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INNEN/2832: Beschluss des SPD-Parteivorstandes - Taten verhindern, Täter bestrafen, Hetze entgegentreten


SPD-Pressemitteilung vom 18. Januar 2016

Beschluss des SPD-Parteivorstandes: Taten verhindern - Täter bestrafen - Hetze entgegentreten


Der SPD-Parteivorstand hat bei seiner Jahresauftaktklausur in Nauen heute folgenden Beschluss gefasst:


Was wir jetzt brauchen: ein starker und entschlossener Rechtsstaat

"Nur reiche Menschen können sich einen armen Staat leisten". Diese Erkenntnis gilt nicht nur für die soziale Sicherheit in unserem Land, sondern auch für die Aufgaben der inneren Sicherheit. Der Blick in Länder mit privatem Reichtum und öffentlicher Armut zeigt: Während Wohlhabende sich durch privaten Wachschutz Sicherheit kaufen können, bleiben die meisten anderen Bürgerinnen und Bürger schutzlos.

Für die Sozialdemokratie ist deshalb ein starker, entschlossener und vor allem handlungsfähiger Rechtsstaat unabdingbar. Er muss Alltagskriminalität ebenso wirkungsvoll verfolgen und unterbinden wie organisierte Kriminalität. Und er muss auch in der Lage sein, seine Bürgerinnen und Bürger vor Übergriffen zu schützen, wie wir sie in der Silvesternacht 2015/2016 erleben mussten. Und wo Straftaten nicht verhindert werden, muss die Strafverfolgung konsequent und wirkungsvoll möglich sein und durchgesetzt werden.

Wir verurteilen Gewalt und Kriminalität überall und unabhängig von wem sie ausgeht: Ob es Straftaten von Ausländern sind wie in Köln und anderen Städten oder rechte Gewalt gegen Asylsuchende und Menschen mit Migrationshintergrund. Wer Brandanschläge auf Häuser und Unterkünfte verübt, in denen zu uns geflohene Frauen, Männer und Kinder schlafen, verteidigt nicht das Abendland. Diese Täter sind Schwerstverbrecher, die sich weit außerhalb unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung stellen und deshalb mit aller Härte von unserem Rechtsstaat zur Verantwortung gezogen werden müssen.

Unsere Haltung ist: konsequent und entschieden für das Recht und für die Sicherheit aller Menschen, die in Deutschland leben. Wir stellen mit Nachdruck klar: Das Gewaltmonopol des Staates wird von unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ausgeübt - bürgernah und robust, wenn es darauf ankommt. Angriffe auf die Beamtinnen und Beamten tolerieren wir nicht. Wir setzen uns weiter dafür ein, dass die Polizei mit genügend gut ausgebildetem Personal und modernen Sachmitteln ausgestattet werden. Insbesondere müssen Analysefähigkeit und die Kompetenzen zur Lageeinschätzung derart ausgeprägt sein, dass auch unvorhergesehene Sicherheitslagen schnell und nachhaltig bewältigt werden können.

Die aktuellen Vorfälle zeigen, dass wir handeln müssen, um unseren starken und entschlossenen Rechtsstaat zu erhalten. Wir werden dafür sorgen, dass Recht und Gesetz konsequent durchgesetzt werden kann. Dazu gehört vor allem ausreichend Personal bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten. Es war deshalb richtig, dass die SPD in der Bundesregierung 3.000 zusätzliche Stellen für die Bundespolizei durchgesetzt hat.

Zusätzlich muss das Aufenthalts- und Strafrecht da verschärft werden, wo dies einen spürbaren Nutzen bedeutet. Auch wenn sich Erfolge nur langfristig zeigen: Die SPD wird auch weiterhin darauf setzen, die Zivilgesellschaft zu stärken, um Tätern von Anfang an den Boden zu entziehen.

Die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung ist eine Aufgabe des Staates. Das staatliche Gewaltmonopol darf nicht in Frage gestellt werden. Wir akzeptieren es daher nicht, wenn sich sog. Bürgerwehren oder andere private Gruppierungen dazu aufschwingen, selbst Polizei zu spielen.


Worauf es ankommt: Recht konsequent durchsetzen

1. Wir werden auf allen Ebenen die aktuellen Vorkommnisse in Köln, Stuttgart, München und Hamburg intensiv untersuchen. Bund und Länder müssen daraus Konsequenzen ziehen. Vollzugsdefizite werden wir nicht dulden. Vollzugsdefizite können nicht durch neue Gesetze behoben werden. Die Situation muss vielmehr analysiert und es müssen passgenaue Schlussfolgerungen gezogen werden (z.B. in Bezug auf die Zusammenarbeit der Behörden).

2. Weiterhin erfüllen das BMI und sein Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht die Vereinbarung im Hinblick auf zügigere Bearbeitung der Asylanträge. Im Gegenteil: Der Berg unbearbeiteter Anträge ist weiter angewachsen. Der permanente Ruf nach Gesetzesänderungen kann nicht kaschieren, dass das BMI die Lage nicht unter Kontrolle bekommt. Der Verwaltungsvollzug wird dadurch in erheblichem Maße behindert. Wir brauchen schnelle und rechtsstaatliche Entscheidungen, aufgrund derer klar ist, wer in Deutschland Anerkennung als Flüchtling bekommt und wer nicht. Nur auf diese überfälligen Entscheidungen des BAMF können die weiteren Schritte aufbauen - Aufenthalt und Integration der anerkannten Asylbewerber genauso wie die Rückführung und Abschiebung der abgelehnten.

3. Straftaten schon im Ansatz zu verhindern, aufzuklären und Täter anzuklagen, erfordert eine gut ausgestatte und jeder Zeit an jedem Ort handlungsfähige Polizei und Justiz. Polizistinnen und Polizisten müssen sich Respekt verschaffen können. Alles dies darf nicht an fehlendem oder überlastetem Personal scheitern. Die SPD dringt darauf, das Personal bei den Staatsanwaltschaften und der Polizei weiter zu erhöhen.

Insgesamt fordern wir die Schaffung von 12.000 neuen Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern bis 2019: Im Bund sollen zusätzlich zu den von uns geforderten und bereits beschlossenen 3.000 Stellen weitere 3.000 Stellen für die Bundespolizei und beim Bundeskriminalamt sowie in den Ländern 6.000 neue Stellen geschaffen werden. Wir werden zudem schnell ermitteln, inwiefern zusätzlicher Personalbedarf bei den Staatsanwaltschaften erforderlich ist.

4. Wir wollen in den Bundesländern für bestimmte Tatmuster schneller und flexibler Schwerpunktstaatsanwaltschaften einrichten, die Kompetenz und Erfahrung bündeln und so konsequenter Straftäter ermitteln können.

5. Wer Häuser und Unterkünfte in Brand steckt handelt gemeingefährlich und nimmt billigend den Tod von Frauen, Männern und Kindern in Kauf. Jeder Brandanschlag empört uns zutiefst. Jedem Fall muss mit Akribie und langem Atem nachgegangen werden. Deshalb darf die Aufklärung von Straftaten niemals daran scheitern, dass existierende Ermittlungsmethoden aufgrund mangelnder Ressourcen nicht genutzt werden. Gerade im Bereich der Brandstiftung gibt es ein Potential für bessere Ermittlungsmethoden.

6. Wir werden die bestehenden Rechtsgrundlagen für die Videoüberwachung des öffentlichen Raums ausschöpfen. Wir wollen an bekannten Kriminalitätsschwerpunkten die Videoüberwachung ausweiten. Dabei ist klar, dass Kameras keine Alternative zu klassischer präventiver Polizeiarbeit sind, sondern eine sinnvolle Ergänzung.

7. Wir setzen uns dafür ein, die Sicherheitsbehörden in Deutschland und in Europa besser zu vernetzen. Soweit erforderlich stellen wir hierfür auch zusätzliche Personalkapazitäten zur Verfügung. Wir müssen erreichen, dass alle Informationen schnell gebündelt werden und auf diese Weise Straftaten verhindert und aufgeklärt werden.

8. Wir werden den EU-weiten Datenaustausch der Sicherheitsbehörden weiter erleichtern. Die SPD steht zu Europa und stellt sich allen Versuchen, zum Nationalstaat zurückzukehren, entgegen. Das bedeutet aber auch, dass wir im Sicherheitsbereich gemeinsam agieren und zusammenarbeiten müssen.

9. Wir werden den Datenaustausch im Flugverkehr verbessern. Nach der Einigung im EU-Rat über eine entsprechende Richtlinie müssen die Fluggastdaten aller Passagiere, die von Deutschland in Drittstaaten bzw. aus Drittstaaten nach Deutschland fliegen, und auch der Intra-EU- Flüge von und nach Deutschland gespeichert werden. Wir setzen uns für eine zügige Umsetzung der Richtlinie ein.

10. Mit dem Aufbau einer Europäischen Staatsanwaltschaft werden wir dafür sorgen, dass Straftaten in der EU über Staatsgrenzen hinweg künftig effektiv verfolgt werden können.


Konsequent und zielsicher: Opfer besser schützen

1. Wir werden Strafbarkeitslücken bei Sexualdelikten schließen. Es gibt sexuelle Übergriffe, die nach der aktuellen Rechtslage nicht bestraft werden können, weil kein physischer Widerstand gewaltsam gebrochen wird. Unser Justizminister Heiko Maas hat dazu bereits einen Vorschlag vorgelegt. Es sollen dabei insbesondere erfasst werden:

a) die Fälle, in denen der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, sowie

b) die Fälle, in denen der Täter die Furcht des Opfers ausnutzt, er werde bei Widerstand Gewalt anwenden oder dem Opfer ein anderes empfindliches Übel zufügen.

Wir begrüßen, dass die Union ihre Blockade gegen diesen Vorschlag nun endlich aufgibt.

2. Die Ausweisung von Drittstaatsangehörigen, die Straftaten begangen haben, werden wir weiter erleichtern. Kriminelle müssen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden - gerade zum Schutz der vielen Flüchtlinge, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen. Die Strafrahmen für die Ausweisung werden bei bestimmten Delikten (Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte) abgesenkt, sofern diese Straftaten mit Gewalt oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben oder mit List begangen sind. Eine Ausweisung kann in Zukunft bei jeder rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe erfolgen - unabhängig von der Höhe.

3. Bei der Gesamtabwägung für die Entscheidung über die Ausweisung eines Ausländers wird künftig neben der Dauer des Aufenthalts, den persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie den Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner auch die Tatsache berücksichtigt, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat.

4. Flüchtlingen, die Straftaten begehen, werden wir künftig konsequenter die rechtliche Anerkennung als Flüchtling versagen. Wer wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum, auch in Form serieller Begehung oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, sofern diese Straftaten mit Gewalt oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen sind, rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt ist, und deshalb eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, kann künftig von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Freiheits- oder Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt ist.

Bei allen anderen Delikten ist die Flüchtlingsanerkennung weiterhin ausgeschlossen, wenn der Flüchtling aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet.

5. Wir setzen uns auf europäischer Ebene für eine systematische und koordinierte Kontrolle der EU-Außengrenzen ein. Die Kommission wird noch in diesem Jahr einen Vorschlag vorlegen, den wir konstruktiv beraten werden.

6. Islamistische Extremisten, die zur terroristischen Ausbildung bzw. Kriegsteilnahme ausreisen wollten, konnte bislang präventiv nur der Reisepass entzogen werden. Eine Ausreise vor allem über die Türkei nach Syrien war mit dem Personalausweis noch möglich. Diese Lücke haben wir mit einem Gesetz geschlossen, das den Entzug des Personalausweises ausreisewilliger Jihadisten ermöglicht.

7. Wir werden die Vermögensabschöpfung bei Straftaten erleichtern. Damit stellen wir sicher, dass Täter - und insbesondere die Drahtzieher und Hintermänner - schwerer von ihrer Kriminalität profitieren.

8. Wir sorgen dafür, dass der von uns geschaffene neue Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung einen wirksamen Beitrag zur Verhinderung terroristischer Anschläge leistet. Wir haben eine selbstständige Strafbarkeit der Handlungen, die in der UN-Konvention zur Terrorismusfinanzierung genannt sind, eingeführt. Damit entsprechen wir den Anforderungen der Financial Action Task Force. Zudem haben wir die Strafbarkeit der Selbstgeldwäsche entsprechend den Vorgaben der Financial Action Task Force (FATF) erweitert.

9. Wir haben bereits die Ausreise sowie deren Versuch in ein Terror- Camp unter Strafe gestellt, um auch diejenigen bestrafen zu können, die noch keinen konkreten Anschlag begangen oder geplant hatten.


Tätern den Boden entziehen: die Zivilgesellschaft stärken

1. Wer terroristische Straftaten begeht, wurde meist radikalisiert. Auch fremdenfeindlichen Straftaten geht meistens Hetze und der Aufruf zu Straftaten u.a. im Netz voraus - hier müssen wir die Grundlagen schaffen, früher einzuschreiten. Strafbare Hetze und Propaganda wollen wir deshalb verhindern - egal, von wem sie ausgeht. Gemeinsam mit sozialen Netzwerken hat Justizminister Maas bereits zahlreiche Maßnahmen erarbeitet. Diesen Weg begrüßen wir.

2. Wir wollen die Mittel für zivilgesellschaftliche Programme gegen Radikalisierung erhöhen. Wir müssen der Radikalisierung von Menschen schon im Ansatz begegnen. Die Deradikalisierung von Menschen ist meist ein längerfristiger Prozess. Das geht am besten durch Bildung und Aufklärung. Wir müssen uns um junge Menschen kümmern, bevor sie sich radikalisieren. Und wir müssen denjenigen den Ausstieg ermöglichen, die den Menschenfängern bereits in die Hände gefallen sind.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 13/16 vom 18. Januar 2016
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
Bürgerbüro, Willy-Brandt-Haus
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Tel.: 030/25 991-300, Fax: 030/25 991-507
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2016

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