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ENERGIE/771: Wie viel Energie aus Offshore-Anlagen kommt wirklich an? (idw)


Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), Dipl.-Journ. Erika Schow, 30.09.2010

Wie viel Energie aus Offshore-Anlagen kommt wirklich an?

Europäisches Kooperationsprojekt entwickelt die Messtechnik für die Energieübertragung mittels Gleichstrom - Gemeinsame Presseinformation mit der Technischen Universität (TU) Braunschweig


Windkraft dort nutzen, wo der Wind am stärksten bläst - eine faszinierende Idee. Die ersten Offshore-Anlagen entstehen bereits, viele weitere sind geplant. Doch je weiter sie von der Küste entfernt liegen, desto drängender wird das Problem der möglichst verlustarmen Übertragung des Stromes. Auf weite Strecken geht das nur mit Gleichstrom. Um die unvermeidlichen Verluste auch hier genau zu erfassen und um für ein zukünftiges Netz von Gleichstrom-Übertragungswegen eine messtechnische Infrastruktur aufzubauen, ist jetzt ein europäisches Kooperationsprojekt gestartet, an dem eine Vielzahl von Metrologie-Instituten beteiligt ist. Der Startschuss dafür kam aus Braunschweig, von einer engen Kooperation der Technischen Universität (TU) und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die beide jetzt intensiv an dem neuen Projekt beteiligt sind.

Schon jetzt werden die Netze eng. Das europäische Hochspannungs-Verbundnetz ist völlig ausgelastet. Weitere Energieerzeuger, etwa Wind-, Wasser- oder Sonnenkraftwerke, lassen sich kaum noch anschließen; neue Wege für den Strom müssen her. Weil Hochspannungsleitungen oftmals am Protest der Anwohner scheitern und bei Offshore-Anlagen sowieso nicht in Frage kommen, müssen unterirdische Kabel her. Geplant ist nichts weniger als ein neues Übertragungsnetz über ganz Europa. Will man Strom über Kabel und so weite Strecken übertragen, dann geht das nur mit Gleichstrom, denn dabei sind die Verluste geringer.

Aber die bisherigen Netze funktionieren mit Wechselstrom. Das ist so, seit Ende des 19. Jahrhunderts die Entscheidung für die großflächige Verteilung von Strom gegen den Gleichstrom gefallen war. Denn damals gab es nur für Wechselstrom einfache und wirkungsvolle Möglichkeiten, ihn mit hoher Spannung und damit ohne große Verluste zu übertragen. Längst ist das nicht mehr so. Und seit die Halbleiter-Elektronik neue Hochleistungs-Schalter entwickelt hat, die es ermöglichen, auch hohe Leistungen effizient von Gleich- auf Wechselstrom und zurück umzuformen, steht dem neuen Gleichstromnetz im Prinzip nichts mehr im Wege.

Bereits jetzt gibt es regenerative Energieerzeugungsanlagen, die ihren Strom per Gleichstromkabel liefern. Bei der Einspeisung ins Hochspannungs-Verbundnetz muss er in Wechselstrom transformiert werden. "Wie hoch die Transportverluste dabei sind, kann man bisher nur beim Wechselstrom messen - der ganze Bereich des Gleichstromes ist für uns noch eine 'Black Box'", erklärt Wolfgang Lucas, der bei der PTB für das Projekt verantwortlich ist.

Denn genormte Messtechnik existiert bisher nur für Wechselstrom. Es wird Zeit, die gesamte messtechnische Infrastruktur auch auf die Gleichstromtechnik auszuweiten. Diese Infrastruktur hat eine wissenschaftliche Seite, etwa die Entwicklung von immer besseren Messgeräten. Und es gibt eine bürokratische Seite, nämlich ein gut funktionierendes System der Überprüfung dieser Messgeräte. Die PTB ist in Deutschland die oberste Instanz für die Bauartprüfung etwa von Elektrizitätszählern; bisher nur für Wechselstrom. "Aber wir sind schon gut für die Gleichstromtechnik gerüstet", betont Lucas.

Die Technische Universität Braunschweig hat im Projekt die Aufgabe, die Verluste der Hochleistungsschalter in den Konvertern der Hochspannungs-Gleichstrom-Stationen näher zu untersuchen und zu verringern. Der Projektverantwortliche Michael Kurrat betont: "Der Startschuss kam aus Braunschweig, aus der außerordentlich gut funktionierenden Zusammenarbeit zwischen TU und PTB gerade auf diesem Gebiet."

Die weiteren Beteiligten des Projektes sind die metrologischen Staatsinstitute von Schweden (wo auch die Projektleitung liegt), den Niederlanden, der Türkei, Italien, Großbritannien und Finnland. Es wird finanziert im Rahmen des Europäischen Metrologie-Forschungsprogrammes (European Metrology Research Programme, EMRP), mit dem die europäischen Metrologie-Institute ihre Forschung koordinieren, ist am 1. September offiziell gestartet und soll zunächst drei Jahre lang laufen. Die Teilnehmer erwarten entscheidende Anstöße für das europäische Hochspannungs-Gleichstrom-Netz, wie es für Projekte wie "Desertec" benötigt wird. Andere Bereiche, in denen Gleichstrom eine Rolle spielt, etwa für Photovoltaikanlagen oder Elektroautos, werden ebenfalls davon profitieren.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution395


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB),
Dipl.-Journ. Erika Schow, 30.09.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2010