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AFRIKA/908: Uganda - Zwischen Freiheit und Kontrolle, innerfamiliäre Konflikte durch Neue Medien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2010

Uganda: Zwischen Freiheit und Kontrolle - Innerfamiliäre Konflikte durch Neue Medien

Von Rosebell Kagumire

Frauen auf einem IKT-Workshop in ostuganidschen Namaingo - Bild: © Susan Kinzi/IPS

Frauen auf einem IKT-Workshop in ostuganidschen Namaingo
Bild: © Susan Kinzi/IPS

Kampala, 26. November (IPS) - Uganda gehört zu Ostafrikas schnellstwachsenden Märkten der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKTs). Die Durchdringung bei Mobiltelefonen hat bereits 32,8 Prozent erreicht, und bis 2015, so schätzt das internationale Marktforschungsinstitut 'Pyramid Research', wird sich die Zahl der Kunden von derzeit 10,7 Millionen auf 20,9 Millionen verdoppeln. Auch die Prognosen, was den Zugang zum Internet angeht, sind vielversprechend. Bisher ist erst jeder zehnte Ugander online.

Der Siegeszug der Neuen Medien hat aber durchaus negative Seiten, die auch in Uganda zunehmend erkannt werden: dass die Freiheiten und Möglichkeiten für die User Cyber-Kriminellen, SMS-Stalkern und Kontrollfreaks ein wirksames Medium zur Hand geben, um andere Menschen zu betrügen, zu terrorisieren oder zu überwachen.

In traditionell patriarchalischen Gesellschaften wie Uganda sind meist Frauen die Opfer. Ihr Drang, die Freiheiten auszuschöpfen, die ihnen Handys und Co ermöglichen, stößt bei ihren Männern auf Misstrauen. Streitereien unter Partnern sind programmiert und haben gerade im Technologiezeitalter zugenommen, wie eine Langzeituntersuchung in den beiden zentralöstlichen Bezirken Iganga und Mayuge nun herausgefunden hat.


Partnerschaftsprobleme

46 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Nutzer berichteten über Partnerschaftsprobleme im Zusammenhang mit Mobiltelefonen. 16 Prozent der Umfrageteilnehmer führten ihre familiären Auseinandersetzungen auf Computer zurück.

Im Grunde lagen den geschilderten Konflikten die Unversöhnlichkeit der beiden Prinzipien Freiheit und Kontrolle zugrunde, wie Aramanzan Madanda vom Institut für Gender- und Frauenstudien der Makerere-Universität erläutert. In Uganda hätten gerade Männer ein Problem damit, Frauen die Freiheiten zuzugestehen, die gerade die neuen Medien für sie bereithalte.

"In Busoga (einem Dorf in Iganga) ist es üblich, dass Frauen die Zustimmung ihrer Männer einholen, bevor sie das Haus verlassen, um Verwandte zu besuchen oder auf dem Markt zu gehen. Doch durch die Handys können sie direkt mit Angehörigen oder anderen Menschen in Verbindung treten und sich verabreden. Dadurch büßen Männer einen Teil ihrer Macht ein", so Madanda, die auch dem IKT-Ausschuss der Frauenorganisation 'Women of Uganda Network' (WOUGNET) angehört. Den Kontrollverlust kompensierten viele mit Gewalt.

Frauen müssten ihren Männern häufig Rechenschaft über Anrufe ablegen, die sie selbst getätigt oder empfangen hätten. Auch sähen sie sich häufig gezwungen, die Telefonate laut zu stellen, heißt es in dem Bericht. Der Schutz ihrer Intimsphäre sei somit nicht gegeben. Auch fehle den meisten weiblichen Usern an dem notwendigen Knowhow, um ihre SMS oder Anrufe vor dem Zugriff anderer zu schützen.


"Freiheit ist eine Frage der Kaufkraft"

"Freiheit ist letztlich eine Frage der Kaufkraft", ist Madanda überzeugt. Der von 2007 bis 2010 durchgeführten Studie zufolge besitzen mehrheitlich Männer Mobiltelefone, die sie in 88 Prozent aller Fälle selbst angeschafft haben. Bei den weiblichen Nutzern trifft dies nur zur Hälfte zu. Somit benutzen 56 Prozent der Mobiltelefoniererinnen ein Handy, das ihnen andere gekauft haben.

Dem neuen Bericht zufolge werden die sozialen und frauenspezifischen Gefahren des IKT-Booms in Uganda zunehmend sichtbar. Im April erließ die Regierung ein Gesetz gegen häusliche Gewalt, in dem erstmals ein Zusammenhang zwischen der Nutzung der Neuen Medien und der Zunahme innerfamiliärer Gewalt hergestellt wurde. Übergriffige SMS und Anrufe sind seither Delikte, die mit zwei Jahren Gefängnis geahndet werden.

Doch Frauenaktivisten fordern, auch die existierenden Cybergesetze den neuen Gegebenheiten anzupassen. Sie werfen den ugandischen Behörden vor, sich bisher ausschließlich um Themen wie E-Regierung, E-Handel und Datenschutz zu kümmern.


Kurse für Frauen

WOUGNET macht Frauen und Frauenaktivistinnen in besonderen Kursen mit den Möglichkeiten und Schwächen der Neuen Medien vertraut. Uganderinnen sollen lernen, wie sie sich vor den negativen Einflüssen der IKTs schützen und die Technologie in eigener Sache einsetzen können. "Wir haben recht gute Erfolge erzielt", meint dazu die WOUGNET-Trainerin Maureen Agena. So verwendeten Frauen ihre Handys zunehmend dafür, Gewalt gegen sich oder andere Frauen zu melden.

Mit SMS-Kampagnen wie 'Take Back the Tech' (Nimm die Technik zurück) hat die Organisation dazu beigetragen, die Bevölkerung des ostafrikanischen Landes für das Phänomen der Gewalt gegen Frauen zu sensibilisieren. Doch das Problem der IKT-bedingten Gewalt sei damit noch nicht gelöst, betont Madanda.

"IKT können Arbeitsplätze schaffen, die Isolierung von Frauen verringern. Doch ist ihr Nutzen als Werkzeug für eine Stärkung der Rechte der Frau noch gering", sagt die Wissenschaftlerin. "In Uganda sind die Ärmsten der Armen Frauen, die von den Neuen Medien noch nicht erreicht werden." (Ende/IPS/hn/2010)


Links:
http://www.wougnet.org/cms/index.php
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53670


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2010