Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/9036: Heute im Bundestag Nr. 1183 - 23.10.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1183
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 23. Oktober 2019, Redaktionsschluss: 17.10 Uhr

1. Kritik gegen Abmahnmissbrauch
2. Restitution von NS-Raubkunst
3. Reform des Berufskrankheitenrechts
4. Arbeitsrecht bei Paketdiensten
5. Versicherungsfremde Renten-Leistungen
6. BAuA: Keine Korrekturbitten im Juni


1. Kritik gegen Abmahnmissbrauch

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/mwo) Die Stärkung des fairen Wettbewerbs und speziell der Schutz vor missbräuchlichen Abmahnungen im Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung ist am Mittwoch Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz gewesen. Anlass war ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/12084). Daneben lagen dazu ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion (19/13205) sowie jeweils ein Antrag der Fraktionen von FDP (19/13165) und Bündnis 90/Die Grünen (19/6438) vor. Die eingeladenen Anwälte sahen das Ziel zum Teil durchaus positiv, bewerteten die Regelungen zum Abmahnmissbrauch aber als nicht dringend und auch als zu weitgehend. Die Vertreter der Verbraucher- und Einzelhandelsverbände begrüßten die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen als Schritt zu mehr Rechtssicherheit.

Die Hamburger Rechtsanwältin Nina Diercks teilte diese Ansicht nicht. Sie erklärte, die vorgeschlagenen Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verfügten über kaum eine sinnvolle praktische Funktion und seien vor allem nicht dazu geeignet, die von der Bundesregierung sowie den sonstigen Fraktionen postulierten Ziele zu erreichen. Es stehe vielmehr zu befürchten, dass sie zu einer größeren Rechtsunsicherheit und in Folge dessen zu zahlreichen Gerichtsverfahren führen werden. Diercks betonte, die Bundesregierung und auch die übrigen Fraktionen wollten vor allem ein Problem lösen, für das es keine Belege gebe, denn eine Abmahnwelle gebe es allenfalls gefühlt. Erfreulich sei dagegen, dass mit dem Entwurf der Auffassung eine Absage erteilt werde, dass die DSGVO eine generelle Sperrwirkung gegenüber Rechtsbehelfen aus dem UWG habe.

Auch Diercks' Hamburger Kollege Joachim Nikolaus Steinhöfel sieht keine Notwendigkeit für weitreichende und teilweise auch nicht zweckgerechte Eingriffe in das deutsche Lauterkeitsrecht. Der Gesetzentwurf stelle eine gesetzgeberische Überreaktion dar, erklärte Steinhöfel, die das zu lösende Problem nicht genau erfasse, eine Vielzahl von teilweise überaus bürokratisch anmutenden und auslegungsunsicheren Begriffen einführe und dem Regelungsziel nicht diene. Erschwerend komme eine nahezu völlig fehlende Faktengrundlage dazu.

Von einer Überregulierung sprach auch Rechtsanwalt Tobias Timmann von der Düsseldorfer Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Es bestehe die Gefahr, dass ein in der Praxis seit Jahrzehnten funktionierendes System außergerichtlicher und gerichtlicher Rechtsdurchsetzung allein aufgrund einer kleinen Gruppe missbräuchlich Handelnder geopfert wird. Im Ergebnis stehe zu befürchten, dass das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs zu dessen Schwächung führt.

Diese Gefahr sieht auch Martin Jaschinski, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz aus Berlin. Die Bekämpfung des Abmahnunwesens sei zu begrüßen, problematisch sei jedoch die Abgrenzung von seriös und unseriös agierenden Akteuren. Einige der geplanten Normen gingen in ihren Auswirkungen zu weit, da sie auch seriös agierende Marktteilnehmer träfen. Zudem merkte auch Jaschinski an, dass der Anteil an rechtsmissbräuchlichem Vorgehen im Verhältnis zum erwünschten Vorgehen nur sehr gering sei dürfte.

Martin Fries vom Institut für Internationales Recht der Ludwig-Maximilians-Universität München hält die dem Regierungsentwurf zugrunde liegende Annahme, dass das Abmahnwesen in Deutschland gegenwärtig aus dem Ruder laufe, ebenfalls für insgesamt wenig belastbar. Der vorgesehene punktuelle Schwächerenschutz erscheine demgegenüber sinnvoll. Auch Fries findet es schwierig, Kriterien für seriöse und unseriöse Akteure zu definieren.

Der emeritierte Jura-Professor Helmut Köhler aus Neusäß legte in seiner Stellungnahme Alternativvorschläge zu Grundfragen des Regierungsentwurfs vor und ging ausführlich auf Einzelfragen ein. Niemand könne etwas dagegen haben, den fairen, also lauteren, Wettbewerb zu stärken, sagte der pensionierte Richter. Die Frage sei aber, ob alle der im Regierungsentwurf vorgesehenen Gesetzesänderungen auch die angestrebte Wirkung haben oder ob einzelne Regelungen ungewollt sogar zu einer Schwächung des fairen Wettbewerbs führen.

Verbesserungsbedarf sieht auch der Leiter des Teams Recht und Handel beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Otmar Lell. Korrekturen zur Verhinderung von Abmahnmissbrauch zwängen zu Augenmaß und Präzision und dürften nicht über das Ziel hinausschießen, erklärte Lell. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sei dies weitgehend, aber noch nicht vollständig gelungen. Lell begrüßte den Kompromiss zu den zivilrechtlichen Klagebefugnissen im Datenschutz. Die Befugnisse von Verbraucher- und Wettbewerbsverbänden blieben unangetastet, aber bei Abmahnungen von Seiten der Wettbewerber werde der Kostenerstattungsanspruch eingeschränkt.

Peter Jens Schröder, Bereichsleiter Recht und Verbraucherpolitik beim Handelsverband Deutschland (HDE), sagte, der Abmahnmissbrauch belaste die Einzelhandelsunternehmen, speziell den Online-Handel, weiterhin erheblich. Es sei daher zu begrüßen, dass der Gesetzgeber geeignete und wirkungsvolle Maßnahmen dagegen vornehmen will. Der Entwurf bediene die richtigen Stellschrauben und sei geeignet, einen Durchbruch im Kampf gegen den Abmahnmissbrauch zu erzielen und die Akzeptanz der privaten Rechtsdurchsetzung zu stärken.

Der Geschäftsführer des Verbands Sozialer Wettbewerb, Ferdinand Selonke, sagte, der Gesetzentwurf sorge für die Einhaltung lauterkeitsrechtlicher Regelungen. Gleichwohl weise die Vorlage weiterhin eine Vielzahl von Punkten auf, welche die konkrete Rechtsanwendung konterkarierten und neue Probleme schüfen. Würde das Gesetz in der aktuellen Fassung beschlossen, zöge dies einen erheblichen Kostenanstieg auf der Seite aller seriös handelnden Wettbewerber und Verbände nach sich. Auch dürfte die im Entwurf zum Ziel gesetzte effektive Sanktionierung von Gesetzesverstößen gerade nicht erreicht werden.

Breiten Raum in der anschließenden Fragerunde nahm die im Entwurf vorgesehene Einschränkung sogenannter fliegender Gerichtsstände ein. Die meisten der neun Sachverständigen lehnten dies ab, weil es eine Schwächung des Lauterkeitsrechts und des deutschen Rechtssystems bedeuten würde. Hier sei aber möglicherweise ein Kompromiss möglich.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf vereint mehrere gesetzgeberische Maßnahmen: Zur Eindämmung missbräuchlicher Abmahnungen sieht er höhere Anforderungen an die Befugnis zur Geltendmachung von Ansprüchen, die Verringerung finanzieller Anreize für Abmahnungen, mehr Transparenz sowie vereinfachte Möglichkeiten zur Geltendmachung von Gegenansprüchen vor. Zur Stärkung des Wettbewerbs bei Ersatzteilen soll eine Reparaturklausel eingeführt werden, um den Markt zu öffnen. Wie es in dem Entwurf heißt, mehren sich in letzter Zeit die Anzeichen dafür, dass trotz gesetzlicher Regelungen weiterhin missbräuchliche Abmahnungen ausgesprochen werden. Es liege ein nicht hinnehmbarer Missstand vor, wenn Abmahnungen primär zur Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen ausgesprochen werden. Auch der AfD-Gesetzentwurf will missbräuchliche Abmahnungen verhindern, die FDP und die Grünen wollen mit ihren Anträgen mehr Fairness, Transparenz und Rechtssicherheit bei Abmahnungen erreichen. Alle drei Vorlagen waren Ende September bereits Gegenstand einer Plenardebatte.

*

2. Restitution von NS-Raubkunst

Kultur und Medien/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Die Restitution von NS-Raubkunst soll fortgesetzt und die "Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz" weiterentwickelt werden. Den entsprechenden gemeinsamen Antrag der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion (19/13511) billigte der Kulturausschuss am Mittwoch mit den Stimmen der Koalition und der FDP-Fraktion gegen das Votum der Fraktionen von AfD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Abgelehnt wurden hingegen ein Antrag der FDP (19/5423) mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD bei Enthaltung der Linken und Grünen sowie ein Antrag der Linken (19/8273) mit den Stimmen der Koalition und der AfD bei Enthaltung der FDP und der Grünen.

Mit dem Koalitionsantrag wird die Bundesregierung aufgefordert, der Beratenden Kommission eine neu organisierte und personell angemessen ausgestattete Geschäftsstelle in Berlin und eine eigene Onlinepräsenz zur Verfügung zu stellen. Die Geschäftsstelle müsse befähigt sein, ihre administrativen Aufgaben selbstständig zu erledigen und die Kommission in wissenschaftlichen Fragen kompetent unterstützen zu können. Zudem müsse der Beratenden Kommission und ihrer Geschäftsstelle innerhalb des Wirtschaftsplans des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste (DZK) ein der Aufgabe angemessenes Budget zur Verfügung gestellt werden.

FDP, Linke und Grüne begrüßten zwar das grundsätzliche Anliegen des Koalitionsantrages, bemängelten jedoch, dass er nicht weit genug gehe. Es sei lediglich "ein kleiner Schritt in die richtige Richtung", hieß es aus den Reihen der Grünen. Er mache keine konkreten Aussagen über das Budget der Beratenden Kommission.

Die FDP fordert in ihrem Antrag eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts zur Aufarbeitung von NS-Raubkunst, die alle potentiellen Streitfälle in den bundeseigenen Sammlungen untersuchen soll. Die Stiftung soll zudem als Geschäftsstelle an Stelle des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste (DZK) für die "Beratende Kommission für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter" eingesetzt werden.

Die Linke hingegen spricht sich in ihrem Antrag für ein Restitutionsgesetz aus, dass sich an der Handreichung zur Umsetzung der "Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz" orientiert. Zudem soll eine gesetzliche Grundlage für die Rückerstattung von NS-Raubkunst auch durch Privatpersonen im Einklang mit Artikel 14 Absatz 3 Grundgesetz geschaffen werden.

Die AfD kritisierte alle drei Anträge gleichermaßen. Sie erinnerte daran, dass die Washingtoner Erklärung von 1998 zum Umgang mit NS-Raubkunst rechtlich nicht bindend sei und lediglich von "einer fairen und gerechten Lösung" spreche. Dies müsse eben nicht zwangsläufig auf Restitution hinauslaufen. Zudem betreffe die Washingtoner Erklärung nur staatliche Einrichtungen. Jetzt aber würden auch Privatsammlungen ins Auge genommen. In keinem der Anträge seien Regelungen enthalten, wie sich öffentliche und private Sammlungen gegen unberechtigte Restitutionsforderungen wehren können.

*

3. Reform des Berufskrankheitenrechts

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Das Bundeskabinett soll sich noch in diesem Jahr mit einer Vorlage zur Reform des Berufskrankheitenrechts befassen. Das kündigt die Bundesregierung in einer Antwort (19/13840) auf eine Kleine Anfrage (19/13457) der Fraktion Die Linke an. Veränderungen in der Arbeitswelt mit verbesserten Möglichkeiten der Prävention erforderten eine systemgerechte Weiterentwicklung des Berufskrankheitenrechts, schreibt die Regierung. Ziel sei es, die Anerkennung von Berufskrankheiten im Einzelfall zu erleichtern, die Verschlimmerung von Berufskrankheiten durch den Ausbau von zielgenauen Instrumenten für Präventionsmaßnahmen zu verhindern und die Anerkennung neuer Berufskrankheiten transparenter zu gestalten und zu beschleunigen. Deswegen solle das Berufskrankheitenrecht durch Wegfall des Unterlassungszwangs und Stärkung der Individualprävention, durch rechtliche Verankerung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten und von Beweiserleichterungen sowie durch gesetzliche Regelungen zur rückwirkenden Anerkennung von Bestandsfällen und erhöhter Transparenz der Berufskrankheitenforschung weiterentwickelt werden, kündigt die Regierung an.

*

4. Arbeitsrecht bei Paketdiensten

Arbeit und Soziales/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/CHE) Für die Einhaltung des Arbeitsrechts in der Kurier-, Express- und Paketbranche interessiert sich die Fraktion Die Linke. In einer Kleinen Anfrage (19/14018) fragt sie die Bundesregierung unter anderem nach Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und deren Folgen.

*

5. Versicherungsfremde Renten-Leistungen

Arbeit und Soziales/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/CHE) Die AfD-Fraktion hat eine Kleine Anfrage (19/14161) zur Entwicklung versicherungsfremder Leistungen in der Rentenversicherung gestellt. Darin fragt sie die Bundesregierung unter anderem nach der Höhe von nicht beitragsgedeckten versicherungsfremden Leistungen und Bundeszuschüssen im Jahr 2018.

*

6. BAuA: Keine Korrekturbitten im Juni

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Im Juni 2019 hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gegenüber Medien keine Korrekturbitten unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe veranlasst. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/13229) auf eine Kleine Anfrage (19/12756) der AfD-Fraktion.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1183 - 23. Oktober 2019 - 17.10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang