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PRESSEKONFERENZ/1724: Merkel und der Vorsitzende des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina Zvizdić, 13.08.18 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt - Montag, 13. August 2018
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Vorsitzenden des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass heute der Vorsitzende des Ministerrats von Bosnien und Herzegowina bei uns zu Besuch ist, und zwar heute hier in Berlin, nachdem wir uns vor Kurzem noch in London bei der Westbalkan-Konferenz in Zusammenhang mit dem Berliner Prozess gesehen haben. Ich begrüße ihn sehr herzlich. Denis Zvizdić hat eine nicht einfache Aufgabe in einem Staat, der eine komplizierte Struktur aufweist. Deshalb ist es umso höher zu bewerten, dass vielfache Anstrengungen unternommen wurden, um gerade auch die wirtschaftliche Entwicklung in Bosnien und Herzegowina voranzubringen.

Wir waren uns heute über drei Dinge einig, die sozusagen über allem stehen. Das Erste ist die Tatsache, dass die territoriale Integrität der Staaten des westlichen Balkans festgelegt wurde und unantastbar ist. Man muss das immer wieder sagen, weil es immer wieder Bestrebungen gibt, vielleicht doch noch einmal über Grenzen zu reden. Das können wir nicht tun.

Davon ausgehend sind wir uns natürlich auch einig, dass die europäische Perspektive für alle Staaten des westlichen Balkans gegeben ist. Bosnien und Herzegowina strebt an, baldmöglichst den Beitrittskandidatenstatus zu erhalten. Dafür werden Hunderte von Fragen beantwortet, und wir haben die Regierung und die einzelnen Verantwortlichen ermutigt, in diesem Zusammenhang auch die jetzt noch vorliegenden Fragen der Europäischen Kommission schnell zu bearbeiten.

Der dritte wichtige Punkt für Bosnien und Herzegowina ist es, den Status im Rahmen des Membership Action Plan der Nato zu bekommen. Deutschland sieht recht gute Voraussetzungen dafür, dass wir das auch noch in diesem Jahr schaffen können.

Bosnien und Herzegowina steht vor einer Wahl, und wir haben natürlich darüber gesprochen, dass die notwendige Wahlrechtsreform leider bis heute nicht abgeschlossen werden konnte. Wir glauben, dass die Venedig-Kommission hier der Schlüssel dafür sein könnte, eine Lösung zu erreichen. Aber das setzt natürlich Kompromissbereitschaft auf allen Seiten voraus.

Noch schwerer wiegt, dass wir im Zusammenhang mit der Strafrechtsreform im Augenblick eine rechtliche Lücke haben. Das sage ich allerdings in voller Überzeugung dessen, und ich habe das auch dem Ministerpräsidenten gesagt, dass wir von deutscher Seite aus darauf achten werden, dass die Verfolgung von Korruption, organisierter Kriminalität und Terrorismus natürlich möglich sein muss und verstärkt werden muss. Deshalb sind solche Rechtslücken dafür leider nicht hilfreich und nicht akzeptabel.

Wir haben uns insgesamt über die Situation unterhalten. Es geht vor allen Dingen darum, dass die Jugend eine Perspektive bekommt. Dazu ist die wirtschaftliche Entwicklung von großer Bedeutung. Hier kann Deutschland als wichtiger Wirtschaftspartner Bosniens und Herzegowinas durch Direktinvestitionen helfen, aber vor allen Dingen auch durch duale Ausbildung. Wir haben darauf hingewiesen, dass für unsere Unternehmen die Frage des Rechtsschutzes immer wieder von großer Bedeutung ist. Aber der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen, dass er sich selbst sozusagen mit den Investoren auseinandergesetzt hat, die dies ihrerseits natürlich auch deutlich gemacht haben, und dass man schrittweise daran arbeitet.

Ich glaube, dass sich die Kooperation auf dem westlichen Balkan trotz aller Probleme insgesamt sehr verbessert hat, gerade auch wegen des Berliner Prozesses. Wir müssen jetzt schauen, dass wir die verabredete Wissenschaftsstiftung noch bis zum nächsten Jahr auf die Beine bekommen. Denn gerade auch die Frage von Wissenschaft, Bildung, Hochschulbildung und Forschung ist für die Zukunft der Länder des westlichen Balkans von großer Bedeutung. Wir ermuntern natürlich auch die einzelnen Premierminister in den Staaten des westlichen Balkans immer wieder, hierbei wirklich eng zusammenzuarbeiten. Aber da haben sich in den letzten Jahren wirklich substanzielle Verbesserungen ergeben.

Insgesamt wünschen wir Ihnen für Ihre schwierige Tätigkeit weiter viel Erfolg. Deutschland steht an Ihrer Seite. Deutschland ist manchmal auch ein Land, das ganz offen sagt, was wir uns besser wünschen, aber wir haben auch einen Blick für das Machbare. Wir möchten Ihnen für Ihre Arbeit ganz herzlich danken und den Menschen in Ihrem Land auch einen großen Erfolg wünschen.

Vielleicht sage ich zum Schluss noch, dass wir auch über das Thema der illegalen Migration gesprochen haben. Bosnien und Herzegowina hat die Ankunft von mehr Flüchtlingen zu melden, als es vor einem Jahr der Fall war, und wir haben uns hier auch über die Ursachen unterhalten. Das kann nur in Kooperation mit Serbien und Kroatien gelöst werden, und ich glaube, die Europäische Union versucht alles, um Bosnien und Herzegowina hierbei zu unterstützen. Gleichzeitig möchte ich mich dafür bedanken, dass das Land trotz der vielen Probleme versucht, einen humanitären Umgang mit den Flüchtlingen zu gewährleisten. Sie haben es mir eben gesagt, und es ist ja auch so: Ihr Land weiß noch aus eigener Erfahrung aus den letzten Jahren, was Flucht und Vertreibung bedeutet, und deshalb kann man sich auch in die Situation vieler Menschen hineinversetzen. Trotzdem sind wir uns einig, dass illegale Migration nicht der Weg sein kann, auf dem man Europa erreicht.

Vors. Zvizdić: Sehr verehrte Frau Kanzlerin Merkel, sehr verehrte Damen und Herren, ich möchte mich in meinem Namen und im Namen des Ministerrats von Bosnien und Herzegowina ganz herzlich für die Einladung, für das herzliche Willkommen, für die Gastfreundschaft und auch für eine außerordentliche Gelegenheit bedanken, die aktuelle Situation in Bosnien und Herzegowina darstellen zu können. Ich möchte mich noch einmal beim deutschen Staat und bei den freundlichen deutschen Bürgern für all das bedanken, was in den letzten 25 Jahren für alle Bürger Bosniens und Herzegowinas getan wurde. Das hat die Grundlage für ein ständiges, konsistentes Vertrauen und für eine gute Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, gesellschaftlichem und auch auf jedem anderen Gebiet geschaffen. Das bezeugt die gut integrierte Diaspora, die hier lebt und die eine ganz gute Grundlage für wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit unserer beiden Staaten darstellt. Besonders bedanke ich mich, sehr geehrte Kanzlerin, für Ihr persönliches Engagement hinsichtlich der Bewegung europäischer Prozesse in Bosnien und Herzegowina und in den Westbalkanländern.

Es gibt vier Schlüsselprioritäten des Ministerrats in den dreieinhalb Jahren: die europäische Nato-Integration, die wirtschaftliche Entwicklung Bosniens und Herzegowinas, die Frage der Stärkung des Rechtsstaats, der Erhalt von Frieden und Sicherheit und die weitere Stärkung der regionalen Zusammenarbeit. Die wichtigste außenpolitische Zielsetzung war und bleibt die europäische Integration Bosniens und Herzegowinas. Ich kann sagen, dass die heutigen europäischen Prozesse in Bosnien und Herzegowina ohne die deutsche und britische Initiative, die 2014 in Bewegung gesetzt wurde, nicht möglich gewesen wären. Ohne den Berliner Prozess, den die Frau Kanzlerin in Bewegung gesetzt hat, wäre es nicht möglich, über eine dynamische und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung des gesamten Gebiets des Westbalkans zu sprechen.

In Bezug auf die europäische Integration bleibt Bosnien und Herzegowina weiterhin sehr entschlossen auf dem europäischen Weg. Das ist die wichtigste außenpolitische Priorität, zu der es hinsichtlich Bosniens und Herzegowinas keine Alternative gibt. Wir haben jetzt all unsere Verpflichtungen einschließlich der Antworten auf den Fragebogen der Europäischen Kommission hinsichtlich der europäischen Agenda abgeschlossen. Wir haben mehr als 20.000 einseitig abgestimmte Seiten abgegeben. Wir werden auch sehr schnell die zusätzlichen Fragen beantworten. Das mögliche Erreichen des Kandidatenstatus in der Zeit der jetzigen Zusammensetzung der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments sehen wir als eine der wichtigsten Botschaften an, die Bosnien und Herzegowina gesendet werden können, wenn wir über den europäischen Weg Bosniens und Herzegowinas sprechen.

Unsere zweite wichtige Priorität war das, was die Frau Kanzlerin bereits erwähnt hat, nämlich die Aktivierung von MAP für eine wichtige Mitgliedschaft im Nato-Bündnis. Die Aktivierung von MAP ist eine wichtige Botschaft für die Stärkung des Friedens und der Sicherheit in Bosnien und Herzegowina und der gesamten Region des westlichen Balkans.

In Bezug auf die europäische Entwicklung Bosniens und Herzegowinas kann ich mit Stolz sagen, dass alle vitalen wirtschaftlichen Parameter ständig steigen. Die wirtschaftlichen Prozesse entwickeln sich in eine gute Richtung; das sind alles optimistische Trends. Aber vor uns stehen natürlich zahlreiche Reformen, die wir in der nächsten Zeit umsetzen müssen, damit alle Bürger den Nutzen der Reformen spüren können und damit wir auch soziale Stabilität und die Lebensqualität aller Bürger Bosniens und Herzegowinas erhöhen können.

Dank des Berliner Prozesses hat Bosnien und Herzegowina viele Finanzmittel für die Transport- und Verkehrsinfrastruktur - mehr als 66 Millionen Euro - und 120 Millionen Euro für die Infrastruktur erhalten. Deutschland ist einer der wichtigsten Außenhandelspartner, und der Außenhandelsaustausch betrug 1,75 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird der Handelsaustausch sicherlich mehr als 2 Milliarden Euro ausmachen.

Bosnien und Herzegowina verfügt über gute natürlich Ressourcen und gut ausgebildete Arbeitskräfte. Das ist das, worauf wir unsere wirtschaftliche Entwicklung und die Stärkung unserer Infrastruktur aufbauen möchten. Natürlich möchten wir auch weitere ausländische Investoren anlocken. Wir möchten die deutschen Firmen weiterhin dazu einladen, die Investitionen in Bosnien und Herzegowina fortzusetzen. Mehrere Hundert Firmen aus Deutschland haben sich in Bosnien und Herzegowina angesiedelt. Sie beschäftigen mehrere Tausend Arbeitnehmer. Sie bringen gute Wissens- und Erfahrungstransfers mit sich, die für eine beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung von Bosnien und Herzegowina wichtig sind. Deutschland war immer auf der Liste der drei wichtigsten wirtschaftlichen Partner von Bosnien und Herzegowina, und ich hoffe ganz ehrlich, dass dies auch in Zukunft weiterhin so bleiben wird.

In Bezug auf die regionale Zusammenarbeit: Wir messen der Zusammenarbeit mit unseren nächsten Nachbarn eine hohe Bedeutung bei. Die Prozesse der Versöhnung sind für uns ganz wichtig. Aber wir sind der Meinung, dass dies alles auf der Achtung der territorialen Integrität und Souveränität sowie der internationalen Subjektivität aller Staaten auf dem Westbalkan beruhen muss. Wir sind der Meinung, dass die Architektur der Grenzen auf dem Westbalkan bereits definiert und gelöst ist und dass die europäische Perspektive eigentlich nach wie vor der wichtigste Motivationsfaktor bleiben soll, der für die weitere Integration des Westbalkans in die Europäische Union ganz wichtig ist.

Natürlich ging es auch um den Sicherheitsbereich, der ganz wichtig ist. Dabei haben wir über verschiedene Bereiche gesprochen, so darüber, was Bosnien und Herzegowina positiv getan hat. In diesem Sinne ist eines der positiven Dinge auch unsere Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie die Friedenserhaltung in den letzten drei Jahren. Aber in diesen Bereichen brauchen wir weiterhin Reformen, und wir müssen nach wie vor das Strafgesetz neu verabschieden, das eigentlich mit internationalen Normen und Standards harmonisiert werden muss, damit wir den erfolgreichen Kampf gegen Kriminalität, Korruption und alle anderen kriminellen Deviationen in Bosnien und Herzegowina fortsetzen können.

Ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich bei der Kanzlerin. Deutschland ist und bleibt der wichtigste wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Partner. Es ist ein ehrlicher Freund von Bosnien und Herzegowina, und Sie haben in uns, in Bosnien und Herzegowina, auch ganz ehrliche Freunde. Wir schätzen das, was Sie für uns getan haben, hoch. Unsere Aufgabe liegt weiterhin darin, über die Zukunft Bosniens und Herzegowinas nachzudenken, über die Zukunft des Friedens und der Stabilität in unserer Region und über die Zukunft der jungen Generationen, die in einem europäischen Bosnien und Herzegowina weiterleben sollen. Vielen Dank!

Frage: Ich habe eine Frage zu den konkreten Lösungen in Bezug auf die Migrantenkrise angesichts der Tatsache, dass so viele Migranten über Serbien und Bosnien und Herzegowina weiter in die EU gehen wollen. In Bosnien, in einem bestimmten Teil des Landes, gibt es Proteste der Bürger gegen die immer steigende Zahl der Migranten, die nicht entsprechend versorgt sind. Sie wollen einfach nicht in Bosnien bleiben. Sie wollen weiter in die EU. Das ist die Frage an beide.

Vors. Zvizdić: Wir als Ministerrat werden bezüglich unseres Verhältnisses gegenüber den Migranten bei drei Richtlinien bleiben:

Erstens: Das sind Humanbeziehungen zu Menschen, die in Bedürfnis stehen. Diese Auffassung vertreten wir angesichts der Tatsache, dass sich die Bosnier und Herzegowiner vor 25 oder mehr Jahren in einer ähnlichen Situation befanden.

Zweitens werden wir die internationalen Standards achten. All diejenigen, die internationalen Schutz beanspruchen, werden das auch in Bosnien und Herzegowina bekommen.

Letztendlich werden wir die einheimischen Gesetzgebungen achten. Wir wollen einen Teil der integralen europäischen Lösung werden. Ich habe mich auch für die finanzielle und technische Hilfe seitens der Europäischen Union, der Europäischen Kommission, bedankt, die Bosnien und Herzegowina gegeben wurde. Natürlich habe ich auch erklärt, mit welchen Kapazitäten und Möglichkeiten wir in Bosnien und Herzegowina in Bezug auf die Ankunft und Annahme der Migranten verfügen.

Aber es ist die Tatsache, dass keiner der Migranten in Bosnien und Herzegowina bleiben möchte. Wir haben bisher keinem Asyl gewährt. Deren Neigung ist weiterhin in die EU gerichtet. Diese Frage müssten wir in Beziehungen zu unseren Nachbarländern im Osten und Westen lösen. Aber Bosnien und Herzegowina werden ein Teil der Lösungen der Europäischen Union und der europäischen Institutionen. Wir werden uns gemäß den Projekten und Strategien benehmen, die seitens der europäischen Institutionen definiert werden. Denn wir sind praktisch ein Teil des europäischen Gebietes, und so werden wir uns auch benehmen.

BK'in Merkel: Ich möchte dem Ministerpräsidenten für diese Aussagen danken. Die Europäische Union versucht Unterstützung und Hilfe zu leisten. Das Ergebnis kann sicherlich nicht sein, dass einfach nur die Wünsche derer, die ja illegal auch nach Bosnien und Herzegowina kommen, berücksichtigt werden, sondern dass wir das Problem an der Wurzel anpacken. Deshalb haben wir auch über die Herkunft dieser Migranten gesprochen. Sehr viele kommen im Augenblick aus Serbien. Deshalb sind wir auch mit Serbien im Gespräch. Denn es geht darum, dass man die Ursachen dieser Ankünfte in den Blick nimmt. Denn wir wollen natürlich nicht, dass sich die Migranten einfach aussuchen können, wo sie hinkommen, sondern es muss ein legaler Prozess gefunden werden.

Deshalb freue ich mich, dass der Ministerpräsident richtig sagt: Es muss mit der Europäischen Union gemeinsam geregelt werden, aber auch mit den Ländern, aus denen diese Migranten kommen. Genau das werden wir mit Nachdruck weiter tun. In der Zwischenzeit werden wir Bosnien und Herzegowina unterstützen, damit eine humanitäre Behandlung der Menschen, die dort ankommen, gewährleistet ist.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Vorsitzender, eine Frage an Sie beide: Könnte die drohende Destabilisierung der Türkei auch Auswirkungen auf Bosnien und Herzegowina haben? Was könnten Deutschland und die EU tun, um die Türkei in der Situation zu stabilisieren?

Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie erlauben, eine Frage zur Innenpolitik nach Ihrem Urlaub. Am Wochenende haben Äußerungen von Ministerpräsident Günther viel Widerspruch hervorgerufen. Wie stehen Sie denn persönlich zu einer Zusammenarbeit der CDU mit der Linkspartei auf Landesebene und im Bund? Hat sich Herr Günther hier mit seinem Interview vergaloppiert?

BK'in Merkel: Um gleich mit dem Ersten anzufangen: Ich befürworte keine Zusammenarbeit mit der linken Partei und das schon seit vielen Jahren. Wir werden alles tun, damit wir bei den anstehenden Wahlen in den neuen Bundesländern eine Regierungsbildung hinbekommen, die unter Führung der CDU eine Regierung ohne die Linke und selbstverständlich auch ohne die AfD möglich macht. Daran arbeiten wir. Schon in dieser Woche werde ich zum Beispiel in Sachsen sein und mit der sächsischen Landtagsfraktion genau darüber sprechen, wie wir das im nächsten Jahr schaffen können.

Zweitens. Was das Verhältnis der Türkei zu den Ländern des westlichen Balkans anbelangt, so ist es ja sicherlich auf der Hand liegend, dass auch gerade Bosnien und Herzegowina vielerlei Beziehungen in die Türkei haben. Niemand - aber das sage ich jetzt auch aus deutscher Perspektive; dafür muss ich mich nicht mit dem westlichen Balkan beschäftigen - hat ein Interesse an einer wirtschaftlichen Destabilisierung der Türkei. Aber es muss natürlich alles getan werden, damit zum Beispiel auch eine unabhängige Notenbank arbeiten kann und Ähnliches. Wir werden in nächster Zeit Gelegenheit haben, auch mit dem türkischen Präsidenten über diese Fragen zu sprechen. Wir profitieren davon, wenn es ein stabiles wirtschaftliches Umfeld gibt, auch um die Europäische Union herum. Dazu müssen die entsprechenden Beiträge geleistet werden. Deutschland möchte jedenfalls eine wirtschaftlich prosperierende Türkei. Das ist auch in unserem Interesse.

Vors. Zvizdić: Unser Verhältnis und unsere Beziehungen gegenüber anderen Ländern schätzen wir. In Bezug auf die wichtigsten Prioritäten von Bosnien und Herzegowina habe ich bereits gesagt, dass dies die europäische Integration und die Integration in die Nato sind, die Frage der Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung von Bosnien und Herzegowina.

Die Türkei hat sich nie in innere Fragen von Bosnien und Herzegowina eingemischt noch war sie ein Gegner der europäischen Integration und der Integration in die Nato von Bosnien und Herzegowina und des Friedens und der Stabilität. Das sind die dominanten Merkmale der Beziehungen zwischen Bosnien und Herzegowina und der Türkei. Natürlich haben wir traditionelle und geschichtliche Verbindungen mit der Türkei. In diesem Sinne können wir sagen, dass die Türkei gegenüber Bosnien und Herzegowina einfach die ganze Zeit freundschaftlich orientiert war.

Frage: Ich habe nur noch eine Frage in Bezug auf den Außenhandel zwischen Bosnien und Herzegowina und Deutschland. Deutschland ist ein Land, in das Bosnien und Herzegowina sehr viele Exporte tätigen. Das ist in sechs oder sieben Jahren immer die gleiche Situation. Haben Sie über konkrete Möglichkeiten des Fortschrittes oder der Verbesserung des Außenhandels gesprochen?

Vors. Zvizdić: Ja, natürlich. Ich habe die Bedeutung dieses Besuchs betont. Wir haben auch über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Bosnien und Herzegowina gesprochen. Sie haben völlig recht, in den letzten sieben Jahren ist Deutschland der wichtigste Außenhandelspartner von Bosnien und Herzegowina. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres hat die Handelszusammenarbeit bereits die Marke von einer Milliarde Euro überschritten, und wir werden bis zu zwei Milliarden Euro haben. Die Export-Import-Deckung beträgt 94 Prozent. Das spricht für ein ausbalanciertes Verhältnis. Das zeigt auch die Bereitschaft Deutschlands, unsere Produkte anzunehmen und uns zu helfen, die Qualitätsebene und Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, die den europäischen und deutschen Markt zufriedenstellen kann.

Wir haben über die zukünftige Arbeit gesprochen, über die Harmonisierung unserer Gesetze und natürlich über völlige rechtliche Sicherheit für die deutschen Wirtschaftsunternehmen. Aber wir werden auch mit den internationalen Investoren sprechen, besonders mit denjenigen, die aus Deutschland kommen. Wir werden unsere Reformen weiterhin in die Richtung lenken, die das Geschäftsklima und das Arbeitsgesetz in Bosnien und Herzegowina verbessern wird und die auch die Erteilung von Arbeitserlaubnissen für die Investoren beschleunigen wird.

Wir haben über neue Ausbildungselemente in Bosnien und Herzegowina durch den Wissenstransfer aus Deutschland hinsichtlich der dualen Ausbildung gesprochen, um unsere Berufsbranchen dem Arbeitsmarkt anzupassen, womit wir unsere jungen Menschen mit ihren Geschäftsambitionen nach Bosnien und Herzegowina binden können.

Frage: Ich möchte noch einmal auf die Flüchtlingssituation in Ihrem Land zu sprechen kommen. Wir groß ist Ihre Sorge, dass Kroatien - und damit die EU - gar keine Flüchtlinge mehr aufnimmt, die aus Bosnien kommen? Wünschen Sie sich mehr Aufnahmen durch die EU?

Frau Bundeskanzlerin, befürworten Sie, dass die EU auch mit Ländern wie Bosnien Rückführungsabkommen schließt? Vielleicht können Sie uns etwas über den Stand der Verhandlungen über die Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen mit Griechenland und Italien sagen.

Vors. Zvizdić: Nach den Daten, die unseren Agenturen zur Verfügung stehen, sind in diesem Jahr mehr als 10 Migranten nach Bosnien und Herzegowina gekommen. Etwas mehr als 6000 haben Bosnien und Herzegowina bisher verlassen, sodass wir im Prinzip nach wie vor die erhöhte Anzahl der Migranten verwalten können, wenn es sich weiterhin in den optimalen Zahlenbereichen bewegt.

Natürlich sind bestimmte Informationen, dass mehrere Zehntausende Migranten bereits aus dem Gebiet der Türkei nach Griechenland in Bewegung sind, besorgniserregend. Im Prinzip verfolgen sie alle die sogenannte Balkanroute. In diesem Sinne brauchen wir fachliche, technische und finanzielle Hilfe seitens Frontex und der europäischen Institutionen, damit wir die erhöhte Anzahl der Migranten verwalten können.

Doch ich wiederhole es: Wir werden nach wie vor Teil der integralen europäischen Lösung bleiben. Wir werden die Richtlinien der Europäischen Union verfolgen. Wir werden unsere Ebene des humanen Ansatzes gegenüber den Menschen, die ein Bedürfnis haben, die auf dem Westbalkan und in Bosnien und Herzegowina eintreffen, nicht verringern. Wir werden versuchen, auch durch andere administrative Maßnahmen in Absprache mit unseren Nachbarn die Verringerung dieser Zahl zu erreichen. Wir haben darüber besonders gesprochen.

Wir haben eine spezifische Frage, nämlich das Visafreiheitsregime, das Serbien mit bestimmten Ländern hat. Aus diesen Ländern, zum Beispiel aus dem Iran, kommt eine große Anzahl Touristen nach Serbien - und durch internationale Rechtshilfeersuchen tauchen sie dann in Bosnien und Herzegowina auf. Natürlich werden wir weiter verhandeln, um die Migrantenzahl niedriger zu halten. Aber wir bleiben ein Teil der gesamteuropäischen Lösung.

BK'in Merkel: Erstens werden wir uns als Deutschland mit dafür einsetzen, dass Expertise von Frontex auch gerade Bosnien und Herzegowina zur Verfügung gestellt werden kann.

Zweitens - das habe ich eben schon gesagt, und ich kann mich dem, was der Vorsitzende eben auch gesagt hat, nur anschließen - werden wir darauf hinarbeiten, an den Ursachen anzuknüpfen. Bosnien und Herzegowina ist nicht die Ursache. Dort kommen Flüchtlinge an; sie wollen weiter nach Kroatien. Aber das ist nicht die Ursache dafür, dass dort Ankünfte sind. Wenn wir im Augenblick feststellen, dass neben Flüchtlingen aus Griechenland vor allen Dingen auch aus Serbien Flüchtlinge kommen, dann müssen wir schauen, was dort die Ursachen sein könnten. Wenn es Missbrauch im Zusammenhang mit Visafreiheit gibt, dann muss man sich genau das auch anschauen.

Was die Verhandlungen mit Griechenland anbelangt, so sind Sie durch das Innenministerium, denke ich, immer gut informiert. Darüber hinaus kann ich nichts sagen. Die Verhandlungen mit Griechenland sind weit fortgeschritten. Die Verhandlungen mit Italien werden noch etwas dauern. Selbstverständlich werde ich, wenn es notwendig ist, auch zur Verfügung stehen, um mit dem Ministerpräsidenten zu sprechen. Aber der Punkt ist noch nicht erreicht. Aber wir sind im Verhandlungsprozess. - Herzlichen Dank.

Montag, 13. August 2018

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Vorsitzenden des
Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić, am 13.08.2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/08/2018-08-13-pk-merkel-zvizdic.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2018

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