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BUNDESTAG/7776: Heute im Bundestag Nr. 928 - 29.11.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 928
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 29. November 2018, Redaktionsschluss: 09.51 Uhr

1. Bewertungen der EU-Plastikstrategie
2. Zukunftstechnologie Blockchain
3. Klima-Antrag von Linken und Grünen
4. Regierung soll Klimafinanzierung stärken
5. FDP setzt beim Klimaschutz auf Markt


1. Bewertungen der EU-Plastikstrategie

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Unterschiedliche Bewertungen hat die EU-Plastikstrategie während eines öffentlichen Expertengespräches des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung am Mittwochabend erfahren. Die EU-Plastikstrategie verfolge das richtige Ziel, überflüssige Einwegkunststoffe, die später die Weltmeere verschmutzen, zu beschränken, sagte Helge Wendenburg, ehemaliger Leiter der Abteilung "Wasserwirtschaft und Ressourcenschutz" im Bundesumweltministerium (BMU). Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) unterstütze die Kernziele der EU-Plastikstrategie, betonte VCI-Geschäftsführer Bertold Welling. Zu diesen Zielen leiste die Kunststoffwirtschaft einen großen Beitrag, sagte er.

Aus Sicht von Michael Braungart, Geschäftsführer der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, greift die EU-Plastikstrategie jedoch viel zu kurz. Da Kunststoffe nicht vollständig recycelbar seien und durch ihren hohen Anteil an schädlichen Chemikalien eine Gesundheitsgefahr darstellen würden, müsse dem Prinzip "Cradle-to-Cradle" (deutsch: von der Wiege zur Wiege) gefolgt werden, bei dem biologische und technische "Nährstoffe" in ihren jeweiligen Kreisläufen gehalten würden, forderte er.

Es gelte beim Ressourcenverbrauch effizienter zu werden, um dem Anforderungen durch eine steigende Weltbevölkerung gerecht zu werden, sagte der ehemalige BMU-Abteilungsleiter Wendenburg. "Wir müssen versuchen, aus weniger mehr zu machen", betonte er. Dabei gehe es vor allem um Abfallvermeidung. Ein Beispiel seien die Plastiktüten im Supermarkt. Seitdem dafür bezahlt werden muss, würden die meisten Kunden eigenen Transportbehälter - zumeist nicht aus Plastik - mitbringen. Kunststoffe, so Wendenburg, würden zwar als Wertstoffe gehandelt. Man müsse jedoch auch betrachten, welcher Aufwand für die Sammlung nötig ist und diesen mit den zu erzielenden Preisen vergleichen. "Da haben wir ein Delta, das weltweit noch sehr viel größer ist", sagte er. Die in Deutschland schon vorhandene Recycling-Industrie müsse beispielsweise in den ostasiatischen Ländern erst aufgebaut werden.

Ein Plädoyer für Kunststoffe auch im Bereich der Verpackungen gab VCI-Geschäftsführer Welling ab. Diese seien vorteilhaft in Sachen Klimaschutz und CO2-Einsparungen. Substitute der Kunststoffverpackungen hätten einen 2,2-fachen Energieverbrauch und würden 2,7-fach höhere CO2-Emissionen freisetzen. Was die Kunststoffverwertung angeht so sei Deutschland vorbildlich, sagte Welling. Mehr als 99 Prozent würden im Rahmen der Kreislaufwirtschaft der Verwertung zugeführt. "Die Kunststoffindustrie kann ein Problemlöser in Sachen CO2-Minderung und Ressourcenschonung sein", befand er.

Es gebe keinen Anlass, sich wegen der Recyclingquoten in Deutschland auf die Schulter zu klopfen, entgegnete EPEA-Geschäftsführer Braungart. Mit dem Grünen Punkt werde die Bevölkerung angelogen, sagte er. "Es ist für die Umwelt nichts passiert." Giftiges PVC verseuche das gesamte Recycling, während die Abfallmenge immer weiter ansteige. Die EU-Plastikstrategie nehme nur das Sichtbare in den Blick. "Was aber passiert, nachdem die Lkw-Plane zur Tasche weiterverarbeitet wurde?", gab der Umweltforscher zu bedenken.

Braungart sah gleichwohl auch Handlungsoptionen. So könne etwa die Politik die 200 Milliarden Euro, die für die öffentliche Beschaffung ausgegeben würden, bevorzugt in Cradle-to-Cradle-Produkte investieren, wie es etwa in Holland schon verstärkt stattfinde.

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2. Zukunftstechnologie Blockchain

Ausschuss Digitale Agenda/Anhörung

Berlin: (hib/LBR) Über den derzeitigen Stand beim Thema Blockchain hat der Ausschuss Digitale Agenda am Mittwochnachmittag mit sechs geladenen Experten in einer öffentlichen Anhörung diskutiert. In der 20. Sitzung des Ausschusses unter Vorsitz von Hansjörg Durz (CSU) erteilten die Sachverständigen dem Ausschuss Auskunft über den Zusammenhang der digitalen Währung Bitcoin und dem Blockchain-Verfahren sowie zu den Potenzialen der Technologie für Anwendungsgebiete. Darüber hinaus interessierten sich die Abgeordneten für die Vereinbarkeit der Technologie mit Datenschutzbestimmungen und die Voraussetzungen, die für den Einsatz in den Bereichen eHealth oder eGovernment nötig sind.

"Für uns als Legislative ist interessant, welche Gesetze nötig wären und wo Regulierung hinderlich ist", eröffnete Durz das Fachgespräch mit den sechs Sachverständigen. Diese verdeutlichten die großen Chancen der Technologie, warnten aber auch vor überzogenen Erwartungen, durch die Themen wie etwa eine fehlende Regulierung überdeckt würden.

Der Begriff Blockchain (deutsch: Blockkette) beschreibt eine verkettete Folge von Datenblöcken, die über die Zeit weiter fortgeschrieben werden. Digitales Geld wird in einem dezentralisierten, verteilten und sicheren Zahlungssystem wie eine Art Konto aufgebaut. Die bekannteste Anwendung in diesem System nennt sich Bitcoin (englisch: digitale Münze). Sie ist webbasiert, dezentral und öffentlich. Alle Bitcoin-Transaktionen, die jemals getätigt wurden, werden in der Blockchain, die als Datenbank fungiert, verzeichnet. Eine Bank gibt es hier nicht, sondern nur Rechenleistung und technische Hilfsmittel. Die Kontoführung basiert in diesem System auf einem Netzwerk von kommunizierenden Systemen, die das Netzwerk sichern, indem sie mehrere Transaktionen zusammenfassen und validieren.

Gilbert Fridgen vom Fraunhofer Institut für Angewandte Informatik FIT betonte in dem öffentlichen Fachgespräch, dass sich die Technologie weder auf Kryptowährungen noch auf die Anwendung in der Finanzwirtschaft beschränke. "In Deutschland gibt es mit Berlin ein globales Zentrum von Blockchain-Entwicklungen, in dem sich 70 Start-Ups angesiedelt haben", sagte Fridgen. Blockchain passe gut zur deutschen Wirtschaft und fördere die Zusammenarbeit von kleinen und mittleren Unternehmen. Er erwarte aber "keine Revolution, sondern es wird eher eine Evolution sein", in der bestehende Prozesse in Wirtschaft und Verwaltung optimiert würden. Ein Risiko stelle die fehlende Integration der Technologie in die demokratische Ordnung dar und der Fakt, dass ein regulatorischer Rahmen fehle, sagte Fridgen.

Blockchain habe das Potenzial, Finanzintermediäre zu ersetzen und ein Spielfeld für die Europäer zu werden, das das Ungleichgewicht zu den Internet-Monopolen aufbrechen könne, sagte Ingo Rübe, CEO von BOTLabs GmbH. Die größten Auswirkungen seien also nicht in der Finanzbranche zu erwarten, sondern im Internet selbst. "In Deutschland haben wir durch den Umstand, dass viel Wissen der Branche in Berlin sitzt, einen enormen Standortvorteil. Aber wir merken, dass immer mehr Unternehmen zum Beispiel nach Singapur abwandern", berichtete Rübe dem Ausschuss. Dagegen müsse die Politik mit besseren Voraussetzungen, mehr Rechtssicherheit und Regulierung angehen. "Wir brauchen eine europäische Vereinheitlichung der Token-Klassen", plädierte er.

Roman Beck von der IT University of Copenhagen und dem European Blockchain Center kritisierte, dass in Deutschland ein "Digitalisierungsnotstand" herrsche: "Das Internet ist bereits heute Geschichte. Die Digitalisierung 2.0 wird die Welt massiv verändern und dazu führen, dass wir deutlich autonomer und produktiver sein werden", sagte er. An dieser Welt nehme Deutschland aber noch nicht teil. Das Land brauche daher einen "digitalen Marshall-Plan", um direkt in die nächste Generation der Digitalisierung einsteigen zu können. Nötig seien dafür deutlich mehr Investitionen als die drei Milliarden in der KI-Strategie der Bundesregierung.

"Wir sind überzeugt, dass Blockchains eine grundlegende infrastrukturelle Innovation darstellen", sagte Florian Glatz, Präsident des Bundesverbands Blockchain e.V. Dem Staat komme dabei die Aufgabe zu, Rahmenbedingungen zu schaffen, um der Technologie die Chance der Etablierung zu geben. "Dabei dürfen nicht alte, analoge Denkmuster auf das neue Medium übertragen werden", warnte Glatz. Die deutsche Rechtsordnung müsse durchleuchtet werden nach Regelungen, die in einer digitalen Welt keinen Sinn mehr ergäben. Dies beinhalte auch Fragen zur Rechtssicherheit digitaler Identitäten von Menschen. Die Digitalisierung der Verwaltung biete aber große Chancen für behörden- und länderübergreifenden Datenaustausch und gemeinsame Standards, betonte Glatz. "Dafür sind allerdings Pilotprojekte nötig."

Kritisch äußerte sich der Autor und Blogger Jürgen Geuter: "Blockchain ist ein Codewort für eine Zukunftstechnologie, ein Hypebegriff, der den Anschluss Deutschlands sichern soll", kritisierte er. Die Technologie sei trotz zehn Jahren Bitcoins am Markt "keineswegs robust genug und hat immer wieder mit Bugs zu kämpfen", berichtete Geuter. Der Erwartungen kämen hauptsächlich von den Anbietern, die die Technologie mit Versprechen und Hoffnungen überladen. Bei konkreten Problematiken stellten Blockchains eine mögliche Technologie unter anderen dar, aber es sei nicht sinnvoll, "die Politik an einer spezifischen Nischentechnologie" auszurichten, plädierte er.

Walter Blocher, Jurist an der Universität Kassel, zeigte sich überzeugt davon, dass Blockchain eine "bahnbrechende Technologie" ist. "Das Internet ist eines der Kopien. Es gibt darin keine Originale. Blockchain hingegen ist ein Internet der Werte, das die Säule des Gelingens der digitalen Transformation sein kann", sagte Blocher. Jetzt müsse rasch ein rechtlicher Rahmen gesetzt werden, der klar mache, dass die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht gegen Technologien wie Blockchain stehe.

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3. Klima-Antrag von Linken und Grünen

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Antrag

Berlin: (hib/SCR) Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben zur UN-Klimakonferenz in Katowice einen gemeinsamen Antrag (19/6104) vorgelegt. Darin fordern die beiden Fraktionen von des Bundesregierung unter anderem, sich bei der Konferenz für "signifikante Ambitionserhöhungen der nationalen Minderungszusagen" einzusetzen. Zudem soll die Bundesregierung erreichen, dass ein Regelbuch ("Paris rulebook") verabschiedet wird, "das unter Einbeziehung sozialer, gender- und menschenrechtlicher Richtlinien Klarheit bezüglich Vergleichbarkeit, Transparenz und Verantwortlichkeit schafft und eine Anleitung zur Evaluierung der Reduktionszusagen der Mitgliedsstaaten beinhaltet".

Weitere Forderungen der Fraktionen beziehen sich auch auf die Umsetzung des Pariser Abkommens in Deutschland. So schlagen Grüne und Linke etwa vor, Klimaschutz im Grundgesetz zu verankern. Außerdem fordern sie ein "Klimaschutz-Sofortmaßnahmenprogramm für alle Sektoren", um die Klimaziele 2020 noch zu erreichen.

Der Antrag soll am Donnerstag unter anderem mit Anträgen der FDP (19/6053) und der Koalitionsfraktionen (19/6052) beraten werden.

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4. Regierung soll Klimafinanzierung stärken

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Antrag

Berlin: (hib/SCR) Anlässlich der UN-Klimakonferenz in Katowice Anfang Dezember fordern die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD von der Bundesregierung, sich weiter für die Klimafinanzierung in Entwicklungsländern einzusetzen. Dazu trägt sie der Bundesregierung auf, "weiterhin an der Erreichung der von den Industrieländern 2009 in Kopenhagen gemachten Zusage zu arbeiten, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen für die Klimafinanzierung in Entwicklungsländern zu mobilisieren". In einem Antrag beider Fraktionen (19/6052) wird die Bundesregierung zudem aufgefordert, in "Entwicklungs- und Schwellenländern intensiv für die Attraktivität von erneuerbaren Energien gegenüber vermeintlich billigen fossilen Lösungen zu werben und zu beraten". Zudem wollen die Koalitionsfraktionen, dass die Bundesregierung daran festhält, sich für eine Verabschiedung der Umsetzungsregelungen das Pariser Klimaabkommen in Katowice einzusetzen. Der Antrag enthält zudem zahlreiche weitere Forderungen, die sich auf die EU- sowie auf die nationale Ebene beziehen.

Der Antrag soll am Donnerstag unter anderem mit Anträgen der FDP (19/6053) und Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen (19/6104) beraten werden.

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5. FDP setzt beim Klimaschutz auf Markt

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Antrag

Berlin: (hib/SCR) Die FDP-Fraktion schlägt anlässlich der UN-Klimakonferenz in Katowice den Ausbau marktbasierter Klimaschutzmechanismen vor. In einem Antrag (19/6053) fordert die Fraktion von der Bundesregierung unter anderem, "sich aktiv für einen gemeinsamen grenzüberschreitenden Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten zu engagieren". Grundlegend soll sich die Bundesregierung nach Willen der Liberalen deshalb dafür einsetzen, "dass die notwendigen Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit der Vertragsstaaten bei der Umsetzung ihrer Klimaschutzziele nach Artikel 6 des Pariser Abkommens geschaffen" werden.

Der Antrag soll am Donnerstag unter anderem mit Anträgen der Koalitionsfraktionen (19/6052) und der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen (19/6104) beraten werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 928 - 29. November 2018 - 09.51 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2018

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