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BUNDESTAG/9073: Heute im Bundestag Nr. 1220 - 04.11.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1220
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 4. November 2019, Redaktionsschluss: 16.18 Uhr

1. Zwiespältiger Blick auf Gentechnikrecht
2. Erste Teile des KI-Berichts beschlossen
3. Zweiter Zwischenbericht diskutiert
4. Verkehrsprojekte in Baden-Württemberg
5. Verkehrsprojekte in Nordrhein-Westfalen


1. Zwiespältiger Blick auf Gentechnikrecht

Ernährung und Landwirtschaft/Anhörung

Berlin: (hib/EIS) Sachverständige bewerten die Regulierung neuer gentechnischer Methoden sehr unterschiedlich. Das wurde am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zum Gentechnikrecht deutlich. Der Ausschussvorsitzende Alois Gerig (CDU) fasste eingangs zusammen, dass Befürworter in den neuen Züchtungstechnologien ein großes Innovationspotenzial sähen, während Kritiker davor warnen würden, dass einmal in der Natur mit diesen Technologien erzeugte Organismen nicht mehr zurückgeholt werden könnten. Der Anhörung lagen je ein Antrag der FDP-Fraktion (19/10166), der die Chancen neuer Züchtungsmethoden betonte, und ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/13072) mit der Forderung der Regulierung neuer Gentechniken zugrunde.

Der Sachverständige Matthias Braun sprach sich dafür aus, die gesetzlichen Regelungen an den tatsächlichen Risiken eines Produktes auszurichten. Vorbehalte gegenüber einer Technologie sollten dabei nicht ausschlaggebend sein. Braun fasste zusammen, dass die neuen Methoden einfach, präzise und ressourcenschonend seien und das Potenzial hätten, die herkömmlichen Züchtungsmethoden zu deklassieren, weil sie in der Geschwindigkeit überlegen sind. Wenn die Biotechnologie für Deutschland eine Schlüsseltechnologie sein soll, brauche es Maßgaben und Rahmenrichtlinien, sodass damit gearbeitet werden könne. Die derzeitige Herangehensweise an das Gentechnikrecht wertete Braun hingegen als einschränkend.

Auch der Sachverständige Stephan Clemens schätzte das Potenzial der neuen Züchtungsmethoden als gewaltig ein. Genome-Editing heiße dabei nicht nur, einer industrialisierten Landwirtschaft Vorschub leisten zu wollen. Als Wissenschaftler plädierte er dafür, evidenzbasiert zu argumentieren. Risiken sollen quantifiziert werden und es müssen entsprechende Abwägungen vorgenommen werden. Der Sachverständige führte weiter aus, dass bei der Anwendung des Vorsorgeprinzips auch die Frage nach den Potenzialen einer Technik gestellt werden müsse. Insofern sei die Frage zu beantworten, welcher Schaden angerichtet wird, wenn Potenziale nicht genutzt werden.

Timo Faltus warb dafür, dass der Diskurs über die Gentechnik bei der rechtlichen und politischen Bewertung mit eindeutigen Vokabeln geführt werden sollte, die mit eindeutigen Inhalten besetzt seien. Er warnte davor, solche Fragen mit subjektiver Semantik zu erörtern. Auch dürfe das Verständnis vom Vorsorgeprinzip nicht bedeuten, etwas zu verbieten, weil man es nicht mag. Es bedeute, dass man sich der Gefahren und ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten bewusst werde. Der Sachverständige bemängelte in diesem Zusammenhang, dass bei der Diskussion über neue Züchtungsmethoden permanent falsch betont werde, welche Gefahren von punktmutierten Pflanzen ausgehen sollen. Der Sachverständige und Landwirt Felix Prinz zu Löwenstein zeigte sich verwundert darüber, dass die neue Technologie des Genome-Editing mit denselben alten Versprechen verkauft würde, die aus der herkömmlichen Gentechnikdebatte bekannt und damit wohl nicht wirklich neu seien. Die Lösung der Hungerkrise, die Folgen der Klimaveränderung und die Probleme hinsichtlich der sinkenden Biodiversität würden nicht durch neue Züchtungen erreicht. Letzten Endes hänge die Hungerkrise nicht daran, dass zu wenig Nahrung produziert werde. Es werde mit der Mehrproduktion nicht richtig umgegangen. Neue Züchtungsmethoden würden die Verteilungs- und Verwendungsprobleme jedenfalls nicht lösen.

Der Sachverständige und Rechtswissenschaftler Tade Matthias Spranger ging der Frage zur Diskussion über die Nachweisbarkeit der neuen Verfahren nach. Dabei stellte er klar, dass das Rechtssystem nicht über die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit von Recht anhand der Existenz von Nachweisverfahren entscheide. Der Nachweis bleibe eine Frage des Rechtsvollzugs, aber nicht eine Frage der Anwendung. Darüber hinaus sprach der Sachverständige die Betrachtung eines durch Genome-Editing veränderten Produkts als naturidentisch an. Spranger führte dazu aus, dass der menschliche Einfluss auch in dieser Frage entscheidend sei, weil der Mensch seine Hände im Spiel habe. Deshalb brauche es einen regulatorischen Rahmen und das Gentechnikrecht so, wie es vorliege, um dem Vorsorgeprinzip gerecht zu werden. Der Sachverständige Christoph Then sprach sich für eine ausreichende Regulierung aus, weil entsprechende Eingriffe kleingeredet würden, aber zu erheblichen Nebenwirkungen führen können. Vergleichsweise kleine Eingriffe hätten große Auswirkungen. Then führte unter anderem an einem Beispiel von durch Punktmutationen veränderte Taufliegen an, dass diese resistent gegen ein Gift gemacht wurden. Mit der Resistenz seien die Larven der Fliege für ihre Fressfeinde ebenfalls giftig geworden. Für den Monarchfalter hätte diese Veränderung ernste Folgen und es würde ein gewaltiger biologischer Effekt eintreten. Es komme deshalb nicht darauf an, ob kleine oder große Veränderungen vorgenommen werden. Der Sachverständige sprach sich dafür aus, dass alle Risikoszenarien durchgeprüft werden müssen.

Auch Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BFN), argumentierte für eine angemessene, am Vorsorgeprinzip orientierte Risikoabschätzung. Es sei kein tragfähiges Argument, dass durch Genome-Editing nur punktuelle Änderungen vorgenommen werden würden, denn bereits kleine Änderungen könnten große Auswirkungen haben. In der Praxis hätte man es nicht mit Untersuchungen im Labor zu tun, sondern mit dem Einsatz in der freien Natur. Was einmal ausgebracht worden ist, könne nicht mehr rückgängig gemacht werden. Eine Risikobewertung sollte immer eine Einzelfallprüfung sein, die Wechselwirkungen mit der Umwelt berücksichtigt. Diese Einstellung müsse nicht eine Verhinderung von Entwicklung bedeuten. Auch die Medizin kenne eine starke Regulierung. Regulierung müsse als Chance verstanden werden und nicht als Hinderung, denn dadurch werde die Wahlfreiheit gewährleistet und damit Vertrauen in der Bevölkerung geschaffen. Detlef Bartsch vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) stellte fest, dass der technische Fortschritt der letzten Jahre hinsichtlich der Bewertung der neuen Züchtungsmethoden große Probleme mit sich bringe. Die Regulierungsabsicht in den 1990er Jahren hinsichtlich der Übertragung genomfremder Eigenschaften in Organismen sei heute in die Betrachtung einzelner Punktmutationen übertragen worden, was aber nicht die damalige Intention gewesen sei. Die derzeit restriktive Auslegung lasse damit das Vorsorge- mit dem Innovationsprinzip kaum noch miteinander verbinden.

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2. Erste Teile des KI-Berichts beschlossen

Künstliche Intelligenz - Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Die Mitglieder der Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz - Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale" haben am Montagnachmittag erste Teile ihres Berichtes beschlossen. Mit großer Mehrheit stimmten Sachverständige und Abgeordnete in geänderter Fassung für den Berichtsentwurf der Projektgruppen "KI und Wirtschaft". Den Berichtsentwurf der Projektgruppe "KI und Gesundheit" nahmen die Kommissions-Mitglieder einstimmig an. Noch nicht abgestimmt wurde der Berichtsentwurf der Projektgruppe "KI und Staat". Zu diesem Berichtsteil liegen noch zahlreiche Änderungsanträge vor.

Zu Beginn der Sitzung hatten sich die Mitglieder der Enquete-Kommission mit den Ergebnissen der von der Bundesregierung eingesetzten Datenethikkommission befasst. In öffentlicher Sitzung präsentierten die Co-Sprecherinnen der Kommission, Professorin Christiane Woopen und Professorin Christiane Wendehorst, grundlegende Ergebnisse des Abschlussberichts des Gremiums. Die Diskussion mit den Enquete-Mitgliedern fand im Anschluss unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Thema war unter anderem der Umgang mit Forschungsdaten.

Die Datenethikkommission hatte ihren Abschlussbericht am 23. Oktober übergeben. Auftrag des Gremiums war es, ethische und rechtliche Handlungsbedarfe auf verschiedenen Ebenen im Umgang mit Daten und algorithmischen Systemen/künstlicher Intelligenz zu identifizieren und entsprechende Vorschläge zu entwickeln. Zu den zentralen Handlungsempfehlungen gehört "ein risikoadaptiertes Regulierungssystem für den Einsatz von algorithmischen Systemen mit nach Schädigungspotenzial abgestufter Regulierung". So sollen in Abhängigkeit des Schädigungspotenzials algorithmischer Systeme unterschiedliche Regelungsinstrumente gesetzlich verankert werden, beispielsweise Ex-Ante-Zulassungsverfahren, Transparenzpflichten, wie etwa eine Kennzeichnungspflicht, oder eine Pflicht zur Protokollierung verwendeter Datensätze. Weiterhin regt die Kommission an, auf EU-Ebene eine Verordnung mit Grundanforderungen an die Zulässigkeit von algorithmischen Systemen zu etablieren. In Deutschland soll laut Kommissionsvorschlag zudem ein Kompetenzzentrum Algorithmische Systeme entstehen.

In nicht öffentlicher Sitzung trugen die Enquete-Mitglieder Hansjörg Durz (CSU) und Falko Mohrs (SPD) Ergebnisse der vom Bundeswirtschaftsministerium eingesetzten Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 vor. Durz und Mohrs gehörten dem Wettbewerbsrecht-Gremium als nicht stimmberechtigte Mitglieder an.

Die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 hatte ihren Abschlussbericht bereits am 9. September übergeben. Maßgabe des Gremiums war, Empfehlungen für einen neuen Wettbewerbsrahmen für die Digitalwirtschaft zu entwickeln. Insgesamt hat das Gremium 22 Vorschläge hinsichtlich der Plattformen, des Datenzugangs und der digitalen Ökosysteme ausgearbeitet. Unter anderem fordert die Kommission, die "institutionelle Verknüpfung von Wettbewerbsrecht und sonstiger Digitalregulierung" zu verstärken. Zudem soll nach Auffassung des Gremiums "die praktische und tatsächliche Verfügungsgewalt der Konsumenten über ihre eigenen Daten" verbessert werden.

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3. Zweiter Zwischenbericht diskutiert

Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt/Anhörung

Berlin: (hib/LBR) Die Mitglieder der Enquete-Kommission "Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt" haben am Montagnachmittag in ihrer 14. Sitzung ihre Beratungen fortgesetzt. In nicht-öffentlicher Sitzung stellte die dritte Projektgruppe den Zwischenbericht zum Thema "Anforderungen an berufsbildende Schulen" in der digitalen Arbeitswelt vor. Der Vorsitzende der Projektgruppe, Jens Brandenburg (FDP), erläuterte die Schwerpunkte des Berichts hinsichtlich des berufsbildenden Schulsystems in Deutschland, des Lehrens und Lernens sowie der Lehrkräfte und ihrer Ausbildung, Rekrutierung, Professionalisierung und Weiterbildung. Er gab auch einen Ausblick auf die noch zu besprechenden Themen wie etwa die Rolle der Berufsschulen beim lebenslangen Lernen. Die Ausführungen und Handlungsempfehlungen wurden von den Abgeordneten und Sachverständigen aus den anderen Projektgruppen ergänzt und kommentiert.

In der Dezember-Sitzung des Gremiums ist die Beratung des Zwischenberichtes der zweiten Projektgruppe vorgesehen. Diese befasst sich mit den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt an die Ausbildung im Betrieb. Die Endberichte der ersten drei Projektgruppen sollen voraussichtlich im Frühjahr 2020 beraten werden.

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4. Verkehrsprojekte in Baden-Württemberg

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/HAU) Über Projekte des Bundesverkehrswegeplans 2030 in Baden-Württemberg informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/13766) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/13355). Für die Umsetzung der Projekte sind im Bereich Schiene für alle Baden-Württemberg tangierenden Projekte der Antwort zufolge 15,73 Milliarden Euro vorgesehen (Preisstand 2015). Für den Verkehrsträger Straße sind 9,43 Milliarden Euro vorgesehen (Preisstand 2014) und für die Wasserstraßen 1,18 Milliarden Euro (Preisstand 2014). "Die aufgeführten Beträge beziehen sich jeweils auf die in den Bedarfsplänen enthaltenen laufenden und fest disponierten (FD) Maßnahmen sowie auf die Maßnahmen im Vordringlichen Bedarf (VB) und im Vordringlichen Bedarf - Engpassbeseitigung (VB-E)", schreibt die Bundesregierung.

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5. Verkehrsprojekte in Nordrhein-Westfalen

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/HAU) Die Investitionskosten des Bundes der laufenden und fest disponierten Projekte sowie für neue Vorhaben des Vordringlichen Bedarfes (VB) und des Vordringlichen Bedarfs - Engpassbeseitigung (VB-E) im Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) bei dem Verkehrsträger Straße betragen für Nordrhein-Westfalen 13,67 Milliarden Euro. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (19/13544) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/13066) hervor. In Bedarfsplanprojekte der Bundesschienenwege, die das Bundesland Nordrhein-Westfalen tangieren, fließen der Vorlage zufolge 10,7 Milliarden Euro. Für die vier in Nordrhein-Westfalen gelegenen laufenden und fest disponierten Projekte an den Bundeswasserstraßen seien im BVWP 2030 noch ausstehende Gesamtinvestitionen des Bundes in Höhe von 377 Millionen Euro veranschlagt, heißt es weiter. Für die vier neuen Vorhaben in Nordrhein-Westfalen seien rund 1,58 Milliarden Euro veranschlagt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1220 - 4. November 2019 - 16.18 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
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Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2019

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