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AFRIKA/902: Zentralafrika - Brutale Gewalt durch LRA-Rebellen, Welt soll handeln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. November 2010

Zentralafrika: Brutale Gewalt durch LRA-Rebellen - Welt soll handeln

Von Karina Böckmann


Berlin, 17. November (IPS) - Die zunehmenden Übergriffe von Rebellen der 'Lord Resistance Army' haben landwirtschaftliche Aktivitäten im Osten der Zentralafrikanischen Republik (CAR) zum Erliegen gebracht. Die Not von 20.000 Menschen, die in den letzten Monaten zusammen mit 6.000 Flüchtlingen aus der Demokratischen Republik Kongo (DRC) in den größeren Städten Mboki, Obo, Rafai und Zemio Zuflucht suchten, veranlasste das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zu seiner bisher größten Hilfsoperation in der CAR.

"Hier war Land nie ein Problem", sagte Christa Utiger, die IKRK-Landeskoordinatorin für wirtschaftliche Sicherheit. Die Region Haut Mbomou sei dünn besiedelt, und die Böden zeichneten sich durch eine hohe Produktivität aus. Die Entscheidung der Hilfsorganisation, dennoch 55.000 Menschen im Osten der CAR mit Nahrungsmitteln zu versorgen, "spiegelt unsere Sorge über die fortgesetzte Nahrungsunsicherheit".

Einblicke in das Ausmaß der Gewalt gibt 'Human Rights Watch' (HRW), das in einem Appell an US-Präsident Barack Obama etliche Opfer der LRA-Attacken zu Wort kommen ließ. So berichtete Emmanuel, Vorsitzender der Opfervereinigung von Obo, wie er im März 2008 zusammen mit 46 weiteren Zivilisten von der LRA verschleppt und in ein Lager der Rebellen im kongolesischen Garamba-Nationalpark bis zu seiner Flucht nach 18 Monaten als Arbeitssklave gehalten wurde. "Ich durchlitt und beobachtete furchtbare Verbrechen", erzählte er HRW-Vertretern. "Ich tötete Menschen und kehrte mit großen schmerzenden Narben heim."

HRW schätzt, dass die LRA in Zentralafrika seit September 2008, dem Abbruch der regionalen Friedensverhandlungen, mindestens 2.385 Zivilisten ermordet hat, weitere 3.054 wurden verschleppt. Da die Angriffe in entlegenen und infrastrukturarmen Gebieten stattfanden, wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgegangen.


Appell an US-Präsident Obama

In seinem Aufruf an Obama ('Dear Obama: A Message from Victims of the LRA') forderte HRW die US- und andere Regierungen auf, dem brutalen Treiben der Rebellen endlich ein Ende zu setzen. Die Menschenrechtsorganisation erinnerte daran, dass Obama im Mai ein Gesetz unterzeichnet hatte, das die US-Regierung dazu verpflichtet, binnen 180 Tagen eine umfassende multilaterale Strategie zum Schutz der gewaltbedrohten Zivilisten zu erstellen und umzusetzen. Die Frist läuft am 24. November ab.

HRW entsandte zwischen Mai und September 2010 fünf Fact-Finding-Delegationen in den Norden der DRC und in die Zentralafrikanische Republik. Die Gespräche mit hunderten Zivilisten ergaben ein verheerendes Bild, auch was die Funktionalität der UN-Friedensmission (MONUSCO) angeht.


Blauhelme nicht dort, wo es brennt

So wurden Ende August in Duru im Norden des Kongo drei junge Männer in nächster Nähe der MONUSCO mit Messern abgeschlachtet. Obwohl die UN-Truppen mit stolzen 18.000 Mann im Kongo vertreten ist, sind nur 850 UN-Soldaten in den LRA-Gebieten abgestellt - ein Ungleichgewicht, das nach Ansicht von HRW dringend korrigiert werden muss. In der CAR sind überhaupt keine Blauhelme im Einsatz.

Zwei Jahrzehnte mordeten und verstümmelten die 'Widerstandskämpfer des Herrn' Männer, Frauen und Kinder im Norden Ugandas. Dann konnten Regierungstruppen die Rebellen aus dem Land vertreiben. Seither sind sie in den abgelegenen Grenzregionen im Norden der DRC, der Zentralafrikanischen Republik und im Südsudan aktiv.

Berichten zufolge hält sich der LRA-Chef Joseph Kony derzeit in der Grenzregion zwischen CAR und dem kongolesischen Süddarfur auf. Der sudanesischen Regierung wird vorgeworfen, die Rebellen militärisch zu unterstützen. HRW forderte die USA und andere Staaten auf, Druck auf den Sudan auszuüben, um zu verhindern, dass die Rebellen in Darfur einen sicheren Hafen finden. Staatspräsident Omar al-Baschir wird vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht. (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.icrc.org/eng/resources/documents/interview/2010/central-african-republic-interview-2010-11-11.htm
http://www.hrw.org/en/news/2010/11/10/congocentral-african-republic-lra-victims-appeal-obama


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2010