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BUNDESTAG/6427: Heute im Bundestag Nr. 179 - 22.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 179
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 22. März 2017, Redaktionsschluss: 10.45 Uhr

1. Jahn fordert zukunftsfähige Strukturen
2. Reform des Weingesetzes
3. Fußfessel für Terrorunterstützer
4. Zwang in Kinder- und Jugendheimen
5. Fragen nach unseriösen Geschäftspraktiken


1. Jahn fordert zukunftsfähige Strukturen

Kultur und Medien/Unterrichtung

Berlin: (hib/AW) Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, mahnt "zukunftsfähige Strukturen" und eine "geeignete Orte" für die Archivierung und den Umgang mit den Aktenbeständen seiner Behörde an. "Das verlangt unter anderem Modernisierung und Investitionen in Digitalisierung und archivgerechte Bauten", erklärte Jahn am Mittwoch anlässlich der Präsentation seines 13. Tätigkeitsberichtes für die Jahre 2015 und 2016 (18/11400), den er an Bundestagspräsident Norbert Lammert übergab. Nach Angaben Jahns sind derzeit mehr als die Hälfte der rund 111 Kilometer an Stasi-Akten auf zwölf Standorte in den östlichen Bundesländern verteilt. Keiner dieser Standorte sei jedoch geeignet für eine archivgerechte Lagerung und Nutzung.

Im vergangenen Jahr hatte eine vom Bundestag eingesetzte Expertenkommission empfohlen, die Stasi-Akten bis 2021 ins Bundesarchiv zu überführen, eine Stiftung einzurichten und die frühere Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg zum "Ort der Aufklärung über Diktatur und Widerstand" weiterzuentwickeln. Nachdem Opferverbände jedoch massiv Kritik an den Plänen vorgebracht hatten, weil sie eine Abwicklung der Stasi-Unterlagen-Behörde befürchten, verschob der Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD die endgültige Entscheidung über die Zukunft der Stasi-Unterlagen in die kommende Legislaturperiode. Zugleich beauftragte das Parlament die Stasi-Unterlagen-Behörde, gemeinsam mit dem Bundesarchiv ein tragfähiges Konzept für die Überführung der Akten auszuarbeiten, mit dem auch das Recht auf persönliche Akteneinsicht nach den Regeln des Stasi-Unterlagen-Gesetzes erhalten wird. Jahn betont in seinem Bericht, dass die Stasi-Akten "unverzichtbar" seien für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur. "Nach der Erfahrung von 25 Jahren Zugang zu den Stasi-Akten sind sie längst auch zum Teil des ,Gedächtnisses der Nation' geworden", schreibt der Bundesbeauftragte.

Jahn spricht sich zudem dafür aus, dass zukünftig auch weiterhin Anträge auf Rehabilitierung gestellt werden können. Diese Möglichkeit laufe nach der derzeitigen Regelung Ende 2019 aus, sagte Jahn vor der Presse in Berlin: "Das ist ein Fehler im System", die Aufarbeitung von Unrecht dürfe "kein Verfallsdatum haben". An dieser Stelle sei der Bundestag gefragt.

In den Jahren 2015 und 2016 stellten nach Angaben des Berichts 62.544 beziehungsweise 48.634 Bürger einen Antrag auf Akteneinsicht. In den Jahren davor waren es 64.246 (2013) und 67.763 (2014) gewesen. Aus Forschung und Medien gingen 1.251 (2015) und 1.299 (2016) Anträge ein. Zudem wurden 3.031 (2015) und 1.657 (2016) Ersuchen auf Überprüfung von Funktionsträgern in Politik und im öffentlichen Dienst gestellt.

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2. Reform des Weingesetzes

Ernährung und Landwirtschaft/Ausschuss

Berlin: (hib/EIS) Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestages befürwortet die Änderung des Weingesetzes. Die Abgeordneten sprachen sich einstimmig für die Annahme eines entsprechenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung (18/10944) im Plenum aus. Mit der Gesetzesänderung können die Bundesländer in Zukunft die Gründung und Anerkennung von Organisationen zur Verwaltung herkunftsgeschützter Weinnamen ermöglichen, um Marktstörungen durch ein Überangebot zu vermeiden. Für Weine, die ohne Herkunftsbezeichnung vermarktet werden, sollen künftig Hektarhöchstbeträge festgelegt werden. Vorgesehen ist auch, dass Neuanpflanzungen bis in das Jahr 2020 auf 0,3 Prozent der deutschen Rebfläche begrenzt werden. Die geplanten Änderungen des Weingesetzes seien nach Ansicht der Regierung notwendig, um das langwierige Verfahren bei der Änderung geschützter Ursprungsbezeichnungen und geschützter geografischer Angaben zu straffen und um den befürchteten Preisverfall wirksam vorbeugen zu können.

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3. Fußfessel für Terrorunterstützer

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PST) Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/11584), der den Einsatz der sogenannten elektronischen Fußfessel bei Haftentlassenen aus dem Terrorumfeld ermöglichen soll, ist beim Bundestag eingegangen. Bisher ist die elektronische Aufenthaltsüberwachung nur bei zu mindestens drei Jahren Haft verurteilten Attentätern zulässig. Künftig soll das auch bei zurückliegenden Verurteilungen wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, der Terrorismusfinanzierung, des Unterstützens einer in- oder ausländischen terroristischen Vereinigung sowie des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer in- oder ausländischen terroristischen Vereinigung möglich sein. Die Schwelle soll zudem auf eine zweijährige Haftstrafe gesenkt werden. Bei einem Teil dieser Delikte soll nach verbüßter Haft auch eine Sicherungsverwahrung angeordnet werden können.

Zur Verfahrensbeschleunigung hatten die Koalitionsfraktionen bereits einen wortgleichen Gesetzentwurf (18/11162) eingebracht, den der Bundestag am 17. Februar in erster Lesung beraten hat. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung war unterdessen zunächst an den Bundesrat gegangen, der ihn am 10. März beraten und keine Einwendungen erhoben hat.

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4. Zwang in Kinder- und Jugendheimen

Recht und Verbraucherschutz/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PST) Auskunft über die Anwendung von Zwang in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in Kinder- und Jugendheimen verlangt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (18/11487). Dabei beziehen sie sich auf derzeit in der parlamentarischen Beratung stehende Gesetzentwürfe der eigenen Fraktion (18/9804) sowie der Bundesregierung (18/11278), die eine richterliche Genehmigung bei der Anwendung von Zwang gegenüber Kindern und Jugendlichen vorschreiben sollen. Am Regierungsentwurf kritisieren die Grünen dabei, dass er nur für freiheitsentziehende Maßnahmen wie Fixierungen und Isolierungen einen familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalt vorsieht, nicht jedoch bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen.

Vor dem Hintergrund dieser Gesetzesberatung wollen die Grünen von der Bundesregierung detaillierte Angaben über die Fälle, um die es darin geht. So verlangen sie für die Jahre 2006 bis 2016 Zahlen über die freiheitsentziehende Unterbringungen von Kindern in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Einrichtungen der Jugend- oder Behindertenhilfe, über ärztliche Zwangsmaßnahmen und über freiheitsentziehende Zwangsmaßnahmen, aufgeschlüsselt jeweils nach Alter und Geschlecht der Betroffenen, nach Bundesländern, nach Dauer der Maßnahmen und einer Reihe weiterer Kriterien. Für eine mögliche Steigerung der Zahlen im erfragten Zeitraum sowie Unterschiede zwischen den Bundesländern oder zwischen den Geschlechtern fragt die Fraktion die Regierung nach ihren Erklärungen. Auch möchten die Grünen wissen, ob die Bundesregierung die UN-Kinderrechtskonvention im deutschen Recht ausreichend umgesetzt sieht und was sie zur Kritik des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen an Deutschland sagt. Weiterhin fragen sie, welche Studien zu der Thematik der Regierung bekannt sind, welche Schlüsse sie aus ihnen zieht und ob sie weitere Forschung für nötig hält. Einzelne Fragen beziehen sich auch auf die Kontrolle der Einrichtungen und die Aus- und Weiterbildung des dort eingesetzten Personals.

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5. Fragen nach unseriösen Geschäftspraktiken

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PST) In drei Kleinen Anfragen möchte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von der Bundesregierung wissen, was diese gegen unseriöse Geschäftspraktiken unternimmt oder zu unternehmen gedenkt. Die Fragen betreffen das Inkassowesen (18/11478), unerlaubte Telefonwerbung (18/11479) und das Abmahnwesen im Urheberrecht (18/11480). Die Vorbemerkung aller drei Fragenkataloge bezieht sich auf das im Oktober 2013 beziehungsweise November 2014 in Kraft getretene Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Darin seien unter anderem die Darlegungs- und Informationspflichten bei Inkassodienstleistungen ausgeweitet sowie Regelungen zu unerlaubten Telefonanrufen und Vorgaben zu Abmahnungen eingeführt worden. Die Bundesregierung habe damals im Regierungsentwurf festgehalten, dass damit "ein deutlich verbesserter Schutz der Bürgerinnen und Bürger gegen unseriöse Geschäftspraktiken hergestellt" werde. Dem sei aber die Realität vielfach nicht gerecht geworden, bemängeln die Fragesteller.

Gerade im Inkassowesen habe sich die Wirkung des Gesetzes als sehr begrenzt erwiesen, schreiben die Fragesteller unter Berufung unter anderem auf Verbraucherzentralen. Mit verschiedenen Tricks könne "aus einer Forderung von gut 30 Euro auch mal eine Endforderung von 2.500 Euro" werden, wobei teilweise die Eigentümer des Inkassounternehmens dem vermeintlichen Gläubiger entsprächen. Die Grünen fragen die Bundesregierung daher, ob sie Pläne habe, um die Inkassokosten einzudämmen, und wenn ja, welche. Weitere Fragen stellen sie nach Erkenntnissen der Bundesregierung über die Anzahl der Beschwerden sowie Bußgeldverfahren und anderen Sanktionen wie etwa Betriebsuntersagungen in den vergangenen fünf Jahren. Auch wollen sie von der Regierung wissen, ob die Justiz für diese Thematik nach ausreichend personell ausgestattet sei und was sie von der Forderung des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen hält, die Aufsicht über Inkassounternehmen zu zentralisieren.

In der Anfrage zur unerlaubten Telefonwerbung stellen die Grünen fest, dass noch immer "lästige Werbeanrufe, mit denen Verträge untergeschoben werden sollen, gängige Praxis" seien. Die seit Ende 2013 deutlich höheren Bußgelder von bis zu 300.000 Euro hätten nicht zur erhofften Abschreckung geführt, schreiben sie unter Berufung auf die Bundesrechtsanwaltskammer. Die Fraktion fragt deshalb, ob "die Bundesregierung Verbraucherinnen und Verbraucher ausreichend vor unerlaubten Telefonanrufen geschützt" sieht und welche Vorhaben sie im Bereich der unerlaubten Telefonwerbung in dieser Legislaturperiode noch habe. Auch wie sie die anhaltend hohen Beschwerdezahlen bei der Bundesnetzagentur bewerte, welche Sanktionen von dieser verhängt worden sind und wie sie zur Kritik an der Agentur stehe, wollen die Grünen von der Regierung wissen. Auch hier fragen sie außerdem, wie viele Gerichtsverfahren es in den letzten fünf Jahren gegeben habe und ob die Justiz ausreichend ausgestattet sei. Auch ob Beschwerden über Bundesunternehmen oder Unternehmen mit Bundesbeteiligung wegen unerlaubter Telefonwerbung vorliegen, wird gefragt. Weitere Punkte im Fragenkatalog beziehen sich auf verschiedene Methoden der Telefonwerbung. Schließlich fragen die Grünen auch nach Entwicklungen bei unerlaubter E-Mail-, SMS- und Faxwerbung.

Der dritte Fragenkomplex befasst sich mit Abmahnungen im Urheberrecht, also insbesondere wegen unerlaubten Herunterladens urheberrechtlich geschützter Werke aus dem Internet. Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken habe überhöhten Abmahngebühren einen Riegel vorschieben sollen, doch seien diese "nach wie vor ein florierendes Geschäftskonzept in Deutschland", schreiben die Grünen. Eine Untersuchung verschiedener Verbraucherzentralen sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vergleichsforderungen von Abmahnkanzleien sogar um 15 Prozent über dem Niveau vor Inkrafttreten des Gesetzes lägen. Auch zu diesem Themenbereich fragen die Grünen die Bundesregierung nach Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode angesichts der dargestellten Entwicklung. Ebenso fragen sie nach Fallzahlen, Beschwerden und einer möglicherweise unzureichenden Ausstattung der Justiz.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 179 - 22. März 2017 - 10.45 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2017

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