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NORDRHEIN-WESTFALEN/2347: Inklusion an Schulen (Li)


Landtag intern 7/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Aus dem Plenum
Inklusion an Schulen
Neue Eckpunkte Thema im Landtag

von Susanne Ellert, Thomas Becker, Michael Zabka


12. Juli 2018 - Die schwarz-gelbe Landesregierung will die Inklusion an Schulen neu organisieren und u.a. Förderschulen stärken. In einer Aktuellen Stunde haben die Abgeordneten im Landtag kontrovers über die Pläne zum gemeinsamen Lernen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung in Schulen diskutiert.


Der Diskussion lag ein Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zugrunde (17/3111). Das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung an Schulen könne nur gelingen, "wenn man vom Kindeswohl aus denkt", heißt es im Antrag. Kinder und Jugendliche mit Unterstützungsbedarf könnten erfolgreich an Regelschulen unterrichtet werden. "Für diejenigen mit größerem Bedarf bieten Förderschulen jedoch die besseren Voraussetzungen."

Anfang Juli hatte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) die Eckpunkte für die Neuausrichtung der Inklusion an Schulen in Nordrhein-Westfalen vorgestellt. Demnach müssen weiterführende Schulen künftig ein pädagogisches Inklusionskonzept sowie genug Räume vorweisen, um inklusiven Unterricht anzubieten. Zudem sollen Sonderpädagogen an weiterführenden Schulen arbeiten. Eingeschränkt werden soll der inklusive Unterricht an Gymnasien. Rahmenbedingungen für Förderschulen sollen dagegen verbessert werden, um Angebote für Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf wohnortnah vorzuhalten. Die Neuausrichtung der Inklusion an Schulen soll mit dem Schuljahr 2019/2020 beginnen.

Die Maßnahmen der Vorgängerregierung zur Inklusion seien unüberlegt gewesen, sagte Kirstin Korte (CDU) bei der Debatte im Landtag: "Es herrschte das Prinzip Masse in der Klasse." Viele Schulen hätten ohne sonderpädagogische Expertise auskommen müssen. Bis zum Schuljahr 2024/25 sollten 6.000 weitere Lehrerstellen und zum kommenden Wintersemester 250 zusätzliche Studienplätze für Sonderpädagogik geschaffen werden. Ein gemeinsames Lernen solle es nur geben, wenn Qualitätsstandards, wie ein sonderpädagogisches Konzept und ausgebildetes Personal, vorhanden seien. Die Zukunft der Förderschulen solle gesichert werden, sodass Eltern eine Wahlmöglichkeit hätten.

Die Vorgängerregierung habe nur die Quote und nicht das Gelingen der Inklusion im Blick gehabt, sagte Franziska Müller-Rech (FDP): "Wir steuern um - denken Inklusion nicht von der Quote, sondern vom Kind her." Regel- und Förderschulen sollten nicht länger gegeneinander ausgespielt werden. Die Entscheidung für eine Schulform solle nicht für die gesamte Laufbahn gelten. Vor allem im Primarbereich leisteten Förderschulen hervorragende Arbeit und bereiteten viele Kinder auf den Wechsel an eine Regelschule vor. Die Landesregierung schaffe eine "echte" Wahlmöglichkeit für Kinder mit Förderbedarf.


Veränderungen für Gymnasien

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) forderte, dass Qualitätsstandards für die Inklusion an Schulen neu definiert und mehr Stellen geschaffen werden müssten. Die SPD-Fraktion lehne aber die Pläne der Landesregierung ab, nach denen das "zieldifferenzierte Lernen am Gymnasium zur Ausnahme wird". Man könne nicht von Inklusion sprechen, "wenn eine einzelne Schulform davon mehr oder weniger ausgenommen wird". Inklusion sei eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe", auch Gymnasien seien in der Pflicht. In Zukunft sei zu befürchten, dass die Gräben zwischen Inklusionsbefürwortern und Inklusionsgegnern wüchsen.

Mit ihren aktuell vorgelegten Eckpunkten zur Inklusion richte die Landesregierung ein "Chaos" an Schulen an, kritisierte Sigrid Beer (Grüne). Schulen würden in einen "Inklusionsstreik" getrieben. Mehr als 20 Schulkonferenzen befassten sich derzeit mit Ausstiegsbeschlüssen, um auf die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung mindestens für die 5. Jahrgangsstufe zu verzichten. In der Gesamtschule in Wuppertal-Langerfeld sei ein solcher Beschluss bereits gefasst worden, da Stellen von Sonderpädagogen zuvor gekürzt worden seien. In ganz NRW würden Sonderpädagogen aktuell an Förderschulen "zurückgeordert".

Mit dem Umsteuern beim Inklusionsprozess habe die Landesregierung eine "längst überfällige Korrektur" eingeleitet, sagte Helmut Seifen (AfD). Raummangel und fehlende Sonderpädagogen hätten zu "chaotischen Zuständen" an den Regelschulen geführt. Kindern mit Förderbedarf hätten feste Ansprechpartner gefehlt, weil Sonderpädagogen "von Einsatz zu Einsatz" gependelt seien. An Förderschulen hätten sie, so Seifen, diese Ansprechpartner gehabt. Es sei unsinnig, Kinder und Jugendliche in Schulen zu bringen, an denen sie keine Möglichkeit hätten, "mitzuschwimmen". Dies treffe besonders auf Gymnasien und Realschulen zu.

Er sei froh, dass die Landesregierung einen Paradigmenwechsel vollziehe, sagte Marcus Pretzell (fraktionslos). Allerdings habe sie Probleme "geerbt", die sie in dieser Wahlperiode nicht lösen könne.

Immer wieder hätten Eltern und Lehrkräfte zu Recht verbindliche Qualitätsstandards für das gemeinsame Lernen gefordert, sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Um eine hochwertige inklusive Förderung an allgemeinen Schulen zu ermöglichen, werde man diese Standards nun "fest verankern". So müssten Schulen u. a. über ein Konzept zur inklusiven Bildung verfügen. Außerdem müssten "Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung fester Bestandteil der Schule sein". Die Landesregierung werde "intensiv" in das gemeinsame Lernen investieren. Die Wahlmöglichkeit zwischen Förderschule und allgemeiner Schule solle aber gesichert werden.

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Quelle:
Landtag intern 7 - 49. Jahrgang, 17.07.2018, S. 5
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2018

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