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PRESSEKONFERENZ/2045: Vorstellung der Corona-Warn-App, 16.06.2020 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Dienstag, 16. Juni 2020
Pressekonferenz zur Vorstellung der Corona-Warn-App

Sprecher: Staatsministerin Dorothee Bär, Bundesminister Prof. Helge Braun, Bundesminister Jens Spahn, Bundesminister Horst Seehofer, Bundesministerin Christine Lambrecht, Prof. Lothar H. Wieler (Präsident des Robert-Koch-Instituts), Timotheus Höttges (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG), Jürgen Müller (Mitglied des Vorstands der SAP SE)


StM'in Bär: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, Sie hier im Namen der Bundesregierung zur Pressekonferenz anlässlich der Corona-Warn-App gemeinsam mit Bundesminister Prof. Braun, Bundesminister Spahn, Bundesminister Seehofer, Bundesministerin Lambrecht, dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Herrn Prof. Wieler, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG, Herrn Timotheus Höttges, und Herrn Müller, Mitglied des Vorstands von SAP, begrüßen zu dürfen.

Ich freue mich sehr - auch wenn im Vorfeld der eine oder andere von Ihnen schon gesagt hat, dass das hier ein sehr großer Bahnhof mit fünf Kabinettsmitgliedern, der Wissenschaft und der Wirtschaft ist; normalerweise würden Staatsgäste so begrüßt werden -, dass wir Ihnen hier heute trotzdem ein Gemeinschaftsprojekt aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vorstellen dürfen. Es ist eine App, die uns helfen soll, gemeinsam den Kampf gegen die weltweite Pandemie zu führen, die noch andauert, der wir aber mit geschlossener Schulter gemeinsam entgegentreten wollen.

Ich darf jetzt die einzelnen Redner der Reihe nach aufrufen, und im Anschluss können Sie Fragen stellen. Beginnen wird Herr Bundesminister Prof. Braun. Er hat das Wort.

BM Braun: Einen schönen guten Morgen! Seit heute ist die Corona-Warn-App für die beiden wesentlichen Betriebssysteme von Smartphones verfügbar. Das ist - das haben Sie alle bemerkt - weltweit nicht die erste Corona-Warn-App, die vorgestellt wird. Ich bin aber ziemlich überzeugt, dass es die beste ist. Sie herunterzuladen und zu nutzen, ist ein kleiner Schritt für jeden von uns, aber ein großer Schritt für die Pandemiebekämpfung. Dabei können die Bürgerinnen und Bürgern auf höchsten Datenschutzstandard mit größter Datensparsamkeit vertrauen und sich auch auf einen hohen IT-Sicherheitsstandard verlassen.

Wie man hier unschwer sehen kann, handelt es sich hierbei um ein Projekt der gesamten Bundesregierung. Es hat eine breite Vorgeschichte. Ich möchte zunächst einmal den Erstinitiatoren danken. Das war die Initiative PEPP-PT, die sich auf den Weg gemacht hat, für Deutschland und für Europa eine App mit Bluetooth-Standard auf den Weg zu bringen. Das war eine grundlegend neue Idee, die uns von einem sehr großen Problem befreit hat. Vorher haben viele an GPS-Lösungen gedacht, die natürlich mit Bewegungsprofilen verbunden sind. Der Wechsel auf die Bluetooth-Technologie hat dazu geführt, dass wir heute eine App vorstellen können, die sich völlig von der Frage des Ortes loslöst, damit sehr datensparsam ist und so ein sehr hohes Maß an Datenschutz gewährleistet, wie wir uns das in Europa vorstellen.

Ganz besonders möchte ich mich bei der Fraunhofer-Gesellschaft bedanken, weil sie es ermöglicht hat, genau diesen neuen Bluetooth-Standard technisch so weiterzuentwickeln, dass wir heute bei dieser App eine gute Messmethode App haben, die - im Verhältnis zu dem Referenzmodell, nämlich unserer Erinnerung, wenn wir vom Gesundheitsamt nach einer Infektion gefragt werden - die Abschätzung der Zeitdauer und der Entfernung, in der sich ein möglicher, epidemiologisch relevanter Kontakt aufgehalten hat, sehr, sehr präzise ermittelt.

Ich möchte mich bei Jens Spahn und dem Robert-Koch-Institut bedanken. Das Robert-Koch-Institut liefert sozusagen die Logik hinter dieser Corona-Warn-App und verantwortet sie insgesamt. Es steckt sehr viel Arbeit dahinter, das Risiko richtig einzuschätzen. Das, was wir bisher aus ärztlicher Erfahrung als Verhaltensregel, sozusagen als Lebensweisheit gegeben haben, dann in einen Risikoalgorithmus umzusetzen, war eine große Leistung.

Ich bedanke mich bei Horst Seehofer und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass diese App sicher ist, dass sie also vor äußerem Einfluss geschützt ist. Auch dort wurde Tag und Nacht gearbeitet.

Ich bedanke mich bei Bundesministerin Lambrecht und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, die von Anfang an daran mitgearbeitet haben, dass wir ein sehr vertrauenswürdiges Datenschutzkonzept haben. Weil wir uns unterwegs ja auf den Weg gemacht haben, zu sagen, dass diese App absolut freiwillig ist - jeder Bürger kann selbst entscheiden, ob er sie nutzen will -, war es natürlich eine wichtige Voraussetzung, dass wir größtmögliches Vertrauen schaffen. Deshalb gibt es eine sehr datensparsame Variante der App, die wir Ihnen heute vorstellen, die genau das gewährleistet.

Ich möchte mich auch bei der Helmholtz-Gesellschaft bedanken, die uns bei allen Sicherheitsbelangen unterstützt hat, sodass wir die App heute so vorstellen können.

Nicht zuletzt möchte ich mich bei SAP und der Deutschen Telekom AG bedanken. Sie haben ja vor einigen Wochen mitbekommen, dass es eine große Diskussion genau um die Fragen gab: Wie datensparsam ist die App? Was bekommt der Bund an Informationen? - Wir haben uns für die dezentrale und damit die datensparsamste aller Lösungen entschieden. In dem Zuge brauchten wir auch ein neues und zugkräftiges Projektmanagementteam. Das haben wir bei SAP und Telekom gefunden. In den letzten Wochen haben wir sehr intensiv zusammengearbeitet, und so können wir diese App heute präsentieren.

Für mich ist auch die Tatsache ein positives Erlebnis, dass wir von Anfang an auf Transparenz, auf Open Source gesetzt haben. Wir haben sowohl den Code, als auch das Datenschutzkonzept und das Gesamtkonzept öffentlich dargestellt. Unsere Entwickler hatten sehr viel Arbeit damit, sich die vielen hundert Eingaben aus der IT-Szene, aus Start-ups und aus NGOs anzusehen und sich in vieles einzuarbeiten, was von dort aus als Hinweis kam. Insofern war Open Source an der Stelle für uns nicht nur ein Instrument der Transparenz, sondern auch wirklich der Qualitätssicherung. Auch den vielen, die sich ehrenamtlich und unentgeltlich in den Code vertieft haben, gilt unser herzlicher Dank.

So präsentieren wir Ihnen heute eine Corona-Warn-App, die, glaube ich, einzigartig ist und die darüber hinaus durch die Anbindung von Laboren dem Menschen, der sie nutzt, einen echten Mehrwert bietet, nämlich den zügigen Zugang zu einem Test und einen schnellen Hinweis auf sein Testergebnis. - Vielen Dank!

StM'in Bär: Bevor Bundesminister Spahn das Wort bekommt, wollen wir Ihnen einen kurzen Film zeigen, wie die App eigentlich funktioniert.

(Einspielung eines Films)

BM Spahn: Liebe Doro Bär, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind sehr froh darüber, dass es gelingen kann, Ihnen heute die App vorzustellen. Dort steckt wahnsinnig viel Arbeit drin. Ich finde, auch das muss man immer einmal wieder deutlich machen, weil wir höchste Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit gestellt haben, aber auch bei der Frage, dass die Batterie nicht schnell leer ist, wie das in anderen europäischen Ländern erlebt wird, und dass die Technologie dahinter gut ist. Das ist gute Ingenieurskunst. Es ging nicht nur um das richtige Coden, sondern auch um Ingenieursarbeit. Wir sind bei dieser App im Kosten- und Zeitplan.

Der Film hat gerade sehr gut die Grundzüge der App erklärt. Sie wahrt die Anonymität - das ist wichtig -, und sie ist in jeder Hinsicht freiwillig. Freiwillig, ob man sie herunterlädt, freiwillig, ob man sie überhaupt einschaltet und die Bluetooth-Messung einschaltet, freiwillig hinsichtlich der Frage, ob man sich nach einer Positivtestung entscheidet, andere zu informieren. Sie ist auch freiwillig hinsichtlich der Frage, wie jemand, der über einen möglichen Risikokontakt und eine mögliche Risikosituation informiert wird, damit umgeht. Sie gibt also Empfehlungen, keine Anweisungen. Das ist, glaube ich, für die Einordnung sehr, sehr wichtig.

Wichtig ist auch immer wieder der Hinweis: Diese App ist kein Allheilmittel. Sie ist kein Freifahrtschein. Sie ist aber ein wichtiges weiteres Werkzeug bei der Eindämmung der Pandemie und der Eindämmung dieses Virus.

Warum sage ich immer wieder ausdrücklich, dass sie kein Allheilmittel und kein Freifahrtschein ist? Weil es wichtig ist, dass die Bürgerinnen und Bürger am Ende mitnehmen, dass diese App nicht vernünftiges Verhalten und ein Aufeinander-Acht-geben ersetzt. Das Virus ist immer noch da. Das sehen wir jeden Tag an vielen Ausbrüchen lokal an verschiedenen Stellen. Deswegen bleibt es mit dieser App weiterhin wichtig, Abstand zu halten, in bestimmten Situationen Alltagsmasken zu tragen und Hygieneregeln zu beachten. Aber - und das ist der entscheidende Unterschied und die neue Qualität - die App kann helfen, Kontaktpersonen von Infizierten schneller zu warnen, als das bisher möglich war. Jede Stunde früher eine Information über eine Infektionsgefahr ist ein Gewinn beim Kampf gegen dieses Virus.

Wir werden ab und an gefragt: Passt die App eigentlich noch in eine Zeit, in der gerade die Infektionszahlen so niedrig sind? Ich will sagen: Sie passt gerade in diese Zeit sehr, sehr gut. Wir haben gemeinsam viel erreicht. Wir sind aktuell, Stand heute, mit den Infektionszahlen in einer guten Lage. Wir wollen uns aber diese Lage auch erhalten und das Erreichte sichern. Dazu leistet die App einen wichtigen Beitrag, und zwar gerade in einer Phase, wo wir Zug um Zug in den Bundesländern miteinander entscheiden, dass es mehr und mehr Lockerungen gibt.

Es wird jetzt mehr und mehr Kontakte geben - ob auf der Demonstration, im Zug, im Bus, im öffentlichen Leben, wo es sozusagen anonyme Nähe gibt, wo man nicht weiß, wer eigentlich der oder die neben mir ist. Wenn ich vorgestern mit einem Freund essen war, dann erinnere ich mich im Zweifel daran, wer das war und dass das Treffen stattgefunden hat. Wenn ich bei einer Demonstration war, wenn ich in einem Zug gefahren bin, kann ich nicht immer wissen - kann ich in aller Regel sogar nicht wissen -, wer eigentlich der/die andere Mitfahrende ist. Gerade in solchen Situationen macht die App einen entscheidenden qualitativen Unterschied, weil wir eben damit diejenigen über ein mögliches Infektionsrisiko informieren können, wenn ein Mitfahrender positiv getestet ist, den wir sonst nie hätten informieren können. Das macht die Kontaktnachverfolgung und das Unterbrechen von Infektionsketten deutlich einfacher, deutlich schneller und deutlich besser.

Das gilt im Übrigen auch in der Urlaubszeit. Ja, europäisch ist noch nicht alles abgestimmt - daran arbeiten wir auch -, was die Schnittstellen angeht. Aber es gibt ja einige Länder - dort befinden sich viele Deutsche gleichzeitig im Urlaub -, wo es schon einen Unterschied macht. Viele sind in Deutschland im Urlaub. Es macht einen Unterschied für die Rückkehr aus dem Urlaub. Auch das haben wir in den letzten Monaten erlebt, dass es auch dann wichtig ist, schnell andere zu informieren.

Wird es Situationen geben, dass durch die App auch einmal ein Fehlalarm ausgelöst werden kann? Ja, das können wir nicht zu hundert Prozent ausschließen. Das ist wahr. Aber auch bei den Gedächtnisprotokollen, die heute angefertigt werden - wenn Sie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsamts gefragt werden "Erinnern Sie sich eigentlich noch, wen Sie in den letzten zwei Wochen alles getroffen haben und zu denen Sie einen näheren Kontakt hatten?" - gibt es nicht immer eine hundertprozentige Genauigkeit. Die App informiert und lädt ein, sich testen zu lassen. Mir ist lieber ein Test zu viel als ein Test zu wenig. Auch das ist wichtig, um das Virus weiter einzudämmen und unter Kontrolle zu behalten.

Abschließend ist wichtig, dass die App, wie eigentlich alles im digitalen Leben, als lernendes System angelegt ist. Wir wollen jeden Tag aus den Rückmeldungen lernen. Ich habe, wie Sie sicherlich auch, heute Morgen schon viele Rückmeldungen bekommen. Ich freue mich sehr, dass die Resonanz bis hierhin schon sehr groß ist und wir sehen, dass viele die App nutzen wollen. Die App wird jeden Tag, jede Stunde noch besser werden.

Übrigens wollen wir nicht nur für Deutschland aus den Rückmeldungen lernen, sondern wir erleben ein sehr hohes europäisches und internationales Interesse an dem, was uns hier technologisch gelungen ist. Daraus können wir jeden Tag diese App und das, was mit ihr möglich ist, besser machen. Die App ist sicher; sie ist freiwillig; sie ist einfach handhabbar. Mehr geht kaum.

BM Seehofer: Meine Damen und Herren, wir sind für die Datensicherheit verantwortlich. Wir haben dafür das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Das BSI war in den letzten Wochen bei allen Entwicklungsschritten laufend beteiligt und hat die App selbst und die zugehörige Infrastruktur ständig im Hinblick auf Sicherheit geprüft. Ein solches offenes Verfahren hat es in dieser Konsequenz noch nicht gegeben. Ich denke, dieses Verfahren wird auch für die Zukunft Maßstäbe setzen.

Ich kann Ihnen heute die gemeinsame Einschätzung des Bundesinnenministeriums und des BSI ohne jede Einschränkung kundtun. Die Sicherheit und die Qualität der App sind auf einem sehr hohen Niveau. Damit erfüllt die App auch höchste Ansprüche, was den Datenschutz angeht.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir die Dinge natürlich auch im weiteren Verlauf weiterverfolgen, mit den Entwicklern, aber auch mit Apple und Google, um die Sicherheit der bereitgestellten Schnittstelle auf der Grundlage neuer Erkenntnisse immer weiter zu prüfen und bei Bedarf zu verbessern. Wir sind also sehr froh über diese Einbindung und auch über den Befund, den ich Ihnen gerade vorgetragen habe.

Die App leistet einen ganz wichtigen Beitrag für das Einmaleins der Infektionsbekämpfung, nämlich die Identifizierung einer Infektion und dann die Unterbrechung der Infektionskette. Das ist eigentlich das Entscheidende, wenn es darum geht, eine Epidemie oder Pandemie in den Griff zu bekommen. Gemeinsam mit unseren anderen Maßnahmen - Mund-Nasen-Schutz, Abstand, Hygiene - haben wir jetzt, denke ich, ein sehr gutes System, was die Aufdeckung von Infektionsketten, aber auch ihre Unterbrechung betrifft.

Mir liegt daran, weil dies auch für mich eine Uraufführung war, darauf hinzuweisen, dass wir mit Telekom und SAP sehr gute Partner zur Verfügung hatten. Ich habe selten in der Politik in einer so kurzen Zeit eine solche Professionalität erlebt, wie durch die beiden Firmen. Aber ich möchte auch hinzufügen: Die Fachleute in unseren Ministerien sind erstklassig. Dem öffentlichen Dienst wird ja nicht immer zugeschrieben, dass wir da auf der Höhe der Zeit sind. Aber vielleicht haben es auch Telekom und SAP so erlebt, dass unsere Mitarbeiter wirklich erstklassig sind. Deshalb war es möglich, nach einem Kurswechsel in dem ganzen Prozess in wenigen Wochen diese App für heute startklar zu machen. Ich halte das für einen großen Erfolg.

BM'in Lambrecht: Sehr geehrte Damen und Herren, als Justizministerin beziehungsweise als Ministerin für den Verbraucherschutz war es mir natürlich wichtig, in dem ganzen Prozess darauf zu achten, dass zum einen der Datenschutz berücksichtigt und dass zum anderen die Freiwilligkeit gewahrt wird. Wir reden in diesem Zusammenhang über sehr sensible rechtliche Fragen. Es geht um die informationelle Selbstbestimmung. Deshalb habe ich mich in diesen Prozess sehr gern, sehr kritisch, aber auch sehr konstruktiv eingebracht. Ich bin sehr froh, dass wir heute in dieser App eine Lösung gefunden haben, die genau diese Voraussetzungen erfüllt, sodass ich sowohl aus rechtlicher Sicht als auch für Verbraucherinnen und Verbraucher die Nutzung dieser App ausdrücklich empfehlen kann.

Worum ging es? - Es ging natürlich zum einen darum, die goldenen Regeln des Datenschutzes einzuhalten, also auf Anonymität zu achten und zu gewährleisten, dass Datensparsamkeit eingehalten wird. Ich freue mich sehr, dass der Beauftragte für den Datenschutz dieser App ein sehr gutes Zeugnis ausstellt. Das zeigt, wie weit wir gekommen sind. Die Gespräche waren nicht immer einfach, aber sie waren wichtig und richtig, um die Akzeptanz deutlich zu machen.

Die Freiwilligkeit ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass diese App angenommen wird. Deshalb war es mir wichtig, in jedem Prozessschritt darauf zu achten, dass das absolut eingehalten wird. Sie wird in zwei Stufen eingehalten. Zum einen entscheiden Sie alle selbst darüber, ob Sie diese aus meiner Sicht sehr sinnvolle App nutzen, sich also auf Ihr Handy laden. Darüber hinaus entscheiden Sie dann wieder freiwillig, was mit den Daten, mit den Informationen, die Sie gewinnen, geschieht. Sie entscheiden darüber, ob Sie andere informieren. Ich kann Sie nur auffordern: Tun Sie das! Denn damit schützen Sie auch andere. Aber es liegt eben in Ihrer Entscheidung. Deswegen ist diese doppelte Freiwilligkeit ganz wichtig bei dieser sensiblen Fragestellung.

Jetzt gibt es die Diskussion darüber, ob diese Freiwilligkeit denn auch so gelebt wird, oder ob es Situationen gibt, in denen Verbraucherinnen und Verbraucher womöglich quasi durch die Hintertür genötigt werden, unfreiwillig diese App zu nutzen. In diesem Zusammenhang bitte ich uns alle, einfach auch die Lebenswirklichkeit zu betrachten. Oftmals wird das Beispiel genannt, dass ein Gastwirt einem den Zugang verwehren würde, wenn man diese App nicht nutzt. Da muss man sich wirklich fragen, warum er oder sie das denn tun sollte. Denn an dem Abend, an dem man ins Restaurant geht, hat man vielleicht noch keine Meldung auf dem Handy, dass man Kontakt hatte; zwei, drei Tage später vielleicht schon. Aber was man dann mit den Daten macht, liegt in der Verantwortung jedes einzelnen. Deswegen hat der Gastwirt überhaupt keine Begründung, das von einem Gast abzufragen. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir momentan keine gesetzliche Regelung brauchen, um eine solche Nutzung oder Unfreiwilligkeit über die Hintertür auszuschließen. Denn die Lebenswirklichkeit gibt überhaupt keinen Anlass dafür. Ich bin immer der Meinung, dass gesetzliche Regelungen dann sinnvoll sind, wenn ein Erfordernis da ist. In diesem Fall sehe ich das nicht.

Deswegen kann ich auch guten Gewissens und voller Überzeugung dafür werben, diese App zu nutzen. Sie schützt Sie, und sie schützt andere.

Prof. Wieler: Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte ergänzend zu den Ausführungen meiner Vorrednerinnen und Vorredner noch einige Aspekte nennen, die für uns als Herausgeber der Corona-Warn-App von Bedeutung sind.

Zentral für die Bekämpfung einer jeden Pandemie ist es, dass wir es schaffen, die Infektionsketten zu brechen, und zwar möglichst rasch und möglichst ohne Ausnahmen. Bislang ist uns das hier in Deutschland in einer gemeinsamen Anstrengung, die Sie alle ja miterlebt haben, sehr gut gelungen. Ich möchte hier hervorheben, dass das vor allen Dingen auf die hervorragende und wirklich unverzichtbare Arbeit der Gesundheitsämter zurückzuführen ist. Denn ihnen obliegt die Nachverfolgung der Infektionsketten. Neben dem Einhalten der Abstands- und Hygieneregeln und dem Tragen von Alltagsmasken ist die Kontaktnachverfolgung durch die örtlichen Behörden der wesentliche Grund dafür, dass wir die Pandemie in Deutschland bislang sehr gut beherrscht haben und auch aktuell sehr gut beherrschen können.

Mit dem heutigen Start der Corona-Warn-App steht uns nun ein weiteres Werkzeug zur Verfügung, das die bereits bekannten und bewährten Methoden der Kontaktnachverfolgung ergänzen wird. Mit der Corona-Warn-App können mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zusätzliche Risikobegegnungen aufgezeichnet und identifiziert werden, die bislang durch das Raster gefallen sind. Das könnte gerade dann von Bedeutung sein, wenn die Mobilität der Menschen wieder weiter zunimmt.

Weiterhin ist für mich wichtig, dass Ihnen allen aber auch klar ist - das muss uns allen natürlich im Kopf bleiben -, dass die AHA-Regel, also den Abstand einzuhalten, die Hygiene einzuhalten und die Alltagsmasken zu tragen, völlig unbeschadet davon weiterhin das Grundprinzip sein muss, um die Ausbreitung der Pandemie weiter eindämmen zu können.

Jetzt, zu diesem Zeitpunkt, zu dem wir vergleichsweise geringe Fallzahlen in Deutschland haben - wir haben heute 378 neue Fälle gemeldet -, haben wir die Möglichkeit, uns mit der App gut vertraut zu machen, sodass wir bei möglicherweise wieder steigenden Fallzahlen die App besser beherrschen. Diese App wird, wie mehrfach schon angeregt wurde, kontinuierlich weiterentwickelt. Es ist ein lernendes System.

An dieser Stelle möchte ich ein paar abschließende Worte auch zum wissenschaftlichen Beitrag des Robert-Koch-Instituts bei der Entwicklung dieser App sagen. Tatsächlich ist in sehr kurzer Zeit durch sehr intensive Zusammenarbeit vieler verschiedener Menschen eine Entwicklung gelungen, die wirklich fast atemberaubend ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang der Agilität, der Leistungsbereitschaft meiner Wissenschaftler im Robert-Koch-Institut in hohem Maße danken, die eben auch seit langer Zeit sieben Tage die Woche mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bereichen intensiv an der Entwicklung der App gearbeitet haben.

Auf den ersten Blick sieht man das der App vielleicht gar nicht an. Aber hinter der Benachrichtigung, ob man ein geringes oder ein erhöhtes Ansteckungsrisiko hat, steckt ein sehr komplexes Modell, nach dem das Infektionsrisiko berechnet wird. Es sind vier Faktoren: Ein Faktor ist die Dauer und die Nähe der Begegnung. Ein zweiter Faktor ist der Zeitpunkt seit der Begegnung mit einem positiv getesteten Appnutzer. Weiterhin spielt der sogenannte Dämpfungswert des Bluetoothsignals eine große Rolle. Letztlich wird das Übertragungsrisiko des positiv getesteten Appnutzers in einem Algorithmus berechnet, den die Wissenschaftler des Robert-Koch-Instituts erarbeitet haben.

Gemeinsam mit den anderen an der Entwicklung beteiligten Partnern werden wir die App in den kommenden Wochen und Monaten weiterentwickeln und so stetig verbessern. - Danke sehr.

Höttges: Sehr geehrte Damen und Herren, guten Morgen! Ich bin sehr froh darüber, dass wir Ihnen heute hier diese App, dieses Produkt vorstellen können. Ich möchte Ihnen eines sagen: In der langjährigen Zusammenarbeit auch mit öffentlichen Projekten ist das das beste Public-private-Partnership-Projekt, das ich in meinem Berufsleben je gesehen habe. Das ist der Rockstar in Geschwindigkeit, aber auch in der Art, wie wir zusammengearbeitet haben. Alle Arbeitsmethoden waren extrem modern. Wir haben Scrum-Teams gehabt, wir haben Sprints gehabt, wir haben in dem Projekt sehr agil gearbeitet. Denn wir hatten letztlich kaum Zeit. Die Zusammenarbeit zwischen SAP und der Deutschen Telekom - ja, wir haben Erfahrungen aus der Vergangenheit. Aber die Zusammenarbeit mit RKI, Fraunhofer, mit dem BSI, mit dem BMG, mit dem BfDI, mit all den Ministerien in einer hohen Komplexität zu bewerkstelligen, es war absolut professionell und absolut zielorientiert, was da gemacht worden ist.

Wir haben gleichzeitig auch Start-up-Initiativen dabeigehabt, wie zum Beispiel #GesundZusammen, die ja auch etwas entwickelt haben, und haben aufbauend auf deren Arbeit unsere App weiterentwickelt. Gleichzeitig hatten wir die Komplexität, natürlich mit Google und mit Apple zu verhandeln, weil das Bluetoothsignal ja in den beiden großen Plattformen zur Verfügung steht und entsprechend vernünftige Messwerte abliefern soll.

All das hat geklappt, und zwar in einem kurzen Zeitraum. Ich sage Ihnen auch: Alles ist made in Germany, und alle Daten, alle Projekte, alle Clouds liegen hier in Deutschland. Deutschland kann also Digitalisierung, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Das hat dieses Projekt eindrucksvoll bewiesen.

Wir stellen Ihnen aber nicht nur eine App vor, sondern sie hat Funktionen, die weit darüber hinausgehen. Dazu einige Worte:

Erstens, die technische Innovation, die diese App mitbringt. Wir führen ja eine Abstandsmessung via Bluetooth durch. Das ist übrigens ein relativ neues Feld, mit dem wir uns beschäftigt haben. Wir haben versucht, in den Testlaboren herauszubekommen, wie präzise oder wie ultrapräzise die Sensortechnik arbeitet, wie die Kalibrierung des Bluetoothsignals funktioniert, wie die Probanden miteinander interagieren. Wir haben dieses Signal kontinuierlich gemessen und auch diese Messzahlen kontinuierlich an Google und Apple zurückgespielt, die daraufhin Änderungen in der Art, wie sie uns das Bluetoothsignal zur Verfügung stellen, durchgeführt haben. Auch hier geht unser Dank an die beiden großen Konzerne aus dem Valley, die konstruktiv mitgeholfen haben.

Zweitens. Wir digitalisieren nicht nur die Nachverfolgung von Infektionsketten, sondern wir digitalisieren auch die Anbindung der Testzentren und aller Labore. Das heißt, auch der heute analoge Prozess wird durch die Corona-Warn-App digitalisiert. Dadurch wird die gesamte Kommunikation im Nachverfolgen, aber auch in der Information signifikant beschleunigt. Wir gehen davon aus, dass gegenüber dem analogen Prozess bis zu vier Tage gewonnen werden können. Diese sind natürlich superkritisch, wenn es um die Verbreitung des Virus geht, um Maßnahmen durchzuführen.

Aktuell haben wir bereits über 20 Prozent der großen Testkapazitäten digitalisiert und angepasst. Wir werden in den nächsten vier Wochen alle Testlabore und alle Gesundheitsämter in diesen Digitalisierungsprozess integrieren, um sie komplett von den analogen, sehr aufwändigen manuellen Prozessen zu entlasten.

Bei der Entwicklung der App gab es drei Maßstäbe, erstens, schnell fertigzuwerden. Wir sind dazu ja wie die Jungfrau zum Kinde gekommen und erst relativ spät in den Prozess involviert worden. Innerhalb von 50 Tagen haben wir diese App dann auf den Weg gebracht.

Zweitens. Sie soll ganz einfach nutzbar sein. Wir haben das getestet, und zwar mit Nutzern von 16 Jahren bis 75 Jahren, die mit uns gearbeitet haben - inklusive blinden Personen! Auch die haben wir in diesen Prozess integriert. Wir haben Cocktailpartys veranstaltet. Wir haben Restaurants simuliert. Wir haben Schulunterricht dargestellt. Wir haben Zugfahrten in unseren Laboren aufgebaut. Übrigens haben wir in Prag in unserem Testlabor der Deutschen Telekom alle Endgeräte, die möglich sind, getestet und deren Verhalten entsprechend dokumentiert.

Vor diesem Hintergrund: Die App ist universell. Sie ist auf den gängigsten Handygeräten - nicht allen -, die es heute auf dem Markt gibt, einsetzbar. Besonders wichtig ist an der Stelle auch: Die Menschen, die noch nicht die aktuellen iOS-Versionen geladen haben, bitte ich, jetzt auch eine Aktualisierung durchzuführen, weil sie Voraussetzung dafür ist, dass die App dann auch entsprechend funktioniert.

Gleichzeitig haben wir sichergestellt, dass das Datenvolumen, das über das Netz verteilt wird, komplett kostenlos ist. Das heißt, es belastet nicht das Datenvolumen, das der einzelne Kunde in Deutschland hat. Alle Mobilfunkanbieter in Deutschland stellen diesen Dienst kostenlos zur Verfügung. Wir nennen das Zero-Rating. Auch hier gibt es also keine Komplikationen, sondern eine einfache Nutzbarkeit.

Wir sagen gleichzeitig: Es muss die Privatsphäre geschützt werden. Wir garantieren hundertprozentige Transparenz. Wir haben den Quellcode und sämtliche Ergebnisse öffentlich gemacht. Wir haben 7000 Hinweise von der Community erhalten. Vielen Dank auch an die Community an dieser Stelle, die sich sehr intensiv mit unserem Code auseinandergesetzt hat. Alles ist freiwillig; wir haben es eben schon gehört. Die App arbeitet auch komplett pseudonym. Das heißt, sie arbeitet nicht nur im Rahmen der Datenschutz-Grundverordnung, sondern sie stellt auch zu keinem Zeitpunkt irgendeine Nachverfolgbarkeit sicher.

Sie ist gleichzeitig hochsicher. Wir haben sogenannte Hardcore-Pentests der App durchgeführt. Wir haben Angriffe mit entsprechenden Partnerunternehmen simuliert. Sämtlichen Angriffen hat das System bislang standgehalten.

Gleichzeitig ist es leistungsstark. Wir haben einen Lasttest bis hin zu einem zweistelligen Millionenbereich auf der Plattform durchgeführt, und alle Tests sind reibungslos verlaufen.

Die große Frage ist: Wie geht es jetzt weiter? Natürlich arbeiten wir an der Optimierung der App, auch noch mit Google und Apple. Natürlich werden wir auch die Ergebnisse, die wir jetzt aus der Implementierung erhalten, berücksichtigen. Aktuell gibt es zum Beispiel intensive Nachfragen danach, ob man eine TAN braucht, um die App zu installieren. Nein, die braucht man nicht. Nach einer Minute des Downloadens kann man das ohne eine TAN installieren. Die Menschen, die dazu Fragen haben, können sich aber an unsere Hotline wenden. Auch hier haben wir entsprechende Kapazitäten aufgebaut, um Menschen zu informieren, die digital vielleicht nicht so kundig sind, wie wir es sind.

Wir wollen jetzt auch in Europa weiterarbeiten, weil Menschen natürlich über die Grenzen gehen und Betriebe über die Grenzen hinaus arbeiten. Deshalb ist die Interoperabilität der deutschen App mit den europäischen Apps natürlich auch von hoher Bedeutung. Es gibt eine dezentrale Architektur. Die meisten europäischen Länder haben ebenfalls eine dezentrale Architektur gewählt. Wir haben unser Projekt der EU vorgestellt, hier dem eHealth Network der EU, das sich damit beschäftigt. Wir werden dann in den nächsten Wochen sicherlich von der EU-Kommission beziehungsweise anderen Mitgliedstaaten hören, inwieweit deren Apps mit unserer App kommunizieren wird. Das ist der nächste Schritt, an dem wir arbeiten.

Abschließend sage ich vielleicht: Das ist ein Projekt, an dem mitzuarbeiten großartigen Spaß gemacht hat. Ich bin immer wieder überrascht: Wenn man einen gesellschaftlichen Auftrag hat, wenn es eine gesellschaftliche Identifikation gibt und wenn man die Wichtigkeit erkennt, dann ist alles möglich! Die Komplexität, die dahintersteht, so eine App in 50 Tagen zu entwickeln, spricht, glaube ich, für sich. Daher hoffe ich, dass jetzt auch viele Unternehmen, viele Mitarbeiter und viele Menschen in Deutschland diese App nutzen werden. Wir haben bereits dafür geworben, dass sich auch alle DAX-Unternehmen morgen entsprechend dazu bekennen, die App zu bewerben, natürlich immer auf freiwilliger Basis. Auch da sind wir vorangekommen. Das heißt, es gilt, jetzt eine breite Öffentlichkeit zu nutzen. Bitte installieren Sie die App. Ich habe sie bereits installiert.

Müller: Ich ergänze auch noch ein paar Punkte. Open Source hat wirklich als Stützpfeiler gedient. Um nur noch einmal ein paar Details zu nennen: Wir haben jeglichen Programmcode öffentlich als Open Source zur Verfügung gestellt, davor sogar die Architektur und die Konzepte. Jeder Mensch auf dem Planeten kann sich das anschauen, und das haben sehr viele getan. Es gibt mehr als 100 000 verschiedene Personen, die sich die Webseite angeschaut haben, um sich über dieses Projekt zu informieren. Es gab 160 Personen, die aktiv dazu beigetragen haben. Wir haben 2100 Meldungen in Form von Kommentaren dazu erhalten, was wir potenziell besser machen können beziehungsweise was wir potenziell noch anders machen können, und sogar 1500 ganz konkrete Code-Veränderungsvorschläge. Hierfür also auch ein Riesendank an die Community! Aber kann man nicht nur auf eine Firma oder ein Institut schauen. Es gibt wirklich ganz viele Menschen, die sich sehr konstruktiv damit beschäftigt haben und mitgeholfen haben.

Für alle war es, denke ich, ein Experiment, so ein Projekt auf diese Art und Weise durchzuführen. Wir können sagen: Das hat hervorragend geklappt. Es gab bisher noch nie ein öffentliches Projekt, in dessen transparente Entwicklung so oft und so offen hineingeschaut wurde.

Noch ein paar Worte zum Thema des Datenschutzes. Es wurde schon gesagt, aber es ist einfach das wichtigste Thema: Wir haben am Anfang des Projekts gesehen, dass ca. 50 Prozent der Personen, die sagen, dass sie diese App nicht installieren möchten, sagen, dass sie dies aufgrund von Datenschutzbedenken sagen. Ich denke, wir haben alles getan, was in unserer Macht steht, um genau diese Bedenken aus dem Weg zu räumen. Der Film hat es ja auch schon gezeigt: Es wird mit optimaler Datensparsamkeit gearbeitet.

Dann muss man sich wirklich fragen: Vor welchem Datenmissbrauch habe ich denn Angst? - Jede Pizzabestellung, jeder Online-Kauf, jede Nutzung von Social Media veröffentlicht mehr Daten von mir. Für diejenigen, die es noch kennen: Wir haben damals so verrückte Sachen gemacht, wie unseren Klarnamen, unsere Telefonnummer und unsere Adresse in ein Telefonbuch zu schreiben und das öffentlich auszulegen. Wenn wir das einmal damit vergleichen, ob es jetzt wirklich Datenschutzbedenken geben sollte, dann sagen wir ganz klar Nein. Das ist eben auch von unabhängigen Stellen gesagt worden, von professionellen Stellen, aber auch die Gesellschaft konnte hineinschauen. Das wurde tausendfach geprüft. Daher bitten wir alle, diese App zu installieren.

Zur Zusammenarbeit mit Google und Apple; Tim hat es schon erwähnt: Auf Augenhöhe haben wir mit den Chefentwicklern dieser Google- und Apple-Schnittstelle zusammengearbeitet. Wir haben natürlich gelernt, aber wir sind auch stolz darauf, dass wir Google und Apple viel beibringen konnten, um diese Schnittstelle zu verbessern. Das haben sie bereits getan, und das werden sie auch in Zukunft weiterhin tun. Davon profitieren wir dann insgesamt global; denn die Pandemie ist global. Da hilft rein nationales Handeln nicht.

Ganz kurz noch etwas zum Thema der Bluetooth-Genauigkeit, und das auch in aller Offenheit: Wenn Sie uns vor vier Wochen gefragt hätten, ob wir mit dieser App und dieser Technologie guten Gewissens live gehen können, dann hätten wir Nein gesagt. Aber innerhalb dieser vier Wochen haben wir vor allem mit dem Fraunhofer-Institut sehr, sehr eng zusammengearbeitet, haben mit dem Robert-Koch-Institut sehr, sehr eng zusammengearbeitet und haben diese Schnittstelle getestet. Ziel des Tests war die Überprüfung der Genauigkeit der Google- und Apple-Schnittstelle in verschiedenen Szenarien. Wir haben so etwas wie einen ICE simuliert. Wir haben so etwas wie eine Schlange im Supermarkt simuliert. Wir haben so etwas wie einen Restaurantbesuch oder auch eine etwas dynamischere Cocktailparty simuliert. Wir haben dann eben durch die Smartphones die Begegnungsdauer und den Begegnungsabstand nach Vorgaben des RKI ganz präzise messen können, und wir haben das in das Modell des RKI eingespielt.

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass wir bei den letzten dieser Testreihen, die wir mit verschiedenen Mobilfunkgeräten in diesen Szenarien durchgeführt haben, rund 80 Prozent der Begegnungen korrekt einschätzen konnten. Das heißt, wenn eine Person einem über 15 Minuten hinweg näher als zwei Meter war, dann wurde das korrekt eingeschätzt. Wenn das bei einer Person nicht der Fall war, wurde das auch korrekt eingeschätzt. Prof. Wieler hat es bereits erwähnt, Minister Spahn auch: Ja, wir werden ein paar Personen zum Testen schicken, die diese Anforderungen nicht exakt erfüllt haben. Aber wir sind uns sicher, dass das die bessere Wahl ist, als diese App nicht zu nutzen, und wir werden sie kontinuierlich verbessern.

Noch ein paar Punkte hinsichtlich der nächsten Schritte: Die App ist im Moment auf Deutsch und auf Englisch verfügbar. Teile der Hotline sind auch schon auf Türkisch verfügbar. Es ist uns sehr wichtig, dass die App von möglichst vielen Personen genutzt wird. Daher werden wir als nächstes auch Türkisch als Sprache in der App ausrollen. Dann werden mit weiteren kontinuierlichen Updates eben auch Arabisch, Französisch und Russisch als weitere Sprachen hinzukommen.

Außerdem haben wir vom BSI noch unkritische Hinweise dazu erhalten, was wir noch besser machen können. Das wird auch Teil weiterer Updates sein.

Der App-Store ist auch eine Frage, die aufkam. Wenn man nicht den deutschen App-Store, sondern zum Beispiel einen in der Türkei nutzt, dann werden wir dafür auch eine Lösung finden.

Es gibt noch einen weiteren Schritt der noch deutlicheren Vertrauensbildung bezüglich der App, nämlich dass man ganz genau sicherstellen kann, dass das, was wir als Open Source veröffentlichen, auch ganz genau das ist, was auf dem Telefon landet. Dafür gibt es Methoden. Das werden wir in den nächsten Wochen auch noch machen.

Insofern freuen wir uns und bedanken uns für das Vertrauen der Politik sowie für die wirklich hervorragende Zusammenarbeit. In allen beteiligten Ministerien, Instituten und Firmen wurde intensiv gearbeitet und auf höchstem Niveau gearbeitet, um die Corona-Warn-App für Deutschland heute präsentieren zu können. Vielen Dank!

Frage: Ich habe eine Frage an Kanzleramtschef Braun, verbunden mit einer Frage an die Telekom. Es gibt heute Morgen schon Klagen darüber, dass die App relativ schlecht von den Nutzern und Interessierten aufzufinden sei. Was tun Sie dagegen und dafür, dass sie bei Apple und Google besser zu finden ist?

An die Telekom: Können Sie bitte in diesem Zusammenhang sagen, ob der Ausfall des Mobilfunknetzes in Teilen Deutschlands heute Morgen mit der App zu tun hat?

BM Braun: Die Antwort ist relativ einfach: "Corona-Warn-App.de" - das ist unsere Homepage. Dort gibt es auch einen direkten Link auf die beiden App-Stores, in denen man sich das dann sowohl für iOS als auch für Android herunterladen kann. Wir freuen uns, dass die App jetzt da ist und wenn heute noch sehr viele davon Gebrauch machen.

Höttges: Wir haben heute Morgen schon Veränderungen vorgenommen. Wenn man über iOS geht, dann landet man sofort und automatisch bei der Corona-Warn-App. Das ist schon an Nummer 1 gesetzt. Durch die Klickzahlen, die es heute gibt - es gibt schon mehr als 100 000 Nutzer -, rutschen wir im App-Store automatisch nach oben. Ich glaube, wir sind im App-Store jetzt schon auf dem ersten Bildschirm. Auf "Apps" liegen wir schon auf Nummer 1, aber wir sind auch dabei, dafür zu sorgen, dass man unsere App sofort findet.

Zur zweiten Frage: Es gab heute Nacht einen Ausfall in unserer Infrastruktur. Das hängt damit zusammen, dass wir gerade aktiv das Netz umbauen. Sie wissen, dass wir vor dem 5G-Launch in Deutschland stehen, und daher werden wir an dem Netz in den nächsten Wochen und Monaten viel umbauen. Heute Nacht ist es zu einem Ausfall gekommen. Wenn Kunden davon betroffen sein sollten, dann entschuldige ich mich dafür. Seit heute Morgen laufen alle Infrastrukturen der Deutschen Telekom wieder reibungslos. Das hat nichts mit der Corona-Warn-App zu tun.

Frage: Frau Lambrecht, Sie sagten, die Bedenken, die da geäußert würden, hätten mit der Lebenswelt nichts zu tun. Bedenken sind ja aber auch, dass Arbeitnehmer von Arbeitgebern verpflichtet werden könnten, die App zu benutzen. Wie sehen Sie das?

Ich hätte noch eine Frage an Herrn Wieler, und zwar zu diesen 15 Minuten. Warum genau wurde dieser Zeitraum gewählt?

BM'in Lambrecht: Die Frage, ob Arbeitgeber Arbeitnehmer zur Nutzung der App verpflichten könnten, stellt sich, wenn überhaupt, nur in Bezug auf die Nutzung von Diensthandys, weil man als Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, Arbeitnehmer dazu zu verpflichten, ein privates Handy zu nutzen oder diese App aufzuspielen. Bei der Nutzung eines Diensthandys ist zu berücksichtigen, dass ein Arbeitgeber ein Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer hat, aber bei dieser Weisung die unterschiedlichen Interessen auch abgewogen werden müssen. Das entspricht der Rechtsprechung des BAG. Dabei spielt zum einen natürlich die Frage des Infektionsschutzes im Betrieb eine Rolle, aber auf der anderen Seite eben auch das, was wir ausdrücklich feststellen, dass die Nutzung dieser App freiwillig sein muss. Diese beiden Güter müssen gegeneinander abgewogen werden können.

Ich würde es so einschätzen, dass aufgrund der ausdrücklichen Freiwilligkeit und der anderen Möglichkeiten, die man als Arbeitgeber ja auch hat, um Infektionsschutz im Unternehmen zu gewährleisten, hier ausdrücklich diese Freiwilligkeit überwiegt; denn ein Arbeitgeber hat selbstverständlich andere Möglichkeiten wie die schriftliche Erfassung von Kontakten, um diesen Infektionsschutz, und darum geht es ja, zu gewährleisten.

Prof. Wieler: Die 15 Minuten und der Abstand - das sind ja Regeln, die wir seit Anfang der Pandemie empfehlen. Dafür gibt es zwei Erklärungen. Die eine ist, dass es umfängliche Untersuchungen darüber gibt, die schon vor längerer Zeit und unabhängig von dieser Pandemie gemacht wurden, wie sich Menschen verhalten und wie lange Menschen Zeit miteinander verbringen. Dabei hat man ganz klar herausgefunden, dass bei engeren Kontakten 15 Minuten eine bestimmte Schnittstelle darstellen, an der man sieht, dass der Kontakt danach länger bestehen bleibt. Das heißt, das ist eine Zahl, die einfach mit dem Sozialverhalten zusammenhängt. Das sind Daten, die hauptsächlich in Europa erhoben wurden, weshalb wir das nach wie vor für sehr relevant halten.

Der zweite Aspekt ist der, dass wir davon ausgehen, dass die Übertragungswahrscheinlichkeit steigt, weil es durch die Tröpfcheninfektion, die eine große Rolle spielt, und auch die Aerosole eine gewisse Zeit benötigen, bis man wahrscheinlich genügend von dem Virus aufgenommen hat. Das heißt, das Risiko steigt einfach mit längerer Zeit. Das sind die zwei Parameter, aus denen sich diese 15 Minuten ergeben.

Frage: Wenn ich daran anschließen darf: Wäre die App also missinterpretiert, wenn man sie so verstehen würde, dass man für weniger als 15 Minuten durchaus sehr nah zusammen sein kann? Sind also beide Parameter einzuhalten?

Ich hätte noch eine technische Frage dazu, dass mein Bluetooth jetzt ständig an ist. Kann ich jetzt Beifangopfer irgendwelcher Hotspots werden, an denen ich vorbeilaufe und von denen mir Werbung aufgespielt wird?

Prof. Wieler: Zu der ersten Frage: Es gibt natürlich keine Präzision genau auf den Zentimeter, das ist klar. Es gibt quasi einen Range, den die App misst, wenn die Identifikationscodes ausgetauscht werden. Es gibt eine untere Grenze, und alles, was unter dieser Grenze liegt - unter den 15 Minuten und unter einer bestimmten Entfernung von etwa drei Metern -, wird eben überhaupt nicht erfasst. Das heißt, es wird ein Range erfasst, und erst, wenn der ausreichend gering ist, wird überhaupt ein Identifikationscode ausgetauscht und auf dem eigenen Handy von einem anderen Handy geladen.

Da spielen aber auch noch zwei andere Faktoren mit hinein. Es geht ja immer darum, dass wir einen Risikoscore ermitteln. Das wird das Ergebnis sein, das dem App-Nutzer dann aufgespielt wird: Hat er einen geringeren Risikoscore oder hat er einen höheren Risikoscore, da er in der Nähe einer Person war, die positiv getestet wurde? Die Person muss also positiv getestet worden sein. Da gibt es einen relativ komplexen Algorithmus. Diesen Algorithmus konnten wir eigentlich auch erst in den letzten Wochen programmieren, denn der Algorithmus hängt mit der Infektionsepidemiologie der COVID-19-Erkrankung zusammen. Da geht also ein, wie lang die Inkubationszeit ist, wann die höchste Infektiosität der Person besteht und wie lange es in der Regel dauert, bis Menschen positiv getestet werden und das Testergebnis mitteilen. Alle diese Daten konnten wir ja erst in den letzten Wochen wirklich erheben, denn die gab es vor der Pandemie nicht. Wir kannten das Virus ja nicht und wir wissen auch erst seit wenigen Wochen die genaue Verteilung der Krankheitsschwere, der Ausscheidungen und der Infektiosität.

Das heißt, diese vier Faktoren, die ich nannte, gehen in die Bewertung ein, bis dann ein Nutzer der App einen Risikoscore mitgeteilt bekommt. Was er letztlich mitgeteilt bekommt - und das bezieht sich immer nur auf die letzten 14 Tage; denn nach 14 Tagen werden die Identifikationscodes vom Handy gelöscht -, ist: Er hatte so und so viele Risikobegegnungen mit der Person beziehungsweise es gab so und so viele Kontakte mit dem Handy der Person, und die letzte Risikobegegnung lag so und so viele Tage zurück. Das sind die einzigen Informationen, die die Person mit einem erhöhten Risikoscore erhält. Es ist also ein recht komplexes Modell, aber wenn ich richtig informiert bin, sind diese ganzen Informationen auch online einsehbar. Auch dieser schöne Algorithmus, an dem wir so hart gearbeitet haben, ist einsehbar.

BM Spahn: Trotzdem hat ja der Kollege in der ihm eigenen Art gefragt, und deswegen würde ich in Antwort auf Ihre Frage ausdrücklich sagen: Ja, natürlich kann auch jemand, der unter 15 Minuten Kontakt hatte, infiziert werden. Wir mussten aber eben mit Annahmen arbeiten. Wenn Sie sehr intensiven Kontakt mit jemand anderem haben - auf welche Art auch immer -, kann es auch in Sekunden passieren - nicht, dass Sie jetzt den Eindruck vermitteln, man müsste immer 15 Minuten zusammen sein. Um die Frage also präzise zu beantworten: Ja.

Müller: Zum Thema Bluetooth: Was auf den Mobilfunkgeräten passiert, ist, dass alle zweieinhalb bis fünf Minuten Zufallszahlen versendet werden. Über ein Zeitintervall von vier Sekunden wird 16-mal dieselbe Zufallszahl versendet. Diese Zufallszahl ändert sich alle 10 bis 20 Minuten. Das macht es nahezu unmöglich, eine Person beziehungsweise ein Gerät zu tracken.

Sie haben gefragt, ob damit jetzt Schindluder getrieben werden kann und ob Sie Werbung oder Ähnliches bekommen können: Das ist nicht möglich, weil sich erstens diese Zufallszahl sehr zügig ändert und zweitens keine Identifikation und kein Rückschluss von dieser Zufallszahl auf Ihr Gerät und auch nicht von dieser Zufallszahl auf Sie als Person möglich ist.

Frage: An Minister Spahn: Gibt es Vorgaben, wann Ärzte dann tatsächlich testen sollten? Sie sagten ja gerade, dass es hohe oder niedrige Risiken gibt, die mir die Warn-App dann melden kann. Ab welchem Risiko sollte der Arzt dann den Test machen?

Noch eine klitzekleine Frage nach Zahlen: Wie viel Prozent der Bevölkerung - Personen über 16 Jahre - haben denn ein Handy, das die Corona-Warn-App überhaupt laden kann?

BM Spahn: Im Grunde übertragen wir das aus der analogen Welt auch in die digitale. Wir haben ja heute Kontaktpersonen der Kategorie eins; das sind die Personen, mit denen man über die gerade schon diskutierten 15 Minuten in einer gewissen Nähe Kontakt hatte. Wer eine entsprechende Risikoeinschätzung in dieser Kategorie bekommt - also hohes Risiko -, kann sich testen lassen und wird auch aufgefordert beziehungsweise eingeladen, sich beim öffentlichen Gesundheitsdienst oder beim Hausarzt oder bei 116 117 - das ist ja die 24-Stunden-7-Tage-Hotline der kassenärztlichen Versorgung - zu melden. Wir haben außerdem sichergestellt - sowohl durch unsere Verordnung als auch durch eine Abrechnungsziffer -, dass sowohl die Ärzte wie der öffentliche Gesundheitsdienst einen entsprechenden Test dann auch refinanziert bekommen.

Auch das ist ja die neue Qualität: Dass damit im Grunde auch für symptomlose Kontaktpersonen die Möglichkeit zur Testung besteht. Das war ja bis jetzt nicht durchgängig so, und wer eben durch die Corona-Warn-App gesagt bekommt "Da ist ein entsprechendes Risiko", kann damit entweder beim öffentlichen Gesundheitsdienst oder beim Arzt - und immer telefonisch vorher kontaktieren - die entsprechende Testung bekommen und sie wird übernommen.

Höttges: Wenn man in Deutschland von einer Grundgesamtheit von 80 Millionen Einwohnern ausgeht, können heute 65 Prozent der Bevölkerung ein Smartphone nutzen. Das sind über 50 Millionen Smartphones, die wir im Einsatz haben. Gleichzeitig kommt es aber gar nicht auf die Größe der Zahl derjenigen an, die das dann auch installieren; vielmehr hilft jede einzelne installierte App, um die Verbreitung des Virus zu reduzieren. Für die Menschen, die momentan noch kein Smartphone haben, bietet die Deutsche Telekom ab sofort in ihren Shops extra Handys an - auch für ältere Menschen einfach zu installieren -, und wir helfen den Menschen auch, diese App in unseren Shops gemeinsam mit unseren Serviceleuten installiert zu bekommen.

Frage: Wer hat in diesem Systemdesign eigentlich den Überblick, ob es positive Tracings gab und wann das erste erfolgt ist? Das habe ich noch nicht ganz verstanden. Das müsste dann ja eigentlich wieder maximal der öffentliche Gesundheitsdienst sein. Sind die denn angewiesen, das zu melden? Sie werden ja auch ein Interesse an Erfolgsmeldungen haben. Wer hat also diesen Überblick? Das habe ich nicht verstanden.

Eine zweite kurze Frage: In den Tests ist das Ansteckungsrisiko ja 80 Prozent der Fälle richtig berechnet worden. Verstehe ich es richtig, dass das heißt, dass es eine 20-prozentige Gefahr von "false positives" und "false negatives" gibt?

BM Spahn: Zuerst einmal: Wenn man das dezentral macht, hat niemand den abschließenden Überblick, schlicht und ergreifend. Das war ja genau die Debatte, die wir die letzten Wochen miteinander geführt haben, dass durch eine dezentrale Lösung eben nirgendwo die Daten zusammengeführt werden. Wir werden möglicherweise sehen, wer sich bei den Hotlines meldet - dann ist ja klar, wer anruft -, aber ansonsten ist das eben dezentral, freiwillig, pseudonymisiert.

Was die 80 Prozent angeht, will ich einfach noch einmal das sagen, was ich vorhin gesagt habe: Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig testen. Wir erwischen jetzt ja nicht den, der 50 Meter weg war, sondern es geht da sozusagen um eine Range. Mir ist dabei aber sehr wichtig zu sagen: Hier geht es ja um eine Information, die es einem möglich macht, Risikoverhalten für sich anzupassen und vor allem einen Test zu bekommen. Dann, finde ich, ist das in der prozentualen Zuordnung, die Sie beschreiben, mehr als verantwortbar. Vor allem übrigens im Vergleich zu heutigen Gedächtnisprotokollen; denn heute ruft das Gesundheitsamt Sie an, wenn jemand gesagt hat "Ich war vielleicht mit dem in den letzten zwei Wochen in dem Kontext in Kontakt, ich bin mir aber nicht mehr ganz sicher". Ich würde tippen, dass da manche Trefferquote deutlich unter 80 Prozent liegt.

Prof. Wieler: Ich kann ganz kurz noch etwas zu den 80 Prozent sagen. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Von 100 Personen - einige davon wären nah dran gewesen, andere wären nicht nah dran gewesen - haben wir in den Tests 80 Prozent richtig identifiziert. Das bedeutet, 20 Prozent waren entweder über einen Zeitraum von mehr als 15 Minuten nah an mir dran und wir haben diese Personen nicht über Bluetooth-Messung identifiziert, oder sie waren weiter weg - wie gesagt, das sind keine 50 Meter, sondern vielleicht eher drei Meter oder ähnliches gewesen - und wir würden diesen Personen trotzdem eine Nachricht geben, dass sie sich testen lassen sollen.

Wir veröffentlichen in den nächsten Wochen auch noch mehr Details zu den Tests, die wir da durchgeführt haben, um da auch einfach dem Versprechen der Transparenz weiterhin treu zu bleiben. Wir haben auch immer gesagt: Diese App wird Maskenpflicht und Abstand nicht ersetzen. Dass wir 80 Prozent erkennen und 20 Prozent eben nicht, ist in diesem Zusammenhang ein sehr gutes Beispiel; denn darunter sind auch Personen, die nah dran waren, aber nicht erkannt wurden. Daher müssen wir weiterhin auch die sehr gute Arbeit der Gesundheitsämter, der Ärzte, der Labore aufrechterhalten.

Frage: An Herr Spahn: Herr Höttges hat eben erwähnt, dass in vier Wochen möglichst alle Labore digital angebunden sein sollen. Bedeutet das, dass man dann eigentlich nicht mehr die Hotline mit der TeleTAN braucht, wo ja die Mitarbeiter nach bestem Wissen und Gewissen herausbekommen sollen, ob jemand einen positiven Test hat?

Zweite Frage: Haben Sie schon einmal geschaut, wie in den App-Stores in den ersten Stunden die Abrufzahlen waren?

BM Spahn: Ich sitze hier gerade und kann nicht schauen, aber ich glaube, vorhin ist schon die Zahl 100 000 für Android erwähnt worden.

Zu der Frage der Labore: Wenn Herr Höttges und alle anderen sich einig sind, dass uns in den nächsten vier Wochen der digitale Anschluss der Labore gelingt, dann gehen wir auch davon aus, dass uns diese Anstrengung gelingt. Das sind sehr viele Labore, deswegen ist das auch wichtig. Übrigens erarbeiten wir gerade parallel - aber das ist noch einmal ein ganz eigenes Feld - mit dem Robert-Koch-Institut unter der Überschrift DEMIS ein Informationssystem in der Meldekette zwischen öffentlichem Gesundheitsdienst und Laboren.

Und ja, es ist eine richtige Einschätzung, dass, umso mehr Labore digital angebunden sind und umso mehr es möglich ist, über diese Schnittstelle QR-Codes direkt zugänglich zu machen, desto weniger die Hotline gebraucht werden wird. Ob sich dann am Ende jeder Weg über eine Hotline erübrigt oder nicht, wird man dann sehen; aber die zahlenmäßige Bedeutung der Hotline wird dann möglicherweise zügig zurückgehen können und damit natürlich auch das Finanzvolumen, das wir zur Aufrechterhaltung der Hotline brauchen, weil die monatlichen Betriebskosten ja in nicht geringem Umfang damit zusammenhängen, dass es eine 24-Stunden-7-Tage-Hotline gibt, die erst einmal auch auf eine gewisse Nutzerzahl angelegt ist. Mit jedem Labor, das zusätzlich angeschlossen wird, reduziert sich sozusagen das, was bei der Hotline passiert.

Höttges: Wir haben aktuell auf Android zwischen 100 000 und 500 000 Nutzer. Bei Apple beziehungsweise iOS wissen wir das nicht; das müssen wir mit denen diskutieren, das werden wir aber noch in Erfahrung bringen. Was mich besonders freut, ist: Sowohl auf iOS als auf Android haben wir Kundenbewertungen von 4,7 beziehungsweise 4,8 Sternen, das heißt also, fast die volle Punktzahl. Wenn Sie das App-Scoring kennen, wissen Sie, dass das ein absoluter Spitzenwert ist.

Frage: An Herrn Braun und Herrn Spahn: Herr Wieler hatte eben schon die momentan relativ niedrigen Fallzahlen erwähnt. Meine Frage: Wie sehr zielen die Entwicklung und die Perfektionierung der App auf eine mögliche zweite Welle? Rechnen Sie damit, dass die App dann voll verfügbar und voll entwickelt sein soll?

BM Spahn: Sie dient ja vor allem der Vermeidung einer zweiten Welle, genauso wie die wichtige tägliche Arbeit der Gesundheitsämter, die gerade schon erwähnt worden ist. Es geht darum, jeden Tag das Infektionsgeschehen nachzuvollziehen, lokale Ausbrüche einzudämmen, Infektionsketten zu unterbrechen. So, wie auch Abstand, Hygiene und Alltagsmasken diesem Ziel dienen, dient auch diese App genau diesem Ziel, ein nicht nachvollziehbares, dynamisches Infektionsgeschehen zu vermeiden. Das ist ja genau die Situation, in der wir im März waren, und die wollen wir eben für die Zukunft vermeiden. Dazu leistet die App einen wichtigen Beitrag.

Das gilt übrigens - das will ich ausdrücklich noch einmal sagen - gerade auch zu einem Zeitpunkt, zu dem die Zahlen zwar niedrig sind, wir gleichzeitig aber eben im öffentlichen Leben und in der Mobilität - Zug, Flug, Bus, S-Bahn; Demonstrationen habe ich schon angesprochen - wieder immer mehr in Kontakt mit Personen kommen, die wir nicht persönlich kennen. Kontaktnachverfolgung klassischer Art durch Befragung - "Wen haben Sie die letzten zwei Wochen getroffen, mit wem hatten Sie intensiveren Kontakt?" - kann bei dem Zugnachbarn, den ich im Zweifel einmal in meinem Leben und nie wieder sehe, nicht funktionieren. Gerade in dieser Phase der Lockerung, in der wir jetzt sind, und mit zunehmender Mobilität macht das dann noch einmal einen wichtigen Unterschied.

BM Braun: Vielleicht kann ich noch ergänzen: Wir haben ja festgestellt, dass es sehr viel leichter ist, Infektionszahlen niedrig zu halten, als sie von einem hohen Stand wieder herunterzukämpfen. Deshalb ist das zentrale Ziel, das wir haben, nicht wieder eine hohe Infektionsdynamik zuzulassen. Zu dem Reigen der Maßnahmen, die wir dafür haben, gehören die lokalen Beschränkungen, also dass, wenn lokal ein größeres Ereignis auftritt, sehr schnell lokal reagiert wird, damit nicht sozusagen bundesweite Beschränkungen erforderlich werden. Dazu gehört des Weiteren die gute personelle Ausstattung des öffentlichen Gesundheitsdienstes vor Ort, um die manuelle Kontaktnachverfolgung schnell und vollständig hinzubekommen. Aber diese App lohnt sich vom ersten Tag an.

Das Eine - das ist schon erwähnt worden - ist ihr Beschleunigungseffekt: Wenn ich eine Infektion vermeiden möchte, dann muss derjenige, der sich angesteckt hat, das ja am besten erfahren, bevor er selber merkt, dass er krank ist; denn dann zieht er sich vielleicht aus anderen Gründen schon zurück, und dann ist der Zusatznutzen, den die App bringt, eher gering. Das heißt, es muss schnell gehen. Als wir uns am Anfang entschieden haben, diese App zu machen, hatte ich, ehrlich gesagt, an die Anbindung der Labore noch überhaupt nicht gedacht. Das ist aber ein ganz zentrales Element dieser App, weil ich dadurch das Testergebnis so schnell erfahre und man dann so schnell den Kontakt melden kann, dass wir da wirklich zwei bis vier Tage sparen können - und das sind eigentlich die alles entscheidenden zwei bis vier Tage. Das heißt, wir hoffen, dass wir es durch die App schaffen, Infektionsketten frühzeitiger zu unterbrechen, und das ist etwas, was auch bei den jetzigen niedrigen Fallzahlen eine Rolle spielt.

Der zweite Punkt ist: Wenn jemand, der heute Nachmittag im Zug neben jemandem sitzt, den er nicht kennt, der sich in zwei Tagen als positiv herausstellt, frühzeitig in Quarantäne geht und niemanden mehr ansteckt, dann hat die App sozusagen ihren Wert unmittelbar auch jetzt. Im Falle einer zusätzlichen Dynamik würde natürlich der Effekt skalieren. Aber da wir ja festgestellt haben, dass wir das Ziel haben, die Infektionszahlen niedrig zu halten, ist die App auch ab sofort ein absoluter Gewinn, und deshalb ist unsere Hoffnung, dass die Leute dieser App Vertrauen schenken und sie ab sofort einsetzen. Sie arbeitet ja im Hintergrund; sie stört mich in meinem Alltag null. Sie muss eben nur einmal geöffnet werden und die Nachverfolgung muss eingestellt werden, und dann kann man sie eigentlich vergessen, da sie im Hintergrund arbeitet. Man muss nur hin und wieder einmal schauen, ob sie noch da ist, aber sie bedeutet eigentlich keinen Aufwand im Verhältnis zu der großen Wirkung, die wir uns davon bei der Pandemiebekämpfung erhoffen.

Frage: An die Minister Spahn und Braun und vielleicht auch an Herrn Wieler zu den Nutzungszahlen beziehungsweise ab welchen Nutzungszahlen die App wirklich helfen kann: Es ist verständlich, dass Sie jetzt keine konkrete Zahl nennen wollen, aber es kursiert ja in Studien die Zahl von 60 Prozent - die sich ja schon als falsch oder jedenfalls nicht als Weisheit letzter Schluss herausgestellt hat -, aber eben auch die Zahl von 15 Prozent. Könnten Sie vielleicht doch Stellung dazu nehmen, ab welcher Nutzungszahl das wirklich gut funktioniert beziehungsweise auch gesellschaftlich richtig viel bringt?

Auch im Zusammenhang mit den Nutzungszahlen: Warum sollen die Jugendlichen ausgeschlossen werden? Es war zu lesen, dass die sich das nicht herunterladen können dürfen.

BM Braun: Vielleicht erst einmal zu der Oxford-Studie: Wir haben uns das sehr genau angeschaut. Der Gedanke der 60 Prozent war eigentlich für den Fall, dass die App nicht in andere Maßnahmen eingebettet ist, so wie wir es hier vorgestellt haben, sondern dass sie das zentrale Instrument zur Pandemiebekämpfung ist. So verstehen wir das hier nicht; vielmehr ist die App ein Baustein neben allen anderen.

Auch die Autoren der Studie haben sowohl im Text als auch jetzt in der Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass das natürlich ein Skaleneffekt ist. Je mehr Leute mitmachen, desto besser. Deshalb fordern wir alle auf, der App Vertrauen zu schenken, mitzumachen und sie freiwillig zu nutzen. Wir sagen gleichzeitig dazu, dass wir jede Art von Konditionierung und Zwang nicht dulden wollen.

Ich glaube, dass sozusagen eine untere Schwelle nicht wirklich Sinn ergibt. An dem Beispiel Bahn kann man das wieder zeigen: Wenn alle die App nutzen - auch, wenn es nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ist, der regelmäßig Bahn und Zug fährt, der also mit Leuten zusammenkommt, die hauptsächlich anonym sind -, ist das im Verhältnis zu jemandem, der irgendwie bei sich zu Hause arbeitet und den ganzen Tag immer nur dieselben drei Personen trifft, die er gut kennt, ein Riesenwert. Den müssen wir nicht so zwingend erreichen. Dem empfehlen wir die App aber auch, weil man manchmal gar nicht bemerkt, wie viele Leute man doch trifft und die man gar nicht so richtig wahrnimmt. Grundsätzlich geht es aber erst einmal um diese zentralen Gruppen. Deshalb gibt es aus unserer Sicht keine Mindesterfolgsgrenze, sondern jeder, der mitmacht, trägt bei. Wir wünschen uns natürlich, dass so viele wie möglich mitmachen und am besten natürlich alle.

BM Spahn: Ich finde sehr wichtig, was Kollege Braun gerade gesagt hat. Wir werden immer nach diesen 60 Prozent gefragt. Das ist unter der Annahme, dass keine anderen Maßnahmen getroffen werden: keine Masken, keine öffentlichen Gesundheitsämter, die arbeiten, keine was weiß ich was. Deswegen muss man einmal diese 60 Prozent aus der Welt schaffen, nach denen wir jeden Tag verständlicherweise gefragt werden. Ich glaube, es ist wichtig, zu sehen, dass diese Studie davon ausging, dass man nur die App und sonst gar nichts hat. Dann sind wir wieder bei solchen Zahlen.

Zur Frage der Einwilligung: Es ist übrigens bei jeder App für Minderjährige so, dass ohne die Genehmigung der Eltern die Dinge nicht so einfach herunterladbar sind. Ich glaube, im realen Leben wird sich das, wie bei anderen Apps auch, mit der Genehmigung der Eltern ergeben. Das ist eben der Hintergrund, auf den der Datenschutz zu Recht Wert legt. Man muss ja einwilligungsfähig sein.

StM'in Bär: Es haben sich heute schon sehr viele Eltern gemeldet, die gesagt haben, dass sie ihren Kindern die App noch vor der Schule heruntergeladen haben. Das Problem ist eher, dass an vielen Schulen ein Handyverbot besteht. Das ist vielleicht ein Thema, das in dem Zusammenhang noch mehr zu diskutieren ist.

Frage: Meine Frage richtet sich an Bundesgesundheitsminister Spahn. In welchen Abständen wollen Sie Bilanz ziehen? Wie transparent werden Sie das tun?

BM Spahn: Den transparenten Ansatz, den wir in den letzten Wochen gemeinsam bei der Entwicklung der App gewählt haben und mit dem wir - das ist, glaube ich, auch deutlich geworden - für ein solches Projekt Maßstäbe sowohl beim Open-Source-Ansatz auch bei den Fragen Datenschutzkonzept und epidemiologisches Konzept haben setzen können - das ist ja alles öffentlich zugänglich und nachvollziehbar -, wollen wir natürlich fortsetzen, auch bei der Frage der Weiterentwicklung der App in allen Bereichen.

Gerade war ja gerade die Frage, wie sehr man eigentlich nachvollziehen kann, wie weit es zum Beispiel zu Positivtestungen kommt. Soweit es mit einem dezentralen, freiwilligen, anonymen und pseudonymisierten Konzept möglich ist, überhaupt Datenauswertungen vorzunehmen, werden wir sie natürlich transparent machen. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass dann, wenn Sie einen solchen freiwilligen Ansatz wählen, wie wir ihn richtigerweise gewählt haben, eben nicht die Datenauswertungen möglich sind, die sich manche erwarten. Das sind übrigens häufig dieselben Personen, die sagen "Es muss freiwillig und anonym sein", anschließend aber möglichst umfassende Daten darüber haben wollen, was denn alles passiert ist. Beides gleichzeitig geht nicht.

StM'in Bär: Ich darf Ihnen im Namen der Bundesregierung ganz herzlich für Ihr Interesse danken.

Vielleicht noch zwei organisatorische Hinweise: Wir sehen jetzt noch sozusagen einen Werbespot für die Corona-Warn-App. Sie haben anschließend die Möglichkeit - ich darf alle Podiumsteilnehmer dazu einladen -, draußen ein Gruppenfoto machen zu können, natürlich mit dem gebührenden Abstand.

Ihnen erst einmal vielen Dank! Für die Fragen, die nicht beantwortet wurden, stehen sicherlich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer heute auch noch bilateral zur Verfügung. Herzlichen Dank!

Dienstag, 16. Juni 2020

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Quelle:
Pressekonferenz zur Vorstellung der Corona-Warn-App, 16.06.2020
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/pressekonferenz-zur-vorstellung-der-corona-warn-app-1761058
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2020

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