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BUNDESTAG/6169: Heute im Bundestag Nr. 683 - 21.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 683
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 21. November 2016, Redaktionsschluss: 16.31 Uhr

1. Wirtschaftskritik an KWK-Änderungsgesetz
2. Verlustverrechnung kontrovers bewertet
3. Ausbildungseinsatz in Afghanistan
4. Grenzmanagement in Afrika
5. Zusagen für internationalen Klimaschutz
6. Umstrittene Finanzhilfen der DEG


1. Wirtschaftskritik an KWK-Änderungsgesetz

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Die von der Bundesregierung geplanten Änderungen bei der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung sind auf massive Bedenken der deutschen Wirtschaft gestoßen. Dies wurde in mehreren Stellungnahmen der Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Montag zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bestimmungen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversorgung (18/10209) deutlich. Der Entwurf sieht vor, dass Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen Anlagen zwischen einem und 50 Megawatt in Zukunft nur noch dann gefördert werden, wenn sie sich erfolgreich an einer Ausschreibung beteiligt haben. Die Ausschreibungen betreffen auch innovative KWK-Systeme. Auch die Regeln zur Eigenversorgung mit Strom sollen gerändert werden. Während Altanlagen Bestandsschutz erhalten, sollen Neuanlagen mit der - teilweise reduzierten - Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) belastet werden, um die Förderkosten des EEG auf möglichst viele Schultern zu verteilen.

Gerade die Regelungen zur Eigenversorgung stießen auf massiven Protest der Energieintensiven Industrien. Jörg Rothermel sprach in seiner für sechs Wirtschaftsverbände gemeinsam abgegebenen Stellungnahme von erheblichen Mehrkosten: "Insbesondere mittelständische Unternehmen sind in großer Zahl von der Änderung betroffen und müssen zukünftig die volle KWK-Umlage zahlen - selbst bei zweifellos stromintensiven Prozessen." Während die Industrie früher in weiten Teilen (bis zu 50.000 Unternehmen) entlastet worden sei, solle die Entlastung von der KWK-Umlage künftig auf 2.000 Unternehmen eingedampft werden. Außerdem wandten sich die energieintensiven Industrien gegen den Vorstoß, dass sich Eigenversorgungsanlagen nicht an Ausschreibungen beteiligen dürften.

Auch Sebastian Bolay (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) erklärte, es solle "einmal mehr insbesondere der überwiegende Teil der Industrie und der energieintensivere Mittelstand belastet" werden. Bei diesen Unternehmen handele es sich um das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Die Strompreise würden sich immer mehr zu einer Bürde für die Wirtschaft entwickeln. Für den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) warnte Gerd-Dieter Krieger vor "neuen Verunsicherungen" durch das Gesetz. Die im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz festgelegten Ziele dürften nicht durch unzureichende Ausschreibungsmengen und zu kurze Übergangszeiten in Frage gestellt werden. Die Einschränkung der Förderung von eigenverbrauchtem Strom werde zu einer Verschlechterung der Rahmenbedingungen besonders für die energieintensiven Industrien führen. Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bezweifelte, dass die Ausbauziele erreicht würden und forderte eine Erhöhung der Ausbauziele. Das Ausschreibungsmodell sei bei der Kraft-Wärme-Kopplung ungeeignet, weil es hier nicht nur um den Strom-, sondern auch um den Wärmemarkt gehe, erklärte Michael Wübbels für den VKU.

Auch Heinz Ullrich Brosziewski vom Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung bezeichnete das Ausschreibungsvolumen angesichts der von der Bundesregierung angestrebten Ausbauziele als zu gering. Der Ausbau der KWK sei durch die Neuregelungen nicht schneller vorangebracht worden, sondern es würden vielmehr neue Hindernisse aufgebaut. Längere Übergangsfristen verlangte Stefan Kapferer (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft). Sonst drohe ein Investitionsstau.

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2. Verlustverrechnung kontrovers bewertet

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Pläne der Bundesregierung zur Verlustverrechnung nach einem Anteilseignerwechsel in Unternehmen sind von Experten unterschiedlich bewertet worden. Während einige Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag den Vorschlag der Regierung als Stärkung für innovative Firmen und für Gründer bewerteten, warnten andere vor Steuergestaltungsmodellen zum Beispiel durch sogenannte Mantelkäufe. Es drohten hohen Verluste für die Staatskasse.

Grundlage der Anhörung war der vor der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften (18/9986). Bisher hätten nicht genutzte Verluste einer Körperschaft wegfallen können, wenn Anteilserwerbe an einer Körperschaft stattgefunden hätten. Künftig sollen Unternehmen, die für die Unternehmensfinanzierung auf die Neuaufnahme oder den Wechsel von Anteilseignern angewiesen sind, die nicht genutzten Verluste weiter nutzen können, sofern sie denselben Geschäftsbetrieb nach dem Anteilseignerwechsel fortführen. Dafür müssen die Unternehmen aber bestimmte Bedingungen erfüllen, heißt es in dem Entwurf.

Von Christian Schatz (Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften) wurde die Neuregelung begrüßt. Die Möglichkeit des Verlusterhalts bei einem bisher schädlichen Anteilseignerwechsel verbessere insbesondere für junge innovative Unternehmen die steuerlichen Rahmenbedingungen. Durch frühere Gesetzgebung entstandene Standortnachteile könnten gemindert werden. Auch die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft bezeichneten es in einer gemeinsamen Stellungnahme als wichtig, eine weitere Möglichkeit des Verlusterhalts bei einem sogenannten schädlichen Anteilseignerwechsel zu schaffen: "Gerade im Bereich der Wagniskapitalfinanzierung ist ein Fortbestand des Verlustvortrages ein tragendes Element für den Einstieg von Investitionen in innovative Unternehmen." Florian Nöll vom Bundesverband Deutsche Startups erklärte, die Neuregelung dürfe nicht zu eng gefasst werden. Für junge Unternehmen sei es wichtig, Geschäftsmodelle ausprobieren zu können. Änderungen am Geschäftsmodell dürften nicht steuerlich sanktioniert werden.

Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom) begrüßte in seiner Stellungnahme zwar grundsätzlich den Entwurf. Die Neuregelung werde aber wegen ihrer sehr engen Anwendungsvoraussetzungen nicht die erforderlichen Entlastungen für den besonders wichtigen potenziellen Anwendungsbereich der Startup-Finanzierung bringen.

Viola Bronsema vom Branchenverband der Biotechnologieunternehmen (Bio) begrüßte den Gesetzentwurf. Die bisherige Regelung benachteilige kleine und mittlere Unternehmen der Branche gegenüber großen Unternehmen. Durch Veränderung der Beteiligungsstrukturen würden steuerliche Verlustvorträge anteilig oder vollständig untergehen und private Kapitalgeber müssten zu entrichtende Steuern aus der Substanz mitfinanzieren. "Hierdurch erhöht sich das unternehmerische Wagnis privater Kapitalgeber und es wird für junge Technologieunternehmen schwieriger, das zur Entwicklungs- und Wachstumsfinanzierung erforderliche Eigenkapital zu gewinnen", stellte der Verband in der Stellungnahme fest und sprach sich zugleich noch für Änderungen an dem Entwurf aus. Auf mögliche Probleme mit dem europäischen Beihilferecht wiesen Professor Jürgen Brandt, Präsident des Deutschen Finanzgerichtstags, und Professor Guido Förster (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) hin.

Für Professor Lorenz Jarass (Hochschule RheinMain) wird die angestrebte Verhinderung von Steuergestaltungen nicht erreicht. Jarass schloss sich der Feststellung des Bundesrates an, dass der Gesetzentwurf "erhebliches Gestaltungspotenzial" aufweise. Angesichts der zu erwartenden Steuerausfälle in Höhe von 600 Millionen Euro jährlich empfahl Jarass, der Gesetzgeber solle besser kleine Leute entlasten statt Finanzinvestoren subventionieren. "Wenn Sie Startups fördern wollen, ist dieser Gesetzentwurf absolut kontraproduktiv", sagte Jarass.

Herman Längle vom Finanzministerium Baden-Württemberg bewertete die Zielsetzung des Entwurfs positiv, sah aber wie Jarass und auch Förster "einen erheblichen Gestaltungsspielraum" und empfahl, den Gesetzentwurf nicht rückwirkend zum Jahresbeginn 2016 in Kraft treten zu lassen. Professor Frank Hechtner (Freie Universität Berlin) sah den Gesetzentwurf recht breit angelegt. Daher seien Mitnahmeeffekte möglich. Dass die bedeutenden deutschen Industrieunternehmen großartig von dem Gesetz profitieren würden, erwartete Florian Hole vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) dagegen nicht.

Vor drohenden "Kollateralschäden" durch eine Reaktivierung von Altverlusten warnte Ingo van Lishaut (Finanzministerium Nordrhein-Westfalen). Das Volumen dieser steuerlich bisher nicht Ansatz zu bringenden Altverluste bezifferte er auf rund 600 Milliarden Euro. Wenn diese Altverluste reaktiviert würden, entspreche dies dem Wegfall mehrerer Jahreseinnahmen an Körperschaftsteuer. Auch Rainer Kambeck (Deutscher Städtetag) sah die Gefahr, dass Altverluste wieder nutzbar gemacht werden könnten.

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3. Ausbildungseinsatz in Afghanistan

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Deutschland soll sich weiterhin an der Ausbildung von Polizei- und Armeekräften in Afghanistan beteiligen. Wie die Bundesregierung in ihrem Antrag (18/10347) schreibt, sollen bis zu 980 Bundeswehrsoldaten für ein weiteres Jahre im Rahmen der Nato-Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission "Resolute Support" entsendet werden können.

Auftrag der "Resolute Support"-Mission sei es nach wie vor, die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte zu befähigen, ihrer Sicherheitsverantwortung nachzukommen. Dazu sollen sie vorrangig auf der ministeriellen und der nationalen institutionellen Ebene ausgebildet, beraten und unterstützt werden. "Das heißt, dass es keine unmittelbare Einbeziehung in Kampfhandlungen der afghanischen Sicherheitskräfte bei der Wahrnehmung ihrer Sicherheitsverantwortung gibt und die Mission unverändert nicht die Aufgabe hat, sich direkt an der Terror- oder der Drogenbekämpfung zu beteiligen", heißt es im Antrag weiter. Jedoch sollen Bundeswehrsoldaten "über die Sicherung des von der Nato eingesetzten Personals hinaus auch im zivilen Wiederaufbau eingesetztes Personal der internationalen Gemeinschaft im Notfall" und in Abstimmung mit der afghanischen Regierung unterstützen dürfen (sogenannter "in extremis support").

Mit ihrem fortgesetzten Engagement für Afghanistan verfolge die Staatengemeinschaft das Ziel, zum Wiederaufbau des Landes sowie einem dauerhaften Frieden beizutragen, schreibt die Bundesregierung in der Begründung ihres Antrags. Diese Unterstützung solle die internationale Partnerschaft und die regionale Zusammenarbeit stärken, die afghanische Regierungsführung verbessern, die Kapazitäten der afghanischen Sicherheitskräfte erhöhen, das Wirtschaftswachstum befördern sowie eine nachhaltige Entwicklung und einen besseren Schutz der Rechte aller afghanischen Bürger, allen voran der Frauen und Mädchen, gewährleisten. "Militante regierungsfeindliche Kräfte wie die Taliban wirken diesen Zielen weiterhin entgegen", heißt es im Antrag weiter. Bei den "afghanischen Sicherheitskräften und den afghanischen Sicherheitsinstitutionen" seien Fortschritte in der Ausübung ihrer Sicherheitsverantwortung erkennbar, "dennoch benötigen sie weiterhin der Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft".

Konkrete Aufgaben der Bundeswehr sind laut Antrag neben Unterstützung, Beratung und Ausbildung unter anderem auch "Sicherung, Schutz und gegebenenfalls Evakuierung und Bergung militärischer und ziviler Kräfte und Mittel der Mission Resolute Support sowie von Personal der internationalen Gemeinschaft und designierter Personen", weiterhin der Betrieb des militärischen Anteils Flugplatz Masar-e Sharif, der Verwundetenlufttransport und der taktische Lufttransport sowie der Rückbau militärischer Infrastruktur sowie personelle und materielle Rückverlegung. Die Bundeswehr soll zudem an der Führung der Mission mitwirken auch "durch Übernahme der Verantwortung als Rahmennation" und die Erstellung von Lagebildern im Bereich Masar-e Sharif im Norden Afghanistans.

Der Einsatz ist bis zum 31. Dezember 2017 befristet. Die einsatzbedingten Zusatzaufgaben werden auf rund 269 Millionen Euro beziffert.

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4. Grenzmanagement in Afrika

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PJA) Die Maßnahmen der Bundesregierung im Rahmen des Grenzmanagements im Sudan und in Eritrea stehen im Zentrum einer Kleinen Anfrage (18/10333) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Konkret wollen die Abgeordneten wissen, in welcher Größenordnung und für wofür genau Haushaltsmittel in diesen Ländern eingesetzt werden und wie sichergestellt wird, dass die Maßnahmen auch tatsächlich staatsfern umgesetzt werden. Darüber hinaus interessiert sich die Fraktion für weitere Projekte in anderen afrikanischen Staaten und eventuelle finanzielle Hilfen im Falle einer Rücknahme eigener Staatsbürger.

Nach Ansicht der Grünen bleibt unklar, "wie eine sinnvolle Zusammenarbeit in dem hochsensiblen Bereich der Grenzsicherung gerade mit autoritären Regimen aussehen soll". Es stelle sich die Frage, welche Folgen und Handlungsimplikationen sich aus den unterschiedlichen Prozessen auf EU-Ebene gerade für die entwicklungspolitische Dimension der Migrationspolitik ergeben.

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5. Zusagen für internationalen Klimaschutz

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PJA) Die Finanzierung des internationalen Klimaschutzes ist Gegenstand einer Kleinen Anfrage (18/10335) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Unter anderem wollen die Abgeordneten von der Bundesregierung erfahren, wie hoch im Jahr 2020 der Anteil Deutschlands an der Zusage für den internationalen Klimaschutz und die Klimaanpassung in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr sein soll. Außerdem fragen sie nach den öffentlichen und privaten Anteilen des deutschen Beitrages sowie der Höhe der anvisierten Finanzzusagen für existierende Klimafonds unter dem Dach des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC).

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6. Umstrittene Finanzhilfen der DEG

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PJA) Die Mitfinanzierung des brasilianischen Unternehmens RIMA Industrial durch die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) ist Thema einer Kleinen Anfrage (18/10357) der Fraktion Die Linke. Unter anderem will sie erfahren, wie oft, in welcher Form und in welchem Umfang die DEG nach Kenntnis der Bundesregierung das Unternehmen bisher finanziert hat. Außerdem fragen die Abgeordneten, ob die DEG darüber informiert gewesen sei, dass RIMA im Wahlkampf für die Abgeordnetenkammer 2014 Kandidaten mit insgesamt 3,5 Millionen brasilianischen Reais finanziert habe.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 683 - 21. November 2016 - 16.31 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2016

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