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ASIEN/770: China - Uiguren-Aktivistin rechnet mit Volksaufständen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2011

China:
Nur eine Frage der Zeit - Uiguren-Aktivistin rechnet mit Volksaufständen

von José Domingo Guariglia


New York, 26. September (IPS) - Einst war sie bekannt als die reichste Frau Chinas. Rebiya Kadeer, die zu den zehn wohlhabendsten Personen in Asien gezählt wurde, besaß in der Volksrepublik ein Kaufhaus und handelte mit Immobilien. Inzwischen engagiert sich die 63-Jährige als Vorkämpferin für die Rechte der uigurischen Minderheit.

Kadeers Leben nahm eine dramatische Wende, als sie 1999 festgenommen und wegen angeblichen Verrats von Staatsgeheimnissen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wurde. 2005 kam sie nach einer Kampagne von 'Human Rights Watch' und 'Amnesty International' wieder frei und ging in die USA. Von Washington aus arbeitet sie seitdem mit der 'Uyghur American Association' zusammen.

"Nach dem Massaker an Uiguren 1997 wurde mir klar, dass ich etwas gegen das Vorgehen der chinesischen Regierung tun musste", sagte Kadeer, die 2006 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden war, im Interview mit IPS. Sie habe erkannt, dass die Führung in Peking kein Interesse daran habe, das Leben der Uiguren zu verbessern und deren Menschenrechte zu respektieren.

Am 5. Februar 1997 hatten chinesische Polizisten in Gulja, der Hauptstadt des Bezirks Ily in der autonomen Region Xinjiang im Nordwesten, auf tausende Uiguren geschossen, die dort friedlich für die Freilassung ihrer inhaftierten Kinder und Freunde demonstrierten. Die jungen Leute waren festgenommen worden, weil sie trotz einer staatlich verordneten Einschränkung der Religionsausübung in Privatwohnungen religiöse Feste gefeiert hatten. Die genaue Zahl der Todesopfer ist nicht bekannt, da unabhängige Untersuchungen des Blutbads nicht erlaubt wurden.

Die Regierung in Peking hat die Aktivistin, eine ehemals uigurische Abgeordnete des Nationalen Volkskongresses Chinas, mehrfach beschuldigt, die Bevölkerung zu Revolten angestachelt zu haben. Die muslimischen Uiguren sind eine von 55 Minderheiten in China, die sich verzweifelt gegen die Einwanderung von Han-Chinesen in ihre Gebiete und die Zerstörung ihrer Kultur und Sprache wehren.

Wie Kadeer gegenüber IPS erklärte, muss der UN-Sicherheitsrat dringend reformiert werden, da er den Schutz der Menschenrechte in Ländern wie China nicht garantieren könne. Von Diktatoren regierte Staaten sollten aus allen Organisationen und Gremien der Weltorganisation ausgeschlossen werden, die sich für die Einhaltung fundamentaler Rechte einsetzten, forderte sie. "Ansonsten werden die UN ihre Glaubwürdigkeit verlieren."


"Die Lage in China wird sich ändern"

Kadeer zeigte sich überzeugt, dass es in China bald Protestbewegungen nach dem Vorbild des 'Arabischen Frühlings' geben wird. Angesichts der schlimmen Unterdrückung von Minderheiten wie den Uiguren und Tibetern seien die Voraussetzungen für solche Volksaufstände gegeben, meinte die Aktivistin, die an der hochrangigen UN-Konferenz gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der vorletzten Septemberwoche in New York teilgenommen hatte. "Die Lage in China wird sich ändern, ob die Kommunistische Partei will oder nicht. Das ist nur eine Frage der Zeit."

Nach Ansicht von Kadeer ist der chinesischen Führung vor allem die religiöse Zugehörigkeit der Uiguren ein Dorn im Auge. Die muslimische Gemeinschaft werde als Volk von Terroristen verunglimpft und verfolgt. Kadeer appellierte an die chinesische Führung, einen Dialog anzustoßen, um eine gewaltfreie Einigung über den politischen Status des ressourcenreichen Ost-Turkestans (Xinjiang) herbeizuführen. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.hrw.org/
http://www.amnesty.org/
http://www.uyghuramerican.org/
http://ngosummit.org/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2011