Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/4832: Heute im Bundestag Nr. 033 - 20.01.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 033
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 20. Januar 2015, Redaktionsschluss: 11.00 Uhr

1. Insolvenzverfahren für Staaten
2. Ausreise nach Syrien ohne Pass
3. Beratung für Pille danach soll bleiben
4. Umsetzung der NSU-Ausschuss-Empfehlungen
5. Definition abstrakter Bedrohungen
6. Zahl der Flüchtlinge in Deutschland



1. Insolvenzverfahren für Staaten

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Die Linke macht sich für ein internationales Staateninsolvenzverfahren stark. In einem entsprechenden Antrag (18/3743) verweisen die Abgeordneten auf eine im September 2014 verabschiedete Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in der sich der Staatenbund auf die Einrichtung eines Insolvenzverfahrens für überschuldete Staaten festgelegt habe - gegen das Votum von elf Staaten, darunter Deutschland. Die Resolution trage dem Problem Rechnung, dass die Überschuldung von Staaten "ein entscheidendes Hindernis für ihre selbstbestimmte wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist". Im Schuldendienst würden Mittel gebunden, die für Investitionen in Bildung, Gesundheit oder Infrastruktur dringend benötigt würden. Hinzu komme, dass die Struktur der Gläubiger in den letzten Jahrzehnten komplexer und die Schulden von Schuldnerländern "Gegenstand von verantwortungsloser Spekulation privater Anleger wurden", schreiben die Abgeordneten.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, den weiteren Prozess in den Vereinten Nationen zur Einrichtung eines Staateninsolvenzverfahrens "konstruktiv zu unterstützen" und sich in diesem Zusammenhang für ein "faires und transparentes Verfahren" einzusetzen. Dieses solle die Schuldenlast auf ein tragfähiges Niveau senken, den Grundbedürfnissen der Bevölkerungen in den Schuldnerstaaten den Vorrang vor den Ansprüchen der Gläubiger geben und in diesem Sinne die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte schützen. Weiter solle das Verfahren sämtliche Ausstände des jeweiligen Schuldnerlandes einbeziehen und mit einem für alle Beteiligten, also auch alle Gläubiger, bindenden Schiedsspruch enden.

Zudem fordern die Abgeordneten, deutsche Forderungen an Entwicklungsländer einer Überprüfung im Rahmen der Prinzipien der Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) für eine verantwortungsvolle Kreditvergabe zu unterziehen und auf dieser Grundlage als illegitim bewertete Forderungen zu erlassen.

*

2. Ausreise nach Syrien ohne Pass

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Die Regierungspläne zum Entzug des Personalausweises bei Djihadisten sind Gegenstand der Antwort der Bundesregierung (18/3673) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/3524). Wie die Regierung darin schreibt, sind ihr "eine Reihe von Fällen" bekannt, in denen Personen trotz Entzugs des Reisepasses durch die zuständigen Passbehörden entweder unmittelbar aus Deutschland oder aus anderen Schengenstaaten in Drittstaaten ausgereist sind. Eine Rekonstruktion gestalte sich mitunter schwierig, "da sich die Personen nach ihrer Ausreise nach Syrien nicht mehr nach Deutschland zurückbegeben haben und die genauen Umstände der Ausreise nicht nachvollzogen werden können". In mindestens 20 Fällen könne nachvollzogen werden, dass eine Ausreise "trotz bestehender Verfügung, Deutschland nicht zu verlassen, und entsprechenden Entzugs des Reisepasses erfolgte und diesen Personen ein Personalausweis zur Verfügung stand".

Die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Ausreiseuntersagung und räumlichen Beschränkung hängt der Regierung zufolge erheblich davon ab, dass entsprechende Reisedokumente, die eine Ausreise ermöglichen können, dem Betroffenen nicht mehr zur Verfügung stehen. Während durch den Entzug des Reisepasses als Reisedokument dieser nicht mehr zur Ausreise verwendet werden könne, bestehe derzeit keine korrespondierende Regelung hinsichtlich des Personalausweises, obwohl dieser ebenfalls als Reisedokument zur Ausreise in bestimmte Staaten verwendet werden könne. Es sei unter Verwendung des Personalausweises möglich, aus Deutschland beziehungsweise aus Schengenstaaten in Drittstaaten wie die Türkei auszureisen.

Wie die Regierung weiter ausführt, ist sie sich bewusst, dass durch den Entzug des Personalausweises und die Ausstellung eines Ersatzpersonalausweises nicht in allen Fällen eine Ausreise verhindert werden kann. Der Verstoß gegen die Reisebeschränkung solle jedoch deutlich erschwert werden. "Die Ausgestaltung des Ersatzpersonalausweises ermöglicht den für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Personenverkehrs zuständigen Behörden aller Schengenstaaten, im Rahme der Sichtkontrolle des Ersatzpersonalausweises die Ausreisebeschränkung festzustellen und entsprechende Maßnahmen - mangels gültigen Grenzübertrittdokumentes - nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts treffen zu können", heißt es in der Antwort weiter.

*

3. Beratung für Pille danach soll bleiben

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Das von der EU-Kommission Anfang Januar aus der Rezeptpflicht entlassene Notfallverhütungsmittel (Handelsname "ellaOne") mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat wird demnächst auch in Deutschland frei verfügbar sein. Jedoch ist mit einer sofortigen Freigabe nicht zu rechnen, da die Arzneimittelverschreibungsverordnung geändert werden muss und zudem geprüft werden soll, wie "weiterhin eine gute Beratung für alle Notfallkontrazeptiva" sichergestellt werden könne, heißt es in der Antwort der Bundesregierung (18/3690) auf eine Kleine Anfrage (18/3639) der Fraktion Die Linke.

Um eine Gleichbehandlung zu erreichen, habe die Entscheidung der EU-Kommission letztlich zur Folge, dass auch die "Pille danach" mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (Handelsname "PiDaNa") aus der ärztlichen Verschreibungspflicht entlassen werde, schreibt die Regierung in ihrer Antwort, die bereits kurz vor der Entscheidung der EU-Kommission fertiggestellt wurde.

Es müsse in den Zusammenhang entschieden werden, ob und welche Regelungen begleitend zu treffen seien, "und in welcher Weise ein aufeinander abgestimmtes Inkrafttreten der einzelnen Vorschriften gewährleistet werden kann". Dazu würden nun Stellungnahmen aus der Wissenschaft, von Fachärzten, Apothekern und der Schwangerschaftsberatung eingeholt.

Nach geltendem Recht haben den Angaben zufolge junge Frauen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln, soweit sie ärztlich verordnet werden. Zu diesen Mitteln gehört auch die sogenannte "Pille danach", mit der nach einer missglückten oder ausgebliebenen Verhütung eine Schwangerschaft noch Tage nach dem Geschlechtsverkehr verhindert werden kann. Die Regierung werde prüfen, welche Konsequenzen für die Erstattungsfähigkeit sich aus der Entlassung aus der Verschreibungspflicht gegebenenfalls ergäben.

Die "Pille danach" mit dem Wirkstoff Levonorgestrel gilt als gut erforscht und weitgehend frei von unerwünschten Nebenwirkungen. Die Pille ist in den meisten europäischen Staaten bereits rezeptfrei zu bekommen, in Deutschland ist hingegen noch eine ärztliche Verschreibung nötig.

Bisher hat sich die Bundesregierung geweigert, die Rezeptpflicht für den Wirkstoff Levonorgestrel aufzuheben, unter anderem mit der Begründung, gerade junge Frauen bräuchten vor einer solchen Entscheidung fachärztliche Beratung. Die Pille mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat wird von Gesundheitsexperten in höheren Dosen auch als mögliche Abtreibungspille angesehen.

*

4. Umsetzung der NSU- Ausschuss-Empfehlungen

Recht und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesregierung sieht "keine Hindernisse" und "keine Bedenken" in Hinblick auf die Umsetzung einer zentralen Empfehlung des Untersuchungsausschusses zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU). Dies geht aus einer Antwort (18/3678) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/3678) hervor. Die Abgeordneten hatten sich über die Erkenntnisse der Bundesregierung hinsichtlich der Umsetzung der Empfehlung Nummer 1 des Berichts des NSU-Untersuchungsausschusses erkundigt. Inhalt dieser ist unter anderem, dass in Fällen von Gewaltkriminalität, in denen dafür Anhaltspunkte aufgrund der Person der Opfers bestehen, rassistische oder anderweitig politisch motivierte Hintergründe der Tat geprüft und diese Prüfung gegebenenfalls entsprechend dokumentiert wird, insbesondere wenn ein Zeuge oder ein Opfer ein solches Motiv angeben.

In Hinblick auf die Umsetzung dieser Empfehlungen durch eine Änderung der Richtlinie für das Straf- und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie von polizeilichen Dienstvorschriften (PDV), nach denen sich die Fragesteller erkundigt hatten, verweist die Bundesregierung auf eine geplante Änderung der Nummern 76 und 205 der RiStBV. Diese werde derzeit von einem Unterausschuss des Strafrechtsausschusses der Justizministerkonferenz vorbereitet und soll laut Bunderegierung Ende Februar 2015 beschlossen und dann "zeitnah" umgesetzt werden. Bezogen auf Nummer 76 sei eine Neuregelung vorgesehen, "wonach Gegenstände, die in Verfahren gegen unbekannte Täter für Zwecke des Strafverfahrens noch benötigt werden, in der Regel bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung aufzubewahren sind". Die Änderung in Nummer 205 beziehe sich auf die Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzbehörden.

In Bezug auf polizeiliche Dienstvorschriften betont die Bundesregierung, dass schon nach aktuellem Stand umfassende Ermittlungen, "insbesondere ein unvoreingenommenes und unbewertetes Aufnehmen von Sachverhalten sowie das Vermeiden von einseitigen oder vorzeitigen Festlegungen", erforderlich seien. Über darüber hinausgehende Änderungen relevanter PDV beschließt laut Bundesregierung die Ständige Konferenz der der Innenminister und -senatoren der Länder. "Ergebnisse der Gremienbefassung stehen noch aus", heißt es in der Antwort.

Die Bundesregierung verweist zudem auf einen bereits eingebrachten Gesetzentwurf (18/3007). Dieser sehe eine ausdrückliche Regelung im Strafgesetzbuch vor, "wonach rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele" bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien.

*

5. Definition abstrakter Bedrohungen

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung definiert eine "abstrakte Bedrohung" als eine Situation, in der ein Staat, eine Organisation oder eine Gruppe grundsätzlich über die Fähigkeit verfügt und die Absicht verfolgen könnte, deutsche oder verbündete Streitkräfte oder andere Personen oder Organisationen anzugreifen, gleichzeitig aber keine konkreten Anzeichen für einen bevorstehenden Angriff vorliegen. Wie sie in ihrer Antwort (18/3717) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/3495) weiter ausführt, entstünden solche Bedrohungen "unter anderem in zerfallenden und zerfallenen Staaten, durch das Wirken des internationalen Terrorismus und von terroristischen und diktatorischen Regimen, insbesondere bei deren Zerfall oder bei Umbrüchen, sowie durch kriminelle Netzwerke". Grundsätzlich stelle etwa jeder illegale Transport von Waffen, Munition, Sprengmitteln sowie illegalen Substanzen über das Mittelmeer eine "abstrakte Bedrohung" für Nato-Staaten beziehungsweise deren Streitkräfte dar. Bisher allerdings habe noch keine an der Operation Active Endeavour beteiligte deutsche Einheit militärische Maßnahmen zur Abwehr einer konkreten Bedrohung ergreifen müssen.

Keine "pauschale Aussage" will die Bundesregierung darüber treffen, ob sie die durch einen anderen Staat erfolgte Bewertung einer Situation als "abstrakte Bedrohung" teilt oder nicht. "Militärische Aktivitäten jenseits der eigenen Grenzen sind grundsätzlich dann legitim, wenn sie im Einklang mit den geltenden Normen des Völkerrechts stehen."

*

6. Zahl der Flüchtlinge in Deutschland

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlingen ist nach Angaben der Fraktion Die Linke "in den letzten eineinhalb Jahrzehnten - trotz zuletzt steigender Zugangszahlen - deutlich gesunken". Dies ergebe sich aus Zahlen zu "aktuell in Deutschland lebenden anerkannten, abgelehnten oder (noch) nicht anerkannten Flüchtlingen" und genaueren Angaben zu ihrem aufenthaltsrechtlichen Status, die die Fraktion seit dem Jahr 2008 regelmäßig erfrage, schreibt sie in einer Kleinen Anfrage (18/3714).

Danach verringerte sich die Zahl der anerkannten Flüchtlinge - Asylberechtigte und Personen mit Flüchtlingsschutz - von mehr als 200.000 im Jahr 1997 auf gut 122.000 zum Stand 31. Dezember 2013. Die Zahl der "(noch) nicht anerkannten, geduldeten und asylsuchenden Flüchtlinge" sei von knapp 650.000 Ende 1997 auf etwa 205.000 Personen Ende 2013 gesunken. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge mit unterschiedlichen Aufenthaltsstatus in Deutschland sei von mehr als einer Million im Jahr 1997 auf etwa 500.000 im Jahr 2013 gesunken, heißt es in der Kleinen Anfrage weiter.

Wissen wollen die Abgeordneten von der Bundesregierung unter anderem, wie viele Asylberechtigte bis zum 31. Dezember 2014 in Deutschland lebten und wie viele nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Flüchtlinge.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 033 - 20. Januar 2015 - 11.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang