Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt - 24.03.2016
Graphen-Nanobänder: Auf die Ränder kommt es an
Wie die Fachzeitschrift «Nature» in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet, ist es Forschern der Empa, des Max-Planck-Instituts in Mainz und der TU Dresden erstmals gelungen, aus Molekülen Graphen-Nanobänder mit perfektem Zickzackrand herzustellen. Die Atome der Ränder verfügen über Elektronen mit unterschiedlichem (und gekoppeltem) Drehsinn («Spin»). Dieser könnte Graphen-Nanobänder zum Werkstoff der Wahl für eine Elektronik der Zukunft machen, die so genannte Spintronik.
Weil elektronische Bauteile immer kleiner werden, stösst die
Industrie mit dem traditionellen Silizium als Halbleitermaterial allmählich
an ihre Grenzen. Graphen, der Stoff mit etlichen «wundersamen»
Eigenschaften, gilt als möglicher Ersatz. Die nur ein Atom dünne
Kohlenstoffschicht ist ultraleicht, äusserst flexibel und ausserordentlich
leitfähig. Um Graphen indes für elektronische Bauteile wie
Feldeffekt-Transistoren nutzen zu können, muss das Material in einen
Halbleiter «verwandelt» werden; dies gelang Empa-Wissenschaftler vor
einiger Zeit mit Hilfe einer neu entwickelten Methode: 2010 stellten sie
erstmals nur wenige Nanometer breite Graphen-Nanobänder (graphene
nanoribbons, GNR) mit präzis geformten Rändern her. Dazu liessen sie die
Bänder auf einer Metalloberfläche gezielt aus ausgewählten
Vorläufermolekülen wachsen. Je schmaler die Bänder, desto grösser war deren
elektronische Bandlücke - also der Energiebereich, in dem sich keine
Elektronen befinden können, und der dafür verantwortlich ist, dass ein
elektronischer Schalter (z.B. ein Transistor) ein- bzw. ausgeschaltet
werden kann. Es gelang den Empa-Forschern in der Folge auch, die Nanobänder
zu «dotieren», d.h. an bestimmten Stellen mit Fremdatomen wie Stickstoff zu
versehen, um die elektronischen Eigenschaften der Graphenbänder noch weiter
zu beeinflussen.
In der nun in «Nature» veröffentlichten Arbeit berichtet das Empa-Team um Roman Fasel zusammen mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz unter der Leitung von Klaus Müllen und von der Technischen Universität Dresden um Xinliang Feng, wie sie aus geeigneten Kohlenstoff-Vorläufermolekülen und dank perfektioniertem Herstellungsprozess GNR mit perfekt zickzackförmigen Rändern synthetisierten, die einer ganz bestimmten Geometrie entlang der Längsachse des Bandes folgen. Ein wichtiger Schritt, denn durch die Geometrie der Bänder und vor allem durch die Struktur deren Ränder können die Forscher den Graphenbändern unterschiedliche Eigenschafen verleihen.
Wie beim Fliesenlegen mussten für das «Muster» des Zickzack-Graphenbandes vorgängig die richtigen Fliesen bzw. Vorläufermoleküle für die Synthese an der Oberfläche gefunden werden. Anders als in der organischen Chemie, die auf dem Weg zu einer reinen Substanz auch Nebenprodukte in Kauf nimmt, muss bei der Oberflächen-Synthese der Graphenbänder alles so angelegt sein, dass nur ein einziges Produkt entsteht. Wiederholt wechselten die Wissenschaftler zwischen Computersimulation und Experiment hin und her, um den bestmöglichen Syntheseweg zu entwerfen. Mit Molekülen in U-Form, die sie zu einer Schlangenlinie zusammenwachsen liessen, und zusätzlichen Methylgruppen, die die Zickzackränder vervollständigten, gelang es den Forschern schliesslich, einen «Bauplan» für GNR mit perfektem Zickzackrand zu erstellen. Dass die Zickzackränder aufs Atom genau stimmten, überprüften die Forscher, indem sie die atomare Struktur mit dem Rasterkraftmikroskop (Atomic Force Microscope, AFM) untersuchten. Darüber hinaus gelang es ihnen, die elektronischen Zustände der Zickzackränder mittels Rastertunnelspektroskopie (Scanning Tunneling Spectroscopy, STS) zu charakterisieren.
Und genau diese zeigen eine vielversprechende Besonderheit. Elektronen können sich entweder links- oder rechts herum drehen, man spricht vom inneren Drehsinn («Spin») der Elektronen. Das Spezielle an den Zickzack-GNR: Entlang der beiden Ränder richten sich die Elektronenspins jeweils alle gleich aus; ein Effekt, den man als ferromagnetische Kopplung bezeichnet. Gleichzeitig sorgt die so genannte antiferromagnetische Kopplung dafür, dass sich die Elektronenspins an gegenüberliegenden Rändern umgekehrt ausrichten. An einem Rand des Bandes befinden sich die Elektronen also alle im «spin-up»-, am anderen im «spin-down»-Zustand. So lassen sich an den Bandrändern zwei voneinander unabhängige Spin-Kanäle mit unterschiedlicher «Fahrtrichtung» erschliessen, ähnlich einer Autobahn mit getrennten Fahrbahnen. Über gezielt eingebaute strukturelle Defekte an den Rändern oder - etwas eleganter - über ein elektrisches, magnetisches oder optisches Signal von aussen sollten sich so beispielsweise Spin-Barrieren und -Filter entwerfen lassen, die nur noch zum An- und Abschalten Energie benötigen - die Vorstufe eines nanoskaligen - und erst noch extrem energieeffizienten - Transistors.
Möglichkeiten wie diese machen GNR für spintronische Anwendungen bzw. Bauelemente extrem interessant; diese nutzen sowohl die Ladung als auch den Spin der Elektronen. Aus dieser Kombination versprechen sich Forscher völlig neuartige Komponenten, etwa adressierbare magnetische Datenspeicher, die eingespeiste Informationen auch nach dem Abschalten des Stroms noch beibehalten.
Diese Arbeit wurde vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF), vom Europäischen Forschungsrat (ERC) und vom US-Office of Naval Research (ONR) unterstützt.
Literaturhinweis:
On-surface synthesis of graphene nanoribbons with zigzag edge topology, P
Ruffieux, S Wang, B Yang, C Sanchez, J Liu, T Dienel, L Talirz, P Shinde,
CA Pignedoli, D Passerone, T Dumslaff, X Feng, K Müllen, R Fasel, Nature
(2016), doi: 10.1038/nature17151
Weitere Informationen unter:
http://www.empa.ch/de/web/s604/gnr-zigzag
- Webnews
http://plus.empa.ch/images/2016-03-24-GNR-Zigzag
- Bilder
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http://idw-online.de/de/institution1017
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt,
Martina Peter, 24.03.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2016
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