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AFRIKA/1079: Sambia - Überraschender Regierungswechsel (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2011

Überraschender Regierungswechsel
Michael Sata: Präsident Sambias beim vierten Anlauf

von Peter Meyns


Am 20. September haben in Sambia mit großer Spannung erwartete Präsidentschafts-, Parlaments- und Lokalwahlen stattgefunden. Seit der Wiedereinführung eines Mehrparteiensystems im Jahr 1991 hatte die "Movement of Multiparty Democracy" (MMD) ununterbrochen die Macht innegehabt. Auch bei diesem 6. Wahlgang seit der Gründung der 3. Republik sahen seriöse Meinungsumfragen den amtierenden Präsidenten Rupiah Banda erneut vorne. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl strafte sie jedoch Lügen: Bandas größter Konkurrent, Michael Sata, von der "Patriotic Front" (PF) gewann die Wahl mit deutlichem Vorsprung von 42 Prozent der Stimmen gegen 36 Prozent für Banda und ist damit nach drei vergeblichen Anläufen zum Präsidenten Sambias gewählt worden. Auch im Parlament errang seine Partei eine Mehrheit der Sitze, allerdings nur eine einfache Mehrheit mit 60 von 148 Sitzen.


Für Sambia beginnt durch die Abwahl der MMD nach 20 Jahren an der Macht eine neue Phase der politischen Entwicklung. Wahlen sind seit 1991 regelmäßig abgehalten worden. Wegen häufiger Unregelmäßigkeiten befand sich das Land in den letzten Jahren jedoch nur im Mittelfeld der Beurteilung politischer Systeme durch den Freedom House Index und wurde als "teilweise frei" eingestuft. Auch die jetzige Wahl, die die Wahlbeobachtermission der EU als insgesamt gut organisiert und transparent bezeichnete, wurde durch den Missbrauch öffentlicher Ressourcen durch die MMD als Regierungspartei und die einseitige Berichterstattung der staatlichen Medien beeinträchtigt. Der zweite friedliche Regierungswechsel (1991 war der erste) spricht aber für die Akzeptanz eines kompetitiven politischen Systems. Sambia hebt sich insoweit deutlich von seinen Nachbarn im Südlichen Afrika (Angola, Malawi und Simbabwe) ab.

Ob allerdings der neue Präsident alle Erwartungen erfüllen wird, muss sich noch erweisen. Nach Schließung der Wahllokale gingen Anhänger seiner Partei am Kupfergürtel und in der Hauptstadt Lusaka auf die Straße, um gegen vermeintliche Wahlfälschung zu protestieren. Zwei Tage später, als die Wahlkommission das offizielle Ergebnis bekannt gab, brachen dieselben Anhänger in Jubelstürmen aus. Wäre das Ergebnis anders ausgefallen, wäre es mit ziemlicher Sicherheit zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Die PF hatte während des Wahlkampfes wiederholt die Angst vor Wahlfälschungen geschürt.


Politische Turbulenzen vor den Wahlen

Hatte die MMD die beiden ersten Wahlen in der 3. Republik (1991, 1996) mit großer Mehrheit gewonnen und sich als dominante Partei etabliert, waren die Wahlen seither alle heftig umkämpft. Auslöser der politischen Turbulenzen war der Versuch des damaligen Präsidenten Chiluba, vor den Wahlen von 2001 durch eine Verfassungsänderung sich eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Proteste in der Zivilgesellschaft wie auch in der MMD selbst brachten den Versuch zu Fall, führten indessen zur Abspaltung mehrerer neuer Parteien von der MMD.

Symptomatisch für das machtorientierte Interesse der Widersacher Chilubas war das Verhalten des heutigen Präsidenten Michael Sata. Er hatte sich bereits im nachkolonialen Sambia unter dem Gründungsvater der Nation, Kenneth Kaunda, und seiner Partei United National Independence Party (UNIP) einen Namen als hemdsärmeliger und durchsetzungsfähiger Populist (Spitzname: King Cobra) gemacht. In der 3. Republik wurde er, nun bei der MMD, zu einem engen Vertrauten von Chiluba und war als Nationalsekretär der Partei der Organisator der Kampagne für eine dritte Amtszeit. Als das schief ging, erwartete er, Präsidentschaftskandidat der MMD zu werden. Chiluba setzte aber Levy Mwanawasa durch, seinen ehemaligen Vize-Präsidenten, der nach Differenzen wegen Fragen guter Regierungsführung zu Satas Intimfeind geworden war. Daraufhin gründete Sata seine eigene Partei, die PF.

Bei der Wahl 2001 spielten Sata und die PF noch keine wichtige Rolle. Vielmehr erwies sich die United Party for National Development (UPND), die wenige Jahre zuvor von einem ehemaligen Manager der Kupferminen, Anderson Mazoka, gegründet worden war, als stärkster Herausforderer der MMD. Nur mit einer knappen Mehrheit von 28,7 Prozent der Stimmen konnte sich Mwanawasa gegen Mazoka (26,7 Prozent) durchsetzen. Eine Verfassungsänderung, die Chiluba 1996 durchgesetzt hatte, nach der bei der Wahl des Präsidenten eine einfache (anstatt einer absoluten) Mehrheit genügt, kam Mwanawasa dabei zugute.

Als Präsident profilierte sich Mwanawasa, ein angesehener Rechtsanwalt, mit der Losung "Null Toleranz für Korruption". Er setzte sich für die Aufhebung der Immunität Chilubas ein, so dass der ehemalige Präsident - zusammen mit mehreren seiner finanziellen Gehilfen aus der Regierung und dem Geschäftsleben - vor Gericht gestellt werden konnte. Sata wurde zum Lautstärksten Kritiker der Regierung und griff dabei vor allem die wirtschaftlichen Nöte der städtischen Bevölkerung in der Hauptstadt sowie am Kupfergürtel auf. Zudem sprach er die Bemba-Bevölkerung in den beiden nördlichen Provinzen des Landes an, von wo auch Chiluba stammte. Sata sprach sich gegen den Prozess gegen Chiluba aus, so dass dieser sich auf die Seite der PF stellte.

Durch seine Politik hatte Sata wichtige Teile der langjährigen Anhängerschaft der MMD auf seine Seite gezogen. Bei der Wahl 2006 waren er und die PF bereits zur zweitstärksten politischen Kraft geworden. Die UPND hatte sich selbst geschadet, als in der Partei nach dem Tod ihres erfolgreichen Präsidenten Mazoka Anfang 2006 eine Diskussion geführt wurde, dass sein Nachfolger ein Tonga aus der Südprovinz sein müsse und ein unbekannter Geschäftsmann, Hakainde Hichilema, gewählt wurde. Für viele war die Partei damit als Tonga-Partei abgestempelt, und sie fiel hinter die PF zurück. Mwanawasa hatte als Präsident an Statur gewonnen und setzte sich gegen Sata und Hichilema durch.

Die Verschiebungen in der politischen Arena wurden manifest, als Mwanawasa 2008 unerwartet verstarb. Er hatte nach dem Wahlsieg 2006, bei der die MMD in den nördlichen Provinzen viele Stimmen und Sitze im Parlament an die PF verloren hatte, den Vize-Präsidenten aus der Ostprovinz ausgewählt, wo die UNIP in der 3. Republik nach ihrem Machtverlust ihre letzte verbliebene Hochburg gehabt hatte, nun aber die MMD besonders erfolgreich gewesen war.

Rupiah Banda, wie Sata ein alter Kämpe aus der UNIP-Zeit, nutzte nun seine Stellung als Vize-Präsident und damit Interimspräsident nach Mwanawasas Tod, um sich gegen heftige Konkurrenz aus den Reihen der MMD an die Spitze der Partei zu setzen. Bei der Nachwahl zur Präsidentschaft Ende 2008 wurde er zum 4. Präsidenten Sambias gewählt, allerdings mit einer nur sehr knappen Mehrheit von 40,1 Prozent der Stimmen gegenüber 38,1 Prozent für Sata.

Sata war nun mit seiner Unterstützung in den urbanen Zentren Sambias und in den nördlichen Provinzen zu einer ernsten Herausforderung der MMD geworden, die in den ländlichen Gebieten und in der Ostprovinz die größte Unterstützung hatte.


Wirtschaftsaufschwung zu Beginn des Millenniums

Sambia hat nach vielen Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs, während denen es in die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) in der Welt abgerutscht ist, im ersten Jahrzehnt des neuen Millenniums den Abwärtstrend beenden können und einen durchaus bemerkenswerten Aufschwung realisiert. Davon haben sowohl Mwanawasa als auch Banda profitiert, für die die Kooperation mit internationalen Gebern und Investoren einen hohen Stellenwert hatte.

Zum einen hat Sambia erfolgreich am HIPC-Prozess für hochverschuldete arme Länder partizipiert. Es hat 2002 ein Strategiepapier für die Armutsbekämpfung (PRSP) aufgelegt und 2004 den angestrebten Punkt (completion point) erreicht, der dem Land einen signifikanten Schuldenerlass einbrachte. Tatsächlich ist die internationale Verschuldung des Landes 2005/06 von über 7 Mrd. auf 600 Mio. US-Dollar reduziert worden. Damit war Sambia von der Bürde der riesigen Schuldenlast befreit, die es in den Jahren der Krise angehäuft hatte, und konnte ohne den ständigen Druck der Schuldendienstverpflichtungen seine wirtschaftliche Entwicklung auf eine stabile Grundlage stellen.

Dies wurde für Sambia als eine rohstoffexportierende Ökonomie begünstigt durch den steigenden Weltmarktpreis für Kupfer, seinem wichtigsten Exportprodukt. Von unter 2.000 US-Dollar/t im Jahr 2003 stieg der Weltmarktpreis Anfang 2011 kurzzeitig auf über 10.000 US-Dollar/t. Zwischendurch gab es kräftige Preisschwankungen, aber bei generell aufsteigender Tendenz und steigender Nachfrage. Erhebliche Investitionen in die Kupferindustrie flossen ins Land, nicht zuletzt von Unternehmen aus China und Indien, so dass die Kupferproduktion Sambias am Ende des Jahrzehnts erstmals wieder 700.000 Tonnen/Jahr überstieg, ein Niveau, das zuletzt in den Boomjahren vor 40 Jahren kurz nach der Unabhängigkeit erreicht wurde.

Vor diesem Hintergrund wuchs die Wirtschaft Sambias seit dem Beginn des Millenniums jährlich um mindestens fünf Prozent, 2010 sogar um 7,6 Prozent. Von der Banda-Regierung stark bejubelt wurde 2011 die Nachricht von der Weltbank, dass Sambia, nachdem es die Schwelle eines Pro-Kopf-Einkommens von 1.006 US-Dollar überschritten hatte, nach vielen Jahren wieder als ein Land mit mittlerem Einkommen (MIC) eingestuft wurde. Es gehört damit zu den wirtschaftlich erfolgreicheren Ländern des Kontinents. Günstige Regenfälle ermöglichten zudem Ende des Jahrzehnts in der Landwirtschaft Rekordernten. 2009/2010 wurden 2,8 Millionen Tonnen Mais geerntet, weit mehr als die Bevölkerung Sambias pro Jahr benötigt, und auch die Erntesaison 2010/11 brachte einen Überschuss.

Diese großenteils auf externe Bedingungen beruhenden positiven Ergebnisse führte die Banda-Regierung auf ihre gute Politik zurück und ging mit der Losung "Development by all, for all" und der Marschroute, weiter zu machen wie bisher - "status quoism", wie ein Beobachter sagte - in den Wahlkampf.

Sieht man davon ab, dass der Amtsinhaber durch die Verfügung über staatliche Ressourcen ohnehin im Vorteil ist, schien vieles dafür zu sprechen, dass Banda und die MMD die Wahlen erneut gewinnen würden. Die Wähler haben diesmal aber anders entschieden.

Die guten gesamtwirtschaftlichen Zahlen täuschen über die Lebenssituation vieler Menschen in Sambia hinweg. Das Wachstum ist äußerst ungleich verteilt. Noch immer leben etwa zwei Drittel der Menschen im Land unter der Armutsgrenze. Das Pro-Kopf-Einkommen ist zwar gestiegen, aber beim HDI-Index für menschliche Entwicklung rangiert Sambia weiterhin auf einem der hinteren Ränge: Rang 150 von 169 berücksichtigten Ländern im Jahr 2010 mit einem Wert von 0,395. Es gehört zu den ganz wenigen Ländern, bei denen seit 1990 kein Fortschritt beim HDI-Index erzielt wurde, wenngleich seit dem Tiefpunkt 2000 ein leichter Aufwärtstrend zu beobachten ist.

Die soziale Ungleichheit im Land hat Sata in seiner unermüdlichen Kritik der MMD-Regierung thematisiert. Die schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhne im Kupfergürtel hat er angeprangert, und mit seiner Kritik von der Regierung hofierter chinesischer Investoren, die sambische Arbeiter ausbeuten würden und eigene ungelernte Arbeiter ins Land bringen, statt lokale Arbeiter zu beschäftigen, viele Menschen in städtischen Randgebieten angesprochen und junge Arbeitslose mobilisiert. Die Losung, mit der die PF in den Wahlkampf gegangen ist: "For lower taxes, more jobs and more money in your pockets", zielte auf die unterprivilegierten Schichten des Landes.


"Don't kubeba" - die Rache des kleinen Mannes

Vor der Präsidentschaftswahl 2011 sah es aus, als würde sich das Szenario von 2001 wiederholen, als die diskreditierte und geschwächte MMD nach einer knappen und sehr umstrittenen Wahl dennoch erneut die Regierung stellte, da die große Zahl oppositioneller Kandidaten sich gegenseitig die Stimmen streitig machten. Rein rechnerisch hätte ein gemeinsamer Kandidat schon von zwei Parteien genügt, um die Wahl zu gewinnen. 2011 gab es erneut zehn Kandidaten. 2009 verkündeten PF und UPND, die beiden stärksten Oppositionsparteien, einen Pakt, um die bevorstehenden Wahlen gemeinsam zu bestreiten.

Angesichts der Ausrichtung der PF auf unterprivilegierte Schichten und der Betonung eines guten Geschäftsklimas, um Investitionen und Wachstum zu fördern, durch die UPND gab es inhaltlich keine große Übereinstimmung zwischen den beiden Parteien. Es war ein wahltaktischer Pakt, da die PF in Städten und im Norden Sambias ihre Hochburgen hat, während die UPND in der Südprovinz zu Hause ist - wobei ethnische Animositäten zwischen Bembas im Norden und Tongas im Süden das Wahlverhalten durchaus hätten beeinflussen können. Es kam aber nicht dazu, denn der Pakt scheiterte - wie so oft bei kurzlebigen Allianzen zwischen Parteien zuvor - bereits ein Jahr später an den Machtambitionen der beiden Parteiführer. Vor allem für Sata kam nur er selbst als Präsidentschaftskandidat in Frage. So traten PF und UPND erneut jeder für sich an.

Bandas Politik beruhte auf Machterhalt. Nach Mwanawasas Tod hatte er sich gegen zahlreiche Konkurrenten in der MMD durchgesetzt, die er teilweise danach aus der Partei drängte. Gegen Sata setzte er sich 2008 nur knapp durch, wobei er die Unterstützung im Norden und am Kupfergürtel, die früher der Rückhalt der MMD gewesen war, an Sata verlor. Dies mag der Grund dafür sein, dass er, als Chiluba nach jahrelangem Prozess vom Gericht freigesprochen wurde, trotz verbreiteter Empörung in der Bevölkerung erklärte, keine Berufung gegen das Urteil zu beantragen. Den Verantwortlichen der Anti-Corruption Commission, der das befürwortet hatte, entließ er auf der Stelle. Einmal abgesehen davon, dass unter Bandas Herrschaft der Kampf gegen die Korruption keinen hohen Stellenwert mehr hatte, war sein Kalkül, dass Chiluba ihm im Norden Sympathien einbringen würde. Chiluba wandte sich tatsächlich in Sambia-typischem "party hopping" von der PF ab und der MMD wieder zu. Ob seine Unterstützung Banda viel genützt hätte, bleibt zweifelhaft. Vor den Wahlen verstarb Chiluba jedoch.

Den Wahlkampf führte Banda unter starkem Einsatz staatlicher Ressourcen. Obwohl traditionelle Chiefs sich politischer Stellungnahmen enthalten sollen, warb er bei lokalen Zeremonien um deren Unterstützung. Wenn aber einer, wie in Chongwe, wo eine prominente MMD-abtrünnige Kandidatin zur Wahl stand, sich gegen ihn stellte, drohte er mit Amtsenthebung. Vor allem aber suchte die MMD, den Wahlerfolg sicherzustellen, indem sie in einem auffälligen Umfang während des Wahlkampfes Geschenke wie T-Shirts oder die beliebten chitenge-Stoffe verteilte, teils sogar noch wertvollere Dinge. Da es in Sambia keine institutionalisierte Parteienfinanzierung gibt, fragte man sich, woher die sonst klamme Partei die dafür erforderlichen Mittel hatte.

Sata und die PF haben eine Gegen kampagne lanciert, die in den letzten Wochen des Wahlkampfes für viel Wirbel gesorgt hat. Sie haben die Losung "don't kubeba" ausgegeben, ein Bemba-Wort, das so viel heißt wie "sag kein Wort".

Die Botschaft war, nimm alle Geschenke, die du bekommen kannst - sie wurden ohnehin von unserem Geld bezahlt -, und wähle, was du möchtest, am besten natürlich Sata und die PF. Ein solches Wählerverhalten - die Rache des kleinen Mannes - ist von vielen Ländern bekannt. Die Losung "don't kubeba" zu einem zentralen Thema im Wahlkampf zu machen, ist für Satas populistisches Politikverständnis in besonderem Maße charakteristisch. Zusammen mit einer verbreiteten Stimmung im Land, Banda abzuwählen, und der Tatsache, dass eine Million Neu-Wähler registriert worden waren, mag sie dazu beigetragen haben, dass Sata beim vierten Anlauf Präsident Sambias geworden ist.


Wie geht es in Sambia weiter?

Der Staatspräsident hat in Sambia weitgehende Machtbefugnisse. Eine Vorhersage, wie Sata seine Macht nutzen wird, ist nicht einfach. Er gilt als unberechenbar und sprunghaft. An seinem autokratischen Herrschaftsanspruch hat er bereits als PF-Führer keinen Zweifel gelassen. Großspurig hat er im Wahlkampf versprochen, nach der Machtübernahme Sambia in 90 Tagen zu verändern. Damit hat er Erwartungen geweckt, an denen Anhänger wie Gegner seine Politik messen werden.

Aufmerksam verfolgt wird das Verhältnis der neuen Regierung zu den Investoren aus China, die Sambia - neben Angola und dem Sudan - zu einem der Schwerpunktländer ihres Engagements in Afrika gemacht haben. Während die Regierungen zuvor sie hofiert haben, hat Sata sie in der Vergangenheit als neue Ausbeuter heftig kritisiert. Es liegt nahe, dass sie lieber mit Banda weiter gemacht hätten. Während des Wahlkampfes machte sogar das - unbewiesene - Gerücht die Runde, das Geld für die reichlichen Wahlgeschenke der MMD käme aus China. Nach der Wahl hat China etwas kleinlaut seine Bereitschaft zur Kooperation mit der neuen Regierung bekundet. Auch Sata hat zuletzt erklärt, nicht grundsätzlich gegen Chinas Engagement in Sambia zu sein, aber betont, dass es der Entwicklung Sambias stärker zu Gute kommen müsse.

Was das Verhältnis zu Simbabwe, Sambias Nachbarn im Südlichen Afrika, angeht, hat Sata im Unterschied zu seinem Vor-Vorgänger Mwanawasa, der die Menschenrechtsverletzungen der Mugabe-Regierung kritisiert und Sambia damit regionalpolitisch profiliert hatte, Verständnis für deren nationalistische Politik geäußert. Es ist daher anzunehmen, dass Sambia unter Sata die derzeitige Status-quo-Politik der SADC zu Simbabwe unterstützen wird.

Trotz der exekutiven Befugnisse des Staatspräsidenten kann die Sata-Regierung jedoch nicht ganz frei schalten und walten, denn die PF hat im Parlament mit 60 von derzeit 148 Sitzen (8 Abgeordnete kann der Präsident nominieren) keine absolute Mehrheit, muss daher mit der Opposition zusammenarbeiten, um Gesetze zu verabschieden. Als Staatspräsident wird Sata daher seinen oppositionellen Populismus zurückstellen und seine pragmatische Seite, die in seiner Politikerlaufbahn durchaus auch zum Tragen gekommen ist, in der Regierungsverantwortung in den Vordergrund stellen müssen.

Ein erstes erfolgreiches Beispiel dafür lieferte die Wahl des Parlamentspräsidenten, die der Regierungskandidat, ein parteiunabhängiger Richter, mit 78 zu 77 Stimmen gegen den Oppositionskandidaten gewann. Andere Entscheidungen der ersten Tage der Sata-Regierung wie die sofortige Reduktion der Benzinpreise oder die Ankündigung der Erhöhung der Mindestlöhne tragen indessen weiterhin populistische Züge.


Präsidentschaftswahl 2011
Kandidaten
Partei
Stimmen
in %
Sata, M.
Banda, R.
Hichilema, H.
Andere (7)
PF
MMD
UPMD

1.170.966
987.866
506.763
67.067
41,98
35,42
18,17
2,40

Wahlbeteiligung: 53,98%.
Quelle: Electoral commission of Sambia


Parlamentswahl 2011
PF
MMD
UPND
FDD
ADD
Unabhängige
60 Sitze
55 Sitze
28 Sitze
1 Sitz
1 Sitz
3 Sitze

In zwei Wahlkreisen muss wegen Todesfällen
nachgewählt werden. Ein MMD-Mitglied hat
seinen Sitz zurückgegeben. Acht Abgeordnete
wurden vom Präsidenten nominiert; die PF
verfügt damit über 68 Sitze im derzeit
156-köpfigen Parlament.

Quelle: Electoral Commission of Sambia


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2011, S. 26 - 28
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2011