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BUNDESTAG/9943: Heute im Bundestag Nr. 636 - 18.06.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 636
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 18. Juni 2020, Redaktionsschluss: 14.55 Uhr

1. Polizei verhinderte Anschlag nebenbei
2. AfD gegen Steuerpflicht von Corona-Hilfen
3. Thesaurierung soll leichter werden
4. FDP will Entschädigung für Eltern
5. AfD will Beziehungen zu Nigeria ausbauen
6. SPD-Kandidat für Kuratoriumswahl


1. Polizei verhinderte Anschlag nebenbei

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Ein Beamter des Berliner Landeskriminalamts (LKA) hat dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") über die zweimalige Observation des islamistischen Gefährders Magomet Ali Chamagow im Laufe des Jahres 2016 berichtet. Dabei sei "nebenbei" ein Anschlag in Berlin verhindert worden, sagte Kriminalhauptkommissar R.W. in seiner Vernehmung am Donnerstag. Der heute 44-jährige Zeuge leitet eine "Mobile Einsatzgruppe" in der unter anderem für verdeckte Observationen zuständigen Abteilung 6 des Berliner LKA.

Wie die deutschen Behörden erst 2018 erfuhren, war der gebürtige Dagestaner Chamagow im Herbst 2016, während das LKA ihn zeitweilig observieren ließ, gemeinsam mit dem französischen Konvertiten Clément Baur und dem späteren Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri mit der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags auf das Berliner Gesundbrunnen-Center beschäftigt. Er selbst, sagte der Zeuge, sei mit Chamagow erstmals im März 2016 in Berührung gekommen, als dieser nach der islamistischen Anschlagsserie in Brüssel eine Zeitlang observiert worden sein. Ein weiteres Mal hätten seine Mitarbeiter Chamagow am 25. und 26. Oktober 2016 beobachtet.

Dem habe das "Gefährderkonzept" der Berliner Polizei zugrunde gelegen, erkannte Verdachtspersonen im Wege einer "legendierten Kontrolle" in unregelmäßigen Abständen in den Blick zu nehmen. Eine durchgehende Observation sei wegen der "Masse der Gefährder" nicht möglich gewesen. Vor Chamagows Haus sei an den beiden Oktobertagen zudem eine Kamera installiert gewesen. Das Observationsteam, dem er selber nicht angehört habe, habe Chamagow am 25. Oktober den ganzen Tag lang nicht zu Gesicht bekommen. Für eine erfolgreiche "legendierte Kontrolle" sei die Sichtung der Zielperson indes unabdingbar, um den Nachweis zu führen, dass sich ein erkannter Gefährder zu einem bestimmten Zeitpunkt in Berlin aufhielt.

Auch am 26. Oktober habe sich Chamagow zunächst stundenlang nicht blicken lassen. Schließlich sei er in Begleitung eines unbekannten Mannes aufgetaucht und mit diesem in seiner Wohnung ii dritten Obergeschoss seines Hauses in Berlin Buch verschwunden. Zwar sei damit die Sichtung der Zielperson erfolgt, die Beamten, berichtete der Zeuge, hätten aber gerne noch den Begleiter identifiziert und in der Hoffnung, einen Blick auf den Unbekannten zu erhaschen, beschlossen, Chamagow nochmals aus der Wohnung zu locken.

Unter dem Vorwand, sie seien wegen ruhestörenden Lärms alarmiert worden, hätten deshalb zwei uniformierte Streifenbeamte bei ihm geklingelt. Chamagow habe aufgemacht und seinen Ausweis gezeigt, sich im übrigen aber äußerst reserviert verhalten. Bei Clément Baur, der sich in der Wohnung aufhielt, hinterließ der unangekündigte Besuch allerdings einen nachhaltigen Eindruck. Wie die französische Polizei erst viel später ermittelte, türmte er in Panik über den Balkon aus dem dritten Stock und setzte sich nach Frankreich ab. Die Anschlagsplanung für das Gesundbrunnen-Center hatte sich damit erledigt.

Auf den ersten Blick, meinte der Zeuge, könnte man sagen, der Einsatz am 26. Oktober sei "schief gelaufen". Indes: "Wir vermuten, dass wir durch die Flucht des Herrn Baur einen Anschlag in Berlin nebenbei verhindert haben." Der Zeuge war im Februar und Juni 2016 an acht Tagen auch mit der Observation des späteren Attentäters Amri befasst. Dieser sei seines konspirativen Verhaltens wegen "etwas herausfordernder" gewesen als andere: "Man musste sich bei ihm mehr bemühen."

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2. AfD gegen Steuerpflicht von Corona-Hilfen

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gezahlten Überbrückungshilfen für Kleinunternehmer, Freiberufler, Landwirte und Solo-Selbständige sollen steuerfrei gestellt werden. Dies fordert die AfD-Fraktion in einem Antrag (19/20071), in dem von "Steuerfallen" im Zusammenhang mit den staatlichen Hilfsmaßnahmen die Rede ist. Wie in dem Antrag erläutert wird, stellen die Corona-Hilfen in steuerlicher Hinsicht Betriebseinnahmen dar, die besteuerbar seien und bei der Gewinnermittlung berücksichtigt werden müssten. Die Steuerpflicht gelte gleichermaßen für die entsprechenden Zuschüsse in den Ländern. Nach Angaben der Fraktion wurden vom Bund zur Unterstützung von Kleinunternehmern und Solo-Selbstständigen 50 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass von diesen Hilfen etwa 12,5 Milliarden über Steuern vom Staat wieder vereinnahmt würden.

Zugleich fordert die AfD-Fraktion die Herausnahme des Kurzarbeitergeldes aus dem sogenannten steuerlichen Progressionsvorbehalt. Wie erläutert wird, ist das Kurzarbeitergeld nach dem Einkommensteuergesetz zwar steuerfrei, jedoch würden die Leistungen in die Ermittlung des Steuersatzes einbezogen, was im Ergebnis regelmäßig zu Nachzahlungen bei der Einkommensteuer führe. Deshalb seien Arbeitnehmer, die im Jahr 2020 insgesamt mehr als 410 Euro an Kurzarbeitergeld erhalten hätten, zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet. Bei den derzeit über zehn Millionen Beschäftigten in Kurzarbeit müssten von den Finanzämtern im kommenden Jahr Millionen von Steuererklärungen zusätzlich bearbeitet werden. Diese unnötige bürokratische Belastung werde entfallen, wenn das Kurzarbeitergeld aus dem Progressionsvorbehalt herausgenommen werde.

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3. Thesaurierung soll leichter werden

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Regeln für die sogenannte Thesaurierungsbegünstigung für Unternehmen sollen vereinfacht werden. Dies fordert die FDP-Fraktion in einem Antrag (19/20055). Wenn Unternehmen Gewinne im Unternehmen lassen würden, seien Kapitalgesellschaften erheblich besser gestellt als der Mittelstand. Während den Kapitalgesellschaften nach Abzug der Ertragsteuer noch circa 70 Prozent ihres Bruttogewinns verbleiben würden, stehe vergleichbaren Personengesellschaften bei einem Einkommensteuersatz von zum Beispiel 42 Prozent nur noch circa 52,5 Prozent des Bruttogewinns für Investitionen zur Verfügung. "Diese Differenz ist in Zeiten der Corona-Krise verheerend", schreiben die Abgeordneten. Dabei würde eine hohe Eigenkapitalquote in Krisenzeiten helfen. Sie erleichtere die Aufnahme von Darlehen und ermögliche ein Kompensieren von Verlusten für eine gewisse Zeit.

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4. FDP will Entschädigung für Eltern

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Antrag

Berlin: (hib/AW) Nach dem Willen der FDP-Fraktion sollen Eltern, die während der Corona-Krise ihre Kinder betreuen, auch dann für Verdienstausfälle nach dem Infektionsschutzgesetz entschädigt werden, wenn grundsätzlich die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice besteht. In einem Antrag (19/20060) spricht sie sich für eine entsprechende Änderung des Infektionsschutzgesetzes aus. Die Entschädigung soll für die Dauer der Corona-Pandemie auch während eines eingeschränkten Regelbetriebs von Kitas und Schulen sowie während der Schulferien gezahlt werden. Ebenso soll die Entschädigung auch an Eltern gezahlt werden, deren Kinder wegen einer relevanten Vorerkrankung im Fall einer Corona-Infektion mit einem schweren Krankheitsverlauf rechnen müssen und deshalb von ihren Eltern betreut werden.

Die Liberalen begründen ihren Antrag mit den besonders großen Herausforderungen für viele Familien während der Corona-Pandemie. Für viele sei es ein "unmöglicher Kraftakt", die beruflichen Aufgaben im Homeoffice, die Betreuung der Kinder zu Hause und die schulische Bildung zu übernehmen.

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5. AfD will Beziehungen zu Nigeria ausbauen

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die AfD-Fraktion will die wirtschaftlichen Beziehungen mit Nigeria intensivieren und das Land stärker in der deutschen Afrikapolitik berücksichtigen. Nigeria gehöre als drittgrößtes afrikanisches Lieferland für deutsche Importe und zweitgrößtes subsahara-afrikanisches Abnehmerland für deutsche Exporte zu den größten Handels- und Wirtschaftspartnern Deutschlands in Afrika, heißt es in einem Antrag (19/20080). Gleichzeitig wachse die Bevölkerung rasant an.

Während der Verhandlungen zu einer privilegierten wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Nigeria solle sich die Bundesregierung daher eindeutig zum Thema "Bevölkerungsentwicklung" sowie deren negative Auswirkungen positionieren. Außerdem solle sie das Phänomen der illegalen Migration in die EU eindeutig thematisieren und eine verbindliche Zusicherung der nigerianischen Regierung zur Bekämpfung als Voraussetzung für eine Aufnahme festlegen.

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6. SPD-Kandidat für Kuratoriumswahl

Kultur und Medien/Wahlvorschlag

Berlin: (hib/AW) Die SPD-Fraktion nominiert ihren Abgeordneten Dirk Wiese als Mitglied im Kuratorium der "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas" (19/20023). Wiese soll in dem Gremium die Nachfolge seiner ehemaligen Fraktionskollegin Eva Högl übernehmen, die ihr Bundestagsmandat Ende Mai anlässlich ihrer Amtseinführung als neue Wehrbeauftragte des Bundestages niedergelegt hat.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 636 - 18. Juni 2020 - 14.55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2020

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