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ENERGIE/702: Supraleitender Kurzschlußstrombegrenzer schützt Eigenversorgung im Kraftwerk (idw)


Brandenburgische Technische Universität Cottbus - 28.01.2010

Supraleitender Kurzschlussstrombegrenzer schützt Eigenversorgung im Kraftwerk

Herstellerfirma des neuartigen Strombegrenzers spricht von "Weltpremiere"


Am Donnerstag, 28. Januar 2010, startet im Kraftwerk Boxberg ein einjähriger Feldversuch, bei dem weltweit erstmalig ein supraleitender Kurzschlussstrombegrenzer in einem Kraftwerkseigenbedarfsnetz implementiert wird.

Damit hat Prof. Dr. Klaus Pfeiffer, der als Gastprofessor den Lehrstuhl Dezentrale Energiesysteme und Kraftwerkselektrotechnik an der BTU inne hat, den Erfolg erzielt, an dem er seit mehreren Jahren im Rahmen eines Drittmittelprojektes arbeitete. Möglich wurde all dies durch die Zusammenarbeit der BTU mit Vattenfall Europe Generation, die das Hürther Unternehmen Nexans SuperConductors für die Entwicklung und den Bau des Prototyps beauftragte.

Der jetzt anlaufende Feldversuch dient der Analyse des Betriebsverhaltens und zum Sammeln von Praxiserfahrungen.
Kurzschlussstrombegrenzer im Allgemeinen reduzieren die thermischen und dynamischen Beanspruchungen der elektrischen Anlagen, allerdings ist dies mit unerwünschten Auswirkungen auf das Betriebsregime und damit auf die Verfügbarkeit der Anlagen verbunden. Der große Vorteil, den dieser neuartige Strombegrenzer bietet, liegt in seiner sehr guten Anpassbarkeit an die Gegebenheiten seines Einsatzortes, wodurch die bisherigen und langjährig bewährten Betriebskonzepte der Kraftwerkseigenbedarfsanlagen nicht beeinflusst werden. Darüber hinaus führt der Einsatz dieses Strombegrenzers auch zu großen Kosteneinsparungen, da die elektrischen Anlagen nur noch für sehr geringe Kurzschlussstrombeanspruchungen ausgelegt werden müssen. Insbesondere die derzeit hohen Aufwendungen für die Störlichtbogensicherheit der Anlagen können weitestgehend entfallen. Zudem wird die Anlagensicherheit beträchtlich erhöht.

Die spezielle Situation im Kraftwerk war für Prof. Pfeiffer eine große Herauforderung: "In Kraftwerkseigenbedarfsanlagen spielen viele leistungsstarke Motoren eine große Rolle." sagt Prof. Pfeiffer. "Wir finden hier Motoren mit Leistungen im Bereich von 10 Megawatt und mehr vor, die beim direkten Anlaufen sehr hohe Ströme verursachen. Eine unserer Aufgaben bestand deshalb darin, einen geeigneten Bereich für die Strombegrenzung zu konzipieren, damit die hohen Anlaufströme den Strombegrenzer nicht zum Ansprechen bringen." Der entwickelte Prototyp ist für einen Bemessungsstrom von 800 Ampere ausgelegt, muss temporär aber auch transiente Einschaltströme von 4.100 Ampere und die sich anschließenden stationären Einschaltströme bis zu 1800 Ampere über eine Dauer von ca. 15s beherrschen, ohne die Begrenzerfunktion auszulösen. Die begrenzten Kurzschlussströme liegen im Bereich von 7.000 Ampere, dem gegenüber stehen die bisherigen Kurzschlusswerte im Bereich von 23.000 Ampere.

Das Wirkprinzip des Kurzschlussstrombegrenzers ist wie folgt: Im Normalbetrieb ist der Kurzschlusstrombegrenzer im supraleitenden Zustand. Überschreitet der Strom im Supraleiter jedoch den so genannten kritischen Strom, zum Beispiel bei einem Kurzschluss, geht der Supraleiter, ein spezielles keramisches Material, in den normalleitenden Zustand über und wird damit im Gegensatz zum Zustand der Supraleitung hochohmig. Dies geschieht völlig automatisch und in Bruchteilen einer Sekunde.

"Das Großartige an diesem Begrenzer ist, dass er zudem eigensicher ist" ergänzt Prof. Pfeiffer. Der Begrenzungsvorgang wird durch den Kurzschlussstrom selbst ausgelöst, es sind keine zusätzlichen Messwandler oder elektronische Auslöser erforderlich. Der supraleitende Strombegrenzer nimmt nach der Rückkühlung im Falle eines Kurzschlusses seine Funktion und seinen Ausgangszustand selbständig wieder ein.

Die Entwicklung des supraleitenden Materials sowie der Bau des Prototyps erfolgte bei dem Hürther Unternehmen Nexans SuperConductors im Auftrag von Vattenfall Europe Generation. Die Spezifikation des Gerätes sowie die weiteren vorbereitenden Untersuchungen zum Einsatz lagen an der BTU bei Prof. Pfeiffer. Er lieferte mit seinen Arbeiten nicht nur die Grundlage für den Praxiseinsatz, sondern mit seinen Industriekontakten ist es ihm auch gelungen, die BTU als Bindeglied zwischen theoretischer Forschung und Entwicklung einerseits und industrieller Fertigung und Anwendung andererseits zu präsentieren.. Der BTU ist mit dieser Neuentwicklung und ihren Partnern aus der Industrie der Coup gelungen, den sich die Politik immer wünscht: Durch Innovationen aus der Universität und in Kooperation mit Partnern aus der Wirtschaft wurde ein neues Produkt entwickelt, das bislang nicht kommerziell auf dem Markt verfügbar ist.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution193


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Brandenburgische Technische Universität Cottbus, Dr. Marita Müller,
28.01.2010 12:00
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2010