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BUNDESTAG/7759: Heute im Bundestag Nr. 911 - 26.11.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 911
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 26. November 2018, Redaktionsschluss: 16.27 Uhr

1. Fristverlängerung bei Ferkelkastration
2. Experten: Weiterbildung wird wichtiger


1. Fristverlängerung bei Ferkelkastration

Ernährung und Landwirtschaft/Anhörung

Berlin: (hib/EIS) Die Mehrheit der Sachverständigen spricht sich aufgrund fehlender praktischer Alternativmethoden für eine Verlängerung der Frist für die betäubungslose Ferkelkastration aus. Kritisiert wurde in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am Montagnachmittag allerdings, dass der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur Änderung des Tierschutzgesetzes (19/5522) zu spät vorgelegt worden sei. Dadurch seien die Ferkelzüchter zu lange im Ungewissen gelassen worden. Mit dem Gesetzentwurf zusammen wurde auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kurzfristig der Bericht der Bundesregierung zum Stand der Kastration von Ferkeln (18/10689) mit auf die Tagesordnung der Anhörung gesetzt. Darin heißt es unter anderem, dass die betäubungslose Ferkelkastration durch einen Eingriff unter Narkose, die Immunokastration oder die Jungebermast abgelöst werden kann. Die chirurgische Kastration habe den Vorteil, dass im Anschluss keine Umstellung bei der Aufzucht, der Mast, der Schlachtung, der Verarbeitung und der Vermarktung der Tiere erforderlich sei. Der Bericht war auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, AfD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen im April dieses Jahres als Vorlage aus früheren Wahlperioden unter der Drucksachennummer (19/1709) erneut an den Landwirtschaftsausschuss überwiesen worden.

Auf Grundlage des zur Anhörung stehenden Gesetzentwurfes wollen die Koalitionsfraktionen die Übergangsfrist für das betäubungslose Kastrieren männlicher Ferkel im Alter von unter acht Tagen verlängern. Danach soll die Übergangsregelung in Paragraf 21 Absatz 1 Satz 1 des Tierschutzgesetzes, die die Kastration von Ferkeln noch bis zum 31. Dezember 2018 ohne Betäubung erlaubt, um zwei Jahre verlängert werden. Eine Verschiebung der Frist sei zwingend erforderlich, weil die derzeit verfügbaren Alternativen zur betäubungslosen Kastration den Anforderungen der Praxis nicht gerecht würden. Spätestens jedoch zum 31. Dezember 2020 soll damit Schluss sein und die Kastration unter wirksamer Schmerzausschaltung erfolgen. Darüber hinaus sollen alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Ferkelerzeuger in dem verlängerten Übergangszeitraum bei der Umstellung zu unterstützen. Beispielsweise soll das Tierarzneimittel Isofluran unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes eine tierarzneimittelrechtliche Zulassung erhalten. Zudem müsse spätestens bis zum 31. Mai 2019 dem Bundestag eine Verordnung zugeleitet werden, die dem geschulten Landwirt die Durchführung der Isoflurannarkose ermöglicht. Die Betriebe sollen bei der Umstellung auf alternative Verfahren sowie bei der Anschaffung der dafür notwendigen Geräte finanziell unterstützt werden.

Andreas Palzer vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte befürwortete die Verschiebung des Termins. In der dadurch gewonnenen Zeit sei es umso wichtiger, die bestehenden Alternativmethoden in den Betrieben in die Praxis zu überführen und in die Vermarktung zu bringen. Aus Tierärztesicht sei eine rechtskonforme und praktikable Umsetzung des Ausstiegs am wichtigsten, die zu einer wirklichen Verbesserung des Tierschutzes führe. Bianca Lind vom Bundesverband Rind und Schwein e.V. betrachtete ebenfalls die Verlängerung der bereits gewährten fünfjährigen Übergangsfrist für den Ausstieg als notwendig, weil die vergangenen Jahre nicht ausreichend genutzt worden seien, um praktikable Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration auf den Weg zu bringen. Die bisher verfügbaren und zugelassenen Methoden seien derzeit nicht flächendeckend umsetzbar. Deshalb sei es wichtig, die mit dem Entwurf gewonnene Zeit zu nutzen, um Alternativen zu erarbeiten. In ihrer Stellungnahme kritisierte die Sachverständige, dass bereits in den EU-Nachbarländern angewandte Methoden in Deutschland nicht zugelassen seien. Aus diesem Grund könnten in Zukunft mehr Ferkel aus dem Ausland als bisher an deutsche Mäster geliefert werden. Dies bedrohe nicht nur die Existenz der deutschen Ferkelerzeuger, sondern führe zu längere Transportzeiten und verhindere eine regionale Produktion. Vielversprechend sei aus Sicht ihres Verbandes das Verfahren der Lokalanästhesie, weil es die Wettbewerbsfähigkeit erhalte. Dafür bedürfe es aber der Zulassung von Isofluran.

Der Wissenschaftler Michael Marahrens vom Institut für Tierschutz und Tierhaltung des Friedrich-Loeffler-Instituts machte darauf aufmerksam, dass alle in der Diskussion stehenden Alternativmethoden entweder nicht zugelassen seien oder die dafür notwendigen Geräte noch der technischen Anpassung bedürfen. In seiner Stellungnahme warb er aus tierschutzfachlichen Gründen für die Impfung gegen Ebergeruch. Bei Beachtung der Vorgaben sei auch die Jungebermast eine praktikable Lösung. Marahrens erklärte aber, dass es letzten Endes den Tierhaltern offen stehen muss, ob sie eine Kastration mithilfe mit einer Anästhesie durch Injektionsnarkose oder Inhalationsnarkose mit Isofluran durchführen wollen. Dafür seien allerdings Schulungen notwendig und Sachkundenachweise. Werner Schwarz vom Deutschen Bauernverband betonte, dass die Landwirte Tiere nicht zum Spaß kastrieren würden. Doch Alternativen wie die Ebermast böten nur die Chance auf eine Vermarktung des Fleisches auf Nischenmärkten. Er befürwortete deshalb die Methode der Lokalanästhesie, die er als geeignetes Verfahren einstufte. Aber auch der Narkose mit Isofluran bis hin zu Imagekampagnen für die Immunokastration stehe er offen gegenüber, um möglichen Vorbehalten aufseiten der Verbraucher vorzubeugen.

Auch Andreas Randt vom Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. stellte fest, dass aufgrund fehlender Regelungen in Deutschland und verfügbarer Alternativen der Verzicht auf die betäubungslose Ferkelkastration für viele Ferkelerzeuger unmöglich sei. Daher sei die Fristverschiebung unumgänglich. Randt setzt sich für die Anerkennung des Verfahrens für die bereits zugelassene lokale Betäubung ein. Er verwies auf die Erfahrungen in Schweden und Dänemark, die diese Methode ihren Ferkelerzeugern bereits zur Verfügung gestellt hätten. Die lokale Betäubung würde die höchsten Tierwohlstandards in der Ferkelerzeugung und Schweinemast gewährleisten, ohne den Unternehmen die ökonomischen Grundlagen zu entziehen. Britta Becke erläuterte aus Sicht einer praktizierenden Landwirtin, dass die Ebermast aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kaum eine Chance habe. In den Schlachthöfen sei im Produktionsprozess eine Geruchsprüfung für entsprechendes Fleisch nicht eingepreist und vorgesehen. Das würden die Produzenten nicht wollen. Zwar schätzte sie die Methode der Immunokastration als geeignet ein, aber auch in diesem Fall würden die Schlachthöfe entsprechende Tiere ablehnen, weil der Verbraucher solches Fleisch nicht wolle. Gegenüber dem Einsatz von Isofluran äußerte sie bedenken, denn das Mittel zähle zu den Treibhausgasen und die Verfahren zur Verabreichung an die Ferkel technisch noch nicht ausgereift seien. Becke äußerte Unverständnis darüber, dass es über die Alternative der Lokalanästhesie noch Diskussion gebe. Dieses Verfahren sei einfach, sicher und nebenwirkungsfrei. Dass den Ferkeln diese Methode bis jetzt verwehrt bleibe, kritisierte sie.

Der Sachverständige Jens Bülte vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht der Universität Mannheim goss hingegen Wasser in den Wein der Befürworter einer Verlängerung: Der Entwurf stelle einen gravierenden Eingriff in das Verfassungsrechtsgut Tierschutz dar. Die Begründung, dass eine Kostensteigerung für Agrarunternehmen verhindert und Wettbewerbsnachteilen vermieden werden müsse, reiche nicht aus. Die Weiterführung einer Ausnahme für die betäubungslose Kastration um zwei Jahre sei unvertretbar. Die betäubungslose Kastration stelle vermeidbares Tierleid dar und sei somit verfassungswidrig. Der Einzelsachverständige Jochen Dettmer, Diplomagraringenieur, äußerte massiv Kritik daran, dass eine Lösung des Problems seit so vielen Jahren verschleppt worden sei und nun auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werde. Jede zukünftige Lösung könne aber nur funktionieren, wenn die Landwirte diese selbst durchführen. Auch der Einzelsachverständige und Tierarzt Jan Schepers bestätigte, dass die Schweinezüchter bereit seien, mehr für den Tierschutz und das Tierwohl zu unternehmen, wenn sie dadurch nicht ihre Konkurrenzfähigkeit verlieren. Wichtig sei in dieser Hinsicht, auf EU-Ebene allgemeingültige Regelungen zu schaffen, ansonsten werde das Tierleid in das Ausland exportiert. Schepers plädierte für eine finanzielle Entlastung der mittleren und kleinen Betriebe durch die Erlaubnis der Anwendung von Lokalanästhesie durch geschulte Landwirte.

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2. Experten: Weiterbildung wird wichtiger

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Eine verstärkte Weiterbildungsförderung im Rahmen des digitalen Wandels ist dringend geboten und der entsprechende Gesetzentwurf (19/4948) der Bundesregierung ein richtiger Schritt in diese Richtung. Diese Ansicht vertraten die geladenen Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag, den 26. November 2018. Ebenfalls positiv bewertet wurde auch die geplante Verlängerung der Rahmenfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld I von 24 auf 30 Monate. Einige Sachverständige bezeichneten das jedoch als nicht ausreichend.

Mit dem Qualifizierungschancengesetz soll die Förderung von Weiterbildung durch die Bundesagentur für Arbeit ausgeweitet werden und gleichzeitig der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ab Januar 2019 von 3,0 auf 2,6 Prozent gesenkt werden. Außerdem soll die 70-Tage-Regelung für kurzzeitige Beschäftigung verlängert werden.

Für die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) betonte Jürgen Wuttke, dass Weiterbildung eine Kernaufgabe von Arbeitgebern sei und auch bleiben müsse. Die Arbeitslosenversicherung könne dies zwar ergänzen. Jedoch habe die BDA die Sorge, dass die Arbeitslosenversicherung finanziell überlastet werde, wenn die Zielgruppe so weit gefasst bleibe wie derzeit vorgesehen. Die BDA fordert deshalb eine Eingrenzung, vor allem für Betriebe mit mehr als 250 Beschäftigten, um eine "uferlose" Förderung zu verhindern. Der Gesetzentwurf gehe in die richtige Richtung, betonte Friedhelm Siepe von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Weiterbildung solle auch in Zukunft Sache der Betriebe bleiben, aber angesichts der Dimension des technologischen Wandels müsse dies gesamtgesellschaftlich gestützt werden, sagte er. Ähnlich argumentierte auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der die öffentliche Weiterbildungsförderung als sinnvoll bezeichnete, zumal sie auch an bestimmte Bedingungen geknüpft sei. DGB-Vertreter Johannes Jakob schlug jedoch vor, die Vier-Jahres-Frist, die zwischen zwei Weiterbildungsförderungen liegen soll, zu flexibilisieren. Um Mitnahmeeffekte auszuschließen, brauche es klar definierte Grenzen, betonte Thomas Kruppe vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und zeigte sich überzeugt, dass der Gesetzentwurf ein Anreiz für Betriebe sein könne, verstärkt in Weiterbildung zu investieren.

Wie der DGB plädierte auch der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband - Gesamtverband für eine Verlängerung der Rahmenfrist beim Arbeitslosengeld I auf 36 Monate. Ein Viertel der Menschen, die arbeitslos werden, rutschten direkt in den ALG-II-Bezug, sagte Jakob. Tina Hofmann vom Paritätischen Gesamtverband kritisierte, dass zwei Drittel der Arbeitslosen im Hartz-IV-System gefangen seien. Die BDA hielt dagegen die 30-Monats-Frist für "vertretbar" angesichts der schwierigen Erwerbsbiografien vieler Beschäftigter.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 911 - 26. November 2018 - 16.27 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2018

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