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BUNDESTAG/5902: Heute im Bundestag Nr. 416 - 06.07.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 416
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 06. Juli 2016, Redaktionsschluss: 13.52 Uhr

1. Ausschuss billigt Integrationsgesetz
2. Pakistan will Hilfe bei Kaschmir-Konflikt
3. Fortentwicklung der Geheimdienstkontrolle
4. Forschungspolitik im Fokus


1. Ausschuss billigt Integrationsgesetz

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am Mittwochvormittag dem Entwurf der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD für ein Integrationsgesetz (18/8615; 18/8829) in geänderter Fassung zugestimmt. Union und SPD stimmten für das Gesetz, die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stimmten dagegen. Sie hatten eigene Anträge (18/6644; 18/7653; 18/7651; 18/6198) zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt vorgelegt, die jedoch mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt wurden.

Ziel des Gesetzes ist es laut Entwurf, mit einem umfangreichen Maßnahmepaket die Integration von Flüchtlingen in Deutschland zu erleichtern. Unter anderem sollen für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zusätzliche Arbeitsgelegenheiten aus Bundesmitteln geschaffen werden. Angelehnt an die als 1-Euro-Jobs bekannten Arbeitsgelegenheiten sollen für die 100.000 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge jedoch nur 80 Cent pro Stunde gezahlt werden. Zu den Maßnahmen gehört weiter, dass Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und Geduldete leichter eine betriebliche Berufsausbildung absolvieren können. Außerdem wird eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge eingeführt, um die Bundesländer bei der Steuerung der Verteilung zu unterstützen.

Geändert wurde der Entwurf unter anderem beim Duldungsstatus von Auszubildenden. Die Koalition einigte sich auf eine Verlängerung des Aufenthaltsrechts einmalig um sechs Monate, wenn ein Flüchtling eine Ausbildung abbricht. Nach der bisherigen Regelung hätte ein Flüchtling die Abschiebung riskiert, wenn er eine Ausbildung abgebrochen hätte. Getrennt vom Integrationsgesetz wollen die Koalitionsfraktionen eine Änderung bei den Ehrenamtspauschalen erreichen, so dass bis zu 200 Euro dieser Pauschale nicht mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verrechnet werden sollen.

Die Kritik der Opposition blieb trotz der Änderungen deutlich. "Dieses schlechte Gesetz hat sich dadurch nicht wesentlich verbessert", betonte etwa Die Linke. Es trage den Geist, der Flüchtlingen automatisch eine Verweigerungshaltung unterstelle. Die Fraktion kritisierte unter anderem, dass die Wohnsitzauflage nicht mit internationalem Recht vereinbar sei. Bündnis 90/Die Grünen werteten den Änderungsantrag als "eindeutige Verbesserung". Allerdings warnten sie davor, dass unklare Formulierungen im Gesetzentwurf dennoch zu Abschiebungen von Auszubildenden führen könnten. Kritik äußerten die Grünen auch an den Arbeitsgelegenheiten. "Wir wissen doch, dass diese kein Instrument zur Integration in den Arbeitsmarkt sind", hieß es aus der Fraktion.

Union und SPD bezeichneten den Entwurf als Schritt in die richtige Richtung. So habe man bei den Bedingungen für eine Niederlassungserlaubnis wichtige Ausnahmen für Menschen mit Behinderungen und Menschen jenseits der Regelaltersgrenze für einen Rentenbezug erreicht, betonte die SPD-Fraktion. "Natürlich ist es ein Meilenstein, der eine massive Verbesserung für die Menschen, die hier sind, bedeutet", hieß es aus der CDU/CSU-Fraktion. Dass man auch Gegenleistungen der Flüchtlinge erwarte, wenn man diese hier unterstütze, habe nichts mit Schikane zu tun.

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2. Pakistan will Hilfe bei Kaschmir-Konflikt

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Der Präsident der pakistanischen Nationalversammlung, Sardar Ayaz Sadiq, hat Deutschland um Unterstützung bei der Lösung des Konfliktes mit Indien um die umstrittene Provinz Kaschmir gebeten. Deutschland könne innerhalb der Vereinten Nationen einen Dialog anstoßen, um den Konflikt zu beenden, betonte Sadiq am Mittwoch im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sein Land könne endlich mehr Geld für Bildung, Gesundheit und Ernährungssicherheit ausgeben und die Militärausgaben kürzen, wenn dieser Konflikt am Verhandlungstisch gelöst würde, appellierte Sadiq. Er wies darauf hin, dass das Trinkwasser für Pakistan über Kaschmir ins Land käme. Diese Versorgung sei jedoch gefährdet, weil Indien in Kaschmir Staudämme baue.

Die Priorität der pakistanischen Regierung sei es nicht, Krieg zu führen, stellte Sadiq klar, sondern gegen Armut und Unterernährung vorzugehen. Weniger Armut bedeute schließlich auch, dass weniger Menschen "den Terroristen in die Arme laufen".

Bei der Bekämpfung des Terrorismus, der in Pakistan bereits 65.000 Todesopfer gefordert habe, beklagte der Parlamentspräsident eine mangelhafte internationale Unterstützung. "Diesen Krieg können wir nur gemeinsam gewinnen", betonte er und verteidigte die Einrichtung von Militärgerichten, die Terroristen auch zum Tode verurteilten. Zugleich verwies Sadiq auf einen nationalen Aktionsplan, der Banken zur Offenlegung aller Geldtransaktionen verpflichte, um Terroristen die Finanzierung zu erschweren. 90 Prozent des Terrorismus in Pakistan sei auf diese Weise bereits unterbunden worden.

Vertreter der Opposition kritisierten im Ausschuss die Todesurteile und zahlreichen Hinrichtungen, auch von Minderjährigen, in Pakistan. Terrorbekämpfung sei wichtig, hieß es aus den Reihen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, aber die Todesstrafe gehöre nicht in einen Rechtsstaat. Die Linke betonte, Fortschrittlichkeit bedeute, nicht auf solche Mittel zurückzugreifen. Ein Vertreter der SPD-Faktion urteilte, den Terrorismus könne man nicht mit militärischen Aktionen und Waffen bekämpfen. Wichtig sei es, den Menschen eine Perspektive zu geben.

Zu wenig Fortschritte im Hinblick auf die Situation der Frauen beklagte einer Vertreterin der Unionsfraktion. Noch immer gebe es viele Ehrenmorde und Vergewaltigungen, die Analphabetisierungsrate von Frauen sei nach wie vor hoch. Sie betonte, eine gute Entwicklung in Pakistan könne es nur geben, wenn die Frauen gestärkt würden. Sadiq sagte dazu, noch im Sommer werde das pakistanische Parlament ein Gesetz verabschieden, mit dem gegen Menschen vorgegangen werden solle, die Frauen ausgrenzten und zu Opfern machten. Das Parlament spiele bei dieser Frage eine "proaktive Rolle".

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3. Fortentwicklung der Geheimdienstkontrolle

Inneres/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes soll nach dem Willen der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion gestärkt werden. Dies geht aus einem Gesetzentwurf der beiden Koalitionsfraktionen (18/9040) hervor, der am Freitag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Damit soll sichergestellt werden, dass die Kontrollrechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) "intensiver, koordinierter und kontinuierlicher wahrgenommen werden können". Auch soll "die Arbeit der weiteren gesetzlich verankerten Gremien mit Kontrollfunktion für die Tätigkeit der Nachrichtendienste, namentlich die der G 10-Kommission (...) und des Vertrauensgremiums (...), stärker mit der Tätigkeit des PKGr verknüpft werden.

Zu diesem Zweck sieht die Vorlage vor, das Amt eines hauptamtlichen "Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen Kontrollgremiums" zu schaffen. Dieser soll das Kontrollgremium bei seiner Arbeit einschließlich der Koordinierung mit den anderen Gremien unterstützen und als dessen verlängerter Arm die Rechte des Kontrollgremiums gegenüber der Bundesregierung und den Nachrichtendiensten des Bundes "auch in strategischer Hinsicht wahrnehmen". Zuarbeiten soll ihm ein Mitarbeiterstab in der Bundestagsverwaltung.

Zudem sollen "weitere Regelungen zur Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle insbesondere hinsichtlich der praktischen Arbeit des Kontrollgremiums getroffen" werden, heißt es in der Vorlage weiter. Des Weiteren werde das Kontrollgremium jährlich eine öffentliche Anhörung der Präsidenten der Nachrichtendienste des Bundes durchführen. Außerdem werde die Möglichkeit einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren bei nicht geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten eingeführt. Darüber hinaus sollen klarstellende Regelungen zum Vorsitz und zu den Zutrittsrechten des Gremiums getroffen und die Unterrichtungspflichten der Bundesregierung konkretisiert werden. Ferner soll der Schutz für Hinweisgeber aus den Nachrichtendiensten verbessert werden.

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4. Forschungspolitik im Fokus

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Anhörung

Berlin: (hib/ROL) Die Forschungs- und Entwicklungspolitik (FuE) in Deutschland ist auf gutem Weg. Das sagte Andreas Barner vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft bei dem Öffentlichen Fachgespräch "Forschung und Innovation in Deutschland: Stand und Perspektiven - einschließlich Zwischenbilanz der Hightech-Strategie" vor dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag. Dem Fachgespräch lagen eine Reihe von Unterrichtungen der Bundesregierung (18/7620, 18/8550, 18/7729, 18/2497) sowie ein Antrag und ein Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/8711, 18/7872)) zugrunde. Die Bundesregierung will ihrer "Hightech-Strategie" (18/2497) Deutschland auf dem Weg zum weltweiten Innovationsführer voranbringen. Gute Ideen sollen demnach schneller in innovative Produkte und Dienstleistungen umgesetzt werden.

Barner betonte, dass Deutschland das Ziel, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für FuE auszugeben, fast erreicht habe. Gleichwohl forderte er eine bessere Grundfinanzierung der Universitäten und mehr transdisziplinäre Kooperation.

Dietmar Harhoff, Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), lobte die neue Hightech-Strategie und unterstrich, dass es gut sei, dass der neuen Strategie ein erweiterter Innovationsbegriff zugrunde liege, der nicht nur technologische sondern auch soziale Innovationen umfasse und die Gesellschaft als zentrale Akteur miteinbeziehe. Als Zukunftsaufgaben nannte Harhoff die digitale Wirtschaft und Gesellschaft, nachhaltiges Wirtschaften und Energie, eine innovative Arbeitswelt, gesundes Leben, intelligente Mobilität und zivile Sicherheit.

Sich mehr nach den unterschiedlichen Bedürfnissen von Unternehmen zu richten, das forderte Carsten Dreher (Frei Universität Berlin). FuE dürfe man heutzutage nicht mehr als linearen Prozess verstehen. "Wenn man sich für eine Innovationspolitik als Transformationspolitik entscheidet, also alte Lösungen verwirft und neue anstrebt, begibt man sich in Such- und Lernprozesse, bei denen zukünftige Lösungen in der Gegenwart unbekannt sind. Die ergebnisoffene Suche und die damit verbundenen Chancen für neue unternehmerische Lösungen sind notwendig, müssen aber im Ergebnis nicht zwangsläufig mit den Wunschvorstellungen übereinstimmen, die der Auslöser für den Transformationsprozess waren", sagte Dreher. Das gesellschaftliche Ziel der Nachhaltigkeit sei zudem ein Ziel, dass bei der FuE-Politik stets mitgedacht werden müsste.

Eine hoch technologieorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland könnte sich nicht damit begnügen Produkte möglichst billig herzustellen, vielmehr müsse sie sich um Qualität bemühen, machte Ingmar Kumpmann vom Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) deutlich. Kumpmann forderte eine Steigerung des Drei-Prozent-Zieles. Die Forschung müsse drängende Fragen wie den Klimawandel, die demographische Entwicklung und die Verbesserung der Arbeitswelt angehen.

Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik sprach sich dafür aus, ein erweitertes Innovationsverständnis in den forschungspolitischen Strategien zu verankern. Viele gesellschaftliche Herausforderungen ließen sich nicht durch technologische Innovationen allein lösen, sondern würden einer Betrachtung bedürfen, die alle potentiellen Lösungswege miteinbezieht. Damit spielte er auch auf die sozialen Fliehkräfte an, die sich in dem Motto "Our nation first" und dem Zulauf für den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und für den britischen "Brexit" zeigen würden. Zudem betonte Messner, dass sich der Wohlstand nur erhalten ließe, wenn Deutschland mehr als bisher globale Gemeinschaftsgüter stützen würde.

Bei FuE gehe es letztlich auch immer um den Wettbewerb der besten Köpfe in der Wissenschaft, sagte Johannes Vogel vom Leibniz-Instituts für Evolutions- und Biodiversitätsforschung. Hier hätte Deutschland das Potential noch nicht ausgeschöpft. "Kluge Köpfe gehen dahin, wo schon andere kluge Köpfe sind." Deutschland werde aus dem Ausland sehr genau beobachtet und der größte Exportschlager sei sicher nicht das Auto, sondern die Verfassung und die sich darauf gründenden Institutionen. Um Wissenschaft und Technologie voranzubringen, brauche man mündige Bürger und den Willen und die Möglichkeit zum lebenslangen Lernen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 416 - 6. Juli 2016 - 13.52 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2016

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