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BUNDESTAG/3949: Heute im Bundestag Nr. 349 - 24.06.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 349
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 24. Juni 2013 Redaktionsschluss: 16:30 Uhr

1. Solidaritätsfonds "Aufbauhilfe" in Höhe von acht Milliarden Euro geplant
2. Weg zur Sicherung der Netzneutralität umstritten
3. Experten fordern Transplantationsregister
4. Im Bundestag notiert: Möglicher Zusammenhang von Übergriffen auf Einrichtungen mit dem NSU-Prozess



1. Solidaritätsfonds "Aufbauhilfe" in Höhe von acht Milliarden Euro geplant

Haushaltsausschuss

Berlin: (hib/MIK) Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte am Montagnachmittag einen Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Sondervermögens "Aufbauhilfe" an. Damit sollen die Hilfen für Privathaushalte und Unternehmen sowie Maßnahmen des Wiederaufbaus in den durch das Hochwasser geschädigten Regionen bezahlt werden. Der Fonds soll durch den Bund mit Mittel in Höhe von acht Milliarden Euro ausgestattet werden. Die Mittel sollen eingesetzt werden für alle Maßnahmen, die sich auf die Wiederherstellung der Infrastruktur beziehen. Außerdem sollen die Soforthilfen, die die Bundesländer bereits gezahlt haben, aus dem Fonds ersetzt werden.

Laut Schäuble beteiligten sich die Länder an der Finanzierung durch die Übernahme von Zinsen und Tilgungen.

Schäuble bezeichnete die Verhandlungen mit den Ländern über die Ausstattung des Fonds als "schwierig". Im Ergebnis habe der Bund 100 Prozent der Mittel für den Solidaritätsfonds einzahlen müssen. Er wies darauf hin, dass die Kosten für die Herstellung der bundeseigenen Infrastruktur auf 1,5 Milliarden Euro geschätzt würden. Diese würden vom Bund alleine getragen. Die Länder würden sich an der Finanzierung der restlichen 6,5 Milliarden Euro beteiligen. Schäuble regte an, dass vom Bundestag über die "Aufbauhilfe" bis Ende der Woche entschieden werden solle. Nur so könne sichergestellt werden, dass den Menschen schnellstmöglich geholfen werden könne.

Alle Fraktionen sprachen sich dafür aus, den Solidaritätsfonds so schnell wie möglich zu verabschieden. Die Sprecher kritisierten jedoch auch, dass die Länder sich an der Finanzierung des Fonds nur "wenig" beteiligten. Für die Union wird so der Eindruck vermittelt, als wenn die Länder einen Beitrag zahlen würden - in Wirklichkeit trage der Bund die Kosten alleine. Für die FDP ist dies ein "bekanntes Erpressungsspiel" der Länder, die nicht mit den Zusammensetzungen der jeweiligen Regierungen zu tun habe. Bündnis 90/Die Grünen betonte, dass wegen der möglichst schnellen Hilfe ein Streit mit den Ländern nicht zielführend sei. Die Linksfraktion hoffte, dass in dieser Woche entschieden werde und die SPD kritisierte, dass die Bundesregierung auch keine konkreten Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht habe. "Drei Monate vor einer Bundestagswahl ist der Gesetzentwurf selbsterklärend", sagte der SPD-Sprecher.

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2. Weg zur Sicherung der Netzneutralität umstritten

Petitionsausschuss

Berlin: (hib/HAU) Sowohl die Opposition als auch die Koalition und die Bundesregierung wollen die Netzneutralität sichern. Das wurde im Verlauf der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag deutlich. Umstritten blieb, wie dies gewährleistet werden kann. Während die Koalitionsfraktionen ebenso wie die Bundesregierung eine entsprechende Verordnung bevorzugen, plädieren SPD-, Grünen- und Linksfraktion für eine gesetzliche Festschreibung, wie es auch eine der Sitzung zugrundeliegende Petition fordert. Laut der Eingabe des 20-jährigen Petenten Johannes Scheller, die mehr als 77.000 Unterstützer gefunden hat, sollen Internetanbieter gesetzlich verpflichtet werden, "alle Datenpakete von Nutzern unabhängig von Ihrem Inhalt und Ihrer Herkunft gleich zu behandeln". Insbesondere sollten keine Inhalte, Dienste oder Dienstanbieter durch diese Provider benachteiligt, künstlich verlangsamt oder gar blockiert werden dürfen.

Vor dem Ausschuss machte der Petent deutlich, dass durch die Pläne der Deutschen Telekom, bei Breitband-Internet-Tarifen eine Begrenzung des integrierten Datenvolumens einführen zu wollen und dabei die eigenen Dienste teilweise auszunehmen "das Prinzip der Netzneutralität akut gefährdet ist". Es bestehe die Gefahr eines "Zwei-Klassen-Netzes", sagte Petent Scheller. Um dies zu verhindern, werde ein Gesetz benötigt, mit dem die Netzneutralität festgeschrieben wird. Aus Sicht des Unionsabgeordneten Reinhard Brandl ist der Grundsatz der Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz (TKG) schon festgeschrieben. Im TKG sei geregelt, dass in einem Fall, "wie er derzeit einzutreten scheint", die Bundesregierung mit einer Verordnung "schnell und flexibel handeln kann". Auch der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz bewertete "in diesem Fall den Weg der Verordnung besser". Er wies zugleich darauf hin, dass schon jetzt vom Prinzip der Netzneutralität abgewichen werde, um bestimmte Dienste anzubieten, die bei einer völligen Gleichbehandlung nicht funktionieren würden.

Dies räumte der Petent ein, machte jedoch deutlich, dass es dafür technische Gründe gebe. So sei es richtig, "Echtzeitdienste" schneller zuzustellen als etwa Updates für Betriebssysteme. "Die Netzneutralität wird verletzt, wenn wirtschaftliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend sind", sagte Scheller. Die von der Bundesregierung geplante Verordnung lehnte er ab. Sie sei "zu schwammig und unpräzise", kritisierte er. Es bestehe sogar die Gefahr, dass damit die Pläne der Telekom legalisiert würden.

Der Kritik schlossen sich die Oppositionsfraktionen an. Es sei zu befürchten, "dass mit der Verordnung die Netzneutralität abgeschafft wird", sagte Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen). "Obsolet", so von Notz, sei inzwischen die These, der Markt werde die Netzneutralität sichern, fügte er hinzu. Ein derartig wesentlicher Sachverhalt könne nur über ein Gesetz geregelt werden, befand Sonja Steffen (SPD). Als man schon vor einem Jahr dafür plädiert habe, sei dies noch als Panikmache bezeichnet worden, ergänzte ihr Fraktionskollege Stefan Schwartze.

Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Bernhard Heitzer, zeigte sich offen für einen Diskurs über die Frage Verordnung oder Gesetz. Unter Berücksichtigung eines von der Bundesnetzagentur zur dem Vorgang Telekom vorgelegten Bericht sei man jedoch zu der Auffassung gelangt, "dass es richtig ist, schnellstens eine Verordnung entsprechend dem TKG vorzulegen". Der Zeitplan für deren Umsetzung sei sehr eng, räumte Heitzer ein. "Theoretisch" sei ein Abschluss aber noch möglich, was für ein Gesetzgebungsverfahren nicht gelten würde.

Keine klare Antwort konnten die Vertreter des Wirtschaftsministeriums auf die von Ingrid Remmers (Die Linke) und anderen Oppositionsabgeordneten gestellte Frage geben, ob der Verordnungsentwurf das Vorgehen der Telekom unterbinden könne. In der Verordnung würden eher allgemeine Sachverhalte beschrieben, sagte eine Ministeriumsvertreterin. Deren konkrete Ausgestaltung obliege der ausführenden Behörde. "Wir wollten keine 'Lex Telekom' schaffen", betonte sie.

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3. Experten fordern Transplantationsregister

Ausschuss für Gesundheit (Anhörung)

Berlin: (hib/SUK) Die Einführung eines Transplantationsregisters ist überfällig: Zu diesem Schluss kamen die Sachverständigen in einer Öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am Montag, 24. Juni 2013, unter Vorsitz des stellvertretenden Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Wolfgang Zöller (CDU). Im Mittelpunkt der Anhörung standen zwei Anträge von Linksfraktion (17/12225) und Bündnisgrünen (17/11308) zur Transparenz der Organspende sowie ein fraktionsübergreifender Antrag (17/13897), in dem Abgeordneten Konsequenzen aus den Manipulationen an Patientendaten in deutschen Transplantationskliniken gezogen haben.

Dr. Axel Rahmel, medizinischer Direktor von Eurotransplant, sagte, mit einem Transplantationsregister würden "verschiedene Dinge gleichzeitig erreicht": eine Vergrößerung der allgemeinen Transparenz und die Zusammenführung unterschiedlicher Schwerpunkte wie etwa Verteilungsregeln und Transplantationsqualität. Deshalb spreche sich Eurotransplant schon "seit Jahren" dafür aus. Für die Qualitätssicherung wären die Daten, die im Übrigen schon zum großen Teil vorliegen würden, "elementar bedeutsam". Würde man Verteilungs-, Spender- und Empfängerdaten zusammenführen, werde es schnell erste Ergebnisse geben.

Für den ehemaligen GBA-Vorsitzenden Dr. Rainer Hess würde mit einem solchen Register zudem Vertrauen in das System der Organspende zurück gewonnen. Im internationalen Vergleich stehe Deutschland in Sachen Qualität bei der Organspende nicht an der Spitze. Dies könne daran liegen, dass man es mit älteren Spendern und Empfängern zu tun habe, könne aber auch an anderen Faktoren liegen. Eine Zusammenführung der Daten könnte hier Aufschluss geben, zudem sei dann die "Qualität der einzelnen Zentren" erkennbar. Man müsse auch darstellen, dass man in Deutschland nicht bereit sei, dem "englischen Beispiel" zu folgen, nur Organe freizugeben, wenn eine fünf-Jahres-Überlebenschance bestehe, sondern versorge auch Schwerkranke. Dies müsse für die Bevölkerung transparent gemacht werden.

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft begrüße ein Transplantationsregister, so Georg Baum. Dies sei das wichtigste Instrument "im Gesamtberitt der Instrumente, mit denen die Qualität sichergestellt" werde. Damit könne man erkennen, ob etwa die Verteilung nach Dringlichkeit und Erfolgsaussichten "richtig gewichtet" werde. Er erhoffe sich zudem eine standardisierte Dokumentation, sagte Baum. Bisher gebe es unterschiedliche Dokumentationspflichten.

Für den Präsidenten der Bundesärztekammer, Professor Dr. Ulrich Montgomery, stellt ein Transplantationsregister, das in der Vergangenheit nur aufgrund finanzieller und datenschutzrechtlicher Bedenken nicht zustande gekommen sei, "viel mehr als nur Qualitätssicherung" dar. Damit könnten Prüfungskommissionen Einblick in bestehende Vorgänge bekommen. Deshalb solle das Register seiner Ansicht nach auch bei der Institution angesiedelt sein, die für das Transplantationsgeschehen verantwortlich sei.

Dem widersprach Johann-Magnus Freiherr von Stackelberg, Vorstandsmitglied des AOK-Bundesverbands. Er plädiere dafür, das Register bei einer unabhängigen Institution anzusiedeln und nicht bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Er sagte, bislang gebe es drei unabhängige Datenkörper zu Spendern, Empfängern und Überleben, die zusammengeführt und später um Sozialdaten und Daten zu Lebendspenden ergänzt werden sollten. Dies müsse der Gesetzgeber nur erlauben.

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4. Im Bundestag notiert: Möglicher Zusammenhang von Übergriffen auf Einrichtungen mit dem NSU-Prozess

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Möglicher Zusammenhang von Übergriffen auf Einrichtungen mit dem NSU-Prozess" lautet der Titel einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (17/14028). Darin schreiben die Abgeordneten, dass es in den vergangenen Wochen zu einer "Reihe von Anschlägen auf Einrichtungen" gekommen sei, "die möglicherweise im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess in München stehen und von Neonazis verübt wurden". Wissen will die Fraktion unter anderem, ob die Bundesregierung diese Anschläge als Serie bewertet und ob sie einen Zusammenhang mit dem NSU-Prozess sieht.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 349 - 24. Juni 2013 - 16:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2013