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ASIEN/852: Afghanistan - Kaum Hoffnung auf Frieden, USA diplomatisches Versagen vorgeworfen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Juli 2013

Afghanistan:
Kaum Hoffnung auf Frieden - USA diplomatisches Versagen vorgeworfen

von Jared Metzker


Bild: © Giuliana Sgrena/IPS

Afghanischer Soldat bewacht die Ruine des Palasts von König Amanullah
Bild: © Giuliana Sgrena/IPS

Washington, 11. Juli (IPS) - Die Chancen auf einen Frieden in Afghanistan nach dem Abzug der NATO-Truppen 2014 werden von politischen Beobachtern in den USA als äußerst gering beurteilt. Das 'International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence' (ICSR) wirft Washington in diesem Zusammenhang diplomatisches Versagen vor.

Die US-Regierung berät zurzeit über den Ablauf des militärischen Rückzugs und schließt dabei einen früheren Abzug der Soldaten als ursprünglich geplant nicht aus. Washington habe es aber leider nicht vermocht, die Voraussetzungen für einen reibungslosen Übergang hin zu einem unabhängigen Staat Afghanistan zu schaffen, heißt es in einem am 8. Juli veröffentlichten ICSR-Bericht.

Das Zentrum hat die US-Bemühungen, die Verhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung zu erleichtern, umfassend untersucht. Die Experten bezweifeln, dass sich der entstandene Schaden noch korrigieren lässt. "Angesichts der wenigen Zeit, die bis zum Ende der Mission der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF im Dezember 2014 verbleibt, gibt es wenig Grund für Zuversicht, dass weitere Gespräche zu einem Durchbruch führen könnten", heißt es in dem Report.

Befürworter und Kritiker der Verhandlungen stimmen darin überein, dass es vielfältige Probleme bei der Durchführung gegeben hat. Zurzeit sind keine Gespräche anberaumt, nachdem ein Versuch, die Regierung von Präsident Hamid Karsai und die Taliban an einen Tisch zu bringen, im Juni gescheitert war. Ein Schild mit der Aufschrift 'Islamisches Emirat von Afghanistan' am neuen Taliban-Hauptquartier in Katar hatte Karsai in Rage gebracht.


Strategische Fehler

Die US-Denkfabrik bemängelt aber auch strategische Fehler der Regierung von US-Präsident Barack Obama. So seien die US-Bemühungen, Gespräche zu vermitteln, viel zu spät gekommen. "Die USA verhandeln nicht aus einer Position der Stärke, sondern der Schwäche. Wir haben den Truppenrückzug angekündigt, bevor die Verhandlungen zur US-Chefsache erklärt wurden", sagte Ryan Evans, einer der Autoren des ICSR-Berichts. Damit habe sich Washington das wichtigste Druckmittel selbst entzogen.

Auch Frederic Grare, der Direktor des Südasien-Programms des Think Tanks 'Carnegie Endowment for International Peace' rechnet nicht damit, dass es vor dem Truppenabzug zu substantiellen Verhandlungen zwischen der Karsai- Regierung und den Taliban kommen wird. "Die Taliban wollen nichts mit Karsai zu tun haben, weil sie ihn als Marionette der USA betrachten", betonte er. "Je näher der Abzugstermin rückt, desto geringer wird die Chance, dass die Taliban zu etwas bewegt werden können, was sie eigentlich gar nicht wollen."

Der Bericht beanstandet zudem, dass die USA zu den Afghanen nicht mit einer Stimme sprechen und ihre Absichten oft in widersprüchlicher Form kundtun würden. Die Mitarbeiter der verschiedenen US-Behörden wie Verteidigungsministerium, Außenministerium und Nationaler Sicherheitsrat verfolgten unterschiedliche Ziele.

In den Prozess seien zu viele Akteure involviert und zu viele Kommunikationskanäle zu den Taliban aufgebaut worden, sodass am Ende nur Chaos herauskommen konnte, so das ICSR. Ein weiteres Problem sei, dass die Taliban nicht so geeint seien, wie dies für effektive Verhandlungen wünschenswert wäre. Die USA hätten sich einen Bärendienst erwiesen, indem sie diesen Faktor nicht berücksichtigt hätten.


Taliban uneins

"Wir haben uns den Taliban genähert, als seien sie eine strikt hierarchisch aufgebaute Bewegung. Ganz so, als ob man mit einigen Leuten an der Spitze sprechen könne, denen sich die übrigen anschließen würden", sagte Evans. "Das ist aber nicht der Fall gewesen. Die Menschen kämpfen dort aus regional unterschiedlichen Gründen und sind oft nur zufällig mit der Taliban-Führung verbunden." In der jüngeren Vergangenheit seien mehrere Abmachungen mit den Taliban letztlich daran gescheitert, dass sich die Basis quergestellt habe.

Das ICSR wies ferner darauf hin, dass die Taliban Verhandlungen häufig für einen taktischen Schachzug innerhalb einer umfassenderen Strategie zu nutzen wüssten. "Es gibt durchaus Pragmatiker unter den Taliban, die Gespräche über eine Teilung der Macht befürworten könnten", heißt es in dem Report. "Andere hingegen versprechen sich von den Verhandlungen eine Lockerung des militärischen Drucks, die ihnen erlaubt, ihre Stärke aufrecht zu erhalten und ihre Autorität in den afghanischen Gebieten, über die sie derzeit die Kontrolle haben, zu konsolidieren."

Grare kritisierte indes, dass wichtige Akteure aus dem Friedensprozess ausgeklammert würden. Indem Karsai alle Gruppen außer den Taliban auf Distanz halte, habe er sich selbst isoliert. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:
http://icsr.info/wp-content/uploads/2013/06/ICSR-TT-Report_For-online-use-only.pdf
http://carnegieendowment.org/
http://www.ipsnews.net/2013/07/afghanistan-faces-slim-chance-of-post-occupation-peace-deal/

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IPS-Tagesdienst vom 11. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2013