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GESCHICHTE/027: Der Aerokartograph von Hugershoff (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 20 vom 9. Dezember 2008

Der Aerokartograph von Hugershoff
Wissenschaftler als Namensgeber in der Geschichte der TU Dresden (27)

Von Klaus Mauersberger, Kustodie


Die TU Dresden kann auf eine reiche Tradition auf dem Gebiet der Photogrammetrie und Luftbildmessung verweisen. Namentlich bei der Kartierung großer Flächen wie Waldgebiete griff man auf die Auswertung von Aufnahmen aus der Luft zurück, die um 1900 in der Geodäsie Einzug hielt. So kam es nicht von ungefähr, dass der Forstgeodät Reinhard Hugershoff von der Forstakademie Tharandt auf diesem Gebiet jene Pionierleistungen vollbrachte, die nach der Angliederung dieser Einrichtung an die TH Dresden im Jahr 1929 in die Annalen unserer Universität eingegangen sind. Neben Ernst Wandersleb, Forschungsleiter bei Carl Zeiss Jena, zählt Hugershoff zu den Wissenschaftlern, an deren Namen die entscheidenden Fortschritte in der frühen Luftbildmessung und -auswertung geknüpft sind. Vor allem der Erste Weltkrieg brachte einen Schub an entsprechenden Aktivitäten, hielt man doch mit der Photogrammetrie ein modernes Instrument der Feindaufklärung und Artillerielenkung in der Hand. Neben Hugershoff waren auch der Inhaber des Lehrstuhls für Wissenschaftliche Photographie an der TH Dresden, Robert Luther, sowie sein Schüler und späterer Professorenkollege Emanuel Goldberg als Kriegsfreiwillige bei einer Feldflieger-Abteilung in Frankreich im Einsatz. Luther näherte sich diesem Gebiet aus seiner Vorliebe für die Stereofotografie heraus. Von den Luftaufnahmen aus Parseval-Luftschiffen und sogenannten "Drachenballons" sind im wissenschaftlichen Nachlass Luthers etliche Stereonegative erhalten geblieben.

Hugershoff setzte anfangs nicht auf die stereoskopische Entfernungsmessung, sondern bevorzugte die monoskopische Ausmessung der Bilder. Große Beachtung fanden seine beiden innovativen Konstruktionen, der 1920 gemeinsam mit der Firma Gustav Heyde in Dresden (heutiger Nachfolger: Feinmess Dresden GmbH) entwickelte "Autokartograph" sowie der 1926 folgende berühmte "Aerokartograph". In dieser Zeit gründete Hugershoff die "Aerotopograph GmbH Dresden". Bildmesseinrichtungen verkörpern ein komplexes instrumentelles System, wozu neben den Spezialkameras, den sogenannten Messkammern, Komparatoren zur inneren Orientierung sowie spezielle Bildmess-Theodoliten, Entzerrungs- und Auswertungsgeräte gehören. Hohe Ansprüche wurden neben der Präzisionsmechanik an die optischen Komponenten gestellt. Vor allem Carl Zeiss Jena entwickelte in der Weimarer Republik leistungsfähige Objektive zur terrestrischen und Luftbildmessung (z.B. ein verzeichnungsfreies "Tessar"). Was lag näher, als mit dem Weltkonzern zu kooperieren. 1931 gelang es, den namhaften Wissenschaftler und seine Firma an die Jenaer Bildmessabteilung zu binden. Die "Zeiss-Aerotopograph GmbH" trat in den Folgejahren unter der Leitung von Hugershoff mit der Entwicklung bedeutender Bildmesseinrichtungen hervor.

1882 in Leubnitz bei Werdau geboren, nahm Hugershoff nach dem Abitur im Jahr 1903 ein Geodäsiestudium an der TH Dresden auf, war hier auch als Assistent bei Bernhard Pattenhausen am Geodätischen Institut tätig, wo er sich 1910 habilitierte. 1912 wurde er zum ordentlichen Professor für Mathematik und Vermessungskunde an das Institut für Forstingenieur- und Luftbildwesen der Tharandter Forstakademie berufen. Als Direktor dieses Instituts blieb er der TH Dresden verbunden, so hielt er Vorlesungen im Fach Photogrammetrie vor Bauingenieuren, später fungierte er hier als kommissarischer Professor für Geodäsie und kurz vor seinem Tode noch als ordentlicher Professor daselbst. Im Zuge der Umwandlung der Tharandter Einrichtung zur Forstlichen Abteilung der TH Dresden figurierte Hugershoff als Inhaber des Lehrstuhls für Vermessungswesen und Photogrammetrie, als stellvertretender Direktor des Instituts für Forstingenieurwesen und Luftbildmessung sowie einige Zeit als Abteilungsvorstand. 1939/40 sehen wir ihn abermals im Kriegsdienst, 1941 starb Hugershoff in Dresden infolge eines Herzinfarktes. Er hinterließ anerkannte Marksteine in der Entwicklung der Geodäsie und Photogrammetrie, wovon mehr als 70 Publikationen, darunter Standardlehrbücher, sowie ca. 100 Patente Zeugnis ablegen. So wurde z.B. ein Rechenverfahren des räumlichen Rückwärtseinschneidens nach Hugershoff und Crantz benannt (1919). Weniger bekannt ist, dass in der Antarktis eine Bucht auf der Arctowski-Halbinsel nach ihm benannt wurde, die "Hugershoff-Cove". Äußerst kritisch zu sehen ist hingegen sein politisches Engagement. Frühzeitig setzte er sich für den kolonialen Gedanken kaiserdeutscher Expansionspläne ein. Bereits 1930 wurde er Mitglied der NSDAP, machte eine Karriere in der SA, wo er bis zum Sturmhauptführer aufrückte, auch agierte er als Gebietsbeauftragter im NS-Dozentenbund. Der überzeugte Nationalsozialist Hugershoff machte seine Erfindungen aus freien Stücken der NS-Rassenforschung dienstbar. Auch auf die dunklen Seiten einer umstrittenen Forscherpersönlichkeit muss in diesem Zusammenhang hingewiesen werden.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 19. Jg., Nr. 20 vom 09.12.2008, S. 10
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2009