Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/595: Brandherd Afghanistan/Pakistan (IPPNWforum)


IPPNWforum | 117|18 | 09
Mitteilungen der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

Brandherd Afghanistan/Pakistan
8 Jahre zivil-militärische Intervention

Von Matthias Jochheim


Destabilisierung

Die Nachrichten aus der betroffenen Region könnten kaum dramatischer sein, sind aber in der täglichen Informationsüberflutung schon wieder Teil der Normalität geworden: Im Mai hat die pakistanische Armee auf intensives Drängen der US-Administration eine großangelegte Operation gegen Taliban-Kämpfer in der westlichen Grenzregion des Landes, im Swat-Tal, begonnen. Nach Schätzungen der UN wurden dadurch ca. 2 bis 3,4 Millionen Menschen vertrieben. Es handelt sich um die größte Flüchtlingswelle auf dem indischen Subkontinent seit der Teilung von Indien/Pakistan 1948. Vermutlich auch als Reaktion kam es zu zahlreichen Bombenanschlägen, unter anderem gegen eine Polizeizentrale in Lahore, einer der größten Städte des Landes.

Pakistan ist ein Staat mit etwa 170 Millionen überwiegend muslimischen Bewohnern. Laut Friedensgutachten der deutschen Friedensforschungsinstitute wurden dort im letzten Jahr bereits mehr Menschen Opfer von Krieg und Terrorismus als in Afghanistan. Pakistan verfügt bekanntlich über Atomwaffen. Die aktuelle Lage dort führt bei Experten zu einer Befürchtung, die Farhang Jahanpour auf www.transnational.org so ausdrückt: "Wenn Pakistan kollabiert, können Iran, Indien, Afghanistan und andere Staaten des Mittleren Ostens sich darauf einrichten, Millionen von 'nicht-staatlichen Akteuren' mit einem Nuklearwaffen-Arsenal zu ihrer Verfügung als Nachbarn zu haben."


Aus Afghanistan

erreichen uns ebenfalls beunruhigende Nachrichten: So tötete am 5.Mai 2009 ein US-Luftangriff in der Provinz Farah mindestens 100 Zivilisten, zwei Drittel von ihnen Kinder und Jugendliche. Dies ist bekanntlich nur ein weiterer trauriger Höhepunkt in einer Kette ähnlicher Ereignisse in Afghanistan. Seit 2004 hat sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert. " Die Zahl der zivilen Opfer und des getöteten Sicherheitspersonals ist massiv gestiegen. Von 2004 bis 2008 verzehnfachte sich die Zahl der Sprengstoffanschläge. Die Zahl der Angriffe durch Aufständische stieg von 2007 auf 2008 um mehr als die Hälfte. "Weil die internationalen Truppen einen diskreditierten und teilweise fiktiven Staatsapparat stützen, werden sie mit ihm identifiziert - das ist Wasser auf die Mühlen der Aufständischen.(...) Weitere Truppen zu entsenden (...) ist ein aussichtsloses Unterfangen, das den Krieg nur verlängert." heißt es im Friedensgutachten. Auch US-Außenministerin Clinton hat Afghanistan wiederholt als einen "Narco-Staat" bezeichnet.


US-Politik

Am 23.Januar 2009, bei der Einführung Richard C. Holbrookes als Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan, erklärte US-Präsident Obama die zwei Länder zur "zentralen Front" im "Krieg gegen den Terror". Am gleichen Tag tötete eine US-Drohne mindestens 15 Pakistani nahe der afghanischen Grenze, die erste Verletzung der pakistanischen Souveränität unter der neuen Regierung. Obama hat entschieden, die US-Truppen in Afghanistan um weitere 20.000 Soldaten zu verstärken, und auch in seiner so euphorisch aufgenommenen Rede von Kairo hat er das militärische Vorgehen dort ohne Einschränkung verteidigt. Von einem "Change" in dieser Region kann also erstmal nicht die Rede sein.


Atomwaffen

In seinem lesenswerten Buch "Brandherd Pakistan" hat Christoph Hörstel den essenziellen Beitrag des Westens zum pakistanischen Atomwaffenprogramm dargelegt. Den Zusammenhang zwischen Krieg in der Region und der Nuklearbewaffnung Pakistans hat Zbigniew Brzesinski, heute wieder einer der Berater Obamas, in einem Brief an den damaligen Präsidenten Carter anlässlich der US-Unterstützung für den Krieg gegen die sowjetischen Interventionstruppen in Afghanistan behandelt: "Dies wird eine Überprüfung unserer Politik gegenüber Pakistan erfordern, mehr Garantien, mehr Waffenhilfe, und schließlich eine Entscheidung, dass unsere Sicherheitspolitik gegenüber Pakistan nicht von unserer Non-Proliferation-Politik diktiert werden darf."



*


Quelle:
IPPNWforum | 117|18 | 09, S. 14
Herausgeber:
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Anschrift der Redaktion:
IPPNWforum
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de

IPPNWforum erscheint jeden zweiten Monat.
Preis 3,50 Euro je Exemplar. Der Bezugspreis für
Mitglieder ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2009