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AFRIKA/824: China in Afrika (NG/FH)


Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Nr. 6/2010

China in Afrika

Von Thomas Heberer/Anja D. Senz


Das chinesische Engagement auf dem afrikanischen Kontinent wird allgemein als Resultat einer Strategie der Ressourcensicherung interpretiert. Unsere Autoren sind dagegen der Auffassung, dass dies differenzierter betrachtet werden sollte. In ihrem Beitrag unternehmen sie den Versuch der Einordnung des chinesischen Handelns in den außen- und sicherheitspolitischen Gesamtkontext und kommen zu über die gängige Debatte hinausgehenden Schlussfolgerungen.


Der Zugang zu Rohstoffen gilt als entscheidend für die Garantie der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung Chinas, die wiederum wichtig ist für die Stabilität des sich durch ökonomische Erfolge legitimierenden politischen Systems. Auch erschließt China in Afrika neue Absatzmärkte für die eigene, stark exportabhängige Wirtschaft.

Vor diesem Hintergrund wird Chinas Agieren in Afrika von Europa und den USA vielfach als Bedrohung wahrgenommen. China gilt als Konkurrent um Ressourcen und unterläuft außerdem, so der Vorwurf, westliche Standards der Entwicklungszusammenarbeit z.B. durch die Vergabe von Krediten und Entwicklungshilfe, ohne daran Bedingungen zu knüpfen. In diesem Zusammenhang wird dann vor neuen Abhängigkeits- und Ausbeutungsstrukturen, der Zerstörung traditionellen Handwerks und der Stärkung autokratischer Regime durch China gewarnt.

Ein zentraler Ausgangspunkt des chinesischen Engagements in Afrika war zweifellos der Zugang zu dringend benötigten Rohstoffen. Für China als "Newcomer" auf einem hinsichtlich der Bezugsquellen aufgeteilten Weltmarkt gestaltete sich dieser Zugang schwierig. Um einseitige Abhängigkeiten sowie eine Kollision mit etablierten Rohstoffbeziehern zu vermeiden, verfolgt China daher eine Diversifizierungs- und Ausweichstrategie. Bis vor wenigen Jahren bezog China z.B. 56 % seines Erdölbedarfs aus dem Nahen und Mittleren Osten. Da jedoch die USA im Falle eines Konfliktes mit China den Transport von Öl über die Seewege unterbinden könnte - zumindest solange China über keine geeigneten, eigenen Marinestrukturen verfügt - bemüht sich China in den letzten Jahren um alternative Importquellen. Der Abschluss eines Vertrages der China National Petroleum Corporation über den Bau einer Pipeline von Sibirien nach Nordostchina mit dem russischen Yukos-Konzern wiederum kam nicht zustande, weil Japan ein besseres Angebot unterbreitete. Afrika, das in seiner Bedeutung für die westlichen Industriestaaten bereits Ende der 90er Jahre etwas in den Hintergrund getreten war, bietet sich daher als alternativer Rohstofflieferant an.

Dabei kann China zum einen auf eigene Erfahrungen mit den westlichen Kolonialmächten und einen erfolgreichen, relativ unabhängigen Entwicklungsweg verweisen, der Anhaltspunkte für afrikanische Staaten bietet. So kann Afrika z.B. von den angepassten Technologien und Produktstrukturen der erfolgreichen ländlichen Kleinbetriebe in China lernen. Zum anderen bestehen zu vielen afrikanischen Staaten seit Jahrzehnten gute Kontakte, die nicht zuletzt mit der Organisation von Mehrheiten in der UN-Generalversammlung zu erklären sind. Diese Beziehungen weisen jedoch kein Gefälle auf, sondern, so erklärte James W. Adams, Vizepräsident der Weltbank im Dezember 2006: China kommt "... mit der starken Botschaft, dass es den afrikanischen Ländern keine Anweisungen zu geben versucht."

Zweifellos genießt China in Afrika auch deswegen Sympathie, weil sich autoritäre Staaten durch die chinesische Entwicklung - erfolgreiche Wirtschaft auf Basis eines autoritären politischen Systems - bestätigt sehen können. Doch auch wenn in China gesehen wird, dass autoritäre afrikanische Staaten sich an dem "chinesischen Entwicklungsmodell" orientieren möchten, betrachten chinesische Wissenschaftler Chinas Weg nicht als "Modell" und sehen demnach in China kein Vorbild für andere Staaten. In Bezug auf das chinesische entwicklungspolitische Wirken in Afrika fordern sie außerdem explizit Verbesserungen.


China trägt zur Infrastruktur bei

Auch die außenpolitische Leitidee der "Fünf Prinzipien der Friedlichen Koexistenz", die die Souveränität anderer Staaten und das Gebot der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten betont, stößt in Afrika auf fruchtbaren Boden - nicht nur bei den Regierungen: "Viele afrikanische Politiker und Intellektuelle", schreibt der senegalesische Journalist Mohamed Guèye, "sehen die Zusammenarbeit mit China als Partnerschaft, bei der beide Seiten gewinnen. Die Chinesen machen Mut; statt zu reden, handeln sie. Hilfe von der Volksrepublik scheint leichter zugänglich als von Europa oder den USA". So erstaunt es nicht, dass 49 der 53 Mitglieder der Afrikanischen Union am letzten chinesisch-afrikanischen Gipfel (FOCAC) im November 2009 teilnahmen. China sagte günstige Kredite in Höhe von 10 Mrd. US-Dollar, weitere Sonderkredite in Höhe von einer Mrd. US-Dollar speziell für kleine und mittlere afrikanische Unternehmen, einen Schuldenerlass für die ärmsten afrikanischen Staaten, niedrige Zölle für 95% aller afrikanischen Exportprodukte, verschiedene Bildungsprojekte sowie 75 Mio. US-Dollar für den Bau und die Ausstattung von Hospitälern und Anti-Malaria-Stationen zu. Insofern erwirbt China in Afrika nicht nur Rohstoffe, sondern trägt auch zum Ausbau der Infrastruktur bei und wird sogar beim Tourismus langsam zu einem Wirtschaftsfaktor. Außerdem gelten chinesische Produkte als erschwinglich und tragen damit durchaus zur Hebung des Lebensstandards in Afrika bei.

China ist ferner nach den USA größtes Exportland des Kontinents und könnte noch in diesem Jahr die USA vom ersten Platz verdrängen. Durch die chinesische Nachfrage wurde in den vergangenen Jahren die afrikanische Produktion stimuliert; die parallel steigenden Weltmarktpreise für Rohstoffe führten nach Expertenschätzungen dazu, dass China für ca. 1,5 bis 2% des afrikanischen Wachstums verantwortlich ist, die indisch-chinesischen Rohstoffkäufe sogar für knapp 6% zwischen 2006 und 2008. Zwar brachen im Zuge der internationalen Finanzkrise die Rohstoffpreise ein - besonders problematisch erwies sich dabei, dass die afrikanischen Rohstoffexporte nicht mit einer Diversifizierung der Wirtschaft verknüpft worden waren - gleichwohl hat die bekannte Harvard-Ökonomin Dambisa Moyo aus Sambia Afrika empfohlen, weiterhin auf den Handel mit China zu setzen, weil es seine Märkte nicht - wie Nordamerika oder Europa - gegen afrikanische Agrarprodukte abschotte, sondern Lebensmittel aus Afrika benötige. "Das chinesische Modell hat in Afrika innerhalb von fünf bis zehn Jahren mehr Arbeitsplätze und Infrastruktur geschaffen als der Westen in 60 Jahren". Und für die Probleme in Afrika müssten die Afrikaner ihre Regierungen schon selbst zur Rechenschaft ziehen, nicht die Europäer oder Chinesen.


Zivilgesellschaftliche Nachteile

Allerdings sind manche Länder auch negativ von China betroffen, z.B. wenn ihre Produkte mit chinesischen konkurrieren. Nachteilig wirkt sich die chinesische Afrikapolitik auch auf den zivilgesellschaftlichen Bereich und die Arbeit von Gewerkschaften aus, weil diese Strukturen keine Förderung erfahren. Doch hat die innen- und außenpolitische Entwicklung Chinas seit Ende der 70er Jahre gezeigt, dass China ein lernender Staat ist, der bereit ist, aus vergangenen Fehlern Lehren zu ziehen. Daher besteht die Hoffnung, dass China sich allmählich neben arbeitsrechtlichen und ökologischen auch westlichen entwicklungspolitischen Fragestellungen öffnet. Chinesische Entwicklungsfachleute geben durchaus zu, dass das Land entwicklungspolitisch unerfahren ist und Interesse an deutschem Know-how zur Planung, Durchführung und kritischen Begleitung von Entwicklungsprojekten hat. Dass China lernt, wird auch im Falle Sudan deutlich, wo China von seiner Politik der "Nichteinmischung" abgerückt ist und der chinesische Parteichef Hu Jintao den sudanesischen Präsidenten aufforderte, zur Lösung des Darfur-Konfliktes mit der UNO zusammenzuarbeiten. Auch wurden Sondergesandte nach Khartum geschickt, um bei einer Lösung zu helfen. Chinas gute Beziehungen zu afrikanischen Staaten, mit denen der Westen sich schwer tut, könnten künftig von der internationalen Staatengemeinschaft genutzt werden, um mäßigend auf solche Staaten einzuwirken.


Dialog statt Lamento

Das chinesische Engagement in Afrika könnte sich daher in mehrfacher Hinsicht positiv auswirken. Europa und Nordamerika könnten sich zu einem Umdenken in der Afrikapolitik veranlasst sehen, Bedingungen von Entwicklungsprojekten so dimensionieren, dass sie für die afrikanischen Projektpartner erfüllbar werden, neue Schwerpunkte setzen etwa im Hinblick auf den afrikanischen Zugang zu Märkten und eine Förderung des Mittelstandes. Der Einfluss der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds könnte gemindert bzw. deren Projektstrukturen vor dem Hintergrund des wachsenden chinesischen Einflusses verändert werden. Statt Ländern Programme mit oft schmerzhaften Folgen einfach zu oktroyieren könnte partizipativen Projektformen Raum gegeben werden.

Zweifellos ist die weltpolitische Bedeutung Afrikas im Zuge des chinesischen Engagements gestiegen, nicht zuletzt weil die afrikanischen Länder als Teil einer von China angestrebten multipolaren Weltordnung begriffen werden können. Dies verleiht dem Kontinent möglicherweise mehr und konsequentere Aufmerksamkeit durch die westlichen Industriestaaten. Statt über das chinesische Engagement in Afrika zu lamentieren, wäre es demnach sinnvoller, einen europäisch-chinesisch-afrikanischen Dialog anzustoßen, der im Interesse Afrikas wäre, aber auch verhindern könnte, dass sich der Kontinent noch weiter von Europa entfernt.


Thomas Heberer (* 1947) ist Professor für Politikwissenschaft und Ostasienwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen.
thomas.heberer@uni-duisburg-essen.de

Anja D. Senz ist Geschäftsführerin des Konfuzius-Instituts Metropole Ruhr an der Universität Duisburg-Essen.
anja.senz@uni-due.de


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Quelle:
Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Nr. 6/2010, S. 42-44
Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Anke Fuchs,
Siegmar Gabriel, Klaus Harpprecht, Jürgen Kocka und Thomas Meyer
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2010