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BUNDESTAG/4698: Heute im Bundestag Nr. 563 - 05.11.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 563
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 05. November 2014, Redaktionsschluss: 19.00 Uhr

1. Baustellen bei der DDR-Aufarbeitung
2. Experten begrüßen Gesetzentwurf



1. Baustellen bei der DDR-Aufarbeitung

Ausschuss für Kultur und Medien

Berlin: (hib/AW) Obwohl Deutschland 25 Jahre nach dem Fall der Mauer international viel Anerkennung und Aufmerksamkeit für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte und der SED-Diktatur bekommt, bestehen in diesem Bereich noch große Baustellen und Lücken. Dies war der einhellige Tenor einer öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses am Mittwoch. Der Ausschuss hatte den Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, sowie seine Amtsvorgängerin Marianne Birthler, die Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anna Kaminsky, den Bundesvorsitzenden der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, Rainer Wagner, und den Geschäftsführer der Robert-Havemann-Gesellschaft, Olaf Weissbach, geladen.

Roland Jahn betonte, dass die Aufarbeitung der DDR-Geschichte eine "Säule unserer Demokratie" sei. Allerdings dürfe der Blickwinkel nicht auf das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit verengt werden. Die Diktatur in der DDR sei "keine Stasi-Diktatur" sondern "eine SED-Diktatur" gewesen. Zugleich forderte er, dass der Zugang und die Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen auch in Zukunft gewährleistet werden müsse. Diesen Standpunkt schloss sich auch Anna Kaminsky an. Die Geschichte der Stasi sei gut erforscht, die der SED in all ihren Gliederungen hingegen vergleichsweise wenig. Sie verwies darauf, dass viele kleine Institutionen für die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit unter prekären Verhältnissen arbeiten müssten. Kaminsky plädierte zudem dafür, dass das Thema stärker im Geschichtsunterricht an den Schulen berücksichtigt werden müsse. Studien und Umfragen der Bundesstiftung zeigten, dass das Wissen über die DDR bei den unter 30-Jährigen rapide abnehme, das Interesse daran hingegen aber sehr groß sei. Marianne Birthler monierte in diesem Zusammenhang, dass es in Deutschland bislang keinen einzigen Wissenschaftlichen Lehrstuhl für die Geschichte der DDR gebe. Kritisch äußerte sich Birthler auch zur vom Bundestag eingesetzten Kommission zur Zukunft der Stasi-Unterlage-Behörde. Der Kommission gehöre kein einziger Vertreter jener Gruppe von Menschen an, die die Akten im Dezember 1989 vor der Vernichtung durch die Stasi bewahrt hatten.

Olaf Weissbach forderte, die Finanzierung der Robert-Havemann-Gesellschaft zu institutionalisieren und damit langfristig abzusichern. Mit Blick in den Reihen der Koalitionsfraktionen verwies er auf eine entsprechende Ankündigung im Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD. Die Arbeit der Gesellschaft, die mit ihrem einzigartigen Archiv die Geschichte des Widerstandes und der DDR-Opposition bewahre, ließe sich nicht länger über Projektfinanzierungen, bewerkstelligen.

Scharfe Kritik am Bundesjustizministerium übte Rainer Wagner an der Erhöhung der SED-Opferrenten um maximal 50 Euro monatlich. Dies sei allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Vielen Opfern der SED-Diktatur ginge es heute schlechter als ehemaligen Tätern und Mitläufern im System. Das Ministerium habe ein Gesprächsangebot der Opferverbände für eine Überarbeitung des SED-Unrechtsbeseitigungsgesetzes ignoriert. Wagner forderte ebenso wie Kaminsky, dass 25 Jahre nach dem Mauerfall die Beweislast bei der Anerkennung als SED-Opfer endlich umgedreht werden müsse. Zudem forderte Wagner die Errichtung eines zentralen Mahnmals für die Opfer der kommunistischen Diktatur.

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2. Experten begrüßen Gesetzentwurf

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/JBB) Einvernehmlich begrüßten die eingeladenen Sachverständigen am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung des Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz einen Gesetzentwurf (18/2137) der Bundesregierung zur EU-weiten Vereinheitlichung der Handelsregister. Kritisiert wurde jedoch eine geplante Frist zur Eintragung von Unternehmen in die Register und, dass es für Notare weiterhin schwer bleibe, in manchen Fällen zu erfahren, wer für Firmen vertretungsbefugt ist. Mit dem Gesetz will die Regierung die Kommunikation zwischen den Handelsregistern verbessern und die Richtlinie 2012/17/EU des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates umsetzen. Grenzüberschreitend soll der Zugang zu Unternehmensinformationen über das europäische Justizportal verbessert werden und die Kommunikation zwischen den nationalen Registern der Mitgliedstaaten über eine zentrale Europäische Plattform laufen. Diese drei Teile, die Register der Mitgliedstaaten, die zentrale Europäische Plattform und das europäische Justizportal, bilden laut der EU-Vorgabe zukünftig gemeinsam das europäische System der Registervernetzung. Zusätzlich soll es eine einheitliche europäische Kennung für Kapitalgesellschaften geben.

Ulrich Kühn, Richter am Amtsgericht München und Leiter des dortigen Registergerichts, sagte, der Gesetzentwurf sei aus Sicht der Praxis sehr zu begrüßen. Täglich käme die registerrichterliche Praxis mit ausländischen Unternehmen und/oder ihren Zweigniederlassungen in Kontakt. Die Gerichte und die Bürger bräuchten die durch die Einführung eines europaweiten Handelsregisters zugänglich gemachten Informationen. Kühn kritisierte jedoch die geplante Frist von 21 Tagen, die laut der EU-Richtlinie als zeitliche Vorgabe zur Eintragung von Unternehmen ins Register vorgesehen sind. Diese Vorgabe sorge eher für eine Verzögerung und keine Beschleunigung. Darin stimmten ihm die anderen Sachverständigen zu.

Hans-Michael-Pott von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) in Düsseldorf sagte, das Gesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sei die Richtlinie "zu technik-verliebt" und zu minimalistisch. Da sei bedauerlich, denn der Praxis könne besser geholfen werden. Schließlich gebe es doch schon eine europaweite Harmonisierung, die nur nicht richtig umgesetzt werde. Für Notare sei es zum Beispiel oft sehr schwer, Vertretungsbescheinigungen auszustellen, da sie nur schwer herausfinden könnten, wer für eine Firma vertretungsberechtigt ist. So habe das Berliner Kammergericht 2010 entschieden, dass die diesbezüglichen Angaben der ausländischen Handelsregister nicht anerkannt würden. Seit 2013 immerhin die von deutschen Zweigniederlassungen ausländischer Firmen, allerdings auch nur zum Teil, so Pott. Er wünschte sich eine gesetzliche Klarstellung. Dieser Forderung schloss sich Oliver Vossius vom Deutschen Notarverein an. In den Deutschen Handelsregistern sei klar erkennbar, wer vertretungsbefugt sei, leider nicht immer aus den Handelsregistern anderer europäischer Staaten. Das stelle viele Notare vor Probleme. Trotzdem nannte er die Umsetzung der Richtlinie "ungemein wichtig". Sie könne aber nur als ein erster Schritt gesehen werden auf dem Weg hin zu einem gesamteuropäischen Handelsregisterauszug in einer Sprache mit klar erkennbaren Informationen. Eine EU-weite Gesamtindizierung sei das Ziel.

Carsten Schmidt vom Justizministerium Nordrhein-Westfalen erläuterte den Abgeordneten die technische Umsetzung der Richtlinie. Diese bleiben in den jeweiligen Herkunftsländern und sollen über das europäische Justizportal abgerufen werden können. Die vernetzten Daten blieben qualitativ unbearbeitet, über eine technische Zugänglichmachung hinaus komme es zu keiner weiteren Harmonisierung. So würden sie Informationen auch nicht übersetzt. Die EU plane zwar im Justizportal eine automatische Übersetzung anzubieten, damit verlören die Informationen aber ihren Rechtscharakter.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 563 - 5. November 2014 - 19.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2014