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BUNDESTAG/3589: Heute im Bundestag Nr. 594 - 13.12.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 594
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 13. Dezember 2012 Redaktionsschluss: 16:40 Uhr

1. Scharfe Kritik an Thüringer Sicherheitsbehörden
2. Fraktionsübergreifender Gesetzentwurf für schnellere Rückholung radioaktiver Fässer aus der Schachtanlage Asse II
3. Mitte Juni nächsten Jahres Hauptphase des weißrussischen Kernkraftwerkbaus



1. Scharfe Kritik an Thüringer Sicherheitsbehörden

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) "Ungeordnet, rastlos, chaotisch, übereifrig": Solch harte Vorwürfe erhob am Donnerstagnachmittag der ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer gegen die Ermittlungsarbeit der Thüringer Sicherheitsbehörden zu dem im Januar 1998 untergetauchten Jenaer Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Tschäpe, aus dem später der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) wurde. Vor dem Untersuchungsausschuss, der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der dem NSU angelasteten Mordserie durchleuchten soll, hielt Schäfer besonders dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) vor, von V-Leuten zwar "erstklassige Erkenntnisse" und "bestes Material" zu der auch als Zwickauer Trio bezeichneten Gruppe erhalten zu haben, diese Informationen jedoch nicht ausgewertet und auch nicht an das Landeskriminalamt (LKA) weitergeleitet zu haben. Schäfer, der frühere Bundesanwalt Volkhard Wache und der Mainzer Ministerialdirigent Gerhard Meiborg erläuterten dem Ausschuss den von ihnen im Auftrag der Erfurter Regierung erstellten Bericht über Fehler der Thüringer Behörden bei der Suche nach dem "Bombenbastler"-Trio.

Laut Schäfer wusste das LKA etwa aufgrund von Observationen sowie Auto- und Hausdurchsuchungen schon seit Mitte der neunziger Jahre von der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Jenaer Gruppe. Die nach deren Verschwinden beauftragten Zielfahnder des LKA hätten das rechtsextreme Milieu, in dem sich Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe bewegten, nicht gekannt. Observationen oder die rechtsstaatlich teils fragwürdigen Telephonüberwachungen seien "ungeordnet" verlaufen, bemängelte Schäfer. Nach seinen Angaben sprachen sich Richter und Staatsanwälte 2001 angesichts der dünnen Beweislage gegen das Trio im Zusammenhang mit der Suche nach den Verantwortlichen für drei in Thüringen aufgetauchte "zündfähige, aber nicht zündfertige" Bomben gegen weitere Maßnahmen aus.

Wache warf der Polizei handwerkliche Fehler bei der Durchsuchung von drei Garagen Ende Januar 1998 in Jena vor, die eventuell als Herstellungsort der Bomben in Frage kamen und die teils von Böhnhardt, teils von Zschäpe angemietet waren. Die Inspizierung jener Garage, in der schließlich TNT-Sprengstoff entdeckt wurde, verzögerte sich um mehrere Stunden, weil die Polizisten erst bei der Feuerwehr das nötige Gerät zum komplizierten Öffnen der Tür besorgen mussten. Zuvor durfte sich der anwesende Uwe Böhnhardt mit Zustimmung der Beamten entfernen, was er mit seinen Kumpanen zum Untertauchen nutzte. Schäfer betonte, dass es vor dem Auffinden des Bombenmaterials "keinen Rechtsgrund" für eine Festnahme Böhnhardts gegeben habe.

Scharf kritisierte Schäfer das LfV. Der Geheimdienst habe von seinen Quellen mehrfach Hinweise auf den Aufenthaltsort des Trios nach dessen Abtauchen erhalten. Auch habe man erfahren, dass sich die Gruppe in der rechtsextremen Szene um Hilfe bei der Suche nach Waffen bemüht habe und dass sich die Zelle mit geborgten Ausweispapieren anderer Leute habe ausstatten wollen. Das LfV habe zudem gewusst, dass das Trio lange Zeit im rechtsextremen Milieu über Geldmangel geklagt, eines Tages indes Spenden abgelehnt habe, "weil die jetzt ihre eigene Sache machen", wie es in der Szene hieß - aus Schäfers Sicht hätte man mit diesem Wissen eine Brücke zu diversen Banküberfällen, die inzwischen dem NSU zugerechnet werden, schlagen können. Überdies habe der Militärische Abschirmdienst herausgefunden, dass sich die Gruppe auf der Ebene des Rechtsterrorismus bewege. Der im LfV zuständige Auswerter habe jedoch viele dieser Meldungen gar nicht erhalten, und das, "was der bekam, hat er nicht ausgewertet", klagte Schäfer. Fast alle Informationen seien "im Schoß" des LfV geblieben, an das LKA sei gar nichts, an das Bundesamt für Verfassungsschutz wenig weitergeleitet worden.

Vor der Anhörung Schäfers, Waches und Meiborgs traf sich der Ausschuss mit der Bund-Länder-Kommission, die Vorschläge für eine Reform der Sicherheitsarchitektur erarbeitet. Auf der Basis eines Zwischenberichts kündigten der Hamburger Ex-Innensenator Heino Vahldieck, der frühere Mainzer Innenminister Karl Peter Bruch, der Münchner Rechtsanwalt Eckhart Müller und der ehemalige Bundesanwalt Bruno Jost an, dass nach ihren Vorstellungen der Generalbundesanwalts mehr Möglichkeiten erhalten solle, in Fällen, die der NSU-Affäre ähnlich seien, die Ermittlungen an sich zu ziehen. Der Quellenschutz bei V-Leuten soll künftig nicht mehr absolut, sondern nur noch in abgestufter Form greifen. Die föderale Struktur des Verfassungsschutzes will die Kommission erhalten, doch müsse es einen besseren Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden geben.

Für Freitag dieser Woche hat der Ausschuss Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Zeugen geladen, der von 2005 bis 2009 Bundesinnenminister war.

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2. Fraktionsübergreifender Gesetzentwurf für schnellere Rückholung radioaktiver Fässer aus der Schachtanlage Asse II

Umwelt/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/AS) Die Schachtanlage Asse II soll geschlossen und die Rückholung der darin gelagerten radioaktiven Fässer beschleunigt werden. In einem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf (17/11822) sprechen sich CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen für eine entsprechende Änderung des Atomgesetzes (§ 57b) aus. Mit dem Gesetzentwurf sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine schnellere Stilllegung der Anlage geschaffen und bestimmte Verfahren für die Rückholung der radioaktiven Fässer erleichtert werden. So soll etwa für die Bergung der Abfälle kein eigenes Planfeststellungsverfahren erforderlich sein und bestimmte Teilgenehmigungen schneller eingeholt werden können. Außerdem soll bei Gewährleistung des Strahlenschutzes die Möglichkeit gegeben werden, von bestimmten Vorschriften der Strahlenschutzverordnung abweichen zu können. Auch beim Vergaberecht würde mit der Gesetzesänderung eine schnellere Erteilung von Aufträgen erfolgen können.

In der Schachtanlage Asse II wurden von 1967 bis 1978 rund 126.000 Fässer mit radioaktiven Abfällen eingelagert. Im Jahr 2010 wurde die Anlage dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) unterstellt, der sich nach einem Optionenvergleich für eine Stilllegung und Rückholung der Fässer entschied. Da sich der Zustand der Anlage zunehmend verschlechtert, sollen die Arbeiten für eine Stilllegung jetzt weiter beschleunigt werden, wofür eine Gesetzesänderung notwendig war.

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3. Mitte Juni nächsten Jahres Hauptphase des weißrussischen Kernkraftwerkbaus

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/BOB) Als Zeitpunkt für den Beginn der Hauptphase des Kernkraftwerkbaus wird seitens der weißrussischen Regierung Mitte Juni nächsten Jahres angegeben. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (17/11779) auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/11493) hervor. Anfang August dieses Jahres habe die offizielle Grundsteinlegung durch Staatspräsident Alexander Lukaschenko stattgefunden. Seither sind laut Angaben der weißrussischen Regierung Erdarbeiten und die Betonierung des Fundaments vorgenommen worden. Außerdem würden Infrastrukturmaßnahmen, unter anderem der Bau von Zufahrtsstraßen und Verwaltungs- und Wohngebäuden, weitergehen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 594 - 13. Dezember 2012 - 16:40 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2012