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INNEN/3906: Brüderle zu aktuellen politischen Themen


Presservice der Liberalen / F.D.P. Bundestagsfraktion - 08.05.2012

BRÜDERLE zu aktuellen politischen Themen



BERLIN. Zu den aktuellen politischen Fragen des heutigen Tages erklärte der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer BRÜDERLE vor Medienvertretern:

Ich muss ein Thema vorab ansprechen, das mich heute erschüttert hat. Die Bundeshauptstadt Berlin kann erneut den Flughafen Berlin-Brandenburg nicht fristgerecht in Betrieb nehmen. Die Eröffnung wurde vom November 2011 auf Juni 2012 verschoben, jetzt wird auf die Herbstzeit verwiesen. Ich kann das nicht mehr nachvollziehen. Offenbar sind da nicht die fähigsten Kräfte am Werk. Jedenfalls ist das für Deutschland und für die Bundeshauptstadt eine peinliche Blamage. Das spricht nicht für unseren Standort und ich muss sagen, dass jetzt der Aufsichtsratsvorsitzende Herr Wowereit herzlich eingeladen ist, sich intensiv um seine Aufsichtspflicht zu kümmern. Die Verschiebung geht nicht nur zu Lasten von Steuerzahlern, das ist auch ein Imageschaden für Deutschland.

Nun zur Fraktionsberatung: Wir werden uns noch einmal mit den Wahlergebnissen von Schleswig-Holstein beschäftigen. Es hat sich dort gezeigt, dass ein tolles Team mit Wolfgang Kubicki an der Spitze, mit einem Schwerpunkt auf den Brot- und Butter-Themen Bürgerrechte, Bildung und Soziale Marktwirtschaft ein hervorragendes Ergebnis in ganz schwieriger Zeit erreicht hat. Das ist auch eine Trendwende für die FDP bundesweit und der Turbo für Nordrhein-Westfalen am Sonntag. Ich gehe davon aus, dass wir dort auch ein sehr schönes Wahlergebnis bekommen, dass wir Sonntagabend feiern können.

Zu den Spekulationen über mögliche Koalitionen in den Ländern kann ich Folgendes sagen: Ich war 28 Jahre Landesvorsitzender in Rheinland Pfalz. Diese Entscheidungen treffen immer Landesverbände vor Ort selbst, da haben wir keinerlei Ratschläge zu erteilen. Ich sehe mit Freude, dass unsere Themen verfangen. Wir wollen für Nordrhein-Westfalen ein Ende der Schuldenpolitik. Wir fordern ja einen Fortbestand des Fiskalpaktes für ganz Europa. Da muss man auch in den Bundesländern damit ernst machen.

Es werden in der Fraktionssitzung die Wahlergebnisse in Frankreich und Griechenland diskutiert werden. Zunächst zu Griechenland: Es gab viele Warnungen, ausgerechnet in der problematischen Phase der Umsetzung von harten Eingriffen, Wahlen durchzuführen. Jetzt wird es nicht einfach sein, in Griechenland wieder Handlungsfähigkeit zu erreichen. Europa hat solidarisch die Hand ausgestreckt. Aber Griechenland muss das Seine dazu beitragen. Solidarität ist keine Einbahnstraße und Griechenland muss sich an Zusagen halten.

Die Wahl in Frankreich hat einen neuen Präsidenten als Ergebnis. Bis zum 17. Juni ist nun Parlamentswahlkampf angesagt. Wir werden erst dann in Frankreich wieder eine handlungsfähige Regierung haben. Klar muss sein, dass für Deutschland, Frankreich und die europäischen Partner die Geschäftsgrundlage erhalten bleibt: Der ESM ist verknüpft mit dem Fiskalpakt. Unterstützungsmaßnahmen kann es nur dann vom Rettungsschirm geben, wenn die Länder den Fiskalpakt verabschiedet und umgesetzt haben. Das ist ein inhaltlicher, logischer Zusammenhang. Man muss ganz klar darauf hinweisen.

Ich bin der Präsidentin des IWF, Frau Lagarde, sehr dankbar, dass sie immer wiederholt: Es ist kein Gegensatz, Haushalte zu konsolidieren und Wachstum auf den Weg zu bringen. Im Gegenteil, das Eine bringt das Andere. Wachstum gibt es nur, wenn Vertrauen da ist. Vertrauen ist nicht da, wenn man die Haushalte nicht in Ordnung bringt. Und die Finanzierung von Staatshaushalten ist nur dann zu guten Konditionen möglich, wenn die Finanzmärkte Vertrauen haben. Der Fiskalpakt ist auch die Basis für mehr Wachstum in Europa. Wir brauchen Wachstum, aber keine schuldenfinanzierten Konjunkturprogramme, sondern Wachstum aus realwirtschaftlichen Veränderungsprozessen. Die Schwäche Griechenlands ist es, nicht wettbewerbsfähig zu sein. Europa muss in der Breite wettbewerbsfähiger werden.

Es müssen Reformen umgesetzt und es muss der Binnenmarkt realisiert werden. Da gibt es ein hervorragendes Programm dazu, das der heutige italienische Ministerpräsident Monti, der damals dem europäischen Rat für Wettbewerbsfragen angehörte, auf den Weg gebracht hat. Es genügt nicht, nur das Haushaltsvolumen runter zu fahren, sondern man muss an der richtigen Stelle ansetzen, nämlich bei den konsumptiven Ausgaben. Ich plädiere für intelligentes Sparen. Das muss der Weg sein, auf dem man Wachstum generiert. Die Schätzung der Europäischen Kommission ist, dass durch den Monti-Plan etwa zwei bis zweieinhalb Prozent reales Wachstum pro Jahr generiert werden können. Das wäre schon eine gewaltige Anstrengung, die man auf den Weg bringen kann. So muss es angepackt werden.

Weiter steht das Bundeswehrmandat Atalanta an und wie man am Horn von Afrika die Möglichkeit schafft, durch Maßnahmen der Luftverteidigung die Piraterie zu bekämpfen. Das heißt nicht, dass wir unsere Truppen an Land schicken, sondern dass wir den Piraten das Leben erschweren, indem wir das Mandat erweitern und Maßnahmen an Land und zwar in einem zwei Kilometer langen Küstenstreifen ermöglichen.

Frage: Was erwarten Sie vom Treffen Merkel mit Hollande? Soll man Gemeinschaftsfonds auflegen?

BRÜDERLE: Europa ist handlungsfähig. Es wird das erste Kennenlernen zwischen Francois Hollande und der Bundeskanzlerin sein. Es gab ja im Wahlkampf keinen Besuch in Berlin. Ich glaube, es wird ein grundsätzlicher Gedankenaustausch werden. Es kommt darauf an, jetzt keinen Konstruktionsfehler zu machen. Herr Schäuble hat das auch gestern sehr deutlich klar gemacht. Wachstum brauchen wir und wollen wir stärken. Aber es wäre ein Rückfall in die Politik von vorgestern, wenn wir mit Schulden finanzierte Ausgabenprogramme wieder auflegen. Es wird nicht ohne Anstrengung gehen. Man kann die Probleme nicht weg diskutieren, man muss sie anpacken. An Strukturveränderungen und Reformprozessen führt kein Weg vorbei. Europa muss sich der Realität stellen.

Griechenland hat ja nun wirklich großzügig die Hand ausgestreckt bekommen. Es sind dreistellige Milliardenbeträge zur Verfügung gestellt worden. Daran liegt es nicht. Es liegt daran, dass man auch die versprochenen Veränderungsprozesse glaubhaft einleitet. Es ist ja gut so, dass zwischen der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds ein vierteljährliches Monitoring zur Überprüfung des Einhaltens der Zusagen vereinbart ist. Denn es kann nicht angehen, dass man Vereinbarungen trifft und sich vom Acker macht, wenn es dann ernst wird. Es muss schon seriös gehandhabt werden. Europa kann sich nur rechtsstaatlich entwickeln, wenn es heißt, dass die Mitgliedsstaaten Verträge, die sie unterschrieben haben, auch einhalten. Es kann ja nicht Methode werden, dass wenn neue Wahlen stattfinden, wir wieder alle europäischen Verträge neu aushandeln. Es muss schon rechtsverbindlich sein für ein Land.

Frage: Herr Brüderle, sie wollen keine Politik von vorgestern. Werfen Sie Hollande vor, er will eine Politik von vorgestern? Wird deswegen das Verhältnis zu Frankreich schwieriger werden?

BRÜDERLE: Nein, so kann man das nicht sagen. Frankreich und Deutschland, wir wissen, dass wir aufeinander angewiesen sind. Es ist das enge Einvernehmen zwischen beiden Regierungen: Deutschland braucht Frankreich und Frankreich braucht Deutschland. Das gute Einvernehmen zwischen unseren Ländern ist der Motor Europas. Ich hoffe sehr, dass, wenn die Rauchschwaden des Wahlkampfes verzogen sind, man sich zusammen findet und Europa voran bringt. Wir haben nur ein begrenztes Zeitfenster, um mit der Entwicklung der Welt mitzuhalten. Die Welt wird keine Entwicklungspause einlegen, weil Europa nicht in der Lage ist, seine Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2012