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INFORMATIONSTECHNOLOGIE/852: Studie zum beweissicheren elektronischen Laborbuch (idw)


Universität Kassel - 02.10.2013

Universität Kassel legt Studie zum beweissicheren elektronischen Laborbuch

Forscher der Universität Kassel haben ein Konzept für ein beweissicheres elektronisches Laborbuch entwickelt. Es ermöglicht, die Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis nachzuweisen und unbegründete Vorwürfe wissenschaftlichen Fehlverhaltens abzuwehren.



Forschungsdaten gerichtsfest und beweiskräftig sichern:
Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler belegen ihre Erkenntnisse, indem sie ihre Experimente und Beobachtungen protokollieren. Nur dann genügen sie den Standards der guten wissenschaftlichen Praxis. Ihre Aufzeichnungen machen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Laborbuch (auch Laborjournal genannt). Da Forschungsprimärdaten fast nur noch elektronisch erhoben werden, wird auch das Laborbuch zunehmend elektronisch geführt. Elektronische Laborbücher (kurz: eLab) bieten zwar Vorteile gegenüber einer Dokumentation aus Papier. Sie haben jedoch den Nachteil, dass Daten leicht verfälscht werden können. Auch sind sie in ihrer Wahrnehmung von Hard- und Software abhängig.

Wie man bei elektronischen Laborbüchern die Verfügbarkeit, die Vollständigkeit, die Integrität, die Authentizität sowie die Lesbarkeit und Interpretierbarkeit der Daten langfristig sicherstellen kann, beantworteten nun Forscher aus Kassel, Braunschweig und Karlsruhe. Die interdisziplinäre Projektgruppe aus Physikern, Informatikern und Juristen untersuchte gemeinsam, wie die Beweiswert erhaltende Langzeitarchivierung von digitalen Forschungsprimärdaten umgesetzt werden kann.

In dem gerade erschienenen Buch "Beweissicheres elektronisches Laborbuch" präsentieren Prof. Dr. Alexander Roßnagel und Rechtsanwalt Paul C. Johannes vom Forschungszentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) der Universität Kassel sowie Prof. Dr. Bernhard Neumair, Jan Potthoff vom Karlsruher Institute of Technology, Prof. Dr. Siegfried Hackel und Moazz Madiesh von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt die Ergebnisse des gleichnamigen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojekts. Vorgestellt werden Konzepte und Gestaltungshinweise für die Entwicklung eines beweissicheren elektronischen Laborbuchs. Sie wurden auf informationstechnische Machbarkeit, die Erfüllung von Nutzeranforderungen und die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen hin untersucht.

Die nachhaltige Sicherung und Bereitstellung von Forschungsprimärdaten dient nicht nur der Prüfung früherer Resultate, sondern hilft auch anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, künftig Ergebnisse zu erzielen. Die beweiswerterhaltende Sicherung und Archivierung digitaler Forschungsdaten ist auch Voraussetzung für die wissenschaftliche Qualitätssicherung. Jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler muss über ihre oder seine Forschung berichten und die Daten der Scientific Community zur Überprüfung bereitstellen können. Diese sogenannte Peer Review kann nur gelingen, wenn die Forschenden nachvollziehbare Aufzeichnungen zu ihren Experimenten machen und ihr Laborbuch lückenlos führen.

In den Medien häufen sich Berichte über gefälschte Forschungsdaten und erfundene Studien. Solches Fehlverhalten kann für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeitsrechtliche oder sogar strafrechtliche Konsequenzen haben. "Im Strafprozess gilt die Unschuldsvermutung und auch sonst muss zumeist der Prozessgegner des Wissenschaftlers das vorgeworfene Fehlverhalten beweisen. Aber der Ruf, auch der wissenschaftliche, ist schnell beschädigt", betont Paul C. Johannes. "Unbegründeten Anschuldigungen muss der Forscher schnell begegnen und sie notfalls gerichtlich ausräumen." Dabei sollen die Forschenden durch das beweissichere elektronische Laborbuch nach dem Konzept der Projektgruppe BeLab unterstützt werden.

Elektronische Laborbücher müssen die Wissenschaftlerinnen oder den Wissenschaftler bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen. Dazu müssen sie als Beweismittel geeignet sein. Das beweissichere elektronische Laborbuch sichert daher die Authentizität und Integrität der Aufzeichnungen und ist zur dauerhaften Aufbewahrung und langfristigen Archivierung geeignet. Authentizität und Integrität werden dabei zum Beispiel durch ein geeignetes Authentifizierungs- und Rechtemanagement sowie elektronische Signaturen und Zeitstempel geschützt. Die dauerhafte elektronische Aufbewahrung wird durch die Wahl geeigneter Dateiformate, die lange lese- und interpretierbar bleiben, und die Verwendung besonderer Langzeitspeicher begünstigt.

Das elektronische Laborbuch muss die Wissenschaftlerin oder den Wissenschaftler zugleich bei der Forschungsarbeit unterstützten und die frühzeitige beweiswerterhaltende Aufbewahrung der Forschungsdaten ermöglichen. So muss die Protokollierung und Sicherung von Daten möglichst früh und automatisiert im Forschungsprozess erfolgen, zum Beispiel durch den Einsatz selbst-signierender Labormessgeräte. Dabei muss zwischen dem Wunsch, alles möglichst allumfassend protokollieren zu wollen, und den Rechten der Wissenschaftlerin oder des Wissenschaftlers und Dritter abgewogen werden.

"Die Wissenschaftsfreiheit ist als Grundrecht ein hohes Gut", sagt Prof. Dr. Alexander Roßnagel, Leiter des Fachgebiets Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Recht der Technik und des Umweltschutzes an der Universität Kassel. "Sie darf nicht durch die Verpflichtung auf ungeeignete Programme und Labordokumentationssysteme, die wahllos alle Daten erfassen und speichern, gefährdet werden." Bei der Entwicklung und Auswahl eines elektronischen Laborbuchs muss deswegen auch darauf geachtet werden, dass damit geltendes Datenschutzrecht eingehalten werden kann und personenbezogene Daten der Forschenden und Dritter möglichst sparsam aufgezeichnet werden.

Das nun erschienene Buch zeigt, dass die beweiswerterhaltende Sicherung von elektronischen Forschungsdaten keinem Selbstzweck dient, sondern sowohl den einzelnen Forschenden als auch der Scientific Community zu Gute kommt. Es zeigt auch, wie diese Ziele rechtsverträglich erreicht werden können und mit welchen Techniken, die heute schon zur Verfügung stehen, sie umgesetzt werden können.


Johannes/Potthoff/Roßnagel/Neumair/Madiesh/Hackel: Beweissicheres elektronisches Laborbuch - Anforderungen, Konzepte und Umsetzung zur langfristigen, beweiswerterhaltenden Archivierung elektronischer Forschungsdaten und -dokumentation.

Reihe: Der elektronische Rechtsverkehr, Band 29, Nomos Verlag, Baden-Baden 2013, 246 S.
www.nomos-shop.de/21361

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution45

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Kassel, Andrea Haferburg, 02.10.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2013