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AFRIKA/862: Kenia - Gleichberechtigung nur auf dem Papier, Frauen misstrauen neuer Verfassung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. September 2010

Kenia: Gleichberechtigung nur auf dem Papier - Frauen misstrauen neuer Verfassung

Von George Kebaso


Nairobi, 10. September (IPS) - Im August sprachen sich 67 Prozent der Kenianer in einer Volksabstimmung für eine neue Staatsverfassung aus. Darin werden den Bürgern größere Freiheiten und mehr soziale Rechte zugesichert. Auch der gesellschaftliche Status von Frauen wird gestärkt - nach Ansicht vieler Kenianerinnen zunächst jedoch nur auf dem Papier.

Zu den Skeptikerinnen gehört Charity Karemi, die in einem Vorort der Hauptstadt Nairobi Prepaid-Karten für Handys verkauft. "Selbst wenn die Verfassung vollständig umgesetzt wird, profitieren davon doch nur diejenigen, die bereits gut situiert sind", befürchtete sie. "Die ganz normalen Frauen werden weiterhin nur überleben, wenn sie sich abschuften."

Karemi glaubt nicht recht daran, dass die Regierung die Gleichberechtigung der Geschlechter tatsächlich vorantreiben wird. Sie sorgt sich vor allem darum, dass Kleinunternehmerinnen, die mit ihrer Arbeit teils die ganze Familie ernähren müssen, weiterhin ins Hintertreffen geraten. In der Verfassung ist zwar das Recht der Kenianerinnen auf Landbesitz verankert "Doch wo sollen Frauen in ländlichen Region das Geld herkriegen, um sich ein eigenes Grundstück zu kaufen?" fragte sich Karemi.

Ähnliche Bedenken äußerten einige Frauen, die auf dem Nyamakima-Markt in Nairobi Waren sortieren. "Wir haben verstanden, dass uns die Verfassung Vorteile bringen soll", sagte Margaret Njeri. "Doch wann wird dies der Fall sein?" Njeri schafft es, täglich zwei Säcke Nüsse zu sortieren, und erhält dafür insgesamt umgerechnet rund fünf US-Dollar. Davon muss sie ihre Miete zahlen und die Kinder zur Schule schicken.

Die Parlamentsabgeordnete Millie Odhiambo von der Partei 'Orange Democratic Movement' (ODM) äußerte Verständnis für die Ängste ihrer Geschlechtsgenossinnen. Die Frauen- und Kinderrechtlerin sicherte zugleich zu, dass Regierungsbehörden, politische Parteien und die Zivilgesellschaft gemeinsam an Strategien zur Umsetzung der Verfassung arbeiteten.

"Uns ist bewusst, dass viele Frauen im Land bisher nicht die Möglichkeit hatten, die Bedeutung der neuen Verfassung zu verstehen", sagte die Abgeordnete. Es seien allerdings Kampagnen geplant, um die Bürger nach dem Referendum genau Aber die Inhalte des neuen Grundgesetzes zu informieren.


Reformgegner streuten gezielt Zweifel

Vor der Volksabstimmung hätten die meisten Frauen danach gefragt, wann die Umsetzung der Verfassung beginnen würde, berichtete Odhiambo. Sie hätten genau wissen wollen, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, dass die Änderungen tatsächlich Wirklichkeit würden. Gegner der Reform hätten die Bevölkerung gezielt dadurch verunsichert, indem sie erklärten, bis zur Umsetzung der Prinzipien werde es lange dauern.

Laut Odhiambo hat sich ODM dafür engagiert, die Frauen gezielt über die zu erwartenden Verbesserungen aufzuklären. Nicht alle hätten sonst erfahren, dass ein Sonderfonds zur Unterstützung sozialer Randgruppen vorgesehen sei, sagte sie. Frauen, Kinder, Waisen und Behinderte könnten dadurch finanzielle Zuschüsse erwarten.

Die Regierung plane für diese Zielgruppe außerdem ein umfassendes Bildungsprogramm, das von verschiedenen Ministerien koordiniert werde, kündigte die Parlamentarierin an.

ODM arbeitet nach Angaben von Odhiambo mit mehreren Partnern an einer eigenen Strategie zur Implementierung der Verfassung. Dazu gehört die Vorbereitung von 49 neuen Gesetzen, die die Verfassungsgrundsätze in gültiges Recht übertragen sollen. Beobachter rechnen allerdings damit, dass sich dieser Prozess über mehrere Jahren hinziehen wird. Die Zweifel von Frauen wie Karemi und Njeri scheinen also durchaus berechtigt zu sein. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2010