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ENERGIE/753: Solarzellen-Markt im Umbruch (impulse - Uni Bremen)


Universität Bremen - impulse aus der Forschung Nr. 1/2010

Solarzellen-Markt im Umbruch

Photovoltaik mit aktiven organischen Materialien

Dieter Wöhrle, Olaf Rüdiger Hild und Günter Schnurpfeil


Strom aus Sonnenenergie gewinnt auch in Deutschland an Bedeutung. Dennoch sind die Kosten für Solaranlagen noch zu hoch, um ohne Subventionen wirtschaftlich arbeiten zu können. Chemiker am Institut für Organische und Makromolekulare Chemie der Universität Bremen entwickeln zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Photonische Mikrosysteme in Dresden neue, günstigere Solarzellen aus organischen Materialien. Die neuen Zellen werden immer effektiver und erreichen bereits die Wirkungsgrade herkömmlicher amorpher Silizium-Zellen. Sie könnten schon bald den Markt für Solarzellen umkrempeln.


Es gehört zu den zentralen Herausforderungen der Zukunft, den steigenden Energiebedarf in der Welt ausreichend zu versorgen. Auch wenn immer neue Quellen erschlossen werden ist doch der Vorrat an fossilen Ressourcen begrenzt. Die Idee, mit nuklearen Brennstoffen eine langfristige und kostengünstige Alternative zu haben, ist hinreichend geplatzt, nicht zuletzt wegen der unabsehbaren Folgekosten und der Entsorgungsprobleme.

Neben der Energieeinsparung durch rationellere Nutzung bleibt als Ausweg die Verwendung unbegrenzter erneuerbarer Energiequellen. Der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch lag 2008 in Deutschland bereits über sieben Prozent, besonders geprägt durch die Windenergie. In Zukunft wird auch die Nutzung solarer Einstrahlung an Bedeutung gewinnen, denn der Eintrag an Lichtenergie durch Solarstrahlung übersteigt den Weltprimärenergieverbrauch um das 15.000-fache.

Bei der Umwandlung von solarer Einstrahlung in elektrische Energie haben sich photovoltaische Zellen auf der Basis von Halbleitern wie Silizium bewährt. Dazu werden die anorganischen Halbleiter dotiert, also mit fremden Atomen bestückt. In der Praxis liegen die Wirkungsgrade heute bei 15 Prozent. So liefert die 17 Quadratmeter große Photovoltaikanlage des Autors Wöhrle etwa 1500 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr und deckt damit etwa ein Drittel seines Strombedarfs.

Dennoch ist der Preis für die gewonnene elektrische Energie derzeit noch zu hoch und es wird intensiv nach Alternativen zu den bisherigen Solarzellen gesucht. Hoffnung auf effizientere Energieausbeute machen zurzeit photovoltaische Zellen, die organische Materialien als aktive Komponenten enthalten. Sie stehen kurz vor der Markteinführung.


Organische Materialien holen auf

Dass man aus preiswerten Materialien Solarzellen mit recht hohen Wirkungsgraden herstellen kann, belegen sogenannte Farbstoffsensibilisierungs-Solarzellen (DSSC). Schon 1991 wurde von Michael Grätzel aus Lausanne eine Farbstoffsensibilisierungs-Solarzelle vorgestellt, die unter Einstrahlung von sichtbarem Licht einen Wirkungsgrad von etwa acht Prozent erreichte. Heute werden in derartigen Zellen Wirkungsgrade bis nahezu elf Prozent gemessen.

Damit in einer derartigen Photovoltaik-Zelle Strom fließt, braucht es eine Arbeitselektrode, eine Gegenelektrode sowie eine leitende Substanz dazwischen. Die Arbeitselektrode einer DSSC-Zelle enthält als Basis elektrisch leitfähiges Glas (FTO, Fluor-dotiertes Zinndioxid auf Glas), auf dem sich eine 0,02 Millimeter dünne Schicht des farblosen, nanoporösen anorganischen Halbleiters Titandoxid (TiO2) befindet (siehe Grafik). Das Titandioxid wird mit geringen Mengen eines Farbstoffes beladen. Der Farbstoff nimmt sichtbares Sonnenlicht in Form von Photonen auf und sammelt damit Energie, die er dann als Elektron auf das Titandioxid überträgt. Aus Licht wird elektrische Energie.

Als leitendes Medium zwischen den beiden Elektroden dient eine Elektrolytlösung, die ein reversibles Redoxpaar aus Jod und Jodid enthält. So ein Redoxpaar dient dazu, Elektronen aufzunehmen und an anderer Stelle wieder abzugeben. Die Gegenelektrode besteht aus Platin auf Glas oder aus einem aktivem Kohlenstofffilz. Ist jetzt ein Verbraucher angeschlossen, kommen die Elektronen in Bewegung, und ein Strom fließt von der Arbeitselektrode zur Gegenelektrode. Das Jod im flüssigen Elektrolyten nimmt dort die Elektronen auf und transportiert sie als Jodid wieder zurück zur Titandioxid-Elektrode, wo wiederum der Farbstoff seine Elektronen zurück erhält. Damit ist der Stromkreislauf geschlossen, alle Vorgänge sind reversibel und können durch Aufnahme von Licht erneut ablaufen.


Preiswert aber anfällig

Für die Qualität der Zellen ist zunächst wichtig, dass möglichst viel absorbiertes Licht in Ladungsträger umgewandelt wird, also Photonen in Elektronen (Photostrom-Aktions-Spektrum). Geeignete Farbstoffe können bis 90 Prozent des absorbierten Lichtes in Elektronen umwandeln. In der Praxis interessiert aber eher die Effizienz der gesamten Energieumwandlung.

Der Wirkungsgrad bemisst sich an der gewonnenen elektrischen Energie im Verhältnis zur Energieeinstrahlung der Sonne. In seine Berechnung fließen auch die Spannung im Leerlauf und die Stromstärke bei Kurzschluss mit ein, zwei wichtige Parameter für die Qualität der Zellen. Bei einer DSSC-Zelle ergeben sich eine Leerlauf-Spannung von etwa 0,7 Volt und eine Stromstärke von etwa 20 Milliampere pro Quadratzentimeter. Sie erreichen einen Wirkungsgrad von 10 bis 12 Prozent. Durch Reihenschaltung von Zellen lässt sich die Spannung und durch Parallelschaltung von Zellen die Stromstärke beliebig erhöhen.

Im Vergleich zu den Silizium-Solarzellen betragen die Kosten zur Stromproduktion bei DSSC-Zellen nur etwa ein Drittel. Dennoch gibt es noch Probleme bei der Vermarktung. Die reproduzierbare Herstellung von Modulen mit großen aktiven Flächen ist noch nicht ausgereift. Und auf Dauer führt der flüssige Elektrolyt zu Korrosion und gefährdet die Stabilität der Zelle. Zur Lösung wird derzeit an Feststoffelektrolyten gearbeitet.


Organische Feststoff-Solarzellen

Das Problem der Korrosion wird bei organischen Feststoff-Solarzellen umgangen, da diese keinen flüssigen Elektrolyten benötigen, sondern aus festen dünnen Schichten aufgebaut sind. Hier bereitet jedoch der komplexe vielschichtige Zellenaufbau Probleme, der bisher lediglich Wirkungsgrade von sechs bis acht Prozent zulässt. Basismaterial für diese Zellen sind organische Halbleiter, die sich aber grundsätzlich vom Festkörperaufbau anorganischer Halbleiter wie Silizium unterscheiden.

Beim Festkörper Silizium sind die Atome durch Atombindungen verknüpft, was eine enge Packung und recht gute elektrische Leitfähigkeit ergibt. In dieses Atomgitter werden sehr geringe Mengen anderer Elemente wie Phosphor oder Bor fest eingebaut (Dotierung), die Störstellen bilden und die Leitfähigkeit weiter erhöhen. Vor allem aber machen die eingebauten Elemente aus dem Silizium entweder einen n-Leiter (Elektronenleiter) oder einen p-Leiter (Lochleiter). Der Kontakt nun zwischen einem n- und p-Leiter ist die Voraussetzung zur Erzeugung elektrischer Energie unter Belichtung.

Im organischen Halbleiter hingegen liegen einzelne Moleküle vor, die aber keine Atombindungen untereinander eingehen. Entsprechend schlecht ist die elektrische Leitfähigkeit. Manche dieser organischen Festkörper verhalten sich entsprechend der energetischen Lage ihrer Moleküle bereits als p- oder n-Leiter (siehe Grafik). Durch Dotierung, in diesem Fall durch Einmischen von organischen Akzeptoren oder Donoren, wird dieses Verhalten verstärkt und auch die Leitfähigkeit erhöht. Sind die organischen p- und n-Leiter farbig, können sie Sonnenlicht absorbieren und als Solarzelle dienen.


Dünnste Schichten leiten den Strom

Zur Herstellung der Zellen werden die organischen Materialien schichtweise auf leitendes Glas aufgetragen. Für biegsame Solarzellen wird auch flexibler, leitfähiger Kunststoff verwendet. Eine nur 200 Nanometer dicke Metallschicht (= 0,0002 Millimeter) dient als Gegenelektrode. Auch die organischen Schichten sind mit 10 bis 200 Nanometern nur staubkorndünn. Dies hat mehrere Gründe, der wichtigste ist jedoch der schnelle Transport der unter Belichtung gebildeten Ladungsträger, bevor sie in dem vergleichsweise schlecht leitenden Material wieder neutralisiert werden.

Vor etwa zehn Jahren war der Aufbau einer organischen Feststoff-Solarzelle recht einfach: leitendes Glas, organischer n-Leiter, organischer p-Leiter, dünne Metallschicht. Diese einfachen p-n-Zellen erreichten lediglich Wirkungsgrade von 0,5 bis 1 Prozent. Inzwischen wurde diese einfache Konfiguration durch weitere Schichten optimiert. Auf der Seite des leitenden Glases wurde eine organische Lochtransportschicht wie dotiertes MeOTPD eingeführt, auf der Seite der Metallelektrode eine organische Elektronentransportschicht, zum Beispiel dotiertes C60. Der Aufbau solcher p-i-n-Zellen ist nun: leitendes Glas, Lochtransportschicht, intrinsische Absorberschicht, Elektronentransportschicht, dünne Metallschicht. Die intrinsische Absorberschicht enthält die Halbleiter, die das Sonnenlicht absorbieren.

Die Energielagen sind fein ) aufeinander abgestimmt: Sonnenlicht wird in der intrinsischen Absorbersicht absorbiert. Es bildet sich im angeregten Zustand ein Elektron-Loch-Paar mit einem negativen Elektron und einem positiven sogenannten Loch. Das Elektron-Loch-Paar muss nun möglichst schnell getrennt werden. Das Loch wird durch die Lochtransportschicht ausgeglichen und wandert zum leitenden Glas. Das Elektron hingegen bewegt sich über die Elektronentransportschicht zur Metallelektrode. Beim Anschließen eines Verbrauchers fließt dann Strom.


Wirkungsgrade steigen stetig an

Bei derartigen p-i-n-Zellen wurden Wirkungsgrade bis zu 3,4 Prozent gemessen. Der Trick für höhere Wirkungsgrade besteht jetzt in gestapelten Zellen in denen zwei p-i-n-Zellen aufeinander aufgebaut sind. Durch diese Reihenschaltung ergeben sich zurzeit Wirkungsgrade von über 7 Prozent. Die Entwicklung organischer Feststoffsolarzellen boomt, und alle paar Monate wird durch Verwendung neuer Materialien oder Zellkonfiguration über noch bessere Wirkungsgrade berichtet.

Die Photovoltaik mit aktiven organischen Komponenten ist bereits heute für zahlreiche Anwendungen durchaus geeignet: Für mobile oder Indoor-Anwendungen sind leichte, teilweise transparente und flexible Module attraktiv. Mit steigender Effizienz und Lebensdauer wird nach und nach auch der Einbau in Dach- und Fassadenkonstruktionen wirtschaftlich werden. Bei geringem Eigengewicht kann die Anlage in Farbe oder Struktur vielfältig gestaltet werden. Von entscheidender Bedeutung für die Markt-Relevanz der organischen Solarzellen wird jedoch sein, wie sich die Kosten im Vergleich zu anderen Techniken entwickeln.

Weitere Informationen:
www.chemie.uni-bremen.de/woehrle/IOMC.html


Dieter Wöhrle lehrt und forscht seit 1975 an der Universität Bremen. Er befasste sich in über 370 Publikationen und Büchern mit niedermolekularen und polymeren Metallkomplexen und Farbstoffen. Diese wurden u.a. in Lösung als Photosensibilisatoren und im Festzustand als Leiter und photoaktive Materialien untersucht. Zurzeit werden für verschiedene Gruppen in Forschung und Industrie Materialien für die organische Elektronik hergestellt. Mehrfach war Dieter Wöhrle als Gastprofessor in Japan und Russland. Er erhielt mehrere Auszeichnungen.

Olaf Rüdiger Hild studierte Chemie an der Universität Bremen und promovierte 2004 in der Arbeitsgruppe von Prof. Wöhrle über die Elektropolymerisation von Phthalocyaninen und Porphyrinen. 2004 trat er in der Fraunhofer Gesellschaft am Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS) in Dresden im Bereich organische Materialien und Systeme (OMS) eine Stellung an. Dort leitet er seit 2008 die Arbeitsgruppe Prozesstechnologie und Integration (PTI).

Günter Schnurpfeil studierte Chemie-Ingenieurwesen an der HS Niederrhein und Chemie an der TU Hannover und Universität Bremen und promovierte 1992 in der Arbeitsgruppe von Prof. Wöhrle über die Synthese, Charakterisierung und Eigenschaften von Porphyrinen, Perylentetracarbonsäurediimiden und Rubicenderivate. Er ist seit der Promotion am IOMC tätig und befaßt sich mit niedermolekularen Metallkomplexen und polycyclischen Aromaten die ihren Einsatz als Photosensibilisatoren und im Festkörper als Leiter und photoaktive Materialien finden, außerdem mit flüssigkristallinen Diepoxiden für das Fügen und Verbinden von Mikrostrukturen.


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Quelle:
Universität Bremen - impulse aus der Forschung
Nr. 1/2010, Seite 14-17
Herausgeber: Rektor der Universität Bremen
Redaktion: Eberhard Scholz (verantwortlich)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2010