuge ebnen?


Eine elektrische Kehrtwende kündet sich an

Das Aufladen von Batterieautos wird sicherlich die Nachfrage nach Energie erhöhen. Auf der anderen Seite könnte man jedoch auch die Fahrzeuge dazu benutzen, um Elektrizität ins Netz zurückzuspeisen. Da dies heute schon mit Bleibatterien möglich ist, dürfte es kein Problem sein, eine Verbindung zwischen dem Netz und den Elektrofahrzeugen herzustellen.

Gleichgültig, unter welcher Perspektive man sich dem Problem nähert, die Entwicklung von Elektrofahrzeugen ist ein sehr ehrgeiziges Unterfangen und erfordert mehr als alles andere riesige Investitionen. Ein Teil der Mittel der Green Car-Initiative wird allerdings auch für den Bau von saubereren und effizienteren Verbrennungsmotoren verwendet, sicherlich ein einfacherer Weg. Dies hat jedoch viele Autohersteller nicht davon abgehalten, auf die Entwicklung von Elektrofahrzeugen zu setzen. Matthias Brock von der Daimler AG sieht die Zukunft im Automobilbereich dreigleisig: "Elektroautos könnten in der Stadt eingesetzt werden, da sie eine begrenzte Reichweite haben. Für längere Strecken bleibt nach wie vor der Verbrennungsmotor aktuell. Wir konzentrieren uns jedoch auch auf die Brennstoffzelle, denn diese ist vollkommen CO2-neutral."

General Motors setzt ebenfalls auf die Entwicklung von Elektroautos. Trotz der Krise will der Konzern ab 2011 in Europa ein neues Hybridfahrzeug auf den Markt bringen, den Opel Ampera. Der Bau des Ampera wird auf jeden Fall weitergeben, was immer auch passiert, bestätigt Craig Cheetham, der Sprecher des amerikanischen Automobilriesen. Der Anstieg der Verkaufszahlen und die Verbesserung des Images von Toyota seit dem Start des Prius haben GM sicherlich diese Entwicklung schmackhaft gemacht. Dieses innovative Teil, das auf allen Automobilausstellungen die Aufmerksamkeit auf sich zieht, zeigt, dass sich in Zukunft auf dem Automobilmarkt einiges ändern wird, zumal auf lange Sicht mit einem weiteren Anstieg der Benzinpreise zu rechnen ist.



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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Festoxid-Brennstoffzellen (Solid Oxide Fuel Cell) und Teststand. Es ist den Wissenschaftlern gelungen, die Betriebstemperatur dieser Batterien um 100°C zu verringern.

Der Toyota Prius wurde erstmals auf der London Motor Show im Jahr 2006 vorgestellt.

Th!nk, norwegisches Elektrofahrzeug, das wahlweise mit einer Lithium-Ionen-Batterie betrieben werden kann.

Zusammenbau einer Lithium-Ionen-Batterie im LRCS von Amiens.

Mathieu Morcrette, Direktor des Laboratoire de Réactivité et Chimie des Solides (LRCS) in Amiens (FR) beim Zusammenbau einer Lithium-Ionen-Knopfbatterie in einem Schutzkasten.


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Quelle:
research*eu - Nr. 61, Juli 2009, Seite 29 - 31
Magazin des Europäischen Forschungsraums
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2009