Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/4940: Heute im Bundestag Nr. 141 - 17.03.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 141
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 17. März 2015, Redaktionsschluss: 09.25 Uhr

1. Ersatz-Personalausweis umstritten
2. Deutlicher Anstieg von Teilzeitarbeit
3. Regierung: Kosmetika bleibt mit TTIP sicher
4. Agrarhandel mit der Ukraine
5. Kontrolle des Mindestohns


1. Ersatz-Personalausweis umstritten

Innenausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/STO) Der von der Regierungskoalition vorgelegte Gesetzentwurf zur Einführung eines Ersatz-Personalausweises (18/3831) wird von Experten kontrovers beurteilt. Dies wurde am Montagnachmittag bei einer öffentlichen Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses deutlich.

Mit der Einführung des Ersatz-Personalausweises sollen Ausreisen insbesondere von Dschihadisten effektiv verhindert werden können, wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht. Darin verweist die Koalition auf Fälle, in denen Personen "entgegen einer verfügten räumlichen Beschränkung und trotz Entzugs des Reisepasses" unmittelbar aus Deutschland oder aus anderen Schengenstaaten in Drittstaaten ausgereist sind, bei denen der Personalausweis als Reisedokument ausreicht. "Insbesondere Personen aus dem gewaltbereiten islamistisch-dschihadistischen Bereich unternehmen ihre Ausreiseversuche unter anderem über die grenzkontrollfreien Binnengrenzen, um dann den Schengenraum in Richtung eines Drittstaates (zum Beispiel Türkei) zu verlassen", heißt es in der Begründung. Von dort erfolge die Weiterreise gegebenenfalls über die sogenannte "Grüne Grenze" in Krisen- und Kriegsgebiete wie Syrien und Irak.

Wie die Koalition weiter ausführt, besteht sowohl im Inland als auch für deutsche Einrichtungen im Ausland "eine hohe abstrakte Gefährdung durch den islamisch-dschihadistischen Terrorismus", die sich "jederzeit in Form von Anschlägen unterschiedlicher Dimensionen und Intensität realisieren" könne. Ein zentrales Problem stellten Reisen radikalisierter Personen in Krisenregionen wie Syrien und Irak dar. Von Rückkehrern mit Kampferfahrung und Kontakten zu dschihadistischen Gruppen gehe dabei eine besondere Gefahr aus.

Der Vorlage zufolge ist zur "Unterbindung der Reise der Betroffenen" eine Entziehung des Passes möglich, während eine solche Regelung in Bezug auf den Personalausweis fehlt. Künftig soll auch "die Entziehung des Personalausweises sowie die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises erfolgen können, um dadurch Reisen dieser Personen möglichst zu verhindern". Die Ausgestaltung des Ersatz-Personalausweises und der darin eingebrachte Vermerk, dass er nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt, ermöglichten es den für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden aller Schengenstaaten, die Ausreisebeschränkung festzustellen und entsprechende Maßnahmen zu treffen.

Nach den Worten von Peter Büttgen, Referatsleiter bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, richten sich die Bedenken der Bundesbeauftragten nicht allein gegen den Gesetzentwurf, sondern unter anderem auch gegen die Übermittlungsbefugnisse der Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden sowie gegen die Rechtschutzmöglichkeiten der Betroffenen. So würden die Informationen über Betroffene von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden aufgrund sehr allgemeiner Übermittlungsbefugnisse an die Personalausweisbehörden weitergegeben.

Der Direktor des Forschungsinstituts für Öffentliche und Private Sicherheit der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, Professor Clemens Arzt, nannte die "Sigmatisierungswirkung" der vorgesehenen Regelung das "Kernproblem" des Gesetzentwurfes. Unabhängig von seiner Ausgestaltung mache der Ersatz-Personalausweis jedem in der Öffentlichkeit erkennbar, dass die betreffende Person von den Behörden als mutmaßlicher Dschihadist angesehen werde. Dies sei etwa der Fall, wenn man ein Bankkonto eröffnen oder sein Kind in der Kita anmelden wolle oder in eine "harmlose Polizeikontrolle" im Straßenverkehr komme.

Auch Gerrit Hornung, Professor für öffentliches Recht, IT-Recht und Rechtsinformatik an der Universität Passau, sagte, jeder, der den Ersatz-Personalausweis zu sehen bekommt, müsse davon ausgehen, dass die Pass- und Personalausweisbehörden "einen schweren und massiven Verdacht gegen diese Person hegen". Ein "milderes Mittel" wären systematische Kontrollen an den Schengen-Außengrenzen auch für EU-Bürger. Zwar wäre dies mit zusätzlichem Personaleinsatz und mit Reisebeschränkungen auch für deutsche Bürger verbunden. Die Frage sei aber, "ob man dies - wenn man denn effektiv sein möchte - nicht ohnehin machen müsste".

Der Leiter des Fachgebietes Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Polizeirecht einschließlich des internationalen Rechts und des Europarechts an der Deutschen Hochschule der Polizei, Professor Dieter Kugelmann, verwies unter anderem auf die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit, dass die Betroffenen den Personalausweis zurückerhalten können. Dies setze eine Prüfpflicht voraus. Es müsse also regelmäßig geprüft werden, ob die Voraussetzungen noch vorliegen, um dann dem Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, einen normalen Personalausweis ausgestellt zu bekommen.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, bewertete die vorgesehene Neuregelung als erforderlich und geeignet. Aktuell habe man 650 Islamisten aus Deutschland, die in Richtung Syrien oder auch Irak ausgereist sind, um dort möglicherweise an Kampfhandlungen teilzunehmen. Mit Blick auf mögliche Alternativen zum Ersatz-Personalausweis, mit dem die Ausreisen unterbunden werden könnten, betonte er, dass "eine Vollkontrolle an der Außengrenze" jeden EU-Bürger treffen würde und aktuell nach dem Schengen-Grenzkodex auch nicht möglich sei. Weniger einschneidende Maßnahmen wiederum wären nicht effektiv.

Der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, sagte, der Personalausweis signalisiere jedem Grenzbeamte in der EU, dass der Inhaber freizügigkeitsberechtigt sei und in alle EU-Länder sowie 23 weitere Staaten reisen könne. Der vorgesehene Ersatz-Personalausweis signalisiere hingegen, dass sein Inhaber nicht reiseberechtigt sei. Anders als Drittstaatsangehörige unterlägen Freizügigkeitsberechtigte im Außengrenzverkehr lediglich einer Mindestkontrolle. Nur eine eingehende Kontrolle aller Freizügigkeitsberechtigten wie bei einem Drittstaatsangehörigen wäre aber eine wirksame Alternative, um das unberechtigte Reisen mit dem Personalausweis in einen Drittstaat zu verhindern. Dies hieße indes, "500 Millionen EU-Bürger beim Außengrenzübertritt mit stärkeren Eingriffen zu belasten statt nur unsere 650 deutsche Reise-Dschihadisten".

*

2. Deutlicher Anstieg von Teilzeitarbeit

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Seit 2004 ist die Zahl der Beschäftigten, die weniger als 35 Stunden in der Woche arbeiten, um fast 2,4 Millionen Personen angestiegen. Das geht aus der Antwort (18/4266) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (18/4059) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor. Der Anteil dieser Beschäftigten an allen Beschäftigten lag demnach im Jahr 2004 bei 24 Prozent und 2013 bei 28 Prozent. 10,7 Millionen Menschen in Deutschland arbeiteten 2013 weniger als 35 Stunden in der Woche, die übergroße Mehrheit von ihnen sind Frauen (48 Prozent), während Männer in dieser Gruppe (10 Prozent) unterrepräsentiert sind. Rund drei Millionen Beschäftigte hatten 2013 eine Wochenarbeitszeit von 25 bis 34 Stunden (2004: 1,7 Millionen). Von diesen waren knapp 2,6 Millionen Frauen.

Die Bundesregierung führt in der Antwort weiter aus, dass sich die Zunahme der Beschäftigung in den vergangenen Jahren vor allem auf die Teilzeitarbeit konzentriert habe. Die Zahl der weiblichen Erwerbstätigen sei in den vergangenen zehn Jahren um etwa 1,8 Millionen beziehungsweise 10,7 Prozent gestiegen. Aus Beschäftigtenzahl und durchschnittlicher Jahresarbeitszeit ergebe sich, dass das gesamtwirtschaftliche Jahresarbeitsvolumen 2014 mit rund 49,8 Milliarden Stunden um 6,3 Prozent über dem Stand von 2004 gelegen habe, so die Regierung.

Aus der Antwort geht auch hervor, dass im europäischen Vergleich in Deutschland mehr Erwerbstätige weniger als 35 Stunden pro Woche arbeiten als im Durchschnitt der EU-Mitgliedstaaten. EU-weit habe dieser Anteil bei 21 Prozent und in Deutschland bei 28 Prozent gelegen, heißt es in der Antwort.

*

3. Regierung: Kosmetika bleibt mit TTIP sicher

Ernährung und Landwirtschaft/Antwort

Berlin: (hib/EIS) Die Sicherheit von Kosmetika bleibt auch nach Abschluss des Freihandelsabkommens TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und den USA gewahrt. Das geht aus einer Antwort (18/4271) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (18/3975) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor. Dazu heißt es weiter, dass kosmetische Mittel aus den USA, die in der EU vermarktet werden, der EU-Kosmetikverordnung entsprechen müssen. Außerdem sei es weder Ziel der Bundesregierung, noch der EU-Kommission, die Liste der für die Verwendung in kosmetischen Mitteln verbotenen Stoffe gemäß der Kosmetikverordnung im Rahmen des Abkommens zu ändern. Eine Änderung von Anhängen der Verordnung bedürfe zudem der vorherigen Prüfung durch den Wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit (Scientific Committee on Consumer Safety) der Europäischen Kommission.

*

4. Agrarhandel mit der Ukraine

Ernährung und Landwirtschaft/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/EIS) Der Umfang der Im- und Exporte von Agrarprodukten zwischen der Bundesrepublik und der Ukraine während der vergangenen zehn Jahre interessiert die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/4292). In einer Nachfrage bezogen auf eine frühere Kleine Anfrage (18/3774) zum Thema Landgrabbing und der darauf folgenden Antwort (18/3925) der Bundesregierung will die Fraktion zudem wissen, um welche Agrarprodukte es sich hauptsächlich handelt. Darüber hinaus soll unter anderem eine Übersicht über Projekte und Fördersummen der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) im Bereich der Landwirtschaft in der Ukraine gegeben werden, die nach Jahr und Projekten aufgeschlüsselt werden soll.

*

5. Kontrolle des Mindestohns

Arbeit und Soziales/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/CHE) Für die Überprüfung der Mindestlohnregeln interessiert sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/4277). Unter anderem wollen die Abgeordneten von der Bundesregierung wissen, welche Regelungen des Mindestlohngesetzes bis April 2015 überprüft werden sollen, nach welchen Kriterien diese Überprüfung stattfinden soll und welche Datengrundlage dafür herangezogen wird. Darüber hinaus geht es in vielen weiteren Fragen um die Arbeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 141 - 17. März 2015 - 09.25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang