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BUNDESTAG/4856: Heute im Bundestag Nr. 057 - 02.02.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 057
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 02. Februar 2015, Redaktionsschluss: 17.10 Uhr

1. Vereinfachte Abfrage statt Führungszeugnis
2. Streit um Auftrag der Endlager-Kommission



1. Vereinfachte Abfrage statt Führungszeugnis

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Die obligatorische Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses von ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Kinder- und Jugendarbeit soll durch eine vereinfachte bereichsspezifische Auskunft des Bundeszentralregisters ersetzt werden. Dies war das einhellige Votum von acht Experten und Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag. Um Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen zu schützen, müssen nach dem Bundeskinderschutzgesetz nicht nur hauptamtliche, sondern auch ehrenamtliche Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit ein erweitertes Führungszeugnis vorweisen, aus dem hervorgeht, dass sie bislang nicht nach der in Paragraph 72a aufgeführten Straftatbestände verurteilt worden sind. Diese Regelung ist nach Ansicht der Sachverständigen jedoch zu bürokratisch, datenschutzrechtlich umstritten, verursacht zu hohe Kosten und verunsichert viele Vereine und deren Mitarbeiter, die sich oftmals einem Generalverdacht ausgesetzt sehen.

Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, argumentierte, eine bereichsspezifische Auskunft beim Bundeszentralregister erfülle den gleichen Zweck wie die Vorlage eines Führungszeugnisses. Dabei wäre es ausreichend, dem Antragsteller mitzuteilen, ob ein einschlägiger Eintrag vorliege oder nicht. Es wäre wünschenswert, wenn sich dies als eine Selbstverständlichkeit in der Kinder- und Jugendarbeit durchsetzen würde.

Für eine solches Abfrage-Modell sprachen sich auch die übrigen Sachverständigen aus: Réka Fazekas vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, Lisi Maier vom Deutschen Bundesjugendring, Karl Mooser vom Landratsamt Regensburg, Julia von Weiler vom Verein Innocence in Danger, Gabriele Weitzmann vom Bayerischen Jugendring, Jörg Freese von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und der Sozialarbeitswissenschaftler Ullrich Gintzel.

Ebenso sprachen sich die Sachverständigen dafür aus, dass die Regelung auch für kommerzielle Anbieter in der Kinder- und Jugendarbeit gelten müsse. Rörig, Mooser, von Weiler und Weitzmann plädierten zudem dafür, dass Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen nicht mehr aus dem Führungszeugnis gestrichen werden sollten.

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2. Streit um Auftrag der Endlager-Kommission

Endlager-Kommission (Öffentliche Sitzung)

Berlin: (hib/SCR) In der 9. Sitzung der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe (Endlager-Kommission) hat sich anlässlich einer Debatte um die Situation der Atommüll-Zwischenlager am Montag eine grundsätzliche Diskussion über Auftrag und Arbeitsklima des Gremiums entfacht. Hintergrund war die bereits in der vergangenen Sitzung diskutierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig zum Zwischenlager-Standort in Brunsbüttel.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), stellte - wie auch Wolfram König, Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) -, klar, dass die Entscheidung des BVerwG keine Aussage über die Sicherheit am Standort in Brunsbüttel darstelle, sondern sich auf die Nicht-Zulassung der Revision gegen eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Schleswig beziehe. Auch das OVG habe nicht über die Sicherheit am Standort geurteilt, sondern die Genehmigung wegen angenommener Ermittlungs- und Bewertungsdefizite aufgehoben. Dies sei keine "sophistische Kleinigkeit", sagte Flasbarth. Bund und Ländern seien sich nach Gesprächen weiterhin einig, dass die zentralen und dezentralen Zwischenlager "sicher sind und sicher betrieben werden können". Die Entscheidung des BVerwG sei daher nicht auf die Genehmigungen für die übrigen Lager zu beziehen. Ein Problem sei, dass in dem Verfahren aus Gründen des Geheimschutzes nicht alle Unterlagen hätten vorlegt werden können. Flasbarth deutete an, dass in Gesprächen mit Innen- und Justizministerium geklärt werden müsse, wie diese Situation in Zukunft gelöst werden könne.

Kommissionsmitglieder Klaus Brunsmeier vom BUND und Hubertus Zdebel (Die Linke) interpretierten das Urteil des BVerwG deutlich anders. Es stelle eine "Zäsur" dar, sagte Brunsmeier. Es habe auch inhaltliche und nicht nur verfahrenstechnische Gründe gegeben, so zu entscheiden, und daher müssten alle Zwischenlager "auf den Prüfstand" und die Einlagerung in Castoren gestoppt werden. Das gelte darüber hinaus auch für die verbleibenden Atomkraftwerke. Sollte hier der Sicherheitsnachweis nicht öffentlich gelingen, müssten diese abgeschaltet werden, forderte Brunsmeier. Ähnlich argumentierte auch Zdebel, der einen "schonungslosen Neuanfang der Atommüllpolitik" anmahnte.

Die Diskussion über die Brunsbüttel-Entscheidung berührte zudem die Frage, wo die noch im Ausland lagernden Castor-Behälter gelagert werden soll. Dabei handelt es sich um 26 Castoren aus Wiederaufbereitungsanlagen in Großbritannien und Frankreich. Im Zuge des Atomkompromisses hatten sich Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein bereit erklärt, Teile davon in ihren Zwischenlagern unterzubringen. Im nördlichen Bundesland könnte dies allerdings nun aufgrund der Gerichtsentscheidung mangels Platz schwierig werden, hatte Kommissionsmitglied Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Umweltminister in Kiel, bereits im Vorfeld der Sitzung verkündet. Brunsbüttel sei aber noch nicht gänzlich ausgeschlossen, sagte der Minister während der Sitzung. Schleswig-Holstein wolle helfen. Allerdings, das stellten sowohl Habeck als auch sein Amtskollege aus Baden-Württemberg, Franz Untersteller (Bündnis 90/Die Grünen), fest, habe sich noch kein drittes Bundesland gefunden, obwohl dies Teil der Verabredung gewesen sei. Dies bestätigte auch Staatssekretär Flasbarth. Er verwies darauf, dass zwischen Bund und Ländern in Fragen der Castor-Lagerung Freiwilligkeit vereinbart worden sei, was man nicht "ohne Not" aufkündige, auch wenn es rechtlich nicht nötig wäre. Es seien zahlreiche Gespräche geführt worden, aber es hätte sich kein weiteres Bundesland bisher gefunden. In der Kommission war zudem umstritten, ob die Beschäftigung mit der Zwischenlager-Problematik zum Auftrag der Kommission gehört oder nicht.

Für Diskussionen sorgte zudem die von Eon eingereichte Verfassungsklage gegen das Standortauswahlgesetz (StandAG). Laut Medienberichten richtet sich das Unternehmen gegen einen Passus im StandAG, nach dem das Unternehmen die Kosten für Zwischenlagerung der noch im Ausland weilenden Castor-Behälter tragen müsse. Das Unternehmen argumentiere, dass es mit Gorleben einen genehmigten Zwischenlagerstandort gebe, der aber aus politischen Gründen als Standort ausgeschlossen worden sei.

Staatssekretär Flasbarth nannte die Klage "politisch verheerend", mahnte aber einen professionellen Umgang an: "Bockigkeit hilft uns dabei nicht." Matthias Miersch (SPD) warf dem Unternehmen vor, durch die neuerliche Klage den grundlegenden Konsens - dazu gehöre auch der Zwischenlagerstopp in Gorleben - in Frage zu stellen. Das behindere die Arbeit des Gremiums "massiv". Klaus Brunsmeier griff Eon ebenfalls scharf an. Die Klagen seien "absolut nicht in Ordnung". Zdebel warf in Anbetracht der Klage die Frage nach der Zusammensetzung der Kommission und des Stimmrechts der Vertreter der Energieunternehmen auf.

Eon-Aufsichtsrats- und Kommissionsmitglied Bernhard Fischer verteidigte das Vorgehen des Unternehmens. Es müssten Rechtspositionen gewahrt werden. Er verwies darauf, dass sich das Unternehmen in Gesprächen mit der Bundesregierung befände. Sollte dabei ein Konsens gefunden werden, könnte auch von den Klagen - das Unternehmen und andere Atomkraftwerksbetreiber haben noch weitere Verfahren angestrengt - Abstand genommen werden. "Da sind wir aber noch nicht", sagte Fischer.

In Anbetracht der Klage, der Brunsbüttel-Entscheidung und des ungeklärten Verbleibs der im Ausland weilenden Castor-Behälter zog Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) ein ernüchterndes Fazit. Die kleinen Fortschritte in Sachen Vertrauensaufbau, die die Kommission mache, würden durch solche Sachen zunichte gemacht. "Wir können uns hier die Arbeit eigentlich sparen. Das macht wirklich so keinen Sinn", sagte Kotting-Uhl. Steffen Kanitz (CDU/CSU) verwies darauf, dass es nicht nur an den Klagen, sondern auch an den Kommissionsmitglieder selbst läge, ob die Arbeit erfolgreich verlaufe. So sei es nicht hilfreich, "wenn wir uns gegenseitig in Blogs diskreditieren", sagte Kanitz. Es sei fraglich, ob eigentlich alle Mitglieder des Gremiums ein Interesse an einem Konsens hätten.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 057 - 2. Februar 2015 - 17.10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2015


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