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AFRIKA/707: Mosambik - Bürgermeisterwahlen in Beira (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, Dezember 2008

Spannender Dreikampf
Bürgermeisterwahlen in Beira

Von Elke Zimprich Mazive


Am 19. November wurden in Mosambik die dritten Kommunalwahlen abgehalten. Die Bürgermeisterwahl in Beira unterschied sich von den Wahlen in den anderen Städten durch eine besondere Konstellation. Die Provinz Sofala ist traditionell die Hochburg der oppositionellen Renamo und Beira als Metropole des Zentrums des Landes von besonderer politischer und wirtschaftlicher Bedeutung für ganz Mosambik. Querelen in der Renamo und die Kandidatur des amtierenden und überzeugenden Bürgermeisters Daviz Mbepo Simango als unabhängiger Kandidat machten die Wahl offen und spannend. Dabei lag in der Luft, dass es sich hierbei um mehr handelte als um eine Bürgermeisterwahl.

Die Tatsache, dass Simango als unabhängiger Kandidat eine reelle Chance hatte, die Kandidaten der Frelimo und Renamo zu schlagen, deutet auf eine mögliche Veränderung der politischen Landschaft und Entstehung einer neuen, ernstzunehmenden Bewegung. Die Provinzhauptstadt Sofalas stand somit im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit der aktuellen Kommunalwahlen.


Beira, Mosambiks zweitwichtigste Stadt, Provinzhauptstadt von Sofala und wichtigster Hafen des Landes in strategisch günstiger zentraler Lage, galt seit den Jahren des Bürgerkriegs als Hochburg der oppositionellen Renamo. Im Jahr 2003 wurde zum ersten Mal mit Daviz Simango ein Vertreter der ehemaligen Rebellenorganisation als Bürgermeister gewählt. Mit 53,4 Prozent der Stimmen setzte sich damals bei den Kommunalwahlen die Renamo gegen die Frelimo mit 42,2 Prozent durch. Die bis dahin unangefochten regierende Frelimo musste die Oppositionsbank drücken, sich in dieser neuen und ungewohnten Rolle zurechtfinden und einen Bürgermeister der Renamo akzeptieren. Der Wahlsieg bedeutete damals für die Renamo, unter Beweis stellen zu müssen, dass sie die Amtsgeschäfte einer großen Stadt führen kann.


Überraschung bei der Aufstellung

Fünf Jahre später, am 19. November 2008, wurde in Beira wie auch in den anderen insgesamt 43 Städten und Gemeinden des Landes ein neuer Bürgermeister gewählt. Zwei Wochen vorher, am 5. November, begannen pünktlich mit dem Glockenschlag um Null Uhr offiziell die Wahlkampagnen der Parteien für die Kommunalwahlen.

Das Szenario in Beira ist anders als vor fünf Jahren. In der Stadt, die noch zur Millenniumswende als schmutzigste Stadt in Mosambik galt, hat sich einiges getan. Müllberge an den Straßenrändern und die Nutzung öffentlicher Plätze und Einrichtungen zur Verrichtung der kleineren und größeren menschlichen Bedürfnisse waren früher eines der Kennzeichen Beiras. Unter Simangos Amtsführung hat sich das Stadtbild deutlich geändert. Wo früher Müllkippen waren, sind heute Parkplätze und Grünflächen. Darüber hinaus haben Sensibilisierungskampagnen, Toiletten und die Verbesserung von Abwasserkanälen zur allgemeinen Hygiene und Sauberkeit in der Stadt beigetragen.

Aus der früheren Schmutzstadt ist ein Schmuckstück geworden. Dies ist auch nationalen und internationalen Beobachtern nicht verborgen geblieben. Der amtierende Bürgermeister gewann 2007 internationale Anerkennung und Auszeichnungen für die professionelle Ausübung des Bürgermeisteramtes und der hervorragenden Stadtverwaltung im Sinne von Boa Governação. Seine Reputation als der über Parteigrenzen hinweg erfolgreichste Lokalpolitiker Mosambiks bedeutete auch für die Renamo einen Zugewinn an politischer Glaubwürdigkeit.

Ende August 2008 beschloss die Renamo überraschend, Daviz Mbepo Simango, der aufgrund seiner Erfolge weithin auch als potenzieller Nachfolgekandidat von Dhlakama für das Amt des Parteichefs der Renamo gesehen wurde, für die Kommunalwahlen im November nicht wieder als Bürgermeisterkandidat aufzustellen.

Als Reaktion auf die Aufstellung von Manuel Pereira als Kandidat der Renamo für Beira entschloss sich Simango, als unabhängiger Bürgermeisterkandidat zu konkurrieren, und schloss sich der Grupo de Reflexão e Mudança (GRM) an. Folge waren sein Parteiausschluss und ein tiefes Zerwürfnis innerhalb der Renamo. Zum einen legten führende Parteimitglieder und Abgeordnete ihre Funktionen innerhalb der Partei nieder und schlossen sich Simango an, zum anderen wendeten sich die Renamo-Mitglieder im Stadtrat gegen Simango und traten als Opposition auf. Dies wurde deutlich sichtbar in der gemeinsamen Ablehnung des von Bürgermeister Simango Mitte Oktober 2008 vorgelegten Ergänzungshaushalts durch Frelimo- und Renamo-Ratsmitglieder.


Engagierter Wahlkampf

Als parteiunabhängiger Kandidat trat Daviz Mbepo Simango gegen Manuel Pereira (Renamo) und Lourenço Ferreira Bulha (Frelimo) an. Weitere Bürgermeisterkandidaten waren Chico Romão (Paz e Desenvolvimento - PDD) und Filipe Manuel Alfredo (Grupo Para Democracia da Beira - GDB).

Der Wahlkampf der drei Hauptkandidaten Bulha, Simango und Pereira unterschied sich hinsichtlich Wahlkampfthemen, Kontakt mit den Bürgern und in der Sichtbarkeit im Stadtbild.

Lourenço Bulha, ein bekannter Unternehmer und langjähriger Parteifunktionär der Frelimo, stellte vor allem Themen wie Sicherheit und Sauberkeit, Bau von günstigen Wohnhäusern und Freizeitanlagen, Ausweitung der Medikamentenversorgung von Aids-Kranken, Bereitstellung von Särgen für mittellos Verstorbene sowie lokale Wirtschaftsförderung, Landverteilung und -nutzung in den Mittelpunkt seiner Kampagne.

Daviz Mbepo Simango stellte bei seinem Wahlmarathon hauptsächlich die Fortführung seiner Schwerpunkte aus der laufenden Amtsperiode in den Mittelpunkt. Dies waren die qualitative und quantitative Verbesserung des Abwassersystems, der Bau öffentlicher Toiletten, von Straßen, Verhandlungen mit der Zentralregierung zur Verbesserung der Primarschulbildung, Bau neuer Schulen in allen Stadtvierteln, Informations- und Sensibilisierungskampagnen zu Sicherheit sowie Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen. Mit dem Slogan "Garantir o Presente, Desenvolver o Futuro, Daviz Simango, o Orgulho Beirense" ("Die Gegenwart bewahren, die Zukunft entwickeln - Daviz Simango, der Stolz Beiras") auf Plakaten, T-Shirts und Fähnchen warben die zahlreichen Anhänger für seine Wiederwahl.

Der Kandidat der Renamo, Manuel Pereira, sprach in seinem Wahlkampf gleichfalls von der Fortführung der Politik, die die Renamo in der letzten Amtsperiode unter Daviz Simango entwickelt hatte. Die Bereitstellung von Billigwohnraum, Einrichtung von Kreditfonds, Verbesserung des Abwassersystems und Verbesserung der Märkte waren seine zentralen Themen.


Gerüchte und Spannungen

Den Kontakt mit den Bürgern suchten Bulha und Simango durch große Veranstaltungen und durch Tür-zu-Tür-Kampagnen in den Stadtteilen und auf den Märkten. Karawanen von Fahrzeugen und enorme Menschenmassen zogen durch die Straßen von Bairro zu Bairro. Bulha setzte auch auf die Zeitungen. Mehrseitige Veröffentlichungen seines Wahlmanifestes und Aufzählungen der Errungenschaften der Frelimo in Beira wurden abgedruckt. Der Besuch von führenden Parteifunktionären, darunter mehrerer Minister, stärkte ihm den Rücken.

Anders als der Wahlkampf von Bulha und Simango schien die Kampagne von Pereira nur auf halber Flamme zu köcheln. Obwohl die Renamo in Beira traditionell ihre Hochburg hat, schien sie anfangs wie ausgelöscht und legte erst wenige Tage vor der Wahl an Präsenz im Stadtbild Beiras zu.

Am Vorabend der Bürgermeisterwahlen stand in der lokalen Tageszeitung Diário de Moçambique ein Bericht, in dem der Frelimo vorgeworfen wurde, er habe bekannte Delegierte der Renamo und Abgeordnete der Stadtverwaltung bestochen, um die Wiederaufstellung Simangos als Bürgermeisterkandidat der Renamo zu verhindern.

Im Diário vom selben Tag gab es weitere Artikel über angeblich geplante Wahlmanipulationen der Frelimo, Gerüchte über ähnliche Aktivitäten auf Seiten der Renamo sowie Berichte zu einem möglichen bewaffneten Eingreifen der Polizei am Wahltag, um die Anhänger Simangos einzuschüchtern. Alles Indizien für die zunehmende Anspannung am Vorabend der Bürgermeisterwahlen, die sich in der Stadt breit machte.


Verlauf der Wahlen

Entgegen den allgemeinen Befürchtungen verliefen die Wahlen in Beira verhältnismäßig ruhig und friedlich. Augenzeugenberichten zufolge entstanden zwar in einigen der Wahllokale Querelen, doch waren diese meist auf Unstimmigkeiten unter den Wählern selbst zurückzuführen. An einigen Wahllokalen in Beira und auch in Gondola kam es allerdings anscheinend vor, dass Wähler von jungen Männern unter dem Vorwand, sie seien nicht am richtigen Ort, zu einem anderen, teilweise kilometerweit entfernten Wahllokal geschickt wurden und dort feststellen mussten, dass sie in die Irre geschickt worden waren. Dieses offensichtlich organisierte Vorgehen wurde von der Wahlbeobachtungskommission benannt, doch blieb unklar, wer dahinter steckte.

Reklamiert wurde ferner die Langsamkeit des Wahlprozesses, der mit dazu beitrug, dass bei Schließung der Wahllokale am späten Abend längst nicht alle Wähler, die zum Teil stundenlang vor den Wahllokalen gewartet hatten, ihre Stimme abgeben konnten. Insgesamt wurden die Kommunalwahlen sowohl von den mosambikanischen als auch den internationalen Wahlbeobachtern als im allgemeinen "ordnungsgemäß und transparent" beurteilt, wobei eingeräumt wurde, dass es zu kleineren Unregelmäßigkeiten gekommen sei, die allerdings keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt hätten.


Signalwirkung der Wiederwahl

Als eindeutiger Wahlsieger der Bürgermeisterwahlen in Beira geht Daviz Mbepo Simango hervor. Trotz geringfügiger Unterschiede in den Wahlergebnissen der Wahlkommission Beiras (CEC) und den Parallelzählungen der Wahlbeobachter, nach denen Daviz Simango 61,6 Prozent (CEC) beziehungsweise 62,1 Prozent der Stimmen erhielt, ist unbestritten, dass der amtierende Bürgermeister mit überragender Mehrheit der Wählerstimmen in seinem Amt bestätigt wurde.

Hinsichtlich der Auszählungen der für die verschiedenen Parteien für den Stadtrat abgegebenen Wählerstimmen lassen sich überraschende Abweichungen zwischen den Auszählungen feststellen. Entsprechend den Wahlergebnissen der Wahlkommission CEC erhält die Frelimo im Stadtrat eine absolute Mehrheit von 52,7 Prozent. Die Parallelzählung hingegen kommt auf einen Stimmenanteil der Frelimo von lediglich 41 Prozent, was bedeuten würde, dass keine Partei die absolute Mehrheit im Stadtrat hat und die Sitzverteilung wie folgt aussähe: 19 Frelimo, 17 Renamo, 7 GDB (eine Bürgerliste), 1 PDD und 1 PIMO. Die Bekanntgabe der endgültigen Ergebnisse nach der computergestützen Auswertung durch die Nationale Wahlkommission hat diese Sitzverteilung bestätigt.

Der Wahlsieg Simangos hat Signalwirkung. Die Tatsache, dass Simango als unabhängiger Kandidat in seinem Amt bestätigt wurde, ist ein eindeutiges Zeichen, dass die Bürgerinnen und Bürger Beiras anerkennen, was er als Bürgermeister in den letzten Jahren geleistet hat, und ihm das Vertrauen aussprechen seine überzeugende Arbeit fortzusetzen. Die Ergebnisse der Bürgermeisterwahl in Beira sind ein Indiz für ein wachsendes Bewusstsein der Bevölkerung, parteiunabhängig, personen- und sachorientiert Entscheidungen zu treffen und die ihnen zugestandenen Möglichkeiten zu nutzen, ihre Zufriedenheit oder auch Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Dies sendet eindeutige Signale an die beiden traditionellen Parteien in Mosambik, Frelimo und Renamo, und könnte von beispielhafter, zukunftsträchtiger Bedeutung sein für die Entwicklung eines politischen Bewusstseins und für mögliche Veränderungen in der politischen Landschaft auch in anderen Teilen des Landes.


Die Autorin ist Politikwissenschaftlerin und Mitarbeiterin des Deutschen Entwicklungsdienstes in Mosambik. Ihr geringfügig aktualisierter Beitrag erscheint zugleich im Mosambik-Rundbrief Nr. 77, Dezember 2008.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
37. Jahrgang, Nr. 6, Dezember 2008, S. 27-29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2009