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BUNDESTAG/5362: Heute im Bundestag Nr. 562 - 02.11.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 562
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 02. November 2015, Redaktionsschluss: 16.14 Uhr

1. Banken für Erhalt der Abgeltungsteuer
2. Korruption im Gesundheitswesen
3. Ermittlungen gegen Netzpolitik.org
4. Ermittlungen gegen türkische Kommunisten
5. Pressefreiheit in der Türkei


1. Banken für Erhalt der Abgeltungsteuer

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Die deutschen Banken setzen sich für den Erhalt der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge ein. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der Spitzenverbände der deutschen Finanzinstitute, die von Kapitalerträgen pauschal einbehaltene Steuer in Höhe von 25 Prozent sorge in einem millionenfachen Massenverfahren in den weit überwiegenden Fällen für eine definitive Besteuerung und sorge für ein funktionierendes Steuerregime für Kapitaleinkünfte. Auch die Kunden seien zufrieden. Zum Steuersatz von 25 Prozent kommen noch der Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer dazu.

Damit nahmen die Banken Stellung zu zwei Oppositionsanträgen. Die Fraktion Die Linke fordert die Abschaffung der Abgeltungsteuer. Die Besteuerung von Kapitalerträgen soll stattdessen wieder mit dem persönlichen Steuersatz der Steuerpflichtigen erfolgen, heißt es in einem Antrag (18/2014) der Fraktion. Die Einführung der im Vergleich zum persönlichen Steuersatz niedrigen Abgeltungsteuer sei mit Eindämmung der Steuerflucht begründet worden. Diese Begründung sei aber durch das faktische Ende des Bankgeheimnisses auf internationaler Ebene hinfällig geworden. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag (18/6064), dass sämtliche Kapitalerträge im Rahmen der jährlichen Steuererklärung beim Finanzamt anzugeben sind. Veräußerungsgewinne sollen grundsätzlich progressiv besteuert werden.

Eine Abschaffung der Abgeltungsteuer würde ein "bewährtes, transparentes Besteuerungssystem zerstören", argumentierten die Banken, die auch darauf hinwiesen, dass die deutsche Steuerhöhe im Vergleich mit anderen EU-Mitgliedsstaaten an der oberen Grenze liege. Außerdem würden Kapitalerträge in Deutschland "brutto" besteuert: Kosten wie Depotgebühren, Vermögensverwaltungskosten, und Fahrtkosten zur Hauptversammlungen seien nicht absetzbar, Veräußerungsverluste könnten mit anderen Kapitalerträgen nur eingeschränkt verrechnet werden. Die Banken rechneten in ihrer schriftlichen Stellungnahme vor, dass die tatsächliche Besteuerung der Kapitalerträge bei Berücksichtigung einer Inflationsrate von zwei Prozent in Normalzinszeiten 61,53 Prozent betrage. In Niedrigzinszeiten bei 0,8 Prozent Inflation würden die Sparer sogar Geld verlieren (Substanzbesteuerung). Dividenden für Aktionäre würden bereits heute wegen steuerlicher Vorbelastungen auf Unternehmensebene mit 48,33 Prozent besteuert.

Die Deutsche Steuergewerkschaft schloss sich dagegen den Forderungen der Opposition an. Zwar entlaste die Abgeltungsteuer die Verwaltung, aber der Preis sei die Gerechtigkeit, wenn aktive Erwerbstätigkeit mit Höchststeuersätzen belegt würden und passive Kapitalnutzung nur mit 25 Prozent. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezeichnet die Abschaffung der Abgeltungsteuer als "sinnvolle Reformoption". Ihre Geschäftsgrundlage falle zunehmend weg und Kleinanleger würden diskriminiert, weil für sie das Halb- und Teileinkünfteverfahren nicht gelte.

Wie die Banken zeigte sich dagegen auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft skeptisch. Erst wenn ein echter Gleichklang der Verfahren zum internationalen Datenaustausch hergestellt sei, könne eine Diskussion über die Zukunft der Abgeltungsteuer geführt werden. In der Anhörung ging es auch um den geplanten Datenaustausch. Grundlage war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen und zur Änderung weiterer Gesetze (18/5920, 18/6290). Finanzinstitute müssen danach künftig einmal im Jahr bestimmte Daten von Konten übermitteln, damit die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zum Austausch von Informationen über Finanzkonten mit anderen Ländern nachkommen kann. Zur Begründung heißt es, in den zurückliegenden Jahren hätten sich grenzüberschreitender Steuerbetrug und grenzüberschreitende Steuerhinterziehung zu einer erheblichen Herausforderung für die Steuerverwaltungen der einzelnen Staaten entwickelt. "Der gestiegenen Anzahl von Möglichkeiten, international investieren und sich aufgrund fehlender steuerrechtlicher Transparenz einer korrekten Besteuerung entziehen zu können, kann mit einem zeitnahen Austausch steuerrelevanter Informationen zwischen den Finanzverwaltungen der einzelnen Staaten begegnet werden", erwartet die Bundesregierung. Zudem ging es in der Anhörung um einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6065), die fordert, dass die Banken alle Kapitalerträge für das Besteuerungsverfahren ab 2016 an das Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise an die zuständigen Finanzbehörden melden müssen - und zwar unabhängig von Wohnsitz und Steuerpflicht des Anlegers. Zugleich wird gefordert, dass die gemeldeten Daten durch das "strikte deutsche Steuergeheimnis" geschützt werden, "um sicherzustellen, dass diese Daten nicht für andere Zwecke verwendet werden oder an andere Stellen weitergeleitet werden".

Die Deutsche Steuergewerkschaft begrüßte den geplanten Datenaustausch, der von ihr seit vielen Jahren gefordert werde. Sie sprach sich aber für regelmäßige Prüfungen der Banken durch das Bundeszentralamt für Steuern aus. Eine "Prüfungsberechtigung" sei zu wenig. Professor Heribert Anzinger (Universität Ulm) erklärte, in der Gesamtschau erweise sich der automatische Informationsaustausch im Verhältnis zu den bisher entdeckten Quellensteuermodellen "als das zur Verwirklichung der mit ihm verbundenen Ziele wirksamere und gegenüber den Finanzinstituten mildere Mittel". Allerdings würden riesige Datenmengen zusammengetragen. Es würden Fehler entstehen, und daher sei ein Auskunftsrecht für die Betroffenen notwendig. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bezeichnete den Informationsaustausch als wichtigen Erfolg für die internationale Steuerpolitik: "Unlauterer" Steuerwettbewerb durch kleinere Länder und Steueroasen werde unterbunden.

Professor Michael Hendricks (Flick-Gocke-Schaumburg) zeigte sich besorgt, dass übermittelte Daten in falsche Hände geraten könnten. Es müsse zudem sichergestellt werden, dass die Daten nicht durch den Empfängerstaat selbst für Zwecke genutzt werden, die mit den grundlegenden Ordnungsvorstellungen Deutschlands nicht zu vereinbaren seien. Insgesamt bewertete Hendricks den Entwurf als "wichtige und sachgerecht ausformulierte Initiative im Kampf gegen Steuerhinterziehung und für eine höhere Transparenz". Markus Henn (Netzwerk Steuergerechtigkeit und WEED - Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung) begrüßte den Informationsaustausch als längst überfälliges Mittel, ernsthaft international gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Er wies darauf hin, dass es in Deutschland riesige Finanzvermögen (2,5 bis 3 Billionen Euro) gebe, "die potenziell auch der Steuerhinterziehung dienen, da sie in Deutschland nicht besteuert und auch bislang nicht an die Heimatländer der Steuerausländer/innen gemeldet werden". Im Unterschied von Hendricks, der sich strikt für das Prinzip gegenseitiger Meldungen als Voraussetzung für den Informationsaustausch ausgesprochen hatte, sprach sich Henn für einen Verzicht zum Beispiel bei Entwicklungsländern aus. Auf die Gegenseitigkeit könne dann verzichtet werden, wenn diese Länder nicht in der Lage seien, selbst Daten zu melden.

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2. Korruption im Gesundheitswesen

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesregierung will gegen Korruption im Gesundheitswesen vorgehen. Insbesondere niedergelassene Vertragsärzte sollen sich künftig strafbar machen, wenn sie Bestechungsgelder annehmen, etwa um bestimmte Arzneimittel zu verschreiben. Dies sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/6446) vor. Korruption in diesem Bereich "verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen", heißt es zur Begründung. Der Gesetzentwurf wird am kommenden Freitag in erster Lesung im Bundestag beraten.

Handlungsbedarf besteht laut Bundesregierung, da niedergelassene Vertragsärzte nach aktueller Rechtslage nicht für korruptives Verhalten belangt werden können. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes habe klargestellt, dass niedergelassene Ärzte weder als Amtsträger noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen angesehen werden könnten, sodass entsprechende Straftatbestände ins Leere liefen. Mit der Neuregelung sollen neben den niedergelassenen Vertragsärzten auch alle Angehörige von Heilberufen erfasst werden, für deren Ausübung oder Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erforderlich ist. Der Geltungsbereich umfasst auch Sachverhalte außerhalb der gesetzlichen Krankenkassen.

Vorgesehen ist, dass die Annahme beziehungsweise das Versprechen von Vorteilen mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden kann. In schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bis zu maximal fünf Jahren vorgesehen.

In seiner Stellungnahme weist der Bundesrat darauf hin, dass ein besonders schwerer Fall auch dann gegeben sein soll, wenn in der Folge der Vorteilsannahme Gesundheitsschäden beim Patienten auftreten. Dies solle in der Norm auch explizit aufgeführt werden. Die Bundesregierung lehnt dies in ihrer Gegenäußerung ab. In der Begründung werde darauf hingewiesen, dass bei Gesundheitsschäden ein schwerer Fall vorliege. Eine Aufnahme in den Text des neu zu fassenden Paragraphen 300 des Strafgesetzbuches sei abzulehen, da diese sich nicht nur auf Bestechung im Gesundheitswesen beziehe, sondern auch auf Bestechung im geschäftlichen Verkehr.

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3. Ermittlungen gegen Netzpolitik.org

Recht und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Der Informationsfluss im Zuge der inzwischen eingestellten Ermittlungen wegen Landesverrates gegen zwei Journalisten des Blogs Netzpolitik.org ist Gegenstand einer Antwort der Bundesregierung (18/6423) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/5963). Die Fragesteller wollten unter anderem wissen, wen konkret der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) am 21. April 2015 im Bundeskanzleramt über die gestellten Anzeigen gegen Unbekannt unterrichtet hatte. Dies ist laut Bundesregierung nicht möglich. Die Unterrichtung habe "am Rande" einer Besprechung im Anschluss an die ND-Lage stattgefunden. Zu dieser Besprechung gebe es keine Teilnehmerliste. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wer an der konkreten Unterrichtung durch den BfV-Präsidenten teilgenommen habe. Klar sei aber, dass in dieser Runde weder eine "Unterrichtung über Details" noch eine Erörterung der Anzeigen erfolgte.

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4. Ermittlungen gegen türkische Kommunisten

Recht und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit von Informationen türkischer Behörden über die Organisation "Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten" (TKP/ML) zu zweifeln. Die TKP/ML und ihr bewaffneter Arm TIKKO, die "Arbeiter- und Bauernbefreiungsarmee der Türkei", seien in den vergangenen zehn Jahren mehrfach Gegenstand der Gespräche mit türkischen Sicherheitsbehörden gewesen, heißt es in einer Antwort (18/6474) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/6297). Es lägen zudem keine "konkreten Anhaltspunkte" darüber vor, dass im Rahmen von Rechtshilfe übermittelte Erkenntnisse "im Einzelfall durch Folterung oder Misshandlung erlangt wurden". Eine "abschließende Bewertung" der Erkenntnisse obliege aber dem mit der Sache befassten Gericht.

Hintergrund der Anfrage sind Ermittlungen des Generalbundesanwaltes gegen mutmaßliche Mitglieder der "Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa" (ATIK). Ihnen wurde laut Bundesregierung zunächst die Mitgliedschaft beziehungsweise Rädelsführerschaft in der innerhalb der TKP/ML bestehenden "terroristischen Vereinigung" TIKKO vorgeworfen. Die Ermittlung hätten aber ergeben, dass die TIKKO nicht selbstständig agiere, sondern dem Zentralkomitee der TKP/ML unterstellt sei. Folglich würden die Ermittlungen nun wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der "terroristischen Vereinigung TKP/ML" geführt, schreibt die Bundesregierung. Dafür sei es nicht erforderlich, dass die TKP/ML auf der EU-Terrorliste stehe oder ein (Vereins-)Verbot in Deutschland bestehe. Die Türkei führe die TKP/ML als Terrororganisation.

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5. Pressefreiheit in der Türkei

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung sieht "seit einiger Zeit Defizite in der Republik Türkei" im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit und registriert in diesem Zusammenhang eine "Zunahme an juristischen und polizeilichen Maßnahmen gegen Medien und ihre Vertreter". Untersuchungen der Steuerbehörden bei regierungskritischen Medienunternehmen, Entlassungen von Journalisten, Hetzkampagnen gegen und Festnahmen von türkischen wie ausländischen Journalisten hätten in der Zusammenschau den Effekt, kritische Stimmen in der Türkei einzuschüchtern" beziehungsweise gerade im Vorfeld der jüngst stattgefundenen Neuwahlen zu unterbinden, heißt es in der Antwort (18/6479) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/6269). Beunruhigend seien in diesem Zusammenhang etwa die Übergriffe auf die Redaktionsbüros der Tageszeitung "Hürriyet" in Istanbul und Ankara im September 2015 und der Angriff auf den Kolumnisten der Zeitung, Ahmet Hakan, im Oktober 2015. Die Bundesregierung setzt sich nach eigenen Angaben in Gesprächen mit der türkischen Regierung regelmäßig und ausdrücklich für Verbesserungen im Bereich der Presse- und Meinungsfreiheit ein.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 562 - 2. November 2015 - 16.14 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2015

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