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AFRIKA/1077: Schmutziger Glanz - Bei den Goldwäschern in Manica (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2011

Schmutziger Glanz
Bei den Goldwäschern in Manica

von Judith Christner


Goldrausch, Goldfieber, Goldgräberatmosphäre - Manica boomt. Die Autorin besuchte den Goldgürtel in Westen Mosambiks, begleitet vom orts- und sachkundigen Wolfgang Peuerboeck, Berater der in Manica ansässigen Organisation "Kwaedza Simukai", die Entwicklungsprozesse der benachteiligten ländlichen Bevölkerungsgruppen unterstützt.

Am Morgen sind wir von Manica aus Richtung Berge aufgebrochen. Der sogenannte Goldgürtel zieht sich von den Bergen um Gorongosa über den Grenzort Phenalonga bis zu den Bergketten westlich von Chimanimani in Simbabwe.

Veränderungen waren schon in Manica spürbar. Die ehemals verschlafene Kleinstadt in der Nähe der simbabwischen Grenze hat sich zu einem quirligen Handelszentrum entwickelt. Die Preise für fast alles sind erheblich gestiegen, ebenso die Mieten, die Einheimische, aber auch ausländische Entwicklungshelfer schon lange nicht mehr bezahlen können. Dort wohnen jetzt die eigentlichen Geschäftemacher, die Goldaufkäufer, überwiegend Libanesen und Nigerianer, einige Chinesen und Amerikaner, aber auch wohlhabende Mosambikaner.

Raus aus dem Trubel geht es über eine holprige Sandpiste, und schon kurze Zeit später tauchen die Bergketten in der Ferne auf - und auch die Spuren, die der Goldboom dort hinterlassen hat. Kahle Hänge, der natürlichen Vegetation beraubt, von Händen oder Baggern in Goldgräberfelder verwandelt. Kleine Flüsse, die wir passieren, sind verschlammt und ohne Leben.

Wir wollen nach Fenda, der Goldgräberstadt. Auf dem Weg dorthin weist eine Tafel auf die "Mambas Mineiras LDA". Wir machen einen Abstecher.


Machamba - ein Feld mit Gold

Wir kommen an eine weitläufig umzäunte machamba. Doch hier wird kein Mais, kein Maniok mehr angepflanzt. Die machamba hat sich in ein Goldgräberfeld verwandelt. Nach kurzen Fragen finden wir den Verantwortlichen. Nach der ausführlichen landesüblichen Begrüßung erklären wir unseren Besuch mit privater Neugier. Wir wollten sehen, wie die Arbeit der Goldgräber funktioniere, um den Kindern und Jugendlichen im unserem Zentrum davon zu erzählen und Bilder zu zeigen. Damit waren die Türen geöffnet, und das Misstrauen des Chefs dieses bestenfalls halblegalen Unternehmen zerstreut.

Diese Mambas Mineiras funktioniert nach folgendem Prinzip: Ganz oben steht der Dono, der Besitzer der machamba. Er verkauft Schürfrechte an einzelne Goldgräber und erhält auch einen Anteil an deren Gewinnen. Der Goldgräber bekommt einen Claim zugewiesen, mit der er Gruben auf eigene Rechnung betreibt. Die eigentliche Arbeit überlässt er in der Regel einer Gruppe von Untergebenen, die im schlammigen Grund dieser Tagegruben nach Gold suchen. Auf dieser machamba gibt es viele Gruben, alle zwischen dreizehn und fünfzehn Meter tief. Täglich, so berichtet unser freundlicher Begleiter, wird der Tagesgewinn aufgeteilt. Alles sei klar geregelt und von daher gebe es auch keine Probleme. 1.000 Meticais werden derzeit für ein Gramm Goldstaub auf dem Markt in Manica erzielt, das sind umgerechnet etwa 27 Euro.

Und auch der Umweltaspekt werde hier bedacht, so hören wir. Quecksilber als Scheidemittel werde nicht benutzt. Das Wasser, in dem das Gold ausgewaschen wird, werde nicht dem Fluss entnommen. Für die Goldwäsche werde Grundwasser hochgepumpt, das dann wieder im Boden versickere. Am Ende würden die Gruben wieder aufgefüllt, so dass in Zukunft auf diesem Feld sogar wieder Landwirtschaft betrieben werden könne, so wird uns uns treuherzig berichtet.

Die Arbeit ist hart und mühselig. Mit bloßen Händen wird der kostbare Schlamm in kleinen Plastikschüsseln immer wieder gewaschen. Knietief stehen die Goldwäscher im eiskalten Wasser. Doch unzufrieden wirken sie nicht. Auch Frauen arbeiten dort. Wir treffen zwei, von denen eine die Betreiberin einer kleinen Mine ist. Beide sind stolz auf ihre Arbeit. Frauen - sagen sie - seien für diese Arbeit nicht weniger geeignet als Männer. Die Arbeit sei zwar schwer, aber kaum mehr als die tägliche Feldarbeit, für die sie keine Bezahlung erhielten. Warum also nicht die Arbeitskraft in bezahlte Arbeit stecken?


Fenda - die Goldgräberstadt

Wir bedanken uns für den freundlichen Empfang und machen uns auf den Weg nach Fenda, eine "Goldgräberstadt" mit unzähligen Hütten aus Stroh und Plastik. Diese Ansiedlung ist illegal, wird aber geduldet. Die Stimmung hier ist abweisender. Wir werden misstrauisch beäugt.

Der nette Fernando, den wir für unsere Begleitung gewonnen hatten, erklärt uns bereitwillig das hiesige System. Die Dona der machamba, die wir beim Rundgang dort antreffen, wo der Schlamm gewaschen und damit das Gold zu Tage gefördert wird, hat die Erschließung der Mine und die Schürflizenz einem "Steiger" übertragen. Als Gegenleistung ist sie zur Hälfte am Gewinn beteiligt. Der Steiger wiederum wäscht entweder den Goldschlamm selbst oder beschäftigt gegen Bezahlung Goldwäscher. Er beschäftigt auch Träger, die den ausgehobenen Schlamm von der Mine zum Fluss bringen. Dort wird gewaschen, und das Abwasser geht zurück in den Fluss. Die Träger erhalten pro Sack (ca. 40 kg) 10 Meticais (ca. 27 Cent). Die Wegstrecke beträgt ein bis zwei Kilometer. Die Schlepperei machen vor allem ältere Frauen, Jugendliche und auch Kinder. Die jüngeren Frauen gehen eher einem anderen Geschäft nach, das ist offensichtlich und auch bekannt: Die Prostitution ist Teil des Goldrausches. Hektisch geht es auf den Goldfeldern zu. Der sonst in Mosambik übliche Schlendrian, der ruhige Umgang mit Zeit und Arbeit, ist hier einem rastlosen, schnellen und geschäftigen Treiben gewichen.

Wir machen uns auf den Weg zu unserem eigentlichen Ziel, der offiziellen Gold mine.


Vom Tonnengewicht zur Unze

Die legale Goldmine liegt nicht weit entfernt von Stätten, die wir bisher gesehen haben. Goldgräber wie dort sind hier nicht zu sehen. Hier stehen eine Maschinenanlage, große Klärbecken für das "Waschwasser", ein brummender Stromgenerator. Die Anlage gehört einem Südafrikaner, der jedoch zurzeit abwesend ist. Die wenigen Arbeiter, die wir vor Ort antreffen, zeigen und erklären uns die Anlage. Die Angestellten der Mine erhalten ein Monatsgehalt, über dessen Höhe sie sich allerdings ausschweigen. Einige Mitarbeiter sind zudem Mitglieder in einer Vereinigung, die mit dreißig Prozent an der Mine beteiligt ist. Der Gewinn wird unter den Mitgliedern aufgeteilt, ein Zubrot zum Verdienst aus der Arbeit.

Wir besichtigen die großen "Waschtrommeln" und die Brech- und Mahlwerke, die Gestein zu Sand vermahlen, und dürfen auch einen Blick ins Labor werfen. Es ist feucht, schlammig, ein wenig wie eine Hexenküche. Hier wird in elektrisch betriebenen Trommeln feingesiebter, goldhaltiger Sand mit Wasser aufgeschlämmt und dann auf einem Rütteltisch weiter ausgesiebt. Die goldhaltigen Sande und Schlämme werden danach mit Quecksilber zu einer silbrig-flüssigen Legierung vermischt. Übrig bleibt ein kleiner Blechteller - es sind genau die Teller, auf denen die Mosambikaner sonst ihre Massa und die Bohnen anrichten. Der wird dann in einem kaminähnlichen Ofen erhitzt. Das Quecksilber verdampft. Und dann liegt das Endprodukt auf dem Blechteller - der Goldstaub. Was oben in den Bergen mit tonnenschweren Schaufelbaggern ausgehoben wurde, endet im Goldhaus als in Gramm und später in Unze gemessene Goldausbeute.


Goldige Zukunft?

Der Glanz des Goldes löst zweifelsohne eine Faszination aus. Doch die Förderung ist ein mühsames, schmutziges und zerstörerisches Geschäft: Kriminalität, Alkoholismus, Drogenkonsum, Prostitution, Kinderarbeit. Zerstörte Infrastruktur und gestörte Biosysteme. Verschwundene Wälder, dauerhaft vergiftete und verschmutzte Flüsse. Fische, Krokodile und Flusspferde sind verschwunden. Die Menschen können ihr Wasser nicht mehr aus den Flüssen holen. Auch die in Mosambik ohnehin verbreitete Korruption hat ein neues Betätigungsfeld gefunden. Die Regierung schweigt, doch es ist ein offenes Geheimnis, dass sich etliche Politiker und Funktionäre die stille Duldung etwas kosten lassen.

Andererseits, so haben wir in den Gesprächen mit den Goldgräbern erfahren, gibt es ein relativ gutes Familieneinkommen, neue Infrastrukturen, von denen die lokale Bevölkerung in gewisser Weise profitiert, da sich ein neues geschäftliches Umfeld entwickelt, in dem neue Einkommensquellen geschaffen werden können wie Verkaufsstände oder kleine Lokale. Die Atmosphäre wird von den Ansässigen auch als lebendiger und abwechslungsreicher erlebt.

Wer auf der Sonnenseite steht, nimmt eher die schwerwiegenden negativen Begleiterscheinungen - wahr, eine keineswegs "goldige" Zukunft. Das Goldgräbergeschäft verändert die familiären Strukturen. Kinder werden aus der Schule genommen, um auf den Goldfeldern zum Familieneinkommen beizutragen. Frauen prostituieren sich in diesem Umfeld zunehmend. Männer im Goldrausch verfallen leichter dem Alkohol und den Drogen.

Doch das blenden die Mosambikaner und Mosambikanerinnen (noch) aus. Viele hatten Mühe, täglich über die Runden zu kommen; hier sind sie der äußersten Armut entronnen und müssen nicht mehr von der Hand in den Mund leben.

Die wirtschaftliche Lage im Land ist schwierig. Für immer mehr Menschen gibt es immer weniger Arbeit, Lohn und Brot. Ist es nicht naheliegend, dorthin zu gehen, wo sie das alles bekommen?


Die Autorin ist eine vom EED entsandte Beraterin in einem Frauen- und Kinderprojekt in Chimoio, das vorwiegend aktiv ist im Bereich häusliche und sexuelle Gewalt, Aids-Prävention sowie Begleitung und Ermutigung von Kindern und Jugendlichen, die von Aids betroffen sind.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2011, S. 24 - 25
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2011