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BUNDESTAG/5266: Heute im Bundestag Nr. 466 - 23.09.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 466
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 23. September 2015, Redaktionsschluss: 12.08 Uhr

1. Netzpolitik.org: Maaßen verteidigt sich
2. Experten: Wohnungsneubau beschleunigen
3. Anhörung zum E-Health-Gesetz


1. Netzpolitik.org: Maaßen verteidigt sich

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Die Aufklärung der Umstände der inzwischen eingestellten Landesverrats-Ermittlungen gegen zwei Journalisten des Blogs Netzpolitik.org hat am Mittwochmorgen erneute die Mitglieder des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz beschäftigt. Bei der Ausschusssitzung stand vor allem der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, im Mittelpunkt des Interesses. Maaßen kritisierte im Zusammenhang mit dem Fall, dass eine "Umwertung der Werte" stattgefunden habe. Diejenigen, die sich darum bemühten, die Quelle für die Veröffentlichung von Geheimnissen zu finden, würden als "Schurken" dargestellt, während die Durchstecherei "bagatellisiert" und "verzwergt" werde.

Maaßen verteidigte seine Entscheidung, nach den Veröffentlichungen von als geheim eingestuften Wirtschaftsplänen des Verfassungsschutzes auf dem Blog Netzpolitik.org Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen. Es habe als Leiter die Pflicht, Schaden von der Behörde abzuwenden. Dazu gehöre auch, den Geheimnisschutz sicherzustellen. Dies sei das Ziel der Anzeigen gewesen, nicht die Verfolgung von Journalisten. Die betreffenden Veröffentlichungen auf Netzpolitik.org hätten einen besonderen Charakter gehabt, da erstmalig Dokumente fast eins zu eins ins Netz gestellt worden seien. Schon in der Vergangenheit sei nach Veröffentlichungen von als geheim eingestuften Informationen geprüft worden, ob eine Strafanzeige geboten sei. Dies sei unter anderem aus Opportunitätsgründen nicht gemacht worden, da mit der Anzeigenstellung in der Regel auch eine Bestätigung der veröffentlichten Information verbunden sei, sagte der BfV-Präsident. Diese Option sei aber im vorliegenden Fall ausgeschieden.

In Hinblick auf die konkreten Abläufe im Fall Netzpolitik.org gab Maaßen an, die Strafanzeigen erst nach Abgang im Wortlaut gesehen zu haben. Er begründete zudem, warum die Anzeigen beim Landeskriminalamt (LKA) in Berlin gestellt worden. Hinsichtlich der vom LKA angeforderten Stellungnahme des BfV zu der Frage, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um Staatsgeheimnisse gehandelt habe, stellte Maaßen fest, dass es sich um eine Art Schadensbericht gehandelt habe. Damit sei der Sachverhalt nicht präjudiziert worden. Ihm sei die Stellungnahme zur Kenntnis gegeben worden, die darin vertretene Auffassung - das BfV hatte das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses laut Medienberichten bejaht - sei vertretbar gewesen, er habe die Frage aber nicht selbst geprüft.

Die Vertreter der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen kritisierten, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) der Einladung in den Ausschuss erneut nicht persönlich gefolgt war. Ein Antrag, den Minister erneut einzuladen, lehnte der Ausschuss mit Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Zustimmung der Opposition ab. Bereits im August hatte sich der Ausschuss mit dem Sachverhalt beschäftigt. Damals standen vor allem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und der von ihm geschasste Generalbundesanwalt Harald Range im Mittelpunkt.

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2. Experten: Wohnungsneubau beschleunigen

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Angesichts der massiven Wohnungsknappheit in vielen deutschen Städten und der steigenden Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum haben Experten am Mittwochmorgen im Umweltausschuss Maßnahmen zur beschleunigtem Umsetzung von Bauvorhaben und ein größeres Engagement des Bundes, insbesondere beim sozialen Wohnungsbau, gefordert. Nicht nur für Studenten und einkommensschwache Haushalte sei der Mangel an preiswerten Wohnungen ein großes Problem, betonten die vier Sachverständigen in der öffentlichen Ausschusssitzung unter Leitung von Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen). Auch die große Zahl von Flüchtlingen, von denen ein Großteil vermutlich dauerhaft in Deutschland bleiben werde, erhöhe die Dringlichkeit, schnell und preiswert neuen Wohnraum zu schaffen. Damit ihre Integration gelingen könne, sei die Planung gemischter Stadtquartiere vonnöten.

Axel Gedaschko von der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) sprach von einem angestauten Defizit von allein 770.000 Wohnungen in Deutschland. Den Bund forderte er mit Nachdruck auf, sich wieder eine eigenständige Kompetenz bei der Vergabe von Wohnraumfördermitteln zu sichern. Außerdem sollte das Bauplanungsrecht "so schnell wie möglich" geändert werden, um die bislang sehr langwierige Realisierung von Bauvorhaben zu beschleunigen. Geltende Standards, etwa im Hinblick auf Emissions-, Natur- und Denkmalschutz, sollten abgesenkt werden, auch um die in Deutschland sehr hohen Baukosten zu reduzieren.

Achim Meyer auf der Heyde vom Deutschen Studentenwerk e.V. kritisierte, dass der Ausbau der staatlich geförderten Wohnheimplätze bei weitem nicht mit dem Anstieg der Studierenden Schritt gehalten habe. Die Wohnraumkapazitäten reichten daher vielerorts nicht mehr aus. "Es müssen zusätzlich mindestens 25.000 Wohnheimplätze geschaffen werden", betonte er. "Dies entspricht einem Zuschussvolumen von 800 Millionen Euro."

Steffen Bockhahn, Senator für Jugend, Soziales, Gesundheit, Schule und Sport der Hansestadt Rostock, appellierte an die Bundesregierung: "Wir brauchen schnell und sehr dringend Wohnungsneubau, gerade im Bereich des sozial verträglichen Mietens." Den Ländern warf er vor, die Kompensationsmittel des Bundes für die soziale Wohnraumförderung häufig nicht an die Kommunen weitergereicht zu haben. Auch er bezeichnete die Baukosten in Deutschland als zu teuer. "7,50 Euro nettokalt für den Quadratmeter ist das günstigste, was wir im Neubau derzeit hinbekommen", betonte er. Damit sei niemandem geholfen. Daher sei das Engagement des Bundes gefordert, etwa indem er Zuschüsse gebe oder besondere Wohnformen fördere.

Professor Martin Haag, Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bauen der Stadt Freiburg im Breisgau, sprach darüber hinaus das Problem des Flächenmangels an. Bevor man über die Absenkung von Standards beim Wohnungsbau reden könne, müsste geklärt werden, wie Bund, Länder und Kommunen überhaupt an bebaubare Flächen kommen. Haag sprach sich dafür aus, in Zukunft stärker private Grundstücke zu aktivieren. Schließlich sei im Grundgesetz nicht nur der Schutz des Eigentums verbrieft, sondern auch dessen Sozialbindung.

Alle Experten lobten das vom Bundesumweltministerium ins Leben gerufene Modellvorhaben für nachhaltiges Wohnen für Studenten und Auszubildende, für das 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden sollen. Yvonne Magwas (CDU) betonte jedoch, dass die Bundesregierung sehr wohl wisse, dass das allein nicht ausreicht. Michael Groß (SPD) erklärte, Ziel seiner Partei sei es, die Kompensationsmittel, die der Bund den Ländern bislang jährlich für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt, von derzeit 518 Millionen Euro jährlich auf rund eine Milliarde Euro verdoppeln zu wollen. Auch für eine Modernisierungsumlage wollten sich die Sozialdemokraten einsetzen. Heidrun Bluhm (Die Linke) warf dem Bund vor, das Thema "Soziales Wohnen" jahrelang verschleppt zu haben. Sie befürchte, dass alles, was derzeit diskutiert werde, noch immer viel zu wenig sei, um die Probleme zu lösen. Christian Kühn (Grüne) bezeichnete die Lage in den Hochschulstädten als "Brennglas für das, was in ganz Deutschland passiert". Die Flüchtlingskrise zeige ganz deutlich, dass die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus nicht wie bisher fortgeführt werden könne.

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3. Anhörung zum E-Health-Gesetz

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Mit der digitalen Zukunft des Gesundheitssystems hat sich der Gesundheitsausschuss des Bundestages am Mittwoch in Berlin ausführlich befasst. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) sagte bei der Erläuterung des sogenannten E-Health-Gesetzes (18/5293) der Bundesregierung, die digitale Revolution sei auch im Gesundheitswesen angekommen und biete für Patienten und Leistungserbringer neue Chancen.

Mit dem Gesetz werde die digitale Vernetzung der Akteure im Gesundheitssystem ermöglicht. Dies könne aufgrund der dann schnelleren Datenübermittlung im Ernstfall auch Leben retten, wenn etwa Notfalldaten rasch zur Verfügung stünden. Die Patienten könnten auch künftig entscheiden, welche Gesundheitsdaten gespeichert würden und wer Zugriff darauf habe.

Die künftige Telematikinfrastruktur, mit der die IT-Systeme von Ärzten, Apotheken, Kliniken und Krankenkassen verknüpft werden sollen, um Informationen auszutauschen, werde höchsten Sicherheitsansprüchen genügen. Der Zugriff auf die sensiblen Gesundheitsdaten werde jeweils protokolliert. Perspektivisch sollen auch die Pflegeberufe in den Datentransfer eingebunden werden. Widmann-Mauz sprach im Ausschuss von einem "Tunneldurchbruch" im Gesundheitswesen.

Der Ausschuss beschloss zu dem Gesetzentwurf sowie zu zwei Anträgen der Opposition eine öffentliche Anhörung, die voraussichtlich am 4. November stattfinden wird. Die Fraktion Die Linke sieht insbesondere die elektronische Gesundheitskarte (eGK) kritisch und verweist auf unkalkulierbare Kosten- und Sicherheitsrisiken. In einem Antrag (18/3574) fordern die Abgeordneten deswegen, die eGK zu stoppen und stattdessen eine "patientenorientierte Alternative" zu entwickeln.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 466 - 23. September 2015 - 12.08 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2015

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