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BUNDESTAG/6443: Heute im Bundestag Nr. 195 - 27.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 195
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 27. März 2017, Redaktionsschluss: 14.55 Uhr

1. Experten: Nachbessern bei der Betriebsrente
2. Experten sehen Gefahr der Privatisierung
3. Neustrukturierung des BKA-Gesetzes
4. Geplante BSI-Befugnisse geprüft
5. Umsetzung der Flächenziele für 2030
6. Überplanmäßige Ausgabe
7. Bildungsstand in den Maghreb-Staaten


1. Experten: Nachbessern bei der Betriebsrente

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Der Gesetzentwurf (18/11286) der Bundesregierung zur Stärkung der Betriebsrenten muss aus Sicht vieler Experten nachgebessert werden. Das ist das Resultat einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung erreichen, dass mehr Beschäftigte die Möglichkeit einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) nutzen, insbesondere in kleineren und mittleren Unternehmen. Künftig sollen Sozialpartner sogenannte reine Beitragszusagen vereinbaren können, über Leistungen der durchführenden Einrichtungen entscheiden und rechtssicher Options- beziehungsweise Opting-Out-Systeme in den Betrieben einführen können. Außerdem soll ein Fördersystem für Geringverdiener geschaffen und die steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung und der Riester-Rente vereinfacht werden.

Mehrfach kritisch beurteilten Sachverständige die Konzentration des Gesetzentwurfes auf das Tarifpartnermodell. Frank Oliver Paschen, Vorstandsmitglied der Dresdner Pensionskasse, führt dazu in seiner schriftlichen Stellungnahme aus: "Dies geht am Ziel, die Verbreitung der Betriebsrenten voranzutreiben, komplett vorbei." In Unternehmen mit Tarifbindung sei die bAV ohnehin schon weiter verbreitet, kleinere Firmen ohne Tarifbindung erreiche man mit den geplanten Änderungen aber weiter nur sehr schwer. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) merkt in seiner Stellungnahme an: "Die vorrangige Fokussierung auf tarifvertragliche Lösungen geht an vielen kleineren und mittleren Unternehmen vorbei, die oft bewusst keinem Tarifvertrag unterliegen." Astrid Wallrabenstein, Professorin für Sozialrecht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, kritisiert in ihrer Stellungnahme, dass der Gesetzentwurf keine belastbaren Anhaltspunkte dafür liefere, dass sich die Unterschiede in der Verbreitung der bAV durch die vorgeschlagenen Maßnahmen ändere. Sie bezeichnet außerdem die Privilegierung von Betriebs- und Riesterrenten bei der Anrechnung auf die Grundsicherung im Alter als verfassungswidrig, da sie die Bezieher der gesetzlichen Rente, die mit der Grundsicherung verrechnet wird, benachteilige.

Positiv gegenüber der Idee einer reinen Beitragszusage äußerten sich unter anderem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Dirk Kiesewetter, Professor für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Julius-Maximilians Universität Würzburg. Kiesewetter schreibt dazu in seiner Stellungnahme: Tatsächliche und vermeintliche Risiken der bAV würden gerade von kleineren und mittleren Unternehmen als Hemmnis zur Einführung einer bAV angesehen. Eine reine Beitragszusage könne Vermittlungshemmnisse beseitigen. Damit das Ziel einer Verbreitung der bAV aber tatsächlich erreicht werde, müsse sichergestellt werden, dass auch nichttarifgebundene Unternehmen Zugang zu den neuen überbetrieblichen Versorgungseinrichtungen erhalten, so Kiesewetter. Für den GDV dagegen bewirkt das Verbot von Garantieleistungen bei gleichzeitiger Enthaftung der Arbeitgeber, dass sich die bAV als "gute Absicherung für mehr Menschen im Alter" nicht stärker durchsetzen werde.

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2. Experten sehen Gefahr der Privatisierung

Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Bei der im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen geplanten Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr besteht aus Sicht mehrerer Experten die Gefahr einer Privatisierung der Autobahnen "durch die Hintertür". Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsauschusses am Montag deutlich. Grundlage der Anhörung bildeten die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes (18/11131, 18/11186) und zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften (18/11135, 18/11185). Vorgesehen sind unter anderem Änderungen im Artikel 90 des Grundgesetzes, um die Verwaltung, Bau und Betrieb der Bundesautobahnen in die Hände des Bundes zu legen. Derzeit sind dafür die Länder in Auftragsverwaltung zuständig. Der Bund soll dazu eine Gesellschaft privaten Rechts einsetzen können. Festgeschrieben werden soll zudem, dass Autobahnen und Gesellschaft im unveräußerlichen Bundeseigentum bleiben.

Die in den Gesetzentwürfen enthaltenen Privatisierungsschranken seien unzureichend, urteilte Professor Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin. Beckers skizierte vier Wege, auf denen das Privatisierungsverbot aus seiner Sicht umgangen werden könnte. So unter anderem über Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP), wenn diese das gesamte Autobahnnetz oder auch einen hohen prozentualen Anteil des Netzes umfassen würden. Unklar sei auch, ob die laut Gesetz zu gründenden Tochtergesellschaften privatisiert werden dürften. Dies müsse im Gesetz ausgeschlossen werden, forderte er.

Wenn mit dem geplanten öffentlich-rechtlichen Nießbrauchsrecht, alle Rechte an den Autobahnen an die Gesellschaft übergehen würden, entleere man die im Gesetz enthaltene Aussage, wonach die Bundesrepublik Deutschland Eigentümer der Straßen ist, sagte Professor Georg Hermes von der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Übertrage man der Infrastrukturgesellschaft das wirtschaftliche Eigentum an den Autobahnen, laufe das auf ein Geschäftsmodell hinaus, bei dem es nicht um die Bereitstellung von Autobahnen als staatliche Daseinsvorsorge geht "sondern um das entgeltliche Zurverfügungstellen" von Autobahnen. "Das nennt man Privatisierung", sagte Hermes.

Auch Professor Christoph Gröpl sieht in den Vorlagen die Gefahr, "dass eine Privatisierung geplant ist". Wenn der Gesetzgeber das nicht möchte, müsse er das klarstellen, betonte er.

Mit den Gesetzesänderungen würden ÖPPs stark vorangetrieben, obwohl die gemachten Erfahrungen nicht gut seien, kritisierte Laura Valentukeviciute vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand. Autobahnbau mit ÖPP sei weder kostengünstiger noch schneller, sagte sei. Zudem schränke ÖPP die parlamentarische Kontrolle ein. Valentukeviciute bemängelte zudem, dass mit der Infrastrukturgesellschaft Verkehr "öffentliche Schulden versteckt werden".

Für die Gründung von Tochtergesellschaften, wie im Gesetz geplant, gibt es aus Sicht des Bundesrechnungshofes (BRH) "keinen guten Grund". Dies würde lediglich zu höheren Kosten führen, sagte BRH-Vertreterin Romy Moebus. Ausreichend wären nach Ansicht des BRH auch Außenstellen der Gesellschaft, um in der Fläche vertreten zu sein. Was die Frage der Privatisierung angeht, so hält der BRH es für sinnvoll, einzelne Strecken "funktional zu privatisieren". Eine Privatisierung von Teilnetzen müsse aber gesetzlich ausgeschlossen werden.

Von den Erfahrungen mit der Gründung einer Autobahngesellschaft in Österreich berichtete Klaus Schierhackl, Vorstand bei der ASFINAG. Er rate von einer zu starken Beteiligung der einzelnen Bundesländer ab. "Das kann wirklich sehr hinderlich sein", sagte er. Statt 16 Regionalgesellschaften sollte man sich auf Deutschland Nord und Deutschland Süd beschränke, empfahl er.

Auch Dietrich Drömann, Experte für Vergaberecht in der Wirtschaftskanzlei Graf von Westfalen, plädierte für einen Verzicht auf Regionalgesellschaften. "Es sollte an dem Gedanken einer einheitlichen Leitung unter Verzicht auf regionale Gesellschaften festhalten werden", sagte er. Die Länder, so seine Einschätzung, sollten auch keine Minderheitsbeteiligungen erhalten.

Auf die Situation der Beschäftigten eingehend, sagte Verdi-Vertreter Wolfgang Pieper, im Gesetz werde versucht, die Ansprüche der Beschäftigen im Falle der Gründung einer Autobahngesellschaft abzusichern. Problematisch sei jedoch das zersplitterte Tarifrecht, dass Fragen von Arbeitszeit und Vergütung derzeit in den Ländern unterschiedlich regle. Es müsse gewährleistet werden, dass die Ansprüche der Beschäftigten auch im Tarifvertrag mit der neuen Gesellschaft gewahrt bleiben, forderte der Gewerkschaftsvertreter.

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3. Neustrukturierung des BKA-Gesetzes

Inneres/Unterrichtung

Berlin: (hib/STO) Als Unterrichtung (18/11658) liegen die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes (18/11326) sowie die entsprechende Gegenäußerung der Bundesregierung vor. Mit dem Gesetzentwurf, der unter anderem die Einführung der "elektronischen Fußfessel" für sogenannte Gefährder vorsieht, soll zugleich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09) sowie eine EU-Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten vom April vergangenen Jahres umgesetzt werden.

Ziel der Neustrukturierung ist laut Bundesregierung insbesondere die Schaffung einer modernen IT-Architektur für das Bundeskriminalamt (BKA). Das Gesetz solle die Datenqualität verbessern und neue gemeinsame IT-Standards etablieren. Das BKA soll den Angaben zufolge sowohl als Zentralstelle des nationalen polizeilichen Informationswesens als auch als Kontaktstelle für die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden.

In seiner Stellungnahme bittet der Bundesrat unter anderem, "im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob das 'horizontal wirkende Datenschutzkonzept' die Vorgaben des Bundesverfassungsschutzgerichts in ausreichender Weise umsetzt und die Neustrukturierung des Datenverbunds beziehungsweise der IT-Architektur den verfassungsrechtlichen Anforderungen hinreichend gerecht wird".

Wie die Bundesregierung dazu in ihrer Gegenäußerung schreibt, wird sie "der Prüfbitte des Bundesrates im weiteren Gesetzgebungsverfahren nachkommen". Weiter führt sie unter anderem aus, dass sich der Gesetzentwurf und das darin verankerte Datenschutzkonzept eng an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientierten.

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4. Geplante BSI-Befugnisse geprüft

Inneres/Unterrichtung

Berlin: (hib/STO) Die Bundesregierung spricht sich gegen eine Einschränkung der in ihrem Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie "über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in den Union" (18/11242) vorgesehenen Aufsichtsbefugnisse des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) aus. Dies geht aus ihrer als Unterrichtung (18/11620) vorliegenden Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf hervor.

In seiner ebenfalls in der Unterrichtung enthaltenen Stellungnahme bat der Bundesrat unter anderem, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Ausübung der Befugnisse des BSI "zur Vorlage von Dokumentationen und zur Durchführung von Überprüfungen von zusätzlichen einschränkenden Voraussetzungen abhängig gemacht werden sollte". Wie die Bundesregierung dazu in ihrer Gegenäußerung ausführt, hat sie dies geprüft. Die Prüfung habe zu dem Ergebnis geführt, dass die "vorgesehenen Aufsichtsbefugnisse des BSI nicht weiter eingeschränkt werden sollten".

Mit der Richtlinie wurden der Regierung zufolge ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen für den EU-weiten Aufbau nationaler Kapazitäten für die Cyber-Sicherheit, eine stärkere Zusammenarbeit der EU-Staaten sowie "Mindestsicherheitsanforderungen an und Meldepflichten für bestimmte Dienste" geschaffen. Wie die Bundesregierung darlegt, werden die europarechtlichen Vorgaben im Rahmen einer Anpassung des Gesetzes über das BSI sowie "einzelner für bestimmte Branchen der Kritischen Infrastrukturen vorrangiger Spezialgesetze" umgesetzt.

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5. Umsetzung der Flächenziele für 2030

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesregierung sieht noch "erheblichen" Anstrengungsbedarf, um die von ihr vorgegebenen Flächenverbrauchsziele zu erreichen. Zwar habe sich der Flächenverbrauch seit dem Jahr 2000 auf aktuell 66 Hektar pro Tag verringert, schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (18/11387) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/10920). Ziel der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist es aber, bis 2030 die Flächenneuinanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke auf unter 30 Hektar pro Tag zu drücken. Für 2030 prognostiziert das Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung in einer Trendrechnung aus dem Jahr 2013 laut Antwort eine Flächenneuinanspruchnahme von 45 Hektar pro Tag, knapp unter 36 Hektar davon für Siedlungs- und Verkehrszwecke.

Zirka zwei Drittel der derzeitigen Flächenneuinanspruchnahme entfallen laut Bundesregierung auf ländliche Räume. Obwohl 2013 und 2014 nur fünf Prozent der Bevölkerungszunahme auf die ländliche Räume entfielen, seien dort parallel 63 Prozent der neuen Siedlungsflächen entstanden. Es müsse dort ein stärkerer Fokus auf die "Minderung des Flächenverbrauchs" gelegt werden, schreibt die Bundesregierung

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6. Überplanmäßige Ausgabe

Haushalt/Unterrichtung

Berlin: (hib/SCR) Das Bundesfinanzministerium hat auf Antrag des Bundesinnenministeriums eine überplanmäßige Ausgabe in Höhe von 36,522 Millionen Euro für den Betrieb und den Rückbau von Warteräumen zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Kenntnis genommen. Dies geht aus einer Unterrichtung der Bundesregierung über die Haushaltsführung 2017 hervor (18/11593).

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7. Bildungsstand in den Maghreb-Staaten

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/ROL) Bildung und Wissenschaft tragen aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen maßgeblich zur Entwicklung der Maghreb-Staaten bei. Sie geben der jungen Generation Perspektiven vor Ort und sorgen damit für Stabilität, schreiben die Grünen in ihrer Kleinen Anfrage (18/11548). Die Fraktion möchte gerne wissen, wie sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Besuch und der Abschluss an Grundschulen sowie weiterführenden Schulen in den vergangenen zehn Jahren in Algerien, Marokko und Tunesien entwickelt hat und wie hoch aktuell der Alphabetisierungsgrad und die Analphabetenrate sind. Auch interessiert die Grünen, welche Unterschiede es in den drei Ländern beim Schulbesuch zwischen Stadt und Land gibt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 195 - 27. März 2017 - 14.55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2017

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