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BUNDESTAG/3531: Heute im Bundestag Nr. 536 - 22.11.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 536
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 22. November 2012 Redaktionsschluss: 16:15 Uhr

1. Ex-Minister: Ermittlungen nicht manipuliert
2. Öffentliche Anhörung zur privaten Altersvorsorge
3. Öffentliche Anhörung zu Derivaten
4. Bundesrat: Erdverkabelung soll Vorrang erhalten
5. Bundesregierung berichtet über Ergebnisse der Weltgesundheitsversammlung



1. Ex-Minister: Ermittlungen nicht manipuliert

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) Entgegen zahlreichen Medienberichten hätten weder er selbst noch das seinerzeit von ihm geleitete Düsseldorfer Innenministerium nach dem Nagelbombenanschlag vom Juni 2004 in einem vorwiegend von Türken bewohnten Kölner Viertel mit über 20 Verletzten einen terroristischen Hintergrund ausgeschlossen. Dies betonte am Donnerstag zum Auftakt der Zeugenvernehmungen im Untersuchungsausschuss Fritz Behrends. Zugleich wies der Ex-Minister den "absurden Vorwurf" zurück, er habe seinerzeit die "Ermittlungen manipuliert oder in eine bestimmte Richtung gelenkt", um ein rechtsterroristisches Motiv auszublenden. Das Bundestagsgremium soll Pannen und Fehlgriffe bei der Aufklärungsarbeit zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie an neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer deutschen Polizistin zwischen 2000 und 2007 durchleuchten. Seit der Enttarnung im November 2011 wird dem NSU auch das Kölner Attentat 2004 zugerechnet.

Laut Behrends liefen nach diesem Anschlag die Untersuchungen in alle Richtungen, Polizei und Staatsanwaltschaft hätten den Ermittlungsansatz stets "offen formuliert". Es hätten damals keine konkreten Hinweise auf die Täter existiert. Deshalb könne er sich nicht erklären, so der SPD-Politiker, warum man angesichts dieser nordrhein-westfälischen Erkenntnislage im Bundesinnenministerium seinerzeit einen terroristischen Hintergrund verneint habe, in diesem Sinne hatte sich am Tag nach der Tat Minister Otto Schily (SPD) geäußert.

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) und Unions-Obmann Clemens Binninger wiesen indes darauf hin, dass das Landeskriminalamt (LKA) unmittelbar nach dem Attentat an diverse Behörden ein Fernschreiben unter der Überschrift "Terroristische Gewaltkriminalität" verschickt habe, eine knappe Stunde später aber diesen Begriff auf Veranlassung des polizeilichen Lagezentrums wieder gestrichen habe. Behrends sagte, er habe diese Korrektur, die eine "Vorfestlegung" der Ermittlungen in eine Richtung habe vermeiden sollen, damals nicht veranlasst. Der Einschätzung Binningers, ein Nagelbombenanschlag sei an sich bereits ein "Beleg für Terrorismus", widersprach der Zeuge mit den Worten, Attentate dieser Art müssten nicht zwangsläufig terroristisch motiviert sein.

SPD-Sprecherin Eva Högl konfrontierte Behrends mit Fallanalysen des LKA und des Bundeskriminalamts, wonach der Kölner Anschlag auf einen ausländerfeindlichen Hintergrund hindeute. Der Ex-Minister konterte, in der "Quintessenz" hätten diese Expertisen für Ermittlungen in alle Richtungen plädiert. FDP-Obmann Hartfrid Wolff meinte, dass das Kölner Attentat ein"Wendepunkt" bei der Aufklärungsarbeit zu der Mordserie hätte sein können. Schließlich habe es mehrere Indizien gegeben, die zu den Tätern hätten führen können: Flugblätter mit dem Slogan "Deutsche wehrt euch" seien aufgetaucht, zwei Radfahrer seien am Tatort gesichtet worden, auch sei die Bombenbauart identisch mit dem bei anderen rechtsterroristischen Anschlägen benutzten Sprengstoff gewesen.

Linken-Sprecherin Petra Pau wies darauf hin, dass in der Zeit nach dem Attentat der Vorsitzende einer lokalen Interessengemeinschaft in dem betroffenen Quartier mehrfach Drohbriefe erhalten habe, in denen u.a. erwähnt worden sei, dass ein Serienkiller mehrere türkische Geschäftsleute getötet habe. Grünen-Obmann Wolfgang Wieland wunderte sich, warum Behrends nicht konsequent gegen jene Medienberichte vorgegangen sei, er habe wie Schily schon unmittelbar nach dem Anschlag vom Juni 2004 ein terroristisches Motiv ausgeschlossen.

Der Zeuge verteidigte die einstigen Ermittlungen mit dem Argument, sie hätten sich am damals vorhandenen Kenntnisstand orientiert. Im Rückblick müsse man aber von "Fehleinschätzungen" sprechen, für die Sicherheitsbehörden sei es ein "Menetekel" und eine "Katastrophe", dass die Attentatsserie nicht früher aufgedeckt wurde. Dafür trage auch er eine "politische Verantwortung", so der ehemalige Minister. Wenn es seinerzeit eine bundesweit angelegte "Gesamtschau" auf alle Taten gegeben hätte, dann hätte dieses "Puzzles" vielleicht zu den Verantwortlichen führen können. Aus der Sicht von Behrends sind "nicht alle Sicherheitsbehörden gleichermaßen leistungsfähig".

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2. Öffentliche Anhörung zur privaten Altersvorsorge

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) In einer dreistündigen öffentlichen Anhörung wird sich der Finanzausschuss am Montag, 26. November, mit Verbesserungsmöglichkeiten der Förderung der privaten Altersvorsorge beschäftigten. Die Anhörung beginnt um 15 Uhr im Europasaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses. Dazu werden 20 Sachverständige erwartet.

Grundlage der Anhörung ist der von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge (17/10818) für die Basisversorgung im Alter. Er sieht eine Erhöhung der Förderhöchstgrenze von 20.000 auf 24.000 Euro vor. Die Anhebung des bisherigen Abzugsvolumens für Beiträge zugunsten der gesetzlichen Rentenversicherung, Knappschaft, berufsständischen Versorgung, landwirtschaftlichen Alterskasse und privater Basisrenten schaffe Spielräume für den Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge, schreiben die Fraktionen in dem Gesetzentwurf.

Im Bereich der Altersvorsorge in Form selbst genutzten Wohneigentums sieht der Entwurf Vereinfachungen bei der Entnahme von gefördertem Altersvorsorgekapital vor. So soll die jederzeitige Kapitalentnahme für selbst genutztes Wohneigentum in der Ansparphase möglich sein. In die Eigenheim-Rentenförderung soll künftig auch der Umbau zur Reduzierung von Barrieren in oder an der selbst genutzten Wohnung einbezogen werden. Zur Verbesserung des Verbraucherschutzes schreibt der Gesetzentwurf die Einführung von Produktinformationsblättern vor, damit die Produkte auch besser verglichen werden können.

Zuhörer werden gebeten, sich im Sekretariat des Ausschusses mit vollständigem Namen und Geburtsdatum per E-Mail (finanzausschuss@bundestag.de) sowie der Nummer ihres Personaldokuments anzumelden.

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3. Öffentliche Anhörung zu Derivaten

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Um Regeln für Derivategeschäfte geht es in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag, 26. November. Zu der um 12 Uhr im Europasaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses beginnenden Anhörung sind insgesamt 19 Sachverständige eingeladen worden.

Grundlage der Anhörung ist der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Ausführungsgesetzes zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (17/11289). Mit diesem nach dem englischen Begriff "European Market Infrastructure Regulation" auch als EMIR-Ausführungsgesetz bezeichneten Vorhaben werden die für die Umsetzung der EU-Vorgaben zuständigen Behörden, darunter die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) benannt. Außerdem werden Bußgeldtatbestände im Kreditwesengesetz erweitert.

Nach Angaben der Bundesregierung sieht die in Deutschland unmittelbar geltende EU-Verordnung vor, dass bestimmte Derivategeschäfte außerhalb von Börsen künftig nicht mehr direkt zwischen den Geschäftspartnern abgewickelt werden dürfen, sondern sie müssen über zentrale Clearing-Stellen geleitet und in Transaktionsregistern dokumentiert werden. Damit werde es der Finanzaufsicht erleichtert, einen besseren Überblick über die Marktaktivitäten und Risikopositionen zu erlangen und in diesen bisher weitgehend unregulierten Bereich einzugreifen. Die Finanzkrise habe gezeigt, dass intransparente, frei abgeschlossene Derivategeschäfte zu großem Misstrauen zwischen den Banken geführt und die Funktionsfähigkeit der Märkte beeinträchtigt hätten.

Die Anhörung soll insgesamt zweieinhalb Stunden dauern. Zuhörer werden gebeten, sich im Sekretariat des Ausschusses mit vollständigem Namen und Geburtsdatum per E-Mail (finanzausschuss@bundestag.de) sowie der Nummer ihres Personaldokuments anzumelden.

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4. Bundesrat: Erdverkabelung soll Vorrang erhalten

Wirtschaft und Technologie/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Der Vorrang der Erdverkabelung beim Ausbau der Stromnetze soll deutlicher als bisher im Energiewirtschaftsrecht zum Ausdruck kommen. Daher hat der Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (17/11369) eingebracht. Darin schreiben die Länder, dass es unterschiedliche Auslegungen des Gesetzes gebe. Obwohl die Erdverkabelung unter bestimmten Voraussetzungen die Vorzugsvariante sei, werde dies von den Vorhabenträgern in Frage gestellt. Da der Bau von Freileitungen auf immer weniger Akzeptanz bei den Betroffenen stoße, komme es zu Verzögerungen beim Leitungsausbau. "Insoweit bedarf es einer eindeutigen Klarstellung des gewollten Vorranges durch den Gesetzgeber", begründen die Länder ihren Vorstoß.

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5. Bundesregierung berichtet über Ergebnisse der Weltgesundheitsversammlung

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/TVW) Aus deutscher Sicht ist die Debatte über die Reform der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei der 65. Weltgesundheitsversammlung (WHA) im Mai 2012 weitgehend enttäuschend verlaufen. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/11346) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/11110) mit. Hingegen sei die dreijährige deutsche Mitgliedschaft im WHO-Exekutivrat sehr erfolgreich gewesen. Hier habe Deutschland konstruktiv auf die Diskussion zum Thema WHO-Reform eingewirkt. "Deutschland hat mehrfach Vorschläge eingebracht, die auf eine bessere Haushaltsaufstellung, einen realistischeren Haushalt und eine Stärkung der Transparenz abzielen", schreibt die Bundesregierung. Darüber hinaus fördere Deutschland durch seine Vorschläge eine Stärkung der Effizienz der WHO, eine bessere Abstimmung zwischen den dezentralen Strukturen der WHO und eine dauerhafte Stärkung der Position der WHO-Generaldirektorin.

Die Bundesregierung weist ferner darauf hin, dass die Ergebnisse der letzten WHA im Mai 2012 dem Deutschen Bundestag im Rahmen eines schriftlichen Berichts an den Ausschuss für Gesundheit im Juni 2012 mitgeteilt worden seien. "Noch während der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung berichtete die Bundesregierung am 25. Mai 2012 im Unterausschuss 'Gesundheit in Entwicklungsländern' des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mündlich über die ersten Eindrücke und Ergebnisse der Weltgesundheitsversammlung", schreibt die Bundesregierung. Im Übrigen unterrichte die Bundesregierung den Deutschen Bundestag regelmäßig über den Stand der Debatte zur Reform der WHO.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 536 - 22. November 2012 - 16:15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2012