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BUNDESTAG/9594: Heute im Bundestag Nr. 285 - 12.03.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 285
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 12. März 2020, Redaktionsschluss: 09.40 Uhr

1. Fragiler Frieden im Sudan
2. Plastik im Boden als Zukunftsproblem
3. Vorschläge für Nationales Begleitgremium
4. Zentralstelle bei Katastrophenschutz
5. Überprüfung mutmaßlich Geisteskranker


1. Fragiler Frieden im Sudan

Menschenrechte/Ausschuss

Berlin: (hib/SAS) Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen der sudanesischen Übergangsregierung, die Situation der Menschenrechte nach fast 30 Jahren Diktatur in dem nordostafrikanischen Land zu verbessern. Die von Premierminister Abdalla Hamdok geführte zivile Regierung habe seit ihrem Antritt im August 2019 eine "Wende" eingeleitet, sagte eine Vertreterin der Bundesregierung am Mittwochnachmittag im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. "Es gibt den Willen, die Lage zu verändern und die Vergangenheit aufzuarbeiten." Ein Zeichen für diese Bestrebungen sei unter anderem die Eröffnung eines Büros des UN-Hochkommisariats für Menschenrechte. Dies sei ein wichtiger Schritt, um die Menschenrechtssituation im Land beobachten zu können, sagte die Regierungsvertreterin.

Auch der Zugang zu humanitärer Hilfe habe sich etwas verbessert. Hilfsorganisationen brauchten seit Februar keine permanenten Genehmigungen mehr; sie müssten allerdings anzeigen, in welcher Region sie sich aufhielten. Trotz dieser Fortschritte gelte es aber "wachsam zu bleiben", erklärte die Vertreterin des Auswärtigen Amtes. Der Transformationsprozess und insbesondere die Machtbalance zwischen zivilen und militärischen Kräften sei weiterhin "fragil". Das zeige auch der gescheiterte Anschlag auf Premierminister Hamdok am Montag.

Nach der Entmachtung des Diktators Omar al-Bashir im April 2019 hatte zunächst das Militär die Führung des Landes übernommen. Dagegen protestierten große Teile der Bevölkerung und forderten eine zivile Regierung. Dabei kam es in der Hauptstadt Khartoum im Mai unter anderem zu Straßenblockaden, die die Militärführung gewaltsam niederschlug. Im Juli 2019 einigten sich Militär und Vertreter der Protestbewegung nach zähem Ringen unter Vermittlung der Afrikanischen Union und Äthiopiens schließlich auf eine gemeinsame Übergangsregierung. Ein oberster Rat, besetzt mit Mitgliedern der Streitkräfte und Vertretern der Zivilgesellschaft, soll das Land für drei Jahre bis zu den demokratischen Wahlen führen.

Dem Ökonomen Hamdok komme seither die schwierige Aufgabe zu, den Sudan nach dem blutigen Konflikt in der Region Darfur und Grenzstreitigkeiten in den Nuba-Bergen zu befrieden sowie Auswege aus der schweren Wirtschaftskrise zu finden. "Die Währung befindet sich im freien Fall, die Inflation steigt und es mehren sich die Berichte, wonach die Menschen nur noch eine Mahlzeit pro Tag zu essen haben", berichtete die Vertreterin der Bundesregierung. Das bewege die Menschen vor Ort derzeit besonders - mehr als eine mögliche Auslieferung des ehemaligen Machthabers al-Bashir an den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, sagte die Regierungsvertreterin auf Nachfrage der Abgeordneten.

Vertreter fast aller Fraktionen hatten zuvor die Ankündigung der sudanesischen Regierung mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenarbeiten begrüßt: Die SPD verband damit die Hoffnung, dass auch die Akzeptanz des Gerichtshofes in Den Haag steigen könne. Die FDP betonte die Notwendigkeit, Menschenrechtsverletzungen über die Jahre 2003 bis 2009 hinaus zu ahnden. Bündnis 90/Die Grünen hingegen gaben zu bedenken, dass es für eine Auslieferung des Diktators al-Bashir noch keine Bestätigung gebe. Die Äußerungen seien bislang zu "wenig konkret". Fragen der Fraktionen zielten zudem auf die Rechte von Frauen im Sudan, die Rolle der Muslimbrüder innerhalb der Protestbewegung sowie die Kooperation mit der sudanesischen Übergangsregierung im Bereich Migrations- und Grenzmanagement.

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2. Plastik im Boden als Zukunftsproblem

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/FLA) Hersteller und Händler müssten stärker in die Pflicht genommen werden bei der Reduzierung von Schadstoffen, die in Boden und Gewässer eindringen. Darin waren sich die Sachverständigen am Mittwoch einig bei einem Fachgespräch des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung. "Vermeiden ist günstiger als reparieren", meinte Issa Nafo (Emschergenossenschaft/Lippeverband).

Die 10.000 Kläranlagen in Deutschland reinigten das Abwasser zwar auf einem sehr hohen Standard, sagte Nafo. Doch seien sie nicht in der Lage, alle Spurenstoffe herauszufiltern, wobei Arzneimittel, Kosmetika oder Pflanzenschutzmittel die größten Probleme verursachten. In den Kläranlagen werde 200 Substanzen nachgespürt. Der Sachverständige sagte voraus, der Trend zu einer Zunahme beim Medikamentengebrauch werde sich in den Kläranlagen niederschlagen. Er kritisierte den hohen Einsatz von Antibiotika und hob hervor, dass bei Internetrecherchen oft ein Zusammenhang von Antibiotika und Grippebekämpfung hergestellt werde, obwohl dies nicht zutreffe.

Forderungen nach einer vierten Reinigungsstufe in den Kläranlagen erteilte Nafo eine Absage. Auch sie könne nicht alle Stoffe zurückhalten, sei zudem sehr teuer und verbrauche in erheblichem Umfang Energie. Der Vorschlag sei weder wirtschaftlich, noch ökologisch sinnvoll. Für die Herstellerseite müsse es Anreize geben, sich am Schutz von Böden und Gewässern zu beteiligen. Ohne Anreize gebe es keine Innovation

Jörg Rehberg vom Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft verwies auf die starke finanzielle Bedeutung beim Blick auf die Kläranlagen. Wenn sie eine vierte Reinigungsstufe einrichteten, müssten die Bürger mit einer Steigerung der Abwassergebühr um zehn Prozent rechnen. Dabei seien nicht sie in erster Linie die Verursacher, sondern die Hersteller. Rehberg schlug deshalb einen Fonds vor. In ihn sollten Hersteller und Händler einzahlen - und zwar entsprechend der Schädlichkeit der einzelnen Spurenstoffe. Er verglich dies mit dem Emissionshandel. Das Geld könne für Maßnahmen zu mehr Gewässerschutz verwendet werden.

Plastik in Böden etwa durch Reifenabrieb in Straßennähe oder durch die Verwendung von Folien in Landwirtschaft und Gartenbau benannte Professor Berndt-Michael Wilke, Präsident des Bundesverbandes Boden, als großes Problem der Zukunft. Der Umgang mit dieser Problematik stecke noch in den Anfängen. Wilke verwies auf laufende Forschungsvorhaben. Noch fehle es an Untersuchungen, die genau Auskunft geben könnten über die Auswirkungen auf Menschen und Bodentiere.

Wilke schilderte die Bedeutung der Böden. Es gebe die Aussage, dass in einer Handvoll Boden mehr unterschiedliche Organismen zu finden seien als im Amazonas-Gebiet. Der Boden könne Einträge von Stoffen puffern. Einige Organismen würden Stoffe entgiften, was eine natürliche Selbstheilungskraft bedeute.

Einen Schwerpunkt im Fachgespräch bildete die Nitrat-Problematik. Die Nitratwerte stiegen seit Jahrzehnten, sagte Rehberg. Der direkte Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Intensivnutzung des Bodens und hohen Nitratwerten sei wissenschaftlich belegt. Deutschland müsse die EU-Richtlinie unverzüglich umsetzen. Er beklagte, dass die Bundesregierung an Ausnahmen denke und die Einbeziehung aller Düngemittel lückenhaft sei. Die Frage sei, wer geschützt werden solle: die Gewässer oder einzelne Betriebe. Nitrat bedeute ein Riesenproblem für die Wasserversorgung, wobei es bisher nur um die Spitze eines Eisbergs gehe. Der Wert erhöhe sich im Laufe der Jahre.

Die aktuelle Diskussion um die Platzierung von Nitrat-Messstellen helfe nicht weiter, meinte Rehberg. Die Messstellen würden seit Jahrzehnten betrieben - vermehrt dort, wo es um dir Trinkwasserversorgung gehe. Selbst wenn die eine oder andere Messstelle an einem ungünstige Ort stehe, ändere das nichts an der großen Tendenz - der Zunahme der Nitratwerte.

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3. Vorschläge für Nationales Begleitgremium

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Wahlvorschlag

Berlin: (hib/LBR) Die Unionsfraktion und die SPD-Fraktion listen diverse Vorschläge für Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums gemäß Standortauswahlgesetz auf. Die Wahl steht am Freitagvormittag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums. Wie aus dem Wahlvorschlag (19/17742) hervorgeht, schlagen die Fraktionen Günther Beckstein (Ministerpräsident a.D.), Klaus Brunsmeier (Bund für Umwelt und Naturschutz e.V.), Markus Dröge (ehemaliger Bischof Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg), den Chemiker Rainer Grießhammer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Armin Grunwald (Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag), Jo Leinen (ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments), Monika Müller (Evangelische Akademie Loccum), Werner Rühm (Institut für Strahlenmedizin am Helmholtz-Zentrum München), Roland Sauerbrey (Technische Universität Dresden), die Geologin Magdalena Scheck-Wenderoth (Helmholtz-Zentrum Potsdam), Miranda Schreurs (Hochschule für Politik München) sowie den Biologen Michael Succow (Universität Greifswald) vor.

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4. Zentralstelle bei Katastrophenschutz

Inneres und Heimat/Antrag

Berlin: (hib/STO) Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe soll nach dem Willen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einer Zentralstellenkompetenz ausstattet werden. In einem Antrag (19/17749), der am Freitag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen,

In der Vorlage schreibt die Fraktion, dass Deutschland durch seine föderale Struktur ein "hervorragendes Netz aus Behörden und Organisationen" habe, die auch im Katastrophenschutzfall handlungs- und leistungsfähig seien. Für bundesweite, länderübergreifende oder besondere Lagen bedürfe es indes einer "zentralen Koordination zum Informations- und Ressourcenmanagement". Daher sei es notwendig, "das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit einer Zentralstellenkompetenz für den Bevölkerungsschutz zur Unterstützung der Länder auszustatten, wie sie beispielsweise im polizeilichen Bereich vom Bundeskriminalamt bekannt ist".

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5. Überprüfung mutmaßlich Geisteskranker

Inneres und Heimat/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Bundesregierung soll nach dem Willen der AfD-Fraktion alle Bundesbehörden anweisen, die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um "bei Erlangung der Kenntnis von Umständen, die den Verdacht des krankhaften Geisteszustands einer Person begründen, die Überprüfung dieser Person auf Waffenbesitz herbeizuführen". Damit soll der Waffenbehörde die Überprüfung der persönlichen Eignung der Person zum Umgang mit Waffen und Munition ermöglicht werden, wie aus einem Antrag der Fraktion (19/17783) weiter hervorgeht.

Danach soll die Bundesregierung zudem gesetzlich sicherstellen, dass die von einer Behörde erlangte "Kenntnis von Umständen, die den Verdacht des krankhaften Geisteszustands einer Person begründen, unmittelbar zur Überprüfung von Waffenbesitz und, wenn dies der Fall ist, zur Überprüfung der persönlichen Eignung zum Umgang mit Waffen und Munition führt".

In der Begründung führt die Fraktion aus, dass der mutmaßliche Amokläufer von Hanau, Tobias R., dem Generalbundesanwalt Anfang November 2019 eine "Strafanzeige gegen eine unbekannte geheimdienstliche Organisation" zukommen lassen hat. Dieses Dokument offenbare die "wahnhafte Geisteswelt seines Urhebers". Die Bundesanwaltschaft habe gleichwohl keine weitere Überprüfung des R. veranlasst und auch keine andere Behörde über dessen auffälligen Geisteszustand unterrichtet. Zur Begründung berufe sie sich darauf, "dass ihre ausschließliche Aufgabe die Strafverfolgung sei, nicht aber die Gefahrenabwehr". Der Fraktion zufolge müssen daher "Maßnahmen ergriffen werden, um die Zusammenarbeit aller Behörden zu verbessern, um den von mutmaßlich geisteskranken Personen ausgehenden Gefahren zu begegnen".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 285 - 12. März 2020 - 09.40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2020

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