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BUNDESTAG/7126: Heute im Bundestag Nr. 275 - 26.04.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 275
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 26. April 2018, Redaktionsschluss: 16.24 Uhr

1. Terrorismus und Kriminalität Hand in Hand
2. Grüne wollen Tabakwerbung einschränken
3. Kosten bei künstlicher Befruchtung
4. Förderung von Dämmverfahren
5. Rüstungsexporte und der Krieg im Jemen
6. Maßnahmen zum schnelleren Netzausbau


1. Terrorismus und Kriminalität Hand in Hand

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") hat ein Sachverständiger auf die Nähe zwischen bestimmten Milieus gewöhnlicher Kriminalität und dem politisch motivierten radikalislamischen Terrorismus hingewiesen. "Terrorismus und Kriminalität gehen Hand in Hand", sagte Marwan Abou-Taam, wissenschaftlicher Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes, in einer Anhörung am Donnerstag. Er warnte vor "idealtypischem Denken" von Sicherheitsbehörden, die gegebenenfalls davon ausgingen, ein Terrorist könne nicht zugleich Drogenhändler sein. Der Urheber des Anschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, war den Behörden als Kleinkrimineller und Rauschgiftkonsument bekannt gewesen. Das war einer der Gründe, warum er als minder gefährlich eingeschätzt wurde.

Salafistische Organisationen machten Kriminellen das Angebot, ihr Handeln als Erfüllung eines göttlichen Auftrages zu "sakralisieren", sagte Abou-Taam: "Das heißt nicht, dass der Kriminelle sich geändert hat, aber er kriegt jetzt eine Narration, warum es okay ist, kriminell zu sein." Zudem seien radikale Islamisten auf Personal angewiesen, das sich durch Beschaffungsstraftaten "selbst finanziert". Schließlich bestünden in vielen Fällen personelle Verflechtungen zwischen beiden Milieus, etwa wenn es in ein und demselben Familienclan Islamisten gebe und zugleich andere Mitglieder, die in Aktivitäten gewöhnlicher Kriminalität verwickelt seien.

Einig waren sich die zum Thema "Gewaltbereiter Islamismus und Radikalisierungsprozesse" geladenen Experten darüber, dass die Hinwendung zu dschihadistischer Ideologie und Praxis ein individueller und in jedem Einzelfall unterschiedlich verlaufender Vorgang sei. Das mache es den Behörden schwer, Menschen mit einschlägigen Neigungen frühzeitig zu identifizieren oder gar einen Algorithmus zu programmieren, der aus Äußerungen und Verhaltensweisen eine Terrorprognose zuverlässig ableiten könne.

Die Publizistin Claudia Dantschke wies darauf hin, dass immer jüngere Menschen durch Radikalisierung gefährdet seien. Sei man früher davon ausgegangen, dass die Betroffenen in der Regel zwischen 17 und 27 Jahre als waren, so sei neuerdings zu beobachten, dass bereits 15- bis 16-Jährige in den Sog der Beeinflussung gerieten. Seit 2011 habe sich ein "Pop-Dschihadimus als Teil der westlichen Jugendkultur" herausgebildet. Der Zielgruppe würden keine mehrtägigen Islam-Seminare oder langatmigen Prediger-Vorträge mehr zugemutet, sondern "kurze hippe Videos", während die tatsächliche Glaubenspraxis eher abnehme. Die Betroffenen seien in der Regel "religiös-theologische Analphabeten". Ihnen gehe es nicht um spirituelle Erfahrungen, sondern um eine "maximale Protestform gegen die Werteorientierung ihrer Elternhäuser".

Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer aus Osnabrück widersprach der Vermutung, dass eine Radikalisierung "blitzartig" verlaufen könne. Diese These stehe im Raum, sei aber nicht haltbar. Es gehe um Prozesse, die sich in Zeiträumen von einem bis zu drei Jahren abspielten. Radikalisierung geschehe auch nicht im stillen Kämmerlein, sondern immer in Gruppen: "Der einsame Wolf ist eine Ausnahme."

Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Zentrum für islamische Theologie in Münster, Sindyan Qasem, plädierte dafür, die Gefahrenabwehr auf terroristische Handlungen und nicht auf salafistisch-islamistische Einstellungen zu konzentrieren. Es sei empirisch nicht zu belegen, dass jeder Salafist in Gefahr sei, Terrorist zu werden. Die Meinungs- und Glaubensfreiheit gelte auch für Radikale. Schon die Unterscheidung zwischen "moderaten" und "extremen" Muslimen berge daher den Keim der Stigmatisierung.

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2. Grüne wollen Tabakwerbung einschränken

Gesundheit/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PK) Die Grünen wollen die Tabakwerbung einschränken. In einem Gesetzentwurf (19/1878) fordert die Grünen-Fraktion ein Verbot der Außenwerbung und Kinowerbung für Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter. Zudem soll die kostenlose Abgabe von Tabakerzeugnissen untersagt werden.

Deutschland sei das einzige Land in der EU, in dem großflächige Außenwerbung auf Plakaten oder Tabakwerbung im Kino noch immer erlaubt seien, heißt es in der Vorlage. Mit der Tabakwerbung verstoße Deutschland gegen internationale Abkommen wie das WHO-Rahmenabkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs, das auch von der EU ratifiziert worden sei.

Mit dem Gesetz sollen "vermeidbare Risiken für die menschliche Gesundheit insbesondere bei Kindern und Jugendlichen reduziert werden". Die Initiative diene dazu, den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu verbessern.

Werbung für Tabakprodukte im Kino und auf Plakaten sowie die kostenlose Abgabe von Tabakprodukten erschwerten eine wirksame Suchtprävention. Vor allem auf Kinder und Jugendliche habe die Werbung einen starken Einfluss. Je häufiger Jugendliche mit Tabakwerbung in Kontakt kämen, desto wahrscheinlicher sei es, dass sie anfingen zu rauchen.

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3. Kosten bei künstlicher Befruchtung

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/AW) Nach dem Willen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen soll eine Übernahme der Kosten für eine künstliche Befruchtung durch die gesetzlichen Krankenkassen zukünftig auch bei eingetragenen Lebenspartnerschaften, verheirateten lesbischen Ehepartnern und nichtehelichen Lebenspartnerschaften ermöglicht werden. Dies sieht ein Gesetzentwurf der Fraktion zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (19/1832) vor. Viele nicht verheiratete Paare blieben in Deutschland kinderlos, argumentieren die Grünen. Es gebe zwar kein Recht auf Elternschaft, aber darauf, bei der Chance auf eine Elternschaft nicht benachteiligt zu werden.

Nach der derzeitigen Regelung des Paragrafen 27a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch haben nach Angaben der Grünen lediglich verheiratete Paare einen Anspruch, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Teil der Kosten für eine künstliche Befruchtung von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird. Dies gelte nur für homologe Befruchtungen, dass heißt wenn Samen und Eizelle der jeweiligen Partner verwendet werden. Diese Regelung, so kritisieren die Grünen, schließe unverheiratete Paare ebenso aus wie lesbische Paare, unabhängig davon, ob diese verheiratet sind oder nicht. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 18. November 2014 festgestellt, dass gesetzliche Krankenkassen selbst auf freiwilliger Basis die Kosten einer künstlichen Befruchtung bei nicht verheirateten Paaren nicht übernehmen dürfen, da die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen. Allerdings habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. Februar 2007 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es im Ermessen des Gesetzgebers liege, die Gewährung von Leistungen nach Paragraf 27a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch näher zu bestimmen.

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4. Förderung von Dämmverfahren

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Die Bundesregierung will Bestimmungen zu Investitions-Mindesthöhen bei bestimmten KfW-Förderprogrammen überprüfen. In der Antwort (19/1585) auf eine Kleine Anfrage (19/1327) der Fraktion Die Linke erklärt die Bundesregierung, sie werde im Zuge der Umsetzung der "Förderstrategie Energieeffizienz und Wärme aus erneuerbaren Energien" die bisher geltende so genannte Geringfügigkeitsgrenze prüfen. Nach Ansicht der Fragesteller scheitern Anträge zur Förderung von kostengünstigen Einblas-Dämmverfahren bisweilen an dieser Hürde. Grundsätzlich zählen die Verfahren zu den förderfähigen Maßnahmen im CO2-Gebäudesanierungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

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5. Rüstungsexporte und der Krieg im Jemen

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Um Rüstungsexporte im weiteren Zusammenhang mit dem Jemen-Krieg geht es in der Antwort der Bundesregierung (19/1583) auf eine Kleine Anfrage (19/1052) der Fraktion Die Linke. Darin verweist die Bundesregierung bei Fragen zu Genehmigungen in Länder, die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind, auf die derzeitigen koalitionsinternen Diskussionen: "Die Aussagen zur Rüstungsexportpolitik im Koalitionsvertrag erörtert die Bundesregierung in all ihren Dimensionen derzeit intensiv." Kenntnisse über die Beteiligung der USA, Großbritannien oder Frankreich an dem Krieg liegen der Bundesregierung nach eigenen Angaben nicht vor. Sie listet in der Antwort weiter detailliert Genehmigungen für Kriegswaffen in die Länder Jordanien, Ägypten, Bahrain, Kuwait, Marokko, Sudan, Senegal, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate auf.

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6. Maßnahmen zum schnelleren Netzausbau

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Die Bundesregierung will in diesem Sommer Möglichkeiten zum schnelleren Netzausbau in den Blick nehmen. Das geht aus der Antwort (19/1680) auf eine Kleine Anfrage (19/1461) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor. Gemäß dem Koalitionsvertrag werde eine Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes angestoßen, erklärt die Bundesregierung darin. Sie werde darüber hinaus das Planungs- und Genehmigungsrecht auf mögliche Beschleunigungen und Vereinfachungen hin prüfen. Auch auf EU-Ebene wolle sie sich für weniger Bürokratie bei Verfahren einsetzen.

Neben dem Netzausbau widmet sich die Bundesregierung den technologischen Möglichkeiten für eine höhere Netzauslastung. Technologien wie Freileitungsmonitoring und Hochtemperaturbeseilung seien vielerorts bereits geplant oder in Umsetzung. Lückenloses Monitoring soll nun weitere Potenziale identifizieren. Außerdem verweist die Bundesregierung auf die Chancen weiterer neuer Technologien und die Impulse, die sich aus einer besseren Zusammenarbeit von Netzbetreibern ergeben könnten. Ein Maßnahmenbündel, das spätestens bis 2023 umgesetzt werden solle, ziele auf konkrete Impulse zu einer höheren Auslastung des Bestandsnetzes ab.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 275 - 26. April 2018 - 13.05 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2018

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