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BUNDESTAG/9933: Heute im Bundestag Nr. 626 - 17.06.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 626
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 17. Juni 2020, Redaktionsschluss: 16.26 Uhr

1. Umsatzsteuer soll befristet gesenkt werden
2. Geschlechtliche Selbstbestimmung
3. Vorstoß zu Familiennachzug
4. Wissenschaftskommunikation stärken
5. Fachkräftezuwanderung aus Chile


1. Umsatzsteuer soll befristet gesenkt werden

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Um die aufgrund der Corona-Pandemie geschwächte Kaufkraft zu stärken und Unternehmen mit gezielten Maßnahmen zu unterstützen, haben die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD ein umfangreiches steuerliches Maßnahmenpaket eingebracht. Der Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (19/20058) sieht dazu unter anderem eine befristete Senkung der Umsatzsteuersätze vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 vor. Der Steuersatz soll in diesem Zeitraum von 19 auf 16 Prozent abgesenkt werden, der ermäßigte Steuersatz von sieben auf fünf Prozent.

Außerdem soll für jedes im Jahr 2020 kindergeldberechtigte Kind ein einmaliger Kinderbonus von 300 Euro gewährt werden. Der Kindergeldbonus wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet und bei besserverdienenden Haushalten mit dem Kinderfreibetrag verrechnet. Die Auszahlung soll in zwei Teilen von je 150 Euro im September und Oktober 2020 erfolgen. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende soll für einen Zeitraum von zwei Jahren von derzeit 1.908 Euro auf 4.008 Euro angehoben werden.

Zu den die Wirtschaft betreffenden steuerliche Maßnahmen gehören die Verschiebung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer, die Erweiterung der Möglichkeit zum steuerlichen Verlustrücktrag für die Jahre 2020 und 2021 von fünf Millionen Euro beziehungsweise zehn Millionen Euro bei Zusammenveranlagung. Außerdem will die Koalition eine degressive Abschreibung in Höhe von 25 Prozent für Wirtschaftsgüter einführen, die in den Jahren 2020 und 2021 angeschafft oder hergestellt werden.

Bei der Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen, die keine Kohlendioxid-Emissionen haben, wird der Höchstbetrag des Bruttolistenpreises von 40.000 auf 60.000 Euro erhöht. Zu den weiteren Maßnahmen gehört unter anderem die Erhöhung der maximalen Bemessungsgrundlage der steuerlichen Forschungszulage auf vier Millionen Euro im Zeitraum von 2020 bis 2025.

Für das laufende Jahr wird in den Entwurf mit Steuermindereinnahmen von rund 23,4 Milliarden Euro gerechnet, von denen rund 20,7 Milliarden Euro auf den Bund entfallen sollen. Knapp 13 Milliarden Euro Steuerausfälle entstehen durch die Absenkung der Mehrwertsteuer; der Kinderbonus schlägt mit 5,4 Milliarden Euro zu Buche und der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende mit 415 Millionen Euro. 2021 sollen die Steuermindereinnahmen insgesamt bei und 12,8 Milliarden Euro liegen, davon rund 6,3 Milliarden Euro für den Bund.

Durch eine Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern wird der Bundesanteil an der Umsatzsteuer in diesem Jahr um sechs Milliarden Euro zugunsten der Länder gesenkt. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Reduzierung der Mehrwertsteuersätze im Wesentlichen allein zu Lasten des Bundes auswirkt.

Den Erfüllungsaufwand für Bürger und Wirtschaft kann die Koalition nicht beziffern. Diese Angaben sollen im Laufe der parlamentarischen Beratung konkretisiert werden.

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2. Geschlechtliche Selbstbestimmung

Inneres und Heimat/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Die FDP-Fraktion hat einen Gesetzentwurf "zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung" (19/20048) vorgelegt, der am Freitag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Danach soll das aktuelle Transsexuellengesetz und der Paragraf 45b des Personenstandsgesetzeses abgeschafft und durch ein "Gesetz zur Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität" ersetzt werden.

Wie die Fraktion ausführt, haben Menschen, deren Geschlechtsmerkmale nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen, in Deutschland die Möglichkeit, sich medizinisch und juristisch einer Transition zu unterziehen. Das juristische Änderungsverfahren werde durch das 1981 in Kraft getretene Transsexuellengesetz normiert, das zwei Optionen für Menschen vorsehe, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt: die Änderung des Namens sowie die formelle Änderung der Geschlechtszugehörigkeit über den Personenstand. Voraussetzung für die Änderung des Namens seien nach derzeitiger Rechtslage zwei Gutachten von Sachverständigen, die mit diesem Gebiet ausreichend vertraut und voneinander unabhängig tätig sind.

Zugleich verweisen die Abgeordneten darauf, dass es seit 2018 Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Deutschland möglich sei, über den Paragraf 45 b des Personenstandsgesetzes Vornamen und Geschlechtseintrag der eigenen Geschlechtsidentität entsprechend anzupassen. Laut Bundesregierung und Urteil des Bundesgerichtshof (XII ZB 383/19) sei die Anwendung dieses Paragrafen jedoch auf intergeschlechtliche Personen beschränkt.

"Auch intergeschlechtliche Menschen sind in ihrer geschlechtlichen Selbstbestimmung weiterhin eingeschränkt", heißt es ferner in der Vorlage. So fänden weiterhin genitalverändernde chirurgische Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern statt, die "ein gravierender Eingriff in die Autonomie und körperliche Unversehrtheit" seien.

Mit dem Gesetzentwurf sollen solche Operationen wirksam verboten werden, "sofern sie nicht zur Abwendung einer Gefahr für das Leben oder einer erheblichen Gefahr für die Gesundheit des Kindes dienen". Ferner sollen medizinische Leistungsansprüche bei Geschlechtsinkongruenz und Intergeschlechtlichkeit nach dem Willen der Fraktion im Fünften Buch Sozialgesetzbuch verankert werden. Das Passgesetz wollen die Abgeordneten so ändern, "dass künftig auch die Geschlechtsangabe ,X' möglich ist".

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3. Vorstoß zu Familiennachzug

Inneres und Heimat/Antrag

Berlin: (hib/STO) "Familiennachzug umfassend ermöglichen" lautet der Titel eines Antrags der Fraktion Die Linke (19/20026), der am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Darin schreibt die Fraktion, dass der Familiennachzug aufgrund der Maßnahmen, die die Bundesregierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie ergriffen hat, "seit Mitte März 2020 weitestgehend zum Erliegen gekommen" sei. "In den deutschen Auslandsvertretungen werden keine Visumsanträge mehr angenommen, bereits gestellte Anträge werden nicht weiter bearbeitet", heißt es in der Vorlage weiter.

Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, Menschen mit bereits erteilten Visa zum Familiennachzug oder zur Eheschließung die Einreise wieder zu ermöglichen. Auch soll die Bundesregierung es nach dem Willen der Fraktion "umgehend" wieder ermöglichen, in den deutschen Auslandsvertretungen Familiennachzugsvisa zu beantragen und bereits ausgestellte Visa abzuholen.

Ferner fordert die Fraktion in der Vorlage die Bundesregierung auf, Visa zum Familiennachzug, deren Gültigkeit aufgrund der verhängten Reisebeschränkungen abgelaufen ist, unkompliziert zu verlängern. Zudem soll die Regierung dem Antrag zufolge unter anderem das Spracherfordernis beim Ehegattennachzug "angesichts der weltweit schwierigen Lage" aussetzen sowie "nicht genutzte Kontingente beim Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auf nachfolgende Monate" übertragen.

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4. Wissenschaftskommunikation stärken

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) In einem Antrag (19/20041) fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung auf, die Wissenschaftskommunikation und den Wissenschaftsjournalismus umfassend zu stärken. Dabei soll geprüft werden, wie ein unabhängiger und innovativer Wissenschaftsjournalismus unter Beachtung aller relevanten verfassungsrechtlichen Vorgaben gefördert werden und dabei gleichzeitig ein Höchstmaß an Unabhängigkeit von Staat und Parteien sichergestellt werden kann. Durch die Auflegung eines neuen Förderprogramms soll die Wissenschaftskommunikation als ein integraler Bestandteil der BMBF-Förderung ausgebaut werden. Durch eine Förderrichtlinie in Höhe von 20 Millionen Euro über vier Jahre soll Wissenschaftlern die Möglichkeit eröffnet werden, eine zusätzliche Finanzierung für wissenschaftskommunikative Aktivitäten für bereits bewilligte Forschungsvorhaben zu erhalten. Zudem soll ein neues Forschungsprogramm "Wissenschaftskommunikation" im Bundesbildungs- und Forschungsministerium (BMBF) eingerichtet und dabei insbesondere Projekte in den Bereichen Qualitätsindikatorik und Wirksamkeitsmessung von Wissenschaftskommunikation sowie Entstehung, Ausmaß und Umgang mit Desinformation schwerpunktmäßig gefördert werden. Gemeinsam mit den Ländern und der Allianz der Wissenschaften soll darauf hingewirkt werden, die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu Wissenschaftskommunikation an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen umfassend auszubauen.

In einer zunehmend komplexer werdenden Welt ist laut Antragstellern die offene, freiheitlich-demokratische Gesellschaft stärker als je zuvor auf eine verlässlich finanzierte und unabhängige Wissenschaft angewiesen. Wissenschaftliche Erkenntnisse schafften die Basis für eine evidenzbasierte, vorsorgeorientierte und weitsichtige Politik zum Wohle aller Bürger. Vielfältige und kreative Interaktionsformen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft würden zu einer demokratischen, pluralen Wissensgesellschaft mit beitragen. Ein starkes Band zwischen Gesellschaft und Wissenschaft stelle zudem sicher, dass gesellschaftliche Problemlagen in die Forschung Eingang fänden und dadurch evidenzbasierte Antworten auf die drängenden Herausforderungen der Zeit gefunden werden.

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5. Fachkräftezuwanderung aus Chile

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antwort

Berlin: (hib/ROL) Zum Stichtag 31. März 2020 haben sich 8.998 chilenische Staatsangehörige in Deutschland aufgehalten. Darauf weist die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/19869) auf die Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/19555) beim Thema Fachkräftezuwanderung aus Chile vor dem Hintergrund des Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen hin. Die Zahl der in Deutschland lebenden Chilenen sei seit 2000 von damals 6.495 Chilenen kontinuierlich gestiegen. Von ihnen hätten rund 38 Prozent eine Niederlassungserlaubnis und 41 Prozent eine Aufenthaltserlaubnis. Seit dem Inkrafttreten des Anerkennungsgesetzes des Bundes am 1. April 2012 hätten Chilenen vor allem Anträge zu bundesrechtlich geregelten Berufen in Heilberufen gestellt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 626 - 17. Juni 2020 - 16.26 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2020

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