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AFRIKA/1022: Simbabwe - Der Fall Mike Campbell (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2011

Der Fall Mike Campbell
Moritat über die Beugung des Rechts in Simbabwe und der Region

Von Hein Möllers


Am 6. April dieses Jahres starb Mike Campbell. Er war Großfarmer in Simbabwe und wurde enteignet. Dagegen klagte er vor simbabwischen Gerichten. Alle Instanzen wiesen seine Klage zurück. Deshalb rief Campbell das Tribunal der Regionalgemeinschaft SADC an. Das Tribunal nahm die Klage an und urteilte in allen Klagepunkten zugunsten von Campbell und gegen die Republik Simbabwe. Das Urteil wird jedoch von der simbabwischen Regierung nicht anerkannt. Die Staatengemeinschaft drückte sich um eine direkte Stellungnahme. Sie verfügte ein Moratorium, das die Tätigkeit des Gerichtes unterband, und ordnete eine Überprüfung des Mandats an. Eine Entscheidung soll in einem Jahr fallen.


Den Satz werden viele kennen oder gehört haben: Fiat justitia, pereat mundi - dem Recht ist Genüge zu tun und wenn die Welt darüber untergeht. Meist wird das als Metapher für einen verbreiteten Rechtszustand in unseren Landen verstanden, als Parole gegen seelenlose Paragraphenreiterei. Das war keineswegs der ursprüngliche Sinn dieses Satzes. Es war zu Beginn ein subversiver: Das Recht steht über Fürstenwillkür, die in jenen Zeiten die "Welt" nach ihrem Gutdünken definierte. Noch in den Tagen von Immanuel Kant wurde der Satz so verstanden. Und in heutigen Tagen ist der so verstandene Satz eine Herausforderung an die Potentaten im Südlichen Afrika, die das Recht ihrer Willkür unterordnen und Bürgern und Bürgerinnen verweigern.

Das zeigt exemplarisch der Fall Mike Campbell, der seine Interessen über die Gerichte durchzusetzen versuchte und trotz letztlich positiven Bescheids kein Recht bekam und für seinen Einsatz mit Angriff auf Leib und Leben büßen musste. Er starb am 12. April, nicht an den Folgen der Übergriffe; doch sie dürften seinen Tod beschleunigt haben.


Die Szene

Mike Campbell kaufte 1974 die Farm Mount Carmel im Distrikt Chegutu in der Provinz Mashonaland West im heutigen Simbabwe. Damals hieß das Land Rhodesien. Machthaber war Ian Smith. Er hatte 1965 einseitig die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien erklärt, um die Herrschaft der weißen Siedler und Großfarmer - wirtschaftlich wie politisch - abzusichern und einen Staat nach dem Vorbild der Apartheid in Südafrika aufzubauen.

In jenem Jahr 1974 wurde auch ein gewisser Robert Mugabe aus dem Gefängnis entlassen, ein Jahr vor Ende seiner elfjährigen Haft. Er ging nach Mosambik ins Exil. Mugabe war der Führer der Zanu (Zimbabwe African National Union), einer der beiden Befreiungsbewegungen des Landes. Eine motivierende Parole dieses Kampfes forderte die Rückgabe des Landes an die, die es einst bebaut hatten und gewaltsam enteignet und in Gegenden mit Minderböden abgedrängt worden waren.

Die Farm von Mike Campbell liegt in einer landwirtschaftlich intensiv genutzten Region mit guten Böden und guter Anbindung an den Markt, knapp 150 Kilometer von Harare, damals noch Salisbury, entfernt. Für den Kauf nahm CampbeIl einen Kredit auf. Ende der 1990er Jahre war der Kredit abbezahlt und Campbell im vollem Umfang Eigentümer der Farm Mount Carmel.

Da hatte der neue Staat Simbabwe, in den Rhodesien umbenannt worden war, bereits zwei Programme der Landreform und Umverteilung auf den Weg gebracht. 1980 war Simbabwe unabhängig geworden. Regierungschef wurde mit deutlicher Mehrheit Robert Mugabe. Er erlangte in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren im Lande wie international hohes Ansehen.

Die Landreform der ersten Dekade wurde aller Rhetorik zum Trotz nur halbherzig betrieben und war auch durch Verfassungsgrundsätze erschwert, die aus dem Verhandlungsfrieden resultierten. Der Staat konnte nur bei freien Angeboten auf eine Farm zugreifen. Auch das von Großbritannien zugesagte Geld für den Aufkauf von Farmen blieb weitgehend aus.

In den 1990er Jahren stand die Landfrage wieder auf der politischen Agenda. 1992 wurde ein neues Landgesetz verabschiedet. Es erlaubte der Regierung, Land für Umsiedlungs- und Umverteilungszwecke auszuwählen und zu fairen Preisen aufzukaufen. Die Abtretung einer Farm lag nicht mehr in der Entscheidung eines Farmers. Der Rechtsweg aber stand grundsätzlich offen.

Mike Campbell erhielt 1999 von den Behörden eine Art "Unbedenklichkeitsbescheinigung": Mount Carmel stehe nicht auf der Liste der Farmen, die im Zuge der Landreform umverteilt werden sollten. Das sollte sich bald ändern.

Die späten 1990er Jahre markieren einen radikalen Wendepunkt in der Innenpolitik Simbabwes. Staatspräsident Robert Mugabe sah erstmals seine Macht ernsthaft gefährdet. Organisationen der Zivilgesellschaft riefen nach einer neuen Verfassung, um die Macht des Präsidenten zu beschneiden; ein Verfassungsentwurf des Präsidenten fiel in einem Referendum durch. Ferner setzten Veteranenverbände Mugabe unter Druck und forderten höhere Bezüge. Simbabwe befand sich in einer Wirtschaftskrise, die in den Folgejahren durch die Politik Mugabes völlig außer Kontrolle geriet.

Mugabe trat die Flucht nach vorn an und griff die populäre Forderung aus den Befreiungskriegen "Rückgabe des Landes" auf. Er ordnete eine Hauruck-Landreform (Fast Track) an, die entschädigungslose Enteignungen möglich machte. In den folgenden zehn Jahren wurden bis auf ca. 230 alle anderen 4.500 Farmer enteignet und von ihrem Land vertrieben. Mit dieser Reform verließ die Regierung Mugabes die Grenzen rechtsstaatlicher Ordnung.

Diese Politik holte Campbell im Juli 2001 ein. Da flatterte ihm ein blauer Brief ins Haus, in dem die Regierung die Absicht ankündigte, Mount Carmel zu beschlagnahmen. Diese Ankündigung wurde jedoch vom High Court wegen mangelnder rechtlicher Begründung für ungültig erklärt.


Der Gang durch die Instanzen

Trotz dieses gerichtlichen Bescheides fand Campbell im Juli 2004 in der offiziellen Government Gazette seine Mount Carmel auf der Liste von Farmen, die die Regierung für den Erwerb vorgesehen hatte; eine entsprechende Nachricht von den Behörden erhielt er jedoch nicht.

Dafür bekam er unliebsamen Besuch. Eine Gruppe von nicht ausgewiesenen Personen besetzte nach Angaben Campbells vor Gericht die Farm "im Auftrag vom Sprecher der Zanu-PF, Nathan Shamuyarira", und behauptete, dem ehemaligen Minister sei die Farm zugewiesen worden. Nach drei weiteren Bekanntmachungen im Gesetzesblatt suchte Campbell Zuflucht bei den Gerichten. Er ging durch alle Instanzen - vergeblich.

Denn 2005 passte Mugabe die Verfassung der veränderten Rechtslage an, worauf sich die Gerichte dann beriefen. Der Admentment Act No. 17 sieht unter anderem vor, dass Farmland grundsätzlich ohne Zahlung einer Entschädigung enteignet werden kann. Enteigneten Farmern wurde der Rechtsweg abgeschnitten; eine Anfechtung der Regierungsanordnung war nicht mehr möglich.

Im Gegenteil: Die Anrufung der Gerichte wurde als krimineller Akt eingestuft. Die letzte simbabwische Instanz, bei der Mike Campbell klagte, der Supreme Court, befand im ablehnenden Urteil: Eine "Anrufung eines Gerichtshofes gegen eine gesetzliche Übernahme ist letztlich ein Missbrauch des Rechts auf Schutz durch das Gesetz". Im einzelnen wies das Gericht alle Klagepunkte zurück: Das Gesetz habe keine rassistische Konnotation, die Regierung habe das Recht auf Zwangsenteignung und der Gesetzgeber habe die volle Rückendeckung durch die Verfassung.

Das Urteil fällte der Supreme Court am 22. Januar 2008. Campbell hat die Entscheidung nicht abgewartet. Er wandte sich bereits am 11. Oktober 2007 an das Tribunal der Regionalgemeinschaft SADC. Ihm schlossen sich 78 ebenfalls enteignete Kollegen an.


Letzte Instanz: Das SADC-Tribunal

Das SADC-Tribunal ist dem Europäischen Gerichtshof vergleichbar, mit dem es Grundzüge, Prinzipien, Arbeitsweisen und Zuständigkeiten teilt. Das Tribunal wurde im Vertrag von Windhoek vereinbart. Dieser Vertrag von 1992 löste die lockere dezentrale Gemeinschaft Southern African Development Cooperation Conference (SADCC), die 1980 gegründet worden war, ab und ist der Grundvertrag der heutigen Southern African Development Community (SADC). Die Neuordnung war eine Reaktion auf die politischen Umwälzungen im Südlichen Afrika. Die neue Gemeinschaft erhielt verbindlichere Strukturen, nationale Befugnisse sollten nach und nach der übergeordneten Gemeinschaft übertragen werden - kein leichtes Unterfangen in einer Region, deren Staaten noch nicht lange die Souveränität errungen hatten (über den unbefriedigenden Zustand der SADC siehe: Adelmann, afrika süd 5/6'2010).

Nachdem der Gerichtssitz Windhoek bestimmt war (in der historische Turnhalle) und die zehn Richter ausgewählt waren, wurde das Tribunal mit der Vereidigung der Richter am 18. November 2005 feierlich in Windhoek eingesetzt und konnte seine Arbeit als unabhängiges, regionales Berufungsgericht mit der Schlichtung regionaler Konflikte und Streitfragen aufnehmen, aber auch als Beschwerdeinstanz für Bürgerinnen und Bürger, die ihr Recht vor nationalen Gerichten nicht ausreichend gewürdigt sehen. Bisher wurden 28 Fälle vor dem Tribunal verhandelt.

In die Schlagzeilen geriet das Gericht mit dem Fall Campbell und andere. Mit Spannung wurde erwartet, ob das Gericht die Klage annehmen würde, hatte Simbabwe doch bereits die Zuständigkeit in "nationalen Belangen" abgelehnt. Das Gericht sah sich zuständig: Der Fall betreffe "die Menschenrechte, die Demokratie und die Herrschaft von Recht und Gesetz", Fragen die zu den bindenden Prinzipien der Regionalgemeinschaft gehörten.

Ferner verfügte das Tribunal am 17. Dezember 2007 eine einstweilige Verfügung gegen die simbabwische Regierung: Bis zur Urteilsverkündung habe jede staatliche oder staatlich geduldete Aktion zu unterbleiben, Campbell und seine Mitkläger zu vertreiben oder an der Nutzung ihrer Farmen zu hindern.

Die Regierung Mugabes hat sich nicht daran gehalten. Die Enteignungen, Gewalt und Vertreibungen gingen weiter, manchmal in geradezu provozierender Art. Im Juli 2008 wurde Mike Campbell und seine Frau Angela sowie sein Schwiegersohn Ben Freeth auf der inzwischen niedergebrannten Farm so schwer misshandelt, dass er sich gesundheitlich davon nicht wieder erholen sollte.

Im übrigen zeigte die simbabwische Seite von Anfang an, was sie von einem Gericht hielt, das eine Klage gegen sie stattgegeben hat: Nichts. Mehrfach musste ihre Vertreterin, die Hochkommissarin in Namibia, Cipo Zndonga, zur Sachlichkeit aufgefordert und wegen Respektlosigkeit gegenüber dem Gericht gerügt werden. Als Campbells Schwiegersohn nach dem Überfall im Rollstuhl in den Gerichtssaal geführt werden musste, hatte sie für ihn nur Spott und Hohn übrig.


Vernichtendes Urteil gegen die Politik Mugabes

Das Tribunal hielt trotz allem seine nüchterne und unaufgeregte Prozessführung bei. Dem Senat gehörten Dr. Ariranga Govindsamy aus Mauritius und Dr. Luis Antonio Mondlane aus Mosambik an, die abwechselnd den Vorsitz führten, sowie Dr. Rigoberto Kombovo aus Angola, Isaak Jamu Mtambo aus Malawi und Dr. Onkemetse B. Tshosa aus Botswana. Am 28. November 2008, gut ein Jahr nach der Einreichung der Klage, verkündete der Richter Luis Mondlane aus Mosambik das Urteil: Der Klage wurde in allen Punkten stattgegeben.

Das Gericht begründete im 60-seitigen Urteil zunächst ausführlich die Zuständigkeit des Gerichtes in der Auseinandersetzung Campbell und andere gegen die Republik Simbabwe mit Hinweis auf den SADC-Vertrag von 1992.

Alle Klagepunkte wurden bis auf eine Ausnahme einstimmig entschieden. In der Diskriminierungsfrage mochte der Richter Rigoberto Kombovo seinen Kollegen nicht folgen. Die inkriminierte Verfassungsergänzung 17 vermeidet einen Bezug auf Rasse oder Hautfarbe. Trotzdem sahen die Richter einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 6 (2) des SADC-Vertrages: "Weil die Auswirkungen von Zusatzartikel 17 nur weiße Farmer betreffen, auch wenn diese im Verfassungstext nicht ausdrücklich genannt werden, erachten wir die Umsetzung dieses Paragraphen als indirekte Diskriminierung und substanzielle Ungleichheit.... Die Kriterien zur Auswahl der zu enteignenden Farmer sind weder vernünftig noch objektiv, sondern willkürlich und in erster Linie in der Rassenfrage begründet."

In den anderen Klagepunkten hält das Urteil fest, dass den Klägern in Harare der Zugang zu den Gerichten im eigenen Land unrechtmäßig verwehrt wurde. Damit habe die simbabwische Regierung gegen den SADC-Vertrag verstoßen.

Ferner entschied das Gericht, die simbabwische Regierung sei bei Enteignungen verpflichtet, eine angemessene Entschädigung zu leisten; ansonsten dürften die Farmer unbehelligt auf ihrem Land wirtschaften. Wer der Gewalt mittlerweile gewichen sei, müsse binnen eines halben Jahres eine Entschädigung erhalten. Die entsprechende Verfassungsänderung Artikel 17, die eine gerichtliche Überprüfung von Enteignungen und Zahlungen ausschließt, ist unrechtmäßig und gemeinschaftswidrig im Sinne des SADC-Vertrages.

Die simbabwische Regierung lehnte das Urteil rundweg ab. Ein Regierungssprecher erklärte, man werde es nicht akzeptieren und die Landreform ungehindert fortsetzen. Auch der Vizepräsident des Obersten Gerichtshofes, Luke Malaba, erklärte das Urteil für null und nichtig.

Schweres Geschütz gegen das Tribunal fuhr der simbabwische Justizminister und einer der Unterhändler der Zanu-PF bei der SADC-Vermittlung, Patrick Chinamasa, auf: Das Tribunal habe keine rechtliche Grundlage. Der Vertrag von Windhoek schreibe vor, dass zwei Drittel der Mitglieder Vereinbarungen des SADC-Gipfels, die so genannten Protokolle, ratifiziert haben müssen, ehe sie in allen Mitgliedsstaaten Gesetzeskraft erhalten. Die Einsetzung des Tribunals wurde aber bisher nur von fünf Mitgliedern ratifiziert, lediglich zwei davon haben auch die Unterschrift hinterlegt. Der ausführliche Gründungsvertrag des Tribunals wurde am 6. Juni 2003 unterzeichnet. Die SADC hatte damals 14 (heute 15) Mitglieder. Es wären also Ratifizierungen von mindestens neun Staaten notwendig.

Dieses Quorum ist festgelegt in Artikel 22 des Vertrags von Windhoek. Was jedoch das Tribunal angeht, wird hier ausdrücklich eine Ausnahme gemacht: Das Tribunal kann eingesetzt werden ohne die nötigen Ratifizierungen. Im betreffenden Artikel 16, der das Tribunal regelt, heißt es in 16(2): "The composition, powers, functions, procedures and other related matters governing the Tribunal shall be prescribed in a Protocol, which shall, notwithstanding the provisions of Article 22 of this Treaty form an integral part of this Treaty, adopted by the Summit." (Hervorhebung H. Möllers). Damit trug die Staatengemeinschaft dem Argument Rechnung, dass die von allen gewünschte regionale Integration nicht nur vom politischen Willen der Vertragspartner abhängt, sondern einer rechtlichen Grundlage und Institution bedarf.


Arbeitsverbot für das Tribunal

Im Juni 2009 zogen zwei Farmer, darunter Campbell, erneut vor das Tribunal, weil die Regierung in Harare sich beharrlich weigerte, das Urteil anzuerkennen. Sie forderten, dass ihr Fall dem nächsten SADC-Gipfel vorgelegt werde. Ein Jahr später folgte eine weitere Klage wegen Untätigkeit der Regionalgemeinschaft. Das Tribunal urteilte im Juli 2010: "Das Tribunal stellt fest, dass die Beklagte (die simbabwische Regierung) das Urteil (vom November 2008) nicht anerkannt hat. Das Tribunal hat den Entscheid zwecks geeigneter Maßnahmen auch dem Gipfel weitergeleitet. Trotzdem setzt sich die Beklagte nach wie vor über die Rechtsprechung des Tribunals hinweg."

Die SADC-Gipfel blieben stumm bzw. vertagten die Angelegenheit. Nach dem erwähnten Urteil vom Juli entschied der Gipfel im August 2010: Arbeit und Mandat des Tribunals sollten überprüft und gegebenenfalls neu überarbeitet werden. Dazu wurden zwei Kommissionen berufen. Die eine setzte sich aus den Justizministerien und Generalstaatsanwaltschaften der Länder zusammen, die andere aus Juristen der Universität Oxford. Zusätzlich wurde verfügt, dass die Arbeit des Tribunals bis zum Vorliegen der Gutachten ruhen soll und keine neuen Anträge angenommen werden dürften. Turnusmäßig ausscheidende Richter wurden nicht ersetzt, so dass zur Zeit kein rechtskonformer Prozess möglich ist.

Die Gutachten liegen vor und wurden im März bei einem Treffen der Justizminister in namibischen Badeort Swakopmund diskutiert. Beide Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass die Arbeit und Urteile des Tribunals rechtlich nicht beanstandet werden können und das Tribunal auch in den Grenzen seines Mandats geblieben ist.

Wie wird die Regionalgemeinschaft künftig mit dem Tribunal umgehen, welche Rolle ihm beimessen? Eine erste Antwort ließ die namibische Justizministerin Pendukeni Iivula-Ithana in einer ersten Stellungnahme in Swakopmund erahnen. Gutachten seien das eine, die Entscheidung aber, was mit dem Gutachten geschehen solle, liege bei der Politik.

Beim Sondergipfel der SADC am 20. Mai 2011 in Windhoek stand auch das Tribunal auf der Tagesordnung. Es wurde entschieden, einen Ausschuss aus den Justizministern und Generalstaatsanwaltschaften zu bilden, der das Mandat des Tribunals, wie es im Vertrag von Windhoek 1992 festgelegt wurde, überarbeiten soll. Bis zum nächsten Gipfel im August soll die Kommission einen ersten Zwischenbericht vorlegen. Die Arbeit soll bis zum Augustgipfel 2012 abgeschlossen sein. Man darf davon ausgehen, dass das Mandat dann auf zwischenstaatliche Streitfälle beschränkt wird. Für die Bürgerinnen und Bürger der Region aber wird dieser Weg versperrt sein.

Kurz vor seinem Tod, am 1. April 2011, hat Mike CampbeIl noch einmal Klage erhoben und eine Verurteilung des SADC-Gipfels wegen Untätigkeit beantragt. Das Tribunal kann die Klage nicht mehr annehmen.

Fiat justitia? Nicht für die Landesfürsten der SADC, die eine Weltordnung, wie sie sie verstehen, nicht einfach untergehen lassen. Kant übersetzte den lateinischen Satz übrigens (Zum ewigen Frieden, Anhang): "Es herrsche Gerechtigkeit, die Schelme dieser Welt mögen auch insgesamt darüber zu Grunde gehen." Ein Schelm bedeutete bis in die Kant'sche Zeit "Todbringer" und wurde anfangs auf besonders rabiate (Raub-)Ritter gemünzt.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 3, Mai/Juni 2011, S. 14 - 16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2011