Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/585: Xinjiang - Gewalt erschüttert Pekings Streben nach einer harmonischen Gesellschaft (idw)


GIGA German Institute of Global and Area Studies - 14.07.2009

Gewalt zwischen Uighuren und Han-Chinesen erschüttert Pekings Streben nach einer harmonischen Gesellschaft


Die gewaltsamen Ausschreitungen zwischen der uighurischen Minderheit und der Han-Bevölkerung stellen die schwersten Krawalle in Xinjiang seit 1949 dar. Der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge sind bei den Unruhen in Urumqi 184 Menschen umgekommen und 1.680 verletzt worden (Stand: 13. Juli). Laut Nadine Godehardt, China-Expertin am GIGA German Institute of Global and Area Studies, hat die Uighuren-Frage für die Staatsführung in Peking einen ähnlichen Stellenwert wie die Themen Tibet und Taiwan.

Auslöser der Unruhen war eine Schlägerei zwischen Uighuren und Han-Chinesen in einer Spielzeugfabrik in der Provinz Guangdong. In der Nacht vom 25. auf den 26. Juni sind dabei nach chinesischen Angaben zwei Uighuren gestorben und weitere 118 Menschen verletzt worden. Die Vereinigung amerikanischer Uighuren (UAA) verurteilte daraufhin das Versagen der chinesischen Regierung, die uighurischen Fabrikarbeiter ausreichend zu schützen. Rebiya Kadeer, Vorsitzende des World Uyghur Congress (WUC), kritisierte außerdem, dass aufgrund der fehlenden Transparenz im chinesischen Rechtssystem niemand tatsächlich erfahren wird, was sich in Guangdong abgespielt hat.

"Ein Ziel der Demonstranten bestand darin, auf die schwierige Situation der Uighuren innerhalb der chinesischen Gesellschaft aufmerksam zu machen und weniger darin, die Idee eines eigenständigen Ost-Turkestan zu forcieren", sagt Nadine Godehardt vom GIGA. Die chinesische Regierung behauptet dagegen, dass diese Proteste von Exil-Uighuren und damit von den sogenannten "drei Übeln" (Fundamentalismus, Separatismus und Terrorismus) vorsätzlich geplant wurden.

Nadine Godehardt: "In erster Linie zeigen diese Unruhen, dass Abspaltung keine Option für Peking ist und jegliche Tendenzen in diese Richtung mit allen Mitteln eingedämmt werden. Die Unruhen haben ein fundamentales nationales Interesse Chinas berührt. Schließlich ist Xinjiang für die chinesische Regierung ein ähnlicher Brennpunkt wie Tibet oder Taiwan."

"Auch wenn die Ordnung in Urumqi vorerst wieder hergestellt ist, sind damit die eigentlichen Probleme zwischen der uighurischen Minderheit und Han-Chinesen lange nicht gelöst", so Godehardt weiter. In Urumqi leben hauptsächlich Han-Chinesen, nur noch 12% der Stadtbevölkerung gehören überhaupt der uighurischen Minderheit an. "Dass die Aufstände in Urumqi und nicht im Süden Xinjiangs stattfanden, hat durchaus Symbolcharakter. Die Auswirkungen der chinesischen Politik sind nirgendwo so sichtbar wie in der Hauptstadt Xinjiangs", betont Godehardt.

Hu Jintaos verfrühte Abreise vom G8 Gipfel zeige darüber hinaus, welch hohe strategische Bedeutung Xinjiang innerhalb der chinesischen Führung zukomme. Die Xinjiang-Frage beschränke sich nicht nur auf eine innenpolitische Dimension, sondern sei immer auch in einen größeren regionalpolitischen Kontext einzuordnen. "Ein instabiles Xinjiang hat aus chinesischer Perspektive direkte Auswirkungen auf die Stabilität der Region; es gefährdet den Handel mit den zentralasiatischen Nachbarstaaten und insbesondere die energiepolitischen Ziele der Pekinger Führung."

Dennoch bleibe die Hoffnung, dass diese Unruhen langfristig zu einem Umdenken der chinesischen Regierung in der Politik gegenüber den Uighuren führen. "Allerdings ist es nicht nur das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Uighuren und Han-Chinesen, das es dabei zu berücksichtigen gilt, sondern vor allem das ethnische Ungleichgewicht, das bei den Uighuren zu einem Gefühl der Kolonialisierung geführt hat", so Godehardt. Inwiefern die Pekinger Führung ihre Politik zugunsten der Uighuren modifizieren könne, ohne dabei gleichzeitig ihren Rückhalt innerhalb der Han-Bevölkerung zu gefährden, sei fraglich. Die Reaktionen der Han-Bevölkerung auf die Proteste der Uighuren in Urumqi zeigten, dass Pekings Spielraum aufgrund der "erfolgreichen Migrationspolitik" sehr gering ausfalle.


Das GIGA German Institute of Global and Area Studies / Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg ist die größte deutsche und eine der größten europäischen Forschungseinrichtungen für Area Studies und Comparative Area Studies. Die Forschung konzentriert sich auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in Afrika, Asien, Lateinamerika sowie Nordafrika, Nah- und Mittelost. Die Regionalforschung beschäftigt sich außerdem mit interregionalen Verflechtungen und globalen Themen.

Weitere Informationen unter:
http://staff.giga-hamburg.de/godehardt
- GIGA-Wissenschaftlerin Nadine Godehardt

http://www.giga-hamburg.de/ias
- GIGA Institut für Asien-Studien

http://www.giga-hamburg.de
- GIGA German Institute of Global and Area Studies /
Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution1355


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
GIGA German Institute of Global and Area Studies, Peter Peetz, 14.07.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2009