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AFRIKA/1440: Mugabe 2.0 - Simbabwe im Rückwärtsgang (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, Dezember 2018

Mugabe 2.0 - Simbabwe im Rückwärtsgang

von Alfred Obed Rankomise


Anhörung zu Simbabwe im Afrika-Unterausschuss für Aussenpolitk des US-SENATS. Bei der Frage, ob die seit 2001 gegen Simbabwe verhängten US-Sanktionen aufgehoben werden können, zeigt sich die US-Regierung unnachgiebiger als Deutschland und die Europäische Union.


Während Deutschlands Außenminister Maas mittlerweile in Umfragen als Deutschlands "angesehenster Politiker" gilt und immer wieder betont, dass er Außenpolitik jetzt auf ein moralisches Fundament gestellt habe, wurde bei einer Anhörung des US-Senats über die Menschenrechtslage in Simbabwe am 6.12.2018 nicht nur offen diskutiert, es wurden auch Wahrheiten ausgesprochen. U.a. wurde konstatiert, Simbabwes "neuer" Präsident Emmerson Mnangagwa sage zwar die richtigen Dinge, aber er halte keines seiner Versprechen.

Matthew Harrington, Stellvertretender Staatssekretär für Afrika im US-Außenministerium, unterstrich bei der Anhörung des Afrika-Unterausschusses für Auswärtiges im US-Senat, die USA seien bereit für verbesserte Beziehungen zu Simbabwe, benötigten aber konkrete Reformen, bevor die ZIDERA-Sanktionen (Zimbabwe Democracy and Economic Recovery Act von 2001) aufgehoben werden könnten.

Während der Amtszeit von Präsident George W. Bush initiierten u.a. Jesse Helms, Senatorin von den Republikanern für North Carolina, Hillary Clinton, Senatorin der Demokraten für New York, und der demokratische Senator Joseph Biden (Delaware) im August 2001 Sanktionen gegen die Regierung des Autokraten Robert Mugabe. Mit dem Gesetz sollten Einzelpersonen und Dutzende von Unternehmen bestraft werden, die mit der Zanu-PF-Regierung kooperieren.

Emmerson Mnangagwa gehört immer noch zu den 141 Personen und Institutionen, die weiterhin von den US-Sanktionen betroffen sind. Am 25. Juli 2018, wenige Tage vor den Wahlen in Simbabwe, wurden die Sanktionen verlängert. Mugabe, Mnangagwa, die Zanu-PF und deren Sympathisanten machten die Sanktionen für die sich immer weiter verschlechternde Wirtschaftslage im Land verantwortlich und behaupteten, diese machten es dem Land unmöglich, Zugang zu internationalen Kreditlinien zu erhalten.

Die EU hatte nach dem Verfassungsreferendum 2013 faktisch alle Sanktionen gegen Simbabwe aufgehoben und sich auf ein Einreiseverbot für Einzelpersonen konzentriert. Auch die bundesdeutsche Politik schlug ab Ende 2013 einen konzilianteren Weg gegenüber dem autoritären System ein und versuchte eine Neuaufnahme des Dialogs.

Konkrete Forderungen genannt

Im Unterausschuss für Auswärtiges wurden unter anderem auch die juristische Verfolgung des Oppositionspolitikers und ehemaligen Finanzministers Tendai Biti von der MDC (Movement for Democratic Change) thematisiert. Die US-Senatoren sehen dies als Versuch, die Demokratiebewegung im Land zu untergraben und die Menschen einzuschüchtern. Auch die bisher ungenügende Aufklärung und Verschleierung der Ermordung von unbewaffneten Demonstranten am 1. August 2018, am Tag nach den Wahlen, wurde von den Senatoren angeprangert. "Wir wollen, dass Simbabwe wieder erfolgreich ist, und wir würden bessere Beziehungen begrüßen, aber der Ball liegt jetzt im Feld der simbabwischen Regierung", sagte Harrington.

Der Minister stellte konkrete Forderungen an die Regierung in Harare: "Erstens sollte sie Gesetze wie das Gesetz über öffentliche Ordnung und Sicherheit (POSA) und das Gesetz über den Zugang zu Informationen und den Schutz der Privatsphäre (AIPPA) aufheben, die seit langem dazu dienen, die Menschenrechte in Simbabwe zu unterdrücken. Zweitens sollte die Regierung die Schikanen gegen Mitglieder der politischen Opposition unverzüglich beenden, sie sollte die Anklage gegen Tendai Biti und all diejenigen, die willkürlich wegen der Ausübung ihrer Menschenrechte und Grundfreiheiten inhaftiert wurden, fallen lassen. Drittens sollte die Regierung die Täter der Gewalt vom 1. August voll zur Verantwortung ziehen, und viertens sollte sie schnell handeln, um sicherzustellen, dass die Gesetzgebung mit der Verfassung von 2013 übereinstimmt."

Senator Jeff Flake, Vorsitzender des Afrika-Unterausschusses, bezichtigte das Militär, für die Ermordung von sechs Menschen an 1. August verantwortlich zu sein. Todd Moss vom Washingtoner Center for Global Development empfahl der US-Regierung, der neuen simbabwischen Regierung nicht zu trauen und den Druck weiter aufrechtzuerhalten. Der Experte war Mitglied einer Delegation ehemaliger US-Diplomaten, die Simbabwe noch vor den Wahlen besuchen durfte. Sein Eindruck war geprägt von einem hohen Maß an Pessimismus. Die versprochenen Reformen seien eine "schlecht getarnte Farce", jedoch keine sinnvollen Veränderungen, meinte Moss. Die Wahlkommission sei alles andere als unabhängig gewesen. Wie in der Vergangenheit haben die Zanu-PF und die Sicherheitskräfte Einschüchterung und Gewalt eingesetzt, um die Stimmabgabe massiv zu beeinflussen. Das Militär sei offensichtlich in den Wahlausgang involviert. Die Zanu-PF habe die Ausgabe von Nahrungsmitteln zur Wahlbeeinflussung genutzt.

Moss zum Ausschuss: "Mugabe mag weg sein, aber die Regierung besteht weitgehend immer noch aus den gleichen alten Akteuren ... Es gab keinen echten Versuch, mit den Gräueltaten der Vergangenheit umzugehen. Dazu gehören die Massaker in Matabeleland, die Gewalt und Morde nach den Wahlen von 2008 und sogar das jüngste Verschwinden und die mutmaßliche Ermordung von Menschenrechtsaktivisten wie Itai Dzamara. Selbst der Mord an sechs Zivilisten vor aller Augen der Welt am 1. August wurde vertuscht. Die Regierung versuchte sogar, die Opposition für die Gewalt verantwortlich zu machen, als die TV-Kameras Soldaten zeigten, die kaltblütig Zivilisten erschossen."

Der neue Haushalt weist einige Reformen auf, zumindest auf dem Papier. Aber bei der Sanierung der simbabwischen Wirtschaft geht es nicht darum, das Haushaltsdefizit um ein oder zwei Prozentpunkte zu optimieren. Es geht nicht darum, mehr Buchhaltungs-Tricks anzuwenden. Solange sich die Regierung nicht mit der Dominanz des Militärs in der Wirtschaft, den anhaltenden Angriffen räuberischer Eliten und der Missachtung der Grundrechtsstaatlichkeit befasst, kann die Wirtschaft Simbabwes nicht erneuert werden. Die Wurzeln der Wirtschaftskrise sind politischer Natur, die Lösungen müssen mit einer echten politischen Reform beginnen.

Besonders erzürnt war der Ausschuss über die Nutzung einer verlogenen und verharmlosenden Sprache durch Emmerson Mnangagwa. So spreche er immer von "Menschen, die am 1. August gestorben" seien. Korrekt sei, dass die unschuldigen und unbewaffneten Demonstranten vor den Augen der Welt ermordet worden seien.

Drastische soziale Lage

Der Student Henry Ndlovu beschreibt die aktuelle Situation in Simbabwe kurz vor Weihnachten drastisch: "Mindestens 24 Stunden wartet man an der Tankstelle auf Benzin oder Diesel, die Großbäckereien müssen schließen, da der Import von Getreide nicht mehr zu finanzieren sei. Die Lebensmittelpreise steigen unaufhörlich; die Regale werden immer leerer. Fast alles muss importiert werden. Während in Kattowitz über den weltweiten Klimawandel ohne Ergebnis diskutiert wird, erleben wir hier tagtäglich die Auswirkungen. Von Gesundheitsversorgung kann keine Rede mehr sein. Freie Medien gibt es nicht. Die Jugend Simbabwes hat keine Hoffnung mehr. Die Regierung beschuldigt die US-Sanktionen für ihre wirtschaftlichen Probleme, anstatt sich mit ihrer eigenen Misswirtschaft und Korruption zu beschäftigen. Unsere erfolglosen Politiker können sich kein Geld mehr pumpen. Grund dafür sind jedoch nicht Sanktionen, sondern der Fakt, dass wir unsere Schulden nicht bezahlt haben und jetzt mit Milliarden Dollar im Rückstand sind. Die Bond-Notes sind eine Farce und Beispiel dafür, dass diese Regierung es seit mindestens zwei Dekaden versäumt hat, Verantwortung zu übernehmen. Sie selbst aber leben in teuren Villen, fahren teure Autos und genießen das Leben in vollen Zügen."

"Nichts hat sich verbessert! Alles wird noch schlechter! Unsere Zukunft ist schon jetzt Geschichte..." sagt Henry Ndlovu aus Bulawayo, Student an der dortigen Hochschule. "Uni-Abschluss machen und abhauen!" ergänzt er.

Henry und seine Kommilitonen informieren sich täglich über die sozialen Netzwerke und sind deshalb über die weltweiten Entwicklungen relativ gut informiert. Sie begrüßen die stringente und unnachgiebige US-Politik gegenüber dem Regime, das mit den Wahlen 2018 in eine erneute Verlängerung gegangen ist. Wie lange die junge Generation Simbabwes noch Contenance zeigt, bleibt offen. Viele Simbabwer erhoffen sich die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit (GNU), also eine Koalitionsregierung zwischen Zanu-PF und der MDC.

Obwohl der Präsident dies am 13. Dezember noch ausdrücklich ablehnte und sich auf den Wählerwillen berief, wurde in der politischen Gerüchteküche Harares bereits am 14.12. über "Geheimgespräche" zwischen den beiden Parteien berichtet, die angeblich durch einen hohen kenianischen Richter geleitet würden.

Autor Alfred Obed Rankomise ist freier Journalist.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
46. Jahrgang, Nr. 6, Dezember 2018, S. 30-31
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2019

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