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BUNDESTAG/9094: Heute im Bundestag Nr. 1241 - 07.11.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1241
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 7. November 2019, Redaktionsschluss: 09.40 Uhr

1. Einigkeit über Anerkennung als NS-Opfer
2. Datenethikkommission berichtet Ausschuss
3. Wehr-Etat mit Änderungen beschlossen
4. Handel gegen Geldwäsche-Vorschrift


1. Einigkeit über Anerkennung als NS-Opfer

Kultur und Medien/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Menschen, die während der nationalsozialistischen Diktatur als sogenannte "Asoziale" und "Berufsverbrecher"verfolgt beziehungsweise in Konzentrationslagern inhaftiert wurden, sollen als NS-Opfer anerkannt werden. Mit Ausnahme der AfD-Fraktionen waren sich alle anderen Fraktionen und die vier geladenen Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Kulturausschusses am Mittwoch einig. Grundlage der Anhörung waren entsprechende Anträge der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD (19/14342), der FDP (19/8955), der Linken (19/14333) und von Bündnis 90/Die Grünen (19/7736). In den vier inhaltlich sehr ähnlichen Anträgen sprechen sich die Fraktionen dafür aus, dem Schicksal der sogenannten "Asozialen" und "Berufsverbrecher" im öffentlichen Bewusstsein und dem staatlichen Gedenken mehr Raum einzuräumen und die wissenschaftliche Erforschung ihrer Verfolgung zu intensivieren. Zudem sollen die Möglichkeiten für Entschädigungen verbessert werden. Die AfD-Fraktion lehnt eine pauschale Rehabilitierung und Anerkennung als NS-Opfer ab und plädiert statt dessen für Einzelfallüberprüfungen.

Der stellvertretende Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Ulrich Baumann, die Historikerinnen Julia Hörath vom Hamburger Institut für Sozialforschung und Dagmar Lieske von der Goethe-Universität Frankfurt/Main sowie der Sozialwissenschaftler Frank Nonnenmacher begrüßten die parlamentarischen Initiativen der Fraktionen ausdrücklich. Nonnenmacher warb jedoch eindringlich dafür, dass sich die Fraktionen angesichts der Bedeutung des Themas auf einen fraktionsübergreifenden Antrag einigen sollten. "Alle aufgeklärten Demokraten" müssten anerkennen, dass es sich bei allen KZ-Häftlingen um Opfer der Nationalsozialisten handelte, unabhängig von den Gründen, aus denen sie in den Konzentrationslagern inhaftiert waren, sagte Nonnenmacher.

Ulrich Baumann verwies darauf, dass die sogenannten "Asozialen" und "Berufsverbrecher" bis heute in der Gesellschaft nicht als NS-Opfer anerkannt seien und schlichtweg das Wissen über ihr Schicksal fehle. Mitunter herrsche auch die Meinung, dass viele dieser Menschen "wohl irgendwie zu recht" im KZ gesessen hätten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die sogenannten "Asozialen" und "Berufsverbrecher" auch von anderen Opfergruppen keine Unterstützung erhalten, als NS-Opfer anerkannt zu werden.

Julia Hörath führte aus, dass die sogenannte Vorbeugungshaft von "Berufsverbrechern" in jedem Fall gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze verstoßen habe und deswegen als "nationalsozialistisches Unrecht" einzustufen sei. Als "Berufsverbrecher" seien Menschen eingestuft worden, die mehrfach wegen Delikten verurteilt worden sind. Zum Zeitpunkt ihrer Inhaftierung in die Konzentrationslager hätten sie ihre Haftstrafen wegen der Straftaten jedoch längst abgeleistet gehabt. Dagmar Lieske erläuterte, dass mehrere zehntausend Menschen von den nationalsozialistischen Behörden als "Berufsverbrecher" eingestuft worden seien. Darunter seien Männer wie Frauen, Alte und Junge, Deutsche und Nicht-Deutsche, Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten gewesen. Allein im KZ Sachsenhausen seien etwa 9.000 der sogenannten "Berufsverbrecher" inhaftiert gewesen.

Der AfD-Abgeordnete Marc Jongen wandte gegen den Befund der Sachverständigen ein, dass "Asoziale" und "Berufsverbrecher" in den Konzentrationslagern von der SS als sogenannte "Kapos" eingesetzt worden seien und diese Verbrechen gegen ihre Mithäftlinge verübt hätten. Als "Kapos" werden KZ-Häftlinge bezeichnet, die von der SS bestimmte Ordnungs- und Überwachungsaufgaben übertragen bekamen und im Gegenzug Vergünstigungen erhielten. Deshalb könne es aus Sicht der AfD keine pauschale Gleichstellung der "Asozialen" und "Berufsverbrecher" mit anderen NS-Opfern geben.

Frank Nonnenmacher und Dagmar Lieske wiesen diesen Einwand zurück. Als "Kapo" habe man sich nicht beworben, sondern sei von der SS dazu gemacht worden, sagte Nonnenmacher. Dies sei ein besonders "perfides System" gewesen. Den "Kapos" habe bei Missachtung der Anordnungen der SS ebenso drakonische Strafen oder der Tod gedroht. Lieske wies ebenfalls darauf hin, dass auch Angehörige anderer Opfergruppen - beispielsweise Juden oder Kommunisten - zu "Kapos" gemacht worden seien. Diesen Opfergruppen würde dies auch nicht vorgeworfen. Zudem sei der Prozentsatz der Häftlinge in der Kapo-Funktion extrem gering gewesen.

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2. Datenethikkommission berichtet Ausschuss

Ausschuss Digitale Agenda/Ausschuss

Berlin: (hib/LBR) Der Ausschuss Digitale Agenda hat am Mittwochnachmittag mit den Co-Sprecherinnen der Datenethikkommission, der Juristin Christiane Wendehorst und der Ethikerin Christiane Woopen, über den Bericht der Datenethikkommission diskutiert.

Die Datenethikkommission, bestehend aus 16 Experten aus den Bereichen Technik, Ethik und Recht, hat im Oktober 2019 ihren Bericht zu ethischen Leitlinien und rechtlichen Handlungsempfehlungen übergeben. Im September 2018 hatte das unabhängig arbeitende Gremium den Auftrag erhalten, sich mit Fragen zum Umgang mit Daten, Algorithmen und Künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen. Zu den Leitlinien zählen unter anderem eine menschenzentrierte und werteorientierte Gestaltung von Technologie, die Förderung digitaler Kompetenzen und kritischer Reflexion, aber auch die Stärkung des Schutzes von persönlicher Freiheit, Selbstbestimmung und Integrität.

"Die Datenethikkommission hat ethische Leitlinien formuliert und 75 konkrete Handlungsempfehlungen unterbreitet", erklärte Juristin Christiane Wendehorst den Ausschussmitgliedern. Aus den Leitfragen seien die drei Themenblöcke "Allgemeine ethische und rechtliche Grundsätze und Prinzipien", "Umgang mit Daten" sowie "Algorithmische Entscheidungssysteme" entstanden. Die Grundprinzipien hätten Ähnlichkeiten mit den Prinzipien der Datenverarbeitung und seien aus einer übergreifenden Perspektive formuliert, sagte Wendehorst. Die Daten-Perspektive betrachte Daten vor allem in Hinblick auf deren Herkunft, sowie auf mögliche Auswirkungen auf bestimmte Akteure und die Gesellschaft. Eine zentrale Unterscheidung sei diejenige zwischen personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten, die über die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts entscheide, berichtete Wendehorst. Auch gebe es Kapitel zum digitalen Nachlass und eine Reihe von Vorschlägen wie die Arbeit von Forschern erleichtert werden könne.

"Durch digitale Technologien hat sich der ethische Ordnungsrahmen im Sinne der grundlegenden Werte, Rechte und Freiheiten, wie sie in der deutschen Verfassung und in der europäischen Charta der Grundrechte verankert sind, nicht verändert", sagte die Ethikerin Christiane Woopen. Die Würde des Menschen, die Selbstbestimmung, die Privatheit, die Demokratie, Sicherheit, Nachhaltigkeit sowie Gerechtigkeit und Solidarität seien "anerkannte und unverzichtbare Handlungsmaßstäbe", sagte sie. Die Künstliche Intelligenz sei, was die algorithmischen Systeme betreffe, nur ein Teilbereich, aber nicht der Hauptfokus gewesen.

In der Kommission habe man ein dynamisches Kritikalitätsmodell für den Einsatz von algorithmischen System mit einer nach Schädigungspotential abgestuften Regulierung entwickelt. Dazu müssten sektorspezifische Aufsichtsinstitutionen aufgebaut beziehungsweise. gestärkt werden, die algorithmische Systeme risikoadäquat zu kontrollieren, berichtete die Ethikerin. Unterstützt werden könnte dies durch ein bundesweites Kompetenzzentrum. Man strebe zudem an, eine europäische Verordnung mit Grundanforderungen an die Zulässigkeit algorithmischer Systeme zu schaffen.

Ein Vertreter der Unionsfraktion lobte das Verfahren der Kommission und den Bericht und merkte an, dass das Risikomodell nicht final festgelegt sei. Ein Vertreter der SPD-Fraktion fragte, inwieweit die Zivilgesellschaft eingebunden werde und erkundigte sich nach Details zur Definition von Dateneigentum. Ein Vertreter der AfD-Fraktion wollte eine Einschätzung dazu hören, ob eine europäische Algorithmus-Verordnung zu einer "Digitalisierungsbremse" werde könne und fragte nach dem Vorschlag des Europäischen Parlaments, Roboter als elektronische Personen einzustufen.

Wie das Kompetenzzentrum in der Praxis konkret aussehe und wie mit Updates umgegangen werde, wollte ein Vertreter der FDP-Fraktion erfahren. Eine Vertreterin der Linken fragte, ob Überlegungen aus anderen europäischen Staaten in die Arbeit der Kommission eingeflossen seien und wollte ferner Details zur Verpflichtung der Intermediäre erfahren. Ein Vertreter der Grünen-Fraktion interessierte sich für Details zur Datenökonomie und wollte wissen, was die nächsten Schritte seien, um zu einem Bewertungsrahmen zu kommen. Wie das Schädigungspotenzial genau definiert werde, interessierte ein fraktionsloses Mitglied des Ausschusses.

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3. Wehr-Etat mit Änderungen beschlossen

Haushalt/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Der Haushaltsausschuss hat am Mittwochabend den Verteidigungs-Etat für das kommende Jahr gebilligt. Den Einzelplan 14 des Haushalts-Entwurfes der Bundesregierung (19/11800) nahmen die Ausschussmitglieder mit Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen AfD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen in geänderter Fassung an. Die Änderungs- sowie Entschließungsanträge der Oppositionsfraktionen fanden keine Mehrheit.

Die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen bezogen sich unter anderem auf den Titel Dienstreisen (527 01 - 032), der durch die Koalitionsfraktionen von 52 auf 58 Millionen Euro angehoben wird. Die Erhöhung begründete die Koalition mit aktualisierten Ausgabeprognosen sowie mit Bezug auf das Programm "Kostenloses Bahnfahren für Soldatinnen und Soldaten". Zudem soll durch einen Haushaltsvermerk unter anderem ausgeschlossen werden, dass das kostenlose Bahnfahren in Uniform als Sachbezug auf die Besoldung angerechnet werden muss. Die Änderungsanträge sind durch entsprechende Kürzungen in einem anderen Titel gegenfinanziert und erhöhen das Ausgabe-Plateau vorerst nicht.

Der Regierungsentwurf für den Verteidigungs-Etat sieht für das kommende Jahr Ausgaben in Höhe von 44,92 Milliarden Euro vor. Das sind 1,69 Milliarden Euro beziehungsweise 3,9 Prozent mehr als das Soll für 2019 von 43,23 Milliarden Euro. Auf Personalausgaben entfallen im Etatentwurf 19,25 Milliarden Euro (2019: 18,76 Milliarden Euro), auf militärische Beschaffungen 6,85 Milliarden Euro (2019: 6,5 Milliarden Euro). Für die Materialerhaltung in der Bundeswehr sieht der Etatentwurf 4,09 Milliarden Euro vor (2019: vier Milliarden Euro), davon allein 2,33 Milliarden Euro für die Erhaltung von Flugzeugen, Flugkörpern, Flugrettungs-, Sicherheits- und sonstigem flugtechnischen Gerät (2019: 2,3 Milliarden Euro). Für die Unterbringung der Soldatinnen und Soldaten soll Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) 5,4 Milliarden Euro ausgeben können (2019: 5,38 Milliarden Euro). Die internationalen Verpflichtungen der Bundeswehr, unter anderem für die Nato und für Auslandseinsätze, schlagen mit 1,83 Milliarden Euro zu Buche (2019: 1,61 Milliarden Euro).

Die Berichterstatter der Fraktionen thematisierten im Austausch mit der Verteidigungsministerin unter anderem Rüstungsprojekte, den Mittelabfluss und das Vergaberecht sowie die mittelfristige Finanzplanung des Ressorts mit Blick auf die Nato-Quote. Zudem ging es grundsätzlich um den Umgang mit sogenannten "25-Mio."-Vorlagen des Verteidigungsministeriums. Dabei handelt es sich um beispielsweise bereits etatisierte Beschaffungsvorhaben des Ministeriums, die ab einem Volumen von 25 Millionen Euro vom Haushaltsausschuss gesondert freigegeben werden müssen.

Der Haushaltsausschuss wird die Einzelpläne des inzwischen von der Bundesregierung ergänzten Haushaltsentwurfes nach aktueller Planung bis zum 13. November 2019 beraten. Inzwischen liegt auch die für den Bundeshaushalt 2020 maßgebliche Steuerschätzung vor. Die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses ist für den 14. November 2019 vorgesehen. Die zweite und dritte Lesung des Haushaltsgesetzes in der Ausschussfassung ist vom 25. bis zum 29. November 2019 terminiert.

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4. Handel gegen Geldwäsche-Vorschrift

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Prepaid-Anbieter und Goldhändler haben gemeinsam gegen von der Bundesregierung geplante Einschränkungen des Handels ohne Identifizierungspflicht protestiert. Der geplante maximale Transaktionsbetrag in Höhe von 20 Euro für Fernzahlungsvorgänge ohne vorherige Kundenidentifizierung sei ungerechtfertigt und schränke den Einsatz risikoarmer E-Geld-Produkte ohne erkennbare Notwendigkeit deutlich ein, erklärte der Prepaid Verband Deutschland in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Mittwoch. Der geplante Transaktionsbetrag bleibe deutlich unter den von der EU-Richtlinie vorgesehenen 50 Euro. Der Erhalt von Prepaid-Bezahlmöglichkeiten sei wichtig, da die Hälfte der Bundesbürger keine Kreditkarte besitze und mit EC-Karten nicht im Internet bezahlt werden könne. Auch die Fachvereinigung Edelmetalle kritisierte, dass die geplante Absenkung Meldeschwelle weit über die EU-Vorgaben hinausgehe.

Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (19/13827). Darin heißt es, die Erkenntnisse der nationalen Risikoanalyse hätten ergeben, dass insbesondere im Bereich des Goldhandels ein starker Bargeldverkehr knapp unterhalb der gegenwärtigen Schwelle für die Identifizierungspflicht von 10.000 Euro stattfinde. Es werde offensiv damit geworben, wie viel Edelmetall identifizierungsfrei eingekauft werden könne. Daher soll die Schwelle von 10.000 auf 2.000 Euro gesenkt werden, um diesen Umgehungshandel zu unterbinden, wie es im Gesetzentwurf heißt. Zu den weiteren Maßnahmen gehört die Ausweitung des Kreises der sogenannten geldwäscherechtlich Verpflichteten, zum Beispiel auf Dienstleistungsanbieter im Bereich von virtuellen Währungen. Die bisher weitgehend von der Verdachtsmeldepflicht befreiten freien Berufe müssen sich auf Einschränkungen bei den berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten einstellen. Außerdem ging es um zwei Anträge der Fraktionen Die Linke (19/11998) und Bündnis 90/Die Grünen (19/10218) zu verschiedenen Aspekten der Geldwäsche.

Nach Angaben der Fachvereinigung Edelmetalle sind Zweifel angebracht, ob Gold oder andere Edelmetalle besonders dafür genutzt werden, Geldwäsche zu betreiben. Käufer seien überwiegend Kleinstanleger, und Verkäufer müssten sich ohnehin bei den Händlern identifizieren. Die Vereinigung berief sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler, wonach es im vergangenen Jahr insgesamt 77.252 Verdachtsmeldungen an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) gegeben habe. Davon hätten allerdings nur 175 einen Bezug zu Edelmetallen, also weniger als 0,3 Prozent.

Die Deutsche Kreditwirtschaft, die Spitzenvereinigung der Bankenverbände, forderte, die Mitarbeiter der nach dem Geldwäschegesetz verpflichteten Unternehmen von "existenzgefährdenden Bußgeldandrohungen zu befreien". Die umfassenden Bußgeldandrohungen für jedwedes Fehlverhalten im beruflichen Alltag, in dem Handlungen regelmäßig unter erheblichen Zeitdruck stehen würden, würden diese Personengruppe mit einem inzwischen nicht mehr akzeptablen Sanktionsrisiko belasten. Eine Freistellung würde es den Unternehmen deutlich erleichtern, hoch qualifizierte Mitarbeiter für die Position des Geldwäschebeauftragten sowie für den Bereich der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung Präventionskurse zu gewinnen und zu halten.

Der Deutsche Steuerberaterverband forderte in seiner Stellungnahme, die Verschwiegenheitspflichten in bewährten Umfang zu erhalten. Die geplanten Änderungen würden der tatsächlichen steuerlichen Beratungspraxis in keiner Weise gerecht und stellten mit Blick auf den ganzheitlichen Beratungsansatz der steuerberatenden und prüfenden Berufe eine nicht gerechtfertigte Einengung da.

Auf massive Probleme mit Geldwäsche im Bereich Immobilien machten mehrere Sachverständige aufmerksam. Die Staatsanwaltschaft Berlin sprach von einem "enormen Geldwäscherisiko" und Schwierigkeiten bei Ermittlungen durch "Share Deals". Man habe es vorwiegend mit Gesellschaften aus dem Ausland zu tun. Das Problem lasse sich national nicht lösen.

Auch vom Netzwerk Steuergerechtigkeit wurde auf dieses Problem hingewiesen und der Financial Intelligence Unit wurde auf das hohe Risiko für Geldwäsche bei Immobilien hingewiesen. Als konjunkturunabhängiges Investitionsgut würden Immobilien nahezu dauerhafte Wertstabilität ausweisen und sich auf diese Weise besonders zur Platzierung hoher Transaktionsvolumen ereignen, erklärte die FIU. Gleichzeitig gebe es viele Möglichkeiten, die Transparenz von Mittelherkunft und Eigentumsverhältnissen einzuschränken, zum Beispiel unter Einbindung von Offshore-Standorten bei der FIU seien im Jahr 2018 rund 750 Meldungen eingegangen, in denen der explizite Meldungsgrund Auffälligkeiten im Zusammenhang mit An- oder Verkauf von Immobilien angegeben wurde.

Die Bundesnotarkammer geht von einer deutlichen Steigerung der Zahl von Meldungen durch die Notare aus. Außerdem könne erwartet werden, dass von der Neuregelung eine gesteigerte Abschreckungswirkung ausgehen werde. Die deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ wies darauf hin, dass das Meldeaufkommen von rechtsberatenden Berufen aufgrund der aktuellen Gesetzeslage sehr gering sei, da sich diese auf ihre Verschwiegenheitspflicht gegenüber ihrer Mandantschaft berufen könnten. Dieses Defizit sei nicht hinnehmbar.

Der Bund deutscher Kriminalbeamter vermisste eine "Gesamtstrategie" gegen Geldwäsche. Professor Kai Bussmann (Universität Halle-Wittenberg) sah die Behörden angesichts einer Vielzahl von Verfahren bereits am Limit und forderte mehr Präventionsmaßnahmen. Auch Professor Gregor Kirchhof (Universität Augsburg) forderte einen entschiedenen Kampf gegen Geldwäsche, sprach sich aber für die Beachtung der Verhältnismäßigkeit und für mehr Datenschutz aus.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1241 - 7. November 2019 - 09.40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2019

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