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BUNDESTAG/7607: Heute im Bundestag Nr. 759 - 11.10.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 759
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 11. Oktober 2018, Redaktionsschluss: 17.28 Uhr

1. Ministerium Vertrauensbruch vorgeworfen
2. Linke drängt auf Finanztransaktionsteuer
3. Partizipation in Wissenschaft stärken
4. Vorgehen beim nationalen Klimaplan
5. Grundlage und Folgen des Baukindergelds
6. Strukturwandel in Braunkohleregionen


1. Ministerium Vertrauensbruch vorgeworfen

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Der Einsatz einer früheren Referatsleiterin im Bundesamt für Verfassungsschutz als Beobachterin des Innenministeriums im 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") hat am Donnerstag einen Zusammenstoß der Parlamentarier mit Vertretern der Bundesregierung ausgelöst. Aus dem Ausschuss wurden Vorwürfe des Vertrauensbruchs und der Arroganz an die Adresse des Ministeriums laut. Dass die Beamtin ihrer früheren Verwendung wegen als Zeugin für den Ausschuss in Frage kam und damit einem möglichen Interessenskonflikt unterlag, war erst Anfang Oktober durch ein Schreiben des Ministeriums bekannt geworden.

Als Referatsleiterin in der für "Islamismus und islamistischen Terrorismus" zuständigen Abteilung 6 des Verfassungsschutzes war die heutige Ministerialbeamtin unter anderem mit der Beobachtung zweier enger Kontaktleute des späteren Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri in Dortmund und Berlin befasst gewesen. Als Beauftragte ihres Ministeriums im Untersuchungsausschuss hatte sie in erster Linie darauf zu achten, dass in den Zeugenbefragungen keine aus Sicht der Bundesregierung oder der Sicherheitsbehörden geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalte an die Öffentlichkeit gelangten. So unterbrach sie immer wieder Vernehmungen mit dem Hinweis, dass bestimmte angesprochene Themen nur nichtöffentlich erörtert werden dürften.

Nach einer internen Beratungssitzung am Donnerstag sprach der Ausschussvorsitzende Armin Schuster (CDU) von einem "Vertrauensproblem". Der Interessenskonflikt der betroffenen Beamtin sei offenkundig, indes sei den Ermittlungen des Ausschusses dadurch kein Schaden entstanden in dem Sinne, "dass in irgendeiner Weise manipulierend auf den Ausschuss eingewirkt" worden wäre. Kritik äußerte Schuster am Auftreten des zuständigen Abteilungsleiters im Innenministerium, Stefan Kaller, in der Ausschusssitzung. Er hätte, meinte Schuster, eigentlich nur einen einzigen kleinen Satz erwartet, nämlich: "Uns ist ein Fehler unterlaufen." Diese Worte seien Kaller nicht über die Lippen gekommen.

Wesentlich schärfer als der Vorsitzende äußerten sich Abgeordnete der SPD und der Opposition. Der sozialdemokratische Obmann Fritz Felgentreu sprach von einer "Mischung aus Arroganz, Ignoranz und Respektlosigkeit gegenüber den Belangen des Ausschusses", die der Vertreter der Bundesregierung an den Tag gelegt habe. Insgesamt sei das Vertrauensverhältnis zum Innenministerium "erheblich getrübt". Der Grüne Konstantin von Notz zeigte sich ebenfalls "irritiert über die Tonlage" der Regierungsseite, wo offenbar "wenig Verständnis für die Parlamentsperspektive" vorhanden sei.

Die Linke Martina Renner äußerte den Verdacht, die Ministerialbeamtin habe "ihre Rolle im Ausschuss benutzt, um auch Zeugen zu beeinflussen, bestimmte Sachverhalte dem Ausschuss nicht zu offenbaren". Sie habe immer dann interveniert, wenn in Vernehmungen Personen aus dem radikalislamischen Spektrum zur Sprache gekommen seien, die sie selbst als Referatsleiterin beim Verfassungsschutz bearbeitet habe: "Ich halte dieses Vorgehen nicht für ein Versehen, sondern für den gezielten Versuch, bestimmte Sachverhalte nicht in das Blickfeld des Ausschusses zu bringen."

In der öffentlichen Sitzung berichtete der heute in Offenburg tätige Staatsanwalt Bastian Kioschis, wie er im Juli 2015 in Karlsruhe ein Verfahren wegen "Erschleichens von Leistungen" gegen den späteren Attentäter Amri eröffnet und umgehend wieder eingestellt hatte. Dass der Fall überhaupt auf seinem Schreibtisch gelandet sei, habe daran gelegen, dass der Kontrolleur, der Amri beim Schwarzfahren in der Straßenbahn erwischte, Mühe hatte, seine Personalien festzustellen, und deshalb die Polizei hinzuzog. Diese habe von Amts wegen Anzeige erstattet.

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2. Linke drängt auf Finanztransaktionsteuer

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Fraktion Die Linke drängt auf Einführung einer Finanztransaktionsteuer. In einem Antrag (19/4886) wird die Bundesregierung aufgefordert, der Einführung dieser neuen Steuer "höchste Priorität" einzuräumen. Die Regierung soll darauf hinwirken, dass die politischen Verhandlungen im Rahmen des EU-Verfahrens der Verstärkten Zusammenarbeit in den nächsten sechs Monaten erfolgreich abgeschlossen werden. Sollte dies im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit nicht gelingen, soll eine umfassende Finanztransaktionsteuer auf den Aktien-, Anleihen- und Derivatehandel im Rahmen einer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit eingeführt werden, "verbunden mit der Bereitschaft, die Steuer notfalls auch im nationalen Alleingang einführen zu wollen".

Der Finanzsektor müsse an den Kosten der Finanzkrise beteiligt werden, verlangt die Fraktion Die Linke und erinnert an einen früheren Beschluss des Bundestages von 2012, in dem eine Besteuerung von Finanzmärkten beschlossen worden war, um die Kosten der Finanzkrise zu bewältigen und den Finanzsektor an den Kosten der Bewältigung zu beteiligen. Dazu sei es jedoch nie gekommen. "Durch die verschleppten Verhandlungen auf europäischer Ebene gingen dem Bundeshaushalt seit 2010 Einnahmen von circa 150 Milliarden Euro verloren", rechnet die Fraktion Die Linke vor.

Die Fraktion verlangt, die Steuer möglichst breit anzulegen. Erfasst werden müsse der Handel mit Aktien, Anleihen und Derivaten und perspektivisch auch Devisen. Ohne Anleihen und Derivate ginge nicht nur ein Teil der Bemessungsgrundlage verloren, sondern es würden auch Umgehungsstrategien möglich. Außerdem sei eine Besteuerung von Derivaten wichtig, da sie besonders häufig für spekulative Zwecke eingesetzt werden würden. Eine Beschränkung der Steuer auf Aktien wie in Großbritannien oder Frankreich würde keinerlei Mehrwert gegenüber existierenden nationalen Steuervarianten bringen.

"Die Finanztransaktionsteuer ist ein Regulierungsinstrument, um die Finanzmärkte in die Schranken zu weisen. Sie drängt kurzfristige Spekulationen zurück und belastet langwierige Investitionen kaum", heißt es in dem Antrag. Unter Berufung auf Schätzungen wird das mögliche jährliche Aufkommen durch diese Steuer allein in Deutschland auf 18 Milliarden Euro beziffert.

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3. Partizipation in Wissenschaft stärken

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Unterrichtung

Berlin: (hib/ROL) Wissenschaft und Forschung haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine rasanten Bedeutungszuwachs erfahren. Viele Menschen erwarten, dass neue Erkenntnisse aus der Forschung dazu beitragen, die großen gesellschaftlichen Aufgaben von morgen zu lösen. Das reicht von der Abwendung der Klimakrise über das Aufhalten des Artensterbens bis zum nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten. Gleichzeitig werden auch gesellschaftliche Ansprüche wie Transparenz, Unabhängigkeit und Nachvollziehbarkeit an die Wissenschaft gestellt - ihre Legitimation wird diskutiert und hinterfragt. Das schreiben Bündnis 90/Die Grünen in Ihrem Antrag (19/4857).

So sei auch das Verhältnis zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Bewegung geraten. Wissenschaftspolitik selbst entwickelte sich zum Austragungsfeld politischer Konflikte. Von diesen Spannungsfeldern zeuge einerseits das selbstbewusste Eintreten für die Wissenschaftsfreiheit im Rahmen des March for Science. Andererseits drücke sich dies aber auch in der systematischen Diskreditierung bestimmter Disziplinen (wie z.B. der Klima- oder Geschlechterforschung) - insbesondere durch wissenschaftsfeindliche und rechtspopulistische Kräfte - aus. Eine oft zu hörende, vermeintliche Antwort auf diese Entwicklung sei, die Wissenschaft müsse ihr Tun einfach besser erklären. Auch wenn dies im Einzelfall zutreffend sein mag, gehe diese Forderung nach besserer Kommunikation am Kern der Sache oftmals vorbei und sei unterkomplex, schreiben Bündnis 90/Die Grünen.

Die Fraktion macht deutlich, dass das klare Bekenntnis der Politik für die Wissenschaftsfreiheit entscheidend sei. Dazu gehöre die entsprechende Ausstattung der Wissenschaft mit ausreichenden Grundmitteln zur freien und ungerichteten Forschung, wie auch die Verankerung von Wissenschaft in die Gesellschaft. Das Hinterfragen bestimmter Förderdynamiken oder der wissenschaftspolitischen Prioritätensetzung, aber auch die Einbringung neuer Forschungsthemen seien berechtigte Anliegen einer kritisch-konstruktiven Öffentlichkeit. Initiativen, Verbände, Vereine und Bürger wollen sich nach Ansicht der Grünen vermehrt mit ihren Erkenntnisinteressen und ihrer Expertise einbringen. Wenn die Rahmenbedingungen richtig gesetzt würden, könnten solche Impulse nicht nur das öffentliche Vertrauen in das Wissenschaftssystem steigern, sondern auch die Innovationskraft der Bürger für die Forschung fruchtbar machen.

Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen fordert, dass die zahlreichen konstruktiven Impulse aus der Gesellschaft als Chance für die Wissenschaft ernst genommen werden und neue Partizipationsmöglichkeiten in Wissenschaftspolitik und Forschung geschaffen werden. Für substanzielle Beteiligung der Zivilgesellschaft in der Wissenschaftspolitik seien auf Dauer eingerichtete, transparente Formate mit klaren Zuständigkeiten notwendig. Es sei wichtig mehr als punktuelle Konsultationen zwischen Politik und Zivilgesellschaft oder temporäre Bürgerforen einzurichten.

Zur Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft sowie engagierter Bürger in die Forschung habe die Bundesregierung vereinzelte Formate geschaffen, die auf erfreulich große Resonanz gestoßen seien. So habe es für die "Kopernikus-Projekte für die Energiewende" oder die Förderung bürgerwissenschaftlicher Vorhaben (Citizen Science) eine überwältigende Anzahl vielversprechender Anträge gegeben, von denen letztendlich aber nur ein Bruchteil gefördert worden sei. Solche transdisziplinären und bürgerwissenschaftlichen Programme gelte es nun gemeinsam mit Wissenschaft und Gesellschaft auszuwerten und weiterzuentwickeln. Anders als bisher müsse die Bundesregierung in Zukunft insbesondere durch verbindliche Qualitätsstandards "Scheinpartizipation" ausschließen und alle Partner gleichberechtigt miteinbeziehen.

Angesichts der Vielfalt der öffentlichen Forschungsförderung seien die Formen sinnvoller partizipativer Ansätze in Wissenschaft und Forschung je nach Disziplin und Ansatzpunkt jedoch sehr unterschiedlich. Auf Grundlage der bisherigen Erfahrung können Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft im Dialog erfolgreiche Ansätze vertiefen und Neues entwickeln, sollten aber auch ehrlich anerkennen wo partizipative Elemente nicht sinnvoll seien. Die von manchen erwartete Entgrenzung der Wissenschaft gegenüber gesellschaftlichen Einflüssen oder gar die Aufgabe des wissenschaftlichen Prinzips der Wahrheitssuche seien weder das Ziel noch als Nebeneffekt größerer gesellschaftlicher Partizipation ernsthaft zu befürchten.

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4. Vorgehen beim nationalen Klimaplan

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Das geplante Vorgehen beim Erstellen eines integrierten nationalen Energie- und Klimaplans ist Gegenstand der Antwort (19/4667) auf eine Kleine Anfrage (19/4179) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Darin beschreibt die Bundesregierung Inhalte, Fristen und Konsultationen bezüglich des Plans, dessen erster Entwurf bis Jahresende stehen soll. Der finale Plan werde öffentlich zugänglich gemacht, der Bundestag werde wie andere wichtige Akteure in die Beratungen einbezogen, heißt es weiter.

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5. Grundlage und Folgen des Baukindergelds

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PEZ) Das Baukindergeld steht im Mittelpunkt einer Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion (19/4697). Dabei möchten die Abgeordneten wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage die Mittelvergabe erfolgt und wo nach Ansicht der Bundesregierung offene rechtliche Punkte bestehen. Sie erkundigen sich auch nach einer Einschätzung zu möglichen Auswirkungen der Maßnahme wie etwa Mitnahmeeffekte und steigende Immobilienpreise.

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6. Strukturwandel in Braunkohleregionen

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PEZ) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Detailfragen zum Strukturwandel in Braunkohleregionen. In einer Kleinen Anfrage (19/4792) möchten die Abgeordneten wissen, welche Fördermittel über welche Programme in den vergangenen fünf Jahren in solche Gegenden geflossen sind. Sie fragen nach den verantwortlichen Bundesministerien und nach Zuständigkeiten und Organisation bei der bestehenden Regionalförderung. Des weiteren erkundigen sich die Abgeordneten genau nach angestoßenen Maßnahmen in Braunkohlegegenden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 759 - 11. Oktober 2018 - 17.28 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2018

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