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BUNDESTAG/3067: Heute im Bundestag Nr. 072 - 08.02.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 072
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 8. Februar 2012 Redaktionsschluss: 14:20 Uhr


1. Belästigungen durch kontaminierte Kabinenluft muss nicht weiter untersucht werden
2. Kritik an mangelnder Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland


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1. Belästigungen durch kontaminierte Kabinenluft muss nicht weiter untersucht werden

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Berlin: (hib/MIK) Gesundheitsgefährdende Belästigungen durch kontaminierte Kabinenluft in Flugzeugen muss nicht weiter untersucht werden. Entsprechende Anträge der SPD-Fraktion (17/7611) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/7480), in denen dieses gefordert wurde, lehnte der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am Mittwoch Mittag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP ab.

Die Sozialdemokraten forderten dabei unter anderem, umfassende Langzeitmessungen zur toxischen Belastung der Kabinenluft zu veranlassen. Im Rahmen einer unabhängigen Studie müsse der Zusammenhang zwischen kontaminierter Kabinenluft und den gesundheitlichen Auswirkungen erforscht werden. Die Grünen forderten die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, "die Verwendung von neurotoxisch bedenklichen Triebwerkölen zu unterbinden". Zudem sei es notwendig, dass die Kabinenluft an der Außenhaut der Flugzeuge angesaugt wird.

Die Koalition begründete ihre Ablehnung vor allem damit, dass es zurzeit keinen Handlungsbedarf gebe. Bei jährlich mehr als drei Millionen Starts und Landungen in Deutschland seien nur wenige Vorfälle gemeldet worden. Diese würden jetzt untersucht. Für die SPD-Fraktion sind die Vorfälle schon "seit langem" bekannt". Deshalb müsse den Dingen jetzt auf den Grund gegangen werden. Bündnis 90/Die Grünen wies daraufhin, dass es im vergangenen Jahr einen Vorfall gegeben habe, bei dem ein Crew-Mitglied ausgefallen sei. Für die Linksfraktion waren die von den beiden anderen Oppositionsfraktionen vorgeschlagenen Maßnahmen "nachvollziehbar und wichtig". Der Vertreter der Regierung erklärte, die europäische Ebene sei zuständig.


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2. Kritik an mangelnder Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Das Deutsche Institut für Menschenrechte übt schwere Kritik an der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland. Der Institutsmitarbeiter Hendrik Cremer begrüßte zwar am Mittwoch Vormittag vor dem Familienausschuss, dass Deutschland die bei der Ratifizierung abgegebene Vorbehaltserklärung im Juli 2010 zurückgezogen hat. Allerdings werde die Konvention von staatlicher Seite noch immer nicht umgesetzt. "In der Praxis hat sich der Rücknahme der Vorbehalte nichts geändert", sagte Cremer. Er kenne keinen Bereich, wo Gesetze so häufig gebrochen werden wie im Falle der Kinderrechte. Konkret forderte Cremer vor allem Nachbesserungen für Kinder im deutschen Asyl- und Aufenthaltsrecht. Gemäß der UN-Konvention seien alle Menschen bis zum Erreichen der Volljährigkeit als Kinder anzusehen, auch 16- bis 17-jährige Jugendlichen. Doch gerade diese würden von den deutschen Behörden all zu oft wie Erwachsene behandelt.

Deutschland hatte mit seiner Vorbehaltserklärung ursprünglich ausländerrechtlichen Bestimmungen einen Vorrang vor bestimmten Bereichen der Konvention eingeräumt. Im Mai 2010 hatten Bundestag und Bundesrat dann beschlossen, diese zurückzunehmen.

Besonders gravierend gestalten sich nach den Ausführungen Cremers die Probleme bei unbegleiteten Flüchtlingskindern, das heißt Kindern, die ohne ihre Eltern oder andere volljährige Familienmitglieder nach Deutschland kommen. Es stehe im klaren Widerspruch zu Artikel 20 der UN-Konvention, wenn diese in Sammel- und Massenunterkünften untergebracht werden. Gemäß der Konvention seien unbegleitete Kinder prinzipiell in Obhut zu nehmen, in einer Pflegefamilie oder einer anderen kindesgemäßen Unterkunft unterzubringen. Ebenso dürften Kinder nicht an der Grenze zurückgewiesen werden. Nachholbedarf sieht Cremer auch in der Rechtsprechung. Die Urteile zum Umgang mit Flüchtlingskindern fielen immer wieder sehr unterschiedlich aus. Dies zeige, dass es "große Unsicherheiten" bei den Juristen im Umgang mit den völkerrechtlichen Menschrechtsverträgen gibt. nach Cremers Einschätzung ist dies eine Folge des unzureichenden Stellenwertes der Menschenrechte in der juristischen Ausbildung in Deutschland.

Den Einwand der CDU/CSU-Fraktion, bei der Umsetzung der UN-Konvention seien in erster Linie die Bundesländer und Kommunen gefragt und die Änderung von Gesetzen allein bringe keine Verbesserungen, wollte Cremer nicht gelten lassen. Es gebe zwar durchaus Unterschiede zwischen den Ländern, aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Bundes reichten einfach nicht aus. Das Völkerrecht nehme zudem aus gutem Grund keine Rücksicht auf die föderale Ordnung der Bundesrepublik. Auch Länder und Kommunen seien an die völkerrechtlich bindende UN-Kinderrechtskonvention gebunden. Und der Bund habe Sorge zu tragen, dass dies umgesetzt werde.

Unterstützung bekam Cremer von Seiten der Oppositionsfraktionen. Die Konvention sei "kein Ausdruck des guten Herzens, sondern ein Menschrechtsvertrag", den es einzuhalten gelte, hieß es aus den Reihen der Sozialdemokraten. Die Linke verwies auf entsprechende Anträge der Opposition, die alle an der Koalitionsmehrheit gescheitert seien. Bündnis 90/Die Grünen hielt der Union entgegen, sie habe noch immer nicht den Charakter der Konvention verstanden. Dies sei nicht "vom guten Willen der Bundesländer abhängig".


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 072 - 8. Februar 2012 - 14:20 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2012