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BUNDESTAG/5298: Heute im Bundestag Nr. 498 - 02.10.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 498
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 02. Oktober 2015, Redaktionsschluss: 09.29 Uhr

1. Zeuge: Nirwana beim BND
2. Grüne wollen Widerrufsprüfung streichen
3. IKT-Potenziale nicht ausgeschöpft
4. 25 Flüge mit scharfer Munition
5. Marktmacht und Arbeitsbedingungen
6. Haftung für nukleare Entsorgung
7. Breitbandversorung in Schleswig-Holstein
8. Erneut Fragen zu Berliner Brücken


1. Zeuge: Nirwana beim BND

1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) hat ein ehemaliger Referatsleiter im Kanzleramt darauf hingewiesen, dass eine effiziente politische Rechts- und Fachaufsicht über den Bundesnachrichtendienst (BND) kaum zu leisten sei. Dies liege am zahlenmäßigen Missverhältnis zwischen rund 6000 Geheimdienstlern und etwa 30 Mitarbeitern des Kanzleramts, die sie kontrollieren sollten, sagte der Zeuge Joachim Mewes bei seiner Vernehmung am Donnerstagabend. Zudem stammten einige der Aufseher selber aus dem BND: "Ob das die ideale Lösung für die Dienstaufsicht ist, weiß ich nicht." Es liege schließlich auf der Hand, dass ein BND-Mitarbeiter "in der Zeit, in der er bei der Aufsicht ist, nicht dazu neigt, sich mit seiner Herkunftsbehörde anzulegen."

Der heute 66jährige Mewes war von 1999 bis 2008 in der für die Rechts- und Fachaufsicht über die Nachrichtendienste zuständigen Abteilung 6 im Kanzleramt tätig. Seit Juli 2003 leitete er hier das Referat 612, wo er unter anderem Anträge des BND auf G10-Genehmigungen zu bearbeiten hatte. Eine solche Genehmigung ermächtigt den Geheimdienst, den Kommunikationsverkehr deutscher Staatsbürger zu überwachen, die im Prinzip dem Schutz des grundgesetzlich verbürgten Fernmeldegeheimnisses unterliegen. Das sogenannte G10-Gesetz regelt die zulässigen Ausnahmen, wenn konkrete Verdachtsmomente dazu Anlass geben. Mewes hatte diese Anträge zu prüfen und an die für die Genehmigung zuständige G10-Kommission weiterzuleiten. Wegen der Eilbedürftigkeit in den meisten Fällen sei eine gründliche Prüfung allerdings kaum möglich gewesen.

Vom Grundrechtschutz deutscher Staatsbürger, der nur in streng definierten Ausnahmefällen aufgehoben werden darf, ist der Umgang des Geheimdienstes mit sogenannten "Routineverkehren" zwischen ausschließlich ausländischen Teilnehmern strikt zu unterscheiden. Nach den Worten des Zeugen tut sich hier ein "rechtliches Nirwana" auf. Die Routineaufklärung des BND spiele sich auf einem "Dunkelfeld" ab, "das sich keiner so richtig angesehen hat". Der Nachrichtedienst sei eben "eine Behörde besonderer Art".

Mewes erinnerte sich eines Besuches vor zehn Jahren beim weltweit größten Glasfaserknotenpunkt, den die Telekom damals in Frankfurt betrieb. Er sei mit Mitgliedern der G10-Kommission einer Einladung des BND gefolgt, der nach eigenem Bekunden die Gäste mit neuen technischen Möglichkeiten der G10-Erfassung vertraut machen wollte. Der Knoten sei in einem unscheinbaren Bürogebäude in einem Frankfurter Vorort untergebracht gewesen: "Der BND hat uns gezeigt, was da stattfindet, wobei man außer Kabeln, Leuchten und Dioden nichts gesehen hat."

Der Besuch habe vermutlich 2005 stattgefunden, meinte Mewes. Zu diesem Zeitpunkt erfasste der BND gemeinsam mit der amerikanischen National Security Agency (NSA) in Frankfurt den gesamten kabelgestützten Fernmeldeverkehr in Ländern des Mittleren Ostens. Die bis 2007 fortgeführte Operation fand unter dem Decknamen "Eikonal" statt. Beim Besuch des Mannes aus dem Kanzleramt und seiner Begleiter war davon allerdings mit keinem Wort die Rede. Die Gastgeber erweckten den Eindruck, sie seien in Frankfurt allein mit rechtlich einwandfreien G10-Überwachungen beschäftigt.

Hätte er damals gewusst, dass in Wahrheit ausländische Routineverkehre erfasst und ausgewertet wurden, und dies unter dem Vorwand einer G10-Genehmigung, hätte er "gewisse Bedenken gehabt", sagte Mewes: "Das wäre ja letzlich auf einen gewissen Missbrauch der G10-Kommision hinausgelaufen."

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2. Grüne wollen Widerrufsprüfung streichen

Inneres/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dringt auf eine Streichung der Widerrufsprüfung im Asylrecht. Wie die Fraktion in einem entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes (18/6202) schreibt, wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes Anfang 2005 verpflichtet, "innerhalb von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Asylanerkennung, der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes oder sonstiger Abschiebeverbote in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob die Anerkennungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen und deshalb Schutz in Deutschland auch künftig gewährt werden muss". Das BAMF habe daraufhin in den Folgejahren tausende von Widerrufsverfahren eingeleitet, doch sei die Zahl der tatsächlichen Widerrufe in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen.

Allein zwischen Januar und August 2015 habe das BAMF in 8.458 Fällen über den Widerruf der Asylberechtigung beziehungsweise des Flüchtlingsstatus entschieden, heißt es in der Vorlage weiter. Ein Widerruf sei dabei in nur 233 Fällen (2,7 Prozent) erfolgt, während der Schutzstatus in 8.458 Fällen (97,3 Prozent) bestätigt worden sei.

Die Zahl der tatsächlich erfolgten Widerrufe stehe damit in keinem angemessenen Verhältnis zu dem erheblichen Prüfungsaufwand, der mit der Einleitung und Bearbeitung der Widerrufsprüfverfahren durch das BAMF verbunden ist, argumentiert die Fraktion. Die obligatorische Widerrufsprüfung solle daher abgeschafft werden. "Dies würde im BAMF zudem Kapazitäten für die dringend notwendige Bearbeitung und Entscheidung in Asylverfahren freisetzen, die derzeit durch die Widerrufsverfahren gebunden sind.

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3. IKT-Potenziale nicht ausgeschöpft

Wirtschaft und Energie/Unterrichtung

Berlin: (hib/HLE) In der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) werden die Potenziale noch nicht voll ausgeschöpft. Zu diesem Schluss kommt die Bundesregierung in ihrem als Unterrichtung vorgelegten Bericht "Strategie Intelligente Vernetzung" (18/6022). Mit dieser Strategie sollen in den Sektoren Bildung, Energie, Gesundheit, Verkehr und Verwaltung zusätzliche Wachstums- und Effizienzpotenziale durch IKT geschaffen werden. IKT-Infrastrukturen würden durch eine nahtlose Vernetzung von Geräten, Abläufen und Diensten zu "Intelligenten Netzen". Bei diesen zum Teil kritischen Infrastrukturen sollten allerdings Gesichtspunkte des Datenschutzes und der Datensicherheit nicht aus den Augen verloren werden, heißt es.

Die Potenziale der IKT seien enorm, erwartet die Bundesregierung und bezieht sich auf eine Studie des Fraunhofer ISI, nach der intelligente Netze einen gesellschaftlichen Gesamtnutzen von 56 Milliarden Euro pro Jahr auslösen könnten. Dieser Gesamtnutzen setze sich zusammen aus erwarteten Effizienzsteigerungen in Höhe von etwa 39 Milliarden Euro und zusätzlichen Wachstumsimpulsen von etwa 17 Milliarden Euro.

Die Bundesregierung setzt zur Verwirklichung des Ziels auf einen "Vierklang von Aktionsfeldern". So sollen laufende initiativen in den Anwendungssektoren unterstützt werden. Genannt werden die Bereiche Bildung, Energie, Gesundheit, Verkehr und Verwaltung. Die Zusammenarbeit soll ausgebaut werden, "um der Komplexität der Digitalisierung und Vernetzung zu entsprechen und in weiten Teilen bestehenden ähnlichen Interessenlagen und Fragestellungen Rechnung zu tragen". Außerdem sollen die Rahmenbedingungen verbessert werden, um Investitionen anzureizen und Hemmnisse zu beseitigen. Zuletzt ist eine Stärkung der Beteiligung vorgesehen: "Ein partizipativer Prozess ist die Grundlage für eine hohe Bekanntheit und auch Akzeptanz. Je breiter die Diskussionen geführt werden, desto stärker werden die Lösungen akzeptiert", heißt es.

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4. 25 Flüge mit scharfer Munition

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/MIK) 2014 hat es insgesamt 25 Flüge von ausländischen Streitkräften über zivilem Gelände in Deutschland mit scharfer Munition gegeben. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (18/6034) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/5863) hervor. Genehmigungen für Flüge ausländischer Streitkräfte in Deutschland werden durch das Bundesverteidigungsministerium erteilt, heißt es weiter. Während dieses Genehmigungsprozesses werde die Einhaltung geltender Regelungen und Vorschriften überprüft.

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5. Marktmacht und Arbeitsbedingungen

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse, welchen Einfluss Marktkonzentration und Marktmacht im deutschen Lebensmitteleinzelhandel auf die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards in Entwicklungs- und Schwellenländern haben. Unternehmen hätten aber die Arbeits- und Umweltgesetze in diesen Ländern zu beachten, heißt es in der Antwort (18/5998) der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/5772). Die Abgeordneten hatten im Vorwort zu ihrer Kleinen Anfrage darauf hingewiesen, dass von der zunehmenden Marktkonzentration in Deutschland auch Produzenten und Arbeiterinnen und Arbeiter aus Übersee massiv betroffen seien. Die Zulieferer würden unter Druck gesetzt, um Kosten zu senken. Die Bundesregierung weist in ihrer Antwort darauf hin, sie unterstütze Schwellen- und Entwicklungsländer bei der Einführung und Umsetzung von Umwelt- und Sozialstandards.

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6. Haftung für nukleare Entsorgung

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse, wie der Energiekonzern E.ON an einen Arbeitsstand des Gesetzentwurfs zur Neuregelung der Konzernnachhaftung für nukleare Entsorgung gekommen ist. Die Bundesregierung habe dem Konzern keinen solchen Arbeitsstand übermittelt, teilt sie in ihrer Antwort (18/6074) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/5873) mit.

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7. Breitbandversorung in Schleswig-Holstein

Verkehr und digitale Infrastruktur/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MIK) Der Ausbau der Breitbandversorgung in Schleswig-Holstein ist Thema einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6132). Die Bundesregierung soll unter anderem mitteilen, wie viele Haushalte in diesem Bundesland über einen Internetanschluss von einem Megabite/pro Sekunde bis 100 Megabite/pro Sekunde verfügen.

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8. Erneut Fragen zu Berliner Brücken

Verkehr und digitale Infrastruktur/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/MIK) Über den Zustand der Straßenbrücken in Berlin will sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erneut in einer Kleinen Anfrage (18/6129) informieren. Hierbei handelt es sich um eine Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/5821.

Die Abgeordneten wollen unter anderem wissen, warum es der Bundesregierung bisher nicht möglich war, für alle Brücken des Bundes in Berlin die nachgefragten Zustandsnoten zu übermitteln.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 498 - 2. Oktober 2015 - 09.29 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2015

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